situation 1)
kürzlich saß ich -auf eine gemütlich warme, 1stündige fahrt eingestellt- im
zug und sah -wie immer- aus dem fenster, bis mich plötzlich der schaffner
-durchaus sanft- aus meinen träumen riss. artig lächelnd gab ich ihm meine
fahrkarte, was er mir mit einem "schön, dass sie mitfahren" und einem -dem
meinen ähnlichen- grinsen quittierte. noch überrascht von solch einer
-selten erlebten- herzlichkeit, sah ich ihm hinterher und beobachtete, wie
er zu einer -an der vorherigen station eingestiegenen- jungen frau ging, um
sie gleich darauf -ebenso freundlich- nach ihrem ticket zu fragen.
da saß ich nun, lächelte bei -immernoch vor überraschung triefenden-
gedanken dümmlich in der gegend herum und wurde urplötzlich -dieses mal
reichlich unsaft- erneut aus meinen tagträumereien förmlich heraus
katapultiert.
besagte frau machte (lautstark) einem ärger luft,dessen sich steigernde
intensität wunderbar an ihrem -immer röter werdenden- gesicht ablesbar
war.
(das bild einer dampflock drängte sich unweigerlich in mein bewusstsein.)
die situation war folgende:
wie ich schon erwähnte, war die gute eine station vorher eingestiegen. wir
verließen diese und fuhren gerade am ortseingangsschild "altenburg" vorbei,
als der schaffner sich der dame näherte. im weiteren verlauf des gespräches
wurde deutlich, dass ihre fahrkarte NUR für altenburg galt-jedoch aber
offensichtlich war, dass sie bereits in leipzig den zug betreten hatte.
kurz: sie musste blechen.
irgendwie gelang es dem schaffner -meinem persönlichen held- sogar, selbst
diese -durchaus unangenehme- tatsache -einer liebeserklärung gleich- zu
übermitteln, aber offenbar wurde seine liebe nicht erwiedert. statt sich der
ausweglosen situation zu fügen und ihre (oder falsche) daten auf den
protokollbogen zu schreiben, schien frau x. die -sich ergebende- chance zu
nutzen, sich all ihrem frust, ihrer unzufriedenheit und ihrem -gott
gegebenen- beschissenen charakter zu entledigen. sie spie gift und galle auf
den armen schaffner, der sein lächeln offenbar tapfer an seine ohren
getackert hatte. als sie ihn dann schließlich als "rassisten" betitelte,
wurde es nicht nur ihm, sondern auch mir zu viel. mir entfuhr ein -viel zu
lautes- "MAAAAAAAAAAAN", das mir rampenlicht, blicke und aufmerksamkeit
sicherte und dem schaffner sein -kürzlich verlorenes lächeln- zurück gab.
gefühlte unendliche minuten später drängte sich allerdings miss wichtig
erneut mit weiteren,sinnlosen beleidigungen in den mittelpunkt, sodass ich
zwar kurz erleichtert aufatmete, um gleich darauf allerdings -dezent
angenervt- in die schützende dröhnung meiner kopfhörer zu flüchten.
...
situation 2)
montag morgen. ich bin nicht sonderlich prickelnd gelaunt und -natürlich mal
wieder zu spät- auf dem weg zur arbeit, als meine straßenbahn
-unvorhersehbar- abbremst, um dann schließlich mit blinkendem warnlicht
endgültig stehen zu bleiben. kurz darauf folgt die (monotone) ansage des
fahrers, dass wir "aufgrund technischer defekte an der weiterfahrt gehindert
werden"-die türen gehen auf (ein echter rausschmiss!) und massen stürmen auf
die arschglatten straßen.
