Zugegeben, die sonst so florierenden Gewerbebetriebe in Wotzelhausen kränkeln zurzeit etwas, eigentlich sollte ich lieber sagen: gewaltig, aber ich möchte niemandes Optimismus schmälern, denn den brauchen wir, um uns wieder in vorderste Linie zu bringen. Schuld an der Flaute war der lange schneereiche Winter. Den hatten andere Gemeinden auch, aber nicht so viele Flachdächer wie wir, und nicht so wenig Streusalz. Streusalz hatten wir zwar mehr als genug eingelagert, aber als sich bei den ersten Schneeflocken die Gelegenheit bot, unsere Vorräte zum doppelten Preis an die Buxxhofener zu verkaufen, konnten wir denen die kleine Bitte nicht abschlagen. Unser wetterfühliger Bürgermeister hatte nämlich verbreitet, es würde einen geradezu frühlingshaften Dezember und einen überaus warmen Januar geben, und dann sei das Schlimmste sowieso überstanden. Am schönsten war aber die Vorstellung, den überängstlichen Buxxhofenern die Suppe versalzen zu haben und sie auf den Streusalzvorräten sitzen bleiben zu sehen. Für ein Fünftel des Einkaufspreises hätten wir´s ihnen gerne wieder abgekauft. Nun gut. Eins zu null für Buxxhofen. Sei´s ihnen gegönnt. Holen wir uns eh alles zurück, wenn nicht gleich, dann später. Jedenfalls war infolge unserer Großzügigkeit der innerstädtische Verkehr komplett lahmgelegt und wir Wotzelhausener zum Nichtstun verurteilt, was auch seine schönen Seiten hat.
Das eigentliche Problem jedoch bescherte uns nicht der Mangel an Streusalz, sondern das Übermaß an Flachdächern. In den Gründerjahren Wotzelhausens hatte der damalige Bürgermeister August Schlemmermeier, mit besten Verbindungen zu einer Flachdachbaufirma, die Losung ausgegeben: Eines Wotzelhauseners Dach ist flach. Freie Sicht auf Wotzelhausens Dom. Flache Dächer bieten vielerlei Vorteile. Sie sind nicht nur preiswert und platzsparend. Man kann Biogärten anlegen und Ziegen und Schafe darauf weiden lassen. Vor allem kann man sie als Sonnen- und Feierabendterrasse nutzen und den Blick auf Dom und Rathaus genießen. Dass Flachdächer ausnehmend gut für die Aufnahme von Schneemassen geeignet sind, konnten wir nicht ahnen in einer Epoche rasanter Klimaerwärmung. Viele unserer Leichtbauflachdächer stürzten ein. Der Schaden für den Einzelnen und die Gemeinde ist immens. Trotzdem werden wir unserem verdienstvollen Altbürgermeister nicht in den Rücken fallen. Unser Dach bleibt flach, nur sollten wir die Zahl unserer ehrenamtlichen Schneewächter erhöhen.
Mit zerquetschten Hühnern oder Schweinen ist kein Geschäft zu machen, aber wir Wotzelhausener haben die Nase vorn. Man muss nur die Zusammenhänge erkennen , seine Schlüsse daraus ziehen und entschlossen handeln. Woran liegt es, dass die Benzin- und Ölpreise unaufhaltsam in die Höhe klettern? Weil die deutsche Futterindustrie den Raffinerien zu viel Öl für den Eigenbedarf entzieht. Und weil die Verbraucher zu fett essen. Diesen unheilvollen Prozess heißt es umzukehren, damit Schmieröl und Maschinenfett endlich wieder dorthin gelangen, wo sie hingehören: in die Tankstellen und Autowerkstätten.
Der Zeitpunkt ist günstig. Die Bundesbürger sind verschreckt und essen keine Eier und Milchprodukte mehr. Die Entsorgung ist kostspielig. Da kommen jetzt Wotzelhausen und sein technisch-wissenschaftliches Know-how ins Spiel. Wir holen die in Verruf geratenen Produkte bei den Großhändlern, Landwirten und Supermärkten ab und entziehen ihnen (wie, das lassen Sie nur unsere Sorge sein) das krebserregende Fett und führen es wieder der ausgedünnten Petrochemie zu. Die Benzinpreise sinken, den Menschen sind dank unseres vertrauenswürdigen Prüfsiegels die Dioxinängste genommen, und die Wotzelhausener Wirtschaft blüht prächtiger als vor der Krise.
Nun fehlen uns nur noch geeignete Transportmittel, aber da rechnen wir mit der Unterstützung Buxxhofens, die uns dankbar sein müssten, dass wir sie uneigennützig über den Winter gebracht haben. Lagerplatz? Da bieten sich unsere bewährten Flachdächer an. Es sind ja zum Glück längst nicht alle eingestürzt.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.01.2011.
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