Rolf Kirsch

Ein Zeichen setzen

Bruno hat jetzt in einem kleinen Kreis zugegeben, dass er, Bruno, spätestens seit dem 3. Advent fest entschlossen gewesen sei, dieses Mal auf ein Weihnachtsfest vollkommen zu verzichten. Er habe, so wurde berichtet, nach diesem Entschluss sofort mit den Vorbereitungen auf den Weihnachtsfestverzicht begonnen, an seinem Adventskalender auf einen Rutsch Türchen für Türchen geöffnet, das jeweilige Bildchen bewusst ignoriert und den Kalender dann unter Berücksichtigung von Mülltrennvorschriften entsorgt, seinen Adventskranz mit einem Male heruntergebrannt und ihn einem Komposthaufen anvertraut. Den schon bestellten Weihnachtsbaum, so hieß es weiter, habe er nicht ohne Schwierigkeiten und ohne Zahlung einer Gebühr in Höhe des Kaufpreises noch stornieren können.
 
Weiterhin, so zuverlässige Quellen, habe er einige der schon erstandenen Geschenke gegen einen Gutschein wieder zurückbringen können, einige andere für sich verwenden und wieder andere als Geburtstagsgeschenke für das nächste Jahr umwidmen können. Einladungen, die er, Bruno, schon ausgesprochen habe, hätten mit vielen Argumenten rückgängig gemacht werden können. Einladungen, die an Bruno selbst gerichtet gewesen seien, habe er abgesagt, nicht ohne zur Kenntnis nehmen zu müssen, dass er hier oder dort in Zukunft nicht mehr bedacht würde, um seiner geänderten Einstellung zu Weihnachten gerecht zu werden.
 
Bei allen Absagen und Stornierungen habe Bruno hauptsächlich immer nur ein einziges Argument gebraucht, nämlich, dass er nunmehr dem Konsumterror, welcher dem eigentlichen Sinn des Weihnachtsfestes vollkommen zuwider liefe, ja sogar diesen Sinn bis zur Unkenntlichkeit entstelle, dass er diesem Konsumterror ganz persönlich ein Zeichen entgegen stellen wolle, indem er diese Festtagsdaten vollkommen ignoriere und daraus übliche Wochentage mache, wie er sie auch sonst gewohnt sei.
 
Als Bruno nun von einigen der Umsitzenden gefragt worden sei, ob er seine Absicht, Weihnachten nicht zu feiern, durchgehalten habe und wie es ihm seelisch beziehungsweise emotional beziehungsweise mental ergangen sei, habe Bruno nach einer längeren Pause eingestanden, dass er einen Tag vor dem Heiligen Abend noch einen Adventskalender in der Apotheke seines Vertrauens habe kostenlos erstehen können, sich noch einen Adventskranz aus Zweigen, die sich ihm bei seinem Gang über den Friedhof in den Weg stellten, habe zusammenstecken und noch einen Weihnachtsbaum minderer Qualität beim Weihnachtsbaumhändler an der Ecke Goethe-/Heinestraße habe kaufen können. Den Weihnachtsschmuck dazu habe er gottseidank, gottseidank habe Bruno wiederholt, gottseidank noch nicht entsorgt. Die von ihm umgewidmeten Gaben und die Geschenke für die Geburtstage des nächsten Jahres habe er abermals zurückwidmen können. Nur die stornierten Einladungen, die ihm galten und die er selber ausgesprochen habe, diese stornierten Einladungen habe er im Status der einmal ausgesprochenen Absage belassen, um nicht Opfer eines allgemeinen Gespötts zu werden.
 
Auf die Frage eines Umsitzenden, warum er seinen Sinn, den er nach dem 3. Advent gewandelt habe, am Tage vor dem Heiligen Abend noch einmal gewandelt habe und wie es sich nun mit dem Konsumterror verhalte, dem er, Bruno, ein persönliches Zeichen entgegensetzen wolle, darauf, so wurde erzählt, darauf habe Bruno wie folgt geantwortet:
 
Zunächst, so habe Bruno erläutert, sei das Wort Konsumterror möglicherweise doch ein wenig zu stark gewählt. Schließlich sei es nicht so, dass, wenn man einen Laden betrete, mit vorgehaltener Pistole und mit Gefahr für Leib und Leben dazu gedrängt würde, etwas zu kaufen. Auch wenn die Werbewirtschaft und die Umstände der Adventszeit fast das Niveau einer allgemeinen Nötigung aufzeigten, auch dann habe ein freier Bürger immer noch das Recht, dieser Nötigung ein Nein entgegen zu setzen, was seine ursprüngliche Absicht ja auch gewesen sei.
 
Weiter aber, und das sei der eigentliche Grund seines abermaligen Sinneswandels gewesen, weiter aber habe er einen Tag vor dem Heiligen Abend der Tageszeitung entnehmen müssen, dass der Ägypter Scheich Jussuf al-Kardawi, ein einflussreicher Koran-Gelehrter, die Regierungen aller islamischen Staaten aufgefordert habe, in ihren Regionen die Weihnachtsfeier zu verbieten. Ein solches Verbot, so Bruno, widerspreche seinem Verständnis von Demokratie. Gegen dieses Verbot habe er ein persönliches Zeichen setzen wollen. So und nur so sei sein abermaliger Sinneswandel zu erklären.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.12.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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