was ich nun sehe, lässt mich stehen bleiben und mit offenem mund auf die
straße vor mir starren-unsicher ob ich lachen oder weinen soll. bereits bei
dem -überaus hektischen- versuch inmitten von ca. 50 anderen, die straße zu
überqueren, haben sich 3 erstmal den boden aus der nähe angeschaut und
werden von den übrigen -zur nächsten haltestelle hastenden- menschen einfach
überstiegen. dort auf der erde liegend können sie allerdings sogar noch froh
sein, denn so bleibt ihnen der nun folgende -an hysterie grenzende- wahnsinn
wenigstens erspart.
als ob es darum ginge gegen dieses "miep-miep-vieh" aus der "bugs
bunny-show" im wettlauf anzutreten, preschen die restlichen 47 -ohne
rücksicht auf verluste- alle -tretend und schubsenderweise- in die selbe
richtung (früher gab es einen solchen ausnahmezustand bei uns maximal in
zusammenhang mit bananen).
als es neben mir -kaum hörbar- grunzt, stelle ich fest, dass ich nicht die
einzige bin, die sich urplötzlich nicht mehr von der stelle bewegen konnte-
allerdings hatte sich der mann neben mir bereits für lachen-statt weinen-
entschieden.
ich schließe mich an.
nachdem wir uns beruhigt hatten -und die massen längst weg waren-, machten
wir uns ebenfalls -äußerst gemütlich plaudernd- auf den weg zur nächsten
haltestelle, um dort zeitgleich mit der nächsten straßenbahn anzukommen,
einzusteigen und den -inzwischen wieder 50- leuten dabei zuzusehen, wie sie
sich einen verbitterten kampf um die sitzplätze liefern.
...
situation 3)
vor ein paar wochen traf ich mich regelmäßig mit einer bekannten, die mich
jeden morgen an der gleichen stelle abholte, um mich anschließend auf ihrem
weg zur arbeit an der schule abzusetzen, an der ich arbeite.
also stand ich an besagtem ort und wartete -gewöhnlich 10/15 minuten- auf
das erscheinen meiner bekannten und beobachtete jeden morgen aufs neue die
-immer wieder gleichen- personen. zu jenen gehörte -unter anderem- eine
mutter, die ihr kind (vermutlich) zur bushaltestelle brachte.
ich sah sie nie kommen- hörte aber jedes mal ihre -durchaus herbe, kratzige-
raucherstimme, die mit hilfe einer ohrenbetäubenden -aus einem sich stets
wiederholenden satz bestehenden- mecker-tirade (die dem kind galt), ihr
erscheinen ankündigte........
..... dann erst sah ich sie.
eine frau, deren jahrelanger nikotinmissbrauch es sich offensichtlich zur
aufgabe gemacht hatte, ihre haut wie einen alten,rissigen wischmopp aussehen
zu lassen, was dazu führte, dass ich sie auf eine gute 60 schätzte, die sie
mit sicherheit noch nicht war. sie trug -neben einigen kilos zu viel auf den
rippen- fellbesetzte schuhe, die man netterweise auch als hausschuhe
betiteln hätte können und einen langen -sich wellenden- umhang mit
leopardenmuster, der auch gut und gern als decke durchgegangen wäre. den
krönenden abschluss bildeten ihre halb blond/halb rot- gefärbten haare -in
kombination mit einem tiefen schwarzen ansatz.
kurz: sie war im wahrsten (oder auch ironischsten) sinne des wortes eine
"offenbahrung".
worauf ich eigentlich hinaus will, ist die art und weise der kommunikation
(bzw. nicht-kommunikation), die diese frau -ihrem kind gegenüber- an den tag
legte. der einzige satz, den sie bereit war zu ihrer (zuneigung- und
mitteilungsbedürftigen) tochter zu sagen, war folgender: "isch weeeeeeiß
nisch, watte von mir willst, verdammisch nochä moal".
noch einige zeit später hatte ich den -immer gleichen- traurigen blick des
mädchens im kopf, der reaktiv auf die wortarmut der mutter folgte.
... to be continued. (leider!)
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Anne Schädel).
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.12.2010.
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