Diethelm Reiner Kaminski

Darf ich mein Pferd im Garten begraben?



Jeden Morgen lasse ich mich bei der Lektüre der Magazin-Beilage unserer Tageszeitung, der ‚Wotzelhausener Abendpost‘, von Glückshormonen beregnen. Ratschläge in allen Lebenslagen, praktische Tipps für Haushalt, Beruf, Ehe, Schule, Beziehungskisten, Finanzen, Scheidung, dauerhaftes Liebes- und Lebensglück und vor allem neue Hoffnung für die gesundheitlich leicht bis schwer Angeschlagenen. Von Blasenschwäche bis zum drohenden Schlaganfall gibt es Empfehlungen für schnelle Abhilfe schaffende Kräuter oder rettende bzw. lebensverlängernde Maßnahmen.
Aber ich fühle mich nicht glücklich, weil ich Gebrauch machen könnte von den goldenen Tipps, sondern weil ich in 99 % der Fälle gar nicht zu den Betroffenen gehöre, was mir das wunderschöne Gefühl gibt, auf der Sonnenseite des Daseins leben zu dürfen. Ich gehöre weder zu den Geschiedenen und Verwitweten, die häufiger als Verheiratete zur Zigarette greifen, noch zu den leichtsinnigen 79 % der Bundesbürger, die sich beim Autofahren durch Radio oder CD ablenken lassen, und erst recht nicht zu denen, die so unwissend sind, nicht zu erkennen, wann exotische Haustiere wie Chamäleons oder Riesenschlangen erkrankt sind und der medizinischen Ratschläge der Zeitungsratgeber bedürfen. Vor allem aber gehöre ich zu der von einem gütigen Schicksal begünstigten Gruppe, die nicht wissen muss, ob man ein Pferd im eigenen Garten begraben darf, weil sie ein solch handliches Haustier gar nicht besitzen.
Das macht mich aus vielen Gründen so glücklich, dass ich mich beschwingt an den PC begebe, um mein Glück mit den Leserinnen und Lesern zu teilen, von denen die wenigsten ein Pferd ihr eigen nennen dürften, weil ein hartherziger Vermieter die Haltung auf Balkon, in der Garage oder gar in der Diele nicht genehmigt hat.

Ich freue mich, weil ich nicht wissen muss, ob ich ein Pferd im eigenen Garten begraben darf.
Ich freue mich, dass ich kein Pferd im Falle seines Ablebens beweinen muss.
Ich freue mich, dass ich keine Grube in den Maßen 2 x 1,5 x 3 m in meinem Garten ausheben muss.
Ich freue mich, dass mir kein wertvoller Platz in meinem Gärtlein für Blumen und Kräuter verloren geht.
Ich freue mich, dass es mir erspart bleibt, Sattel und Halfter auf dem mit Hafer besätem Grab blank zu wienern und wetter- und winterfest zu machen.

Vor allem aber freue ich mich darüber, dass es eine Beilage der „Wotzelhausener Abendpost“ gibt, die mir Tag für Tag eindringlich vor Augen führt, wie viel Freude in unserem Leben ist. Wir müssen sie nur erkennen, sie in uns einlassen und bis zur nächsten Magazinausgabe nachwirken lassen, in der uns neuen Freude geschenkt wird, weil die Restaurantkritik wieder einmal so vernichtend ausgefallen und die Preise des heimgesuchten Edelschuppens so hoch sind, dass ich gar nicht in erst in Versuchung gerate. Um mein Glück abzurunden, lege ich eine Schallplatte mit einem Chanson von Otto Reutter aus dem Jahre 1930 auf – mit 78 Umdrehungen, um mein Glück noch zu beschleunigen: „Hoch die Welt, wir leben hier in Saus und Braus. Und so kommen wir aus der Freude gar nicht raus.“
 




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