Martina Stabauer

Jetzt oder nie!

Atemzug für Atemzug fällt es mir schwerer mich gut zu fühlen und den stickigen Staubgeruch zu ignorieren. Mein Blick schweift durch die silber- schimmernden Gitterstäbe und sucht vergeblich nach Freiheit. „Ich bin unschuldig!“ Als mich mein „Mitbewohner“ finster und ungläubig anstarrt, merke ich dass ich wohl wieder einmal laut gedacht habe.
Einige einsame Jahre später:
Ich habe es noch immer nicht geschafft meine Unschuld für die Außenwelt glaubwürdig zu übermitteln.
Niemand der mich wirklich kennt würde mir so etwas jemals zutrauen, aber meine Familie hat erfahren was ich getan haben soll und hat dadurch die Fähigkeit verloren, zu glauben mich wirklich zu kennen.
Jetzt steh ich hier in Freiheit, aber dem Leben doch so fern.
Keine Freunde, keine Familie und keinen Job.
Nur mich selbst, den immer weniger vorhandenen Glauben ein neues Leben nach dem Abschnitt „Gefängnis“ beginnen zu können und einige wichtige Habseligkeiten aus meinem vorigen Leben.
Ich bin frei, aber weiß nicht wohin und was tun.
Mehr schlendernd, als hoffnungsvoll und stark gehe ich die Straße entlang, weg von den Jahren im Gefängnis und auf ein neues Leben zu.
Ich nehme mir vor zuerst nach einem Job zu suchen, um wieder in meinen gewohnten Alltag zurück zu finden.
3 Jahre Gefängnisaufenthalt, wegen Mord an einer Minderjährigen.
Keine Wohnung, kein Geld. Nichts.
„Wow, meine Chancen stehen ja super.“, sage ich zu mir selbst und stoße einen verzweifelten Seufzer aus.
Einige Zeit später:
Harz4 ist mein Job, eine kleine Zwei-Zimmer Wohnung am anderen Ende der Stadt mein Zuhause.
Und an diesem verregneten, grauen Montagmorgen sollte ein einziger Anruf mein Leben von Grund auf verändern.
Es stimmt: Ich habe früher einmal ziemlich gut geschrieben.
Aber keine Geschichten oder Gedichte, nein auch keine Bücher wie es eigentlich üblich ist.
Das Einzige was ich in mein kleines unscheinbares Notizbuch jemals zu Papier gebracht habe, waren meine Gedanken.
Wie ich mich fühlte, was in mir vorging. Nicht mehr und nicht weniger.
Die Zeit im Gefängnis war die einzige, in der ich nachdenken konnte ohne dabei immer wieder gestört zu werden.
Tag für Tag schrieb ich meine Gedanken auf, um wenigstens etwas annähernd Sinnvolles zu tun.
Die Zeit nach dem Gefängnis war nicht einfach.
Mein Notizbuch kam mir unwichtig und lächerlich vor.
So kam es dass ich es einige Tage bevor ich in meine kleine Wohnung, welche ich mir durch mein Arbeitslosengeld halbwegs leisten kann, eingezogen bin, einfach achtlos in den nächst besten Mülleimern geschleudert und seitdem nicht mehr daran gedacht habe.
Wieder zurück zu diesen einen Anruf!
Ich bin gerade dabei mir eine Zigarre anzuzünden und es mir auf den uralten Fernsehsessel meiner Großmutter gemütlich zu machen, als mich das schrille Läuten des Telefons sofort wieder aus meinen Gedanken reist. Ich fluche vor mich hin:“Kann man nicht einmal seine Ruhe haben?!“.
Verärgert, aber gleichzeitig gespannt, hebe ich den Hörer ab und höre zuerst nur schweres Atmen.
„Herr Kamper?“ „Ja, der bin ich.“ „Sie sind Autor?“
„Nein, nicht wirklich.“, antworte ich irritiert und stotternd.
„Ich weiß nicht wie ich mich ausdrücken soll.“
„Was sollen Sie von mir?“ Ich bemühe mich freundlich zu bleiben.
„Ich habe ihre Gedanken gelesen. Ihr Notizbuch im Mülleimer schien mir interessant zu sein und ich nahm es heraus. Ihr Schreibstil ist fantastisch und ich würde Sie gerne in meinem Verlag als Kritikverfasser oder Ähnliches einstellen.“ Resigniert und wie perfekt auswendig gelernt ratterte dieser Mann, von dem ich noch nicht einmal den Namen kenne, diese Sätze herunter.
Ich bin irritiert.
Ich soll als Autor arbeiten?
Ich habe Nichts und bekomme einen Job angeboten?
Was soll ich jetzt nur tun?
Ich habe keine Ahnung was ich von diesem Angebot halten soll. Plötzlich merke ich dass dieser mir unbekannte Mann noch immer am Telefon wartet.
„Hallo, Herr...?“ Ja, wie heißt er eigentlich. Frage ich mich selbst. „Oh, Entschuldigen Sie. Mein Name ist Kampinski. Nennen Sie mich ruhig Mario.“
„In Ordnung Herr Kampinski. Ich meine Mario. Das geht mir alles viel zu schnell. Wäre es möglich dass sie sich im Laufe des Tage noch einmal telefonisch bei mir melden?“
„Natürlich, kein Problem.“, antwortet er und schon war die Verbindung unterbrochen.
Wie unüberlegt bin ich nur gewesen meine komplette Anschrift und meine Telefonnummer in mein Notizbuch zu schreiben?! Aber wie hätte ich ahnen können das Jemand mein Notizbuch in einem Mülleimer entdeckt?! Das alles erscheint mir sehr unrealistisch. Ich muss mein Leben endlich wieder in die Hand nehmen, ermahne ich mich selbst. Dennoch verbringe ich auch diesen Abend nur damit fern zu sehen und gedankenverloren in die Ferne zu starren. Spät am Abend, als ich mir gerade einen starken Kaffee zubereite, höre ich wieder das Laute Läuten des Telefons.
Ich habe mir schon vorhin geschworen nicht abzuheben. Und was mich dazu gebracht hat dass ich jetzt im Wohnzimmer stehe mit dem Hörer in der Hand und Herrn Kampsinski in der anderen Leitung? Dieser eine Gedanke: „Jetzt oder nie!“
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.01.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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