Jürgen Berndt-Lüders

Szenen einer Ehe (2)

Schwer atmend löst sich Hubert von Melanie. Er rollt zur Seite und zieht die Decke über den Körper. 
 
„Gute Nacht, mein Schatz“ murmelt er und wartet auf den Schlaf. Aber da fehlt noch  ihre Erwiderung. Ohne die kann er nicht einschlafen. Statt ihres obligatorischen "ja, gute Nacht", hört er ein unterdrücktes Schluchzen. Er schreckt hoch.
  
„Was ist los?“
  
„Nichts“, ruft sie gequält und springt auf. Sie rennt aus dem Zimmer, hinein ins Bad und dreht den Schlüssel.
  
Hubert schüttelt den Kopf, folgt  ihr widerwillig und stellt sich vor die Badezimmertür. Er klopft und lauscht.
  
„Mellie, komm, mach auf. Erzähl’ mir, was los ist.“
  
„Morgen“, bringt Mellie mühsam heraus. „Geh schlafen. Du brauchst deinen Schlaf. Morgen erzähl’ ich es dir.“
 
Hubert klopft noch einmal. „Schatz, das hat doch keinen Sinn. Meinst du, dass ich jetzt schlafen kann? Komm, lass es  raus.“
                                                      *
 
Mellie und Hubert sitzen sich am Esstisch gegenüber. Hubert hat eine Kerze angezündet. Die soll Mellie beruhigen. Er lauscht ihren Versuchen, sich ihm zu erklären. Weil sie Angst vor seinen Reaktionen hat, stellt sie es ungeschickt an. 
 
„Ich habe oft darüber gelesen, was man tun soll, wenn es soweit ist“, bringt sie mühsam heraus. „Aber es ist so unendlich schwer.“
  
Hubert greift ihre Hände. „Nun sag schon...“
  
„Ich hatte mir so fest vorgenommen, darüber zu schweigen, aber ich schaffe es nicht. Es bringt mich um.“
  
„Warst du beim Arzt? Hat er dir irgendwas... Schlimmes gesagt?“
  
Mellie rennt um den Tisch herum, nimmt seinen Kopf zwischen ihre Hände und küsst ihn. „Nein, es ist etwas Anderes.“
  
Hubert schwant etwas, und was ihm schwant, macht ihn unfähig, sich mit einem Kuss zu revanchieren. „Du hast ein schlechtes Gewissen, das spüre ich. Hast du einen anderen?“
  
„Nein“, schreit Melanie. „Es war einfach nur dumm von mir. Auf der Betriebsfeier, der Schulze hat mich so angemacht. Da ist es passiert. Der Alkohol...“
  
„Du bist also fremd gegangen, und jetzt quält dich dein  Gewissen.“ Hubert senkt den Kopf und starrt auf die Tischplatte.
  
„Ich liebe dich doch“, schreit Melanie. „Es war wie ein Rausch. Bitte verzeih mir, bitte. Es passiert nie wieder.“
  
„Sieht Schulze das auch so?“
  
„Ja, ich habe schon mit ihm drüber gesprochen. Er liebt seine Frau, und... Bitte glaube mir.“
 
Mellie rechnet damit, dass Hubert die Ehe aufkündigt. Stattdessen erhebt er sich seufzend und murmelt müde:
 
„Na gut, dann sind wir ja quitt. Lass uns nun schlafen gehen.
  
Melanie erstarrt. „Du bist auch...“
  
„Ja, aber das ist lange her. Eine ähnliche Situation. Sowas kommt eben vor. Ist nicht so schlimm.“
  
Kraftlos lässt sich Melanie auf den Stuhl fallen. Sie bekommt kaum Luft. „So locker gehst du damit um? Ich sterbe beinahe vor Reue,  aber der Herr steckt sowas weg wie nichts. Schläft mit mir wie immer, redet mit mir wie immer, lässt sich nichts anmerken...
  
Doch, du hast gelernt, du machst Dinge, die du vorher nie gemacht hast. Kannst deiner dummen Mellie jetzt was beibringen. Hast ja eine gute Lehrmeisterin gehabt. Ich hasse dich...“
 
                                                                               *
 
Entsetzt sieht ihr Hubert nach, wie sie ins Wohnzimmer rennt, wo ihre Sachen wie immer auf der Couch liegen. Normalerweise bis zum nächsten Morgen, aber jetzt wird sie zu ihrer Schwester gehen. Sie hat schon oft damit gedroht.
 
 Hubert wendet sich beherrscht der Haustür zu. Es ist abgeschlossen. Er zieht den Schlüssel ab, steckt ihn in die Hosentasche und entnimmt Mellies Exemplar ihrer Manteltasche. Nun steht er auf dem Korridor und wartet...
 
 
© Jürgen Berndt-Lüders
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.01.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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