Lucía M.

Verräter

So beobachte ich stumm, wie die Wäsche im Seifenwasser ertrinkt. Die Trommel jault, ruckelt und das Karussell beschleunigt sich. Bis es schlagartig wieder stehen bleibt, das Getriebe in Schwung versetzt und sich dann weiter dreht.

Es ist der Rauch gewesen, der dich verraten hat.

Sein Geruch, der Geruch von scharfem Zigarettenrauch. Er hing an an deinem Hemd, an deiner bleichen Haut, an dir. Kräuselnd graue Dunstschwaden, dichte Wolken, die durch den Raum schweben, welchen Raum?

Mit dem Rauchen hast du aufgehört, damals schon, vor Jahren. Du warst es, der sich über den beißenden Gestank, der von dem Nachbarbalkon ausging, beschwert hat. Das warst du und du bist es. Weil ehemalige Raucher darauf sehr empfindlich reagieren, hast du gesagt. Ich nicht, weil ich es nicht beurteilen kann, weil ich nicht rauche und es nie getan habe. Außer zweimal, dreimal. Damals, als sie mir einen Glimmstängel anboten und ich daran gezogen habe. Mit geschlossenen Augen, denn die Naivität spiegelte sich in ihnen, während ich mich lässig am Zaun anlehnte. Und so hast du mich gefunden, du hattest etwas in der Hand. Eine Zigarette? Ich erinnere mich nur daran, dass ich lachend versuchte, dein billiges Plastikfeuerzeug anzumachen und an den ersten Kuss, der auf meinen Lippen einen metallischen Geschmack hinterließ. Daran, dass meine Augen im Morgengrauen, gegen Ende der durchtanzten Nacht, wegen der vom Rauch geschwängerten Luft brannten. Heute brennen meinen Augen auch, wegen dem Gestank, der an deinem Hemd klebt.

Was ist da noch für ein Geruch?, frage ich mich und will es nicht herausfinden. Vielleicht aus Angst, etwas Unbekanntes zu entdecken. Aus Angst, den Duft zu erkennen, der nicht nach meinem Parfum riecht.

Hastig sammle ich deine Kleidung, angewidert trage ich sie mit zwei Fingern hebend zur Waschmaschine. In den Taschen deiner Hosen, deiner Hemden finde ich keine Zigarettenschachtel. Nichts finde ich da, wofür ich dich hassen darf. Und dein Kuss, der über die Jahre flüchtiger geworden ist, schmeckt wie immer.

Ich hatte nicht das Bedürfnis zu rauchen, nie. Nur einmal, damals, als wir über die Autobahn gefahren sind, um deine Eltern zu besuchen. War es Weihnachten? Ich erinnere mich nicht gut, aber daran, dass es kalt war und seit Tagen Schnee angekündigt war. So schnell brach der Sturm über uns und die vielen anderen Autofahrer herein. Und als wir endlich der Eiszone entkommen konnten und eine dünne Schneeschicht die Straße teilweise bedeckte, tauchte auf der Gegenfahrbahn dieser Lieferwagen auf, ganz plötzlich. Du hast behauptet, ihn nicht gesehen zu haben. Was du gedacht hast, weiß ich nicht. Ich erinnere mich jedoch an meinen Schrei, dein Name. Im Zeitlupenballett drehte sich der Lieferwagen, endete an der Leitplanke.

Glück haben wir gehabt in diesen Sekunden, erklärte uns einer der Sanitäter. Ich bat ihn um eine Zigarette, zum ersten Mal. Im Blaulichtgewitter hörte er mich nicht, genauso wenig wie er mich gehört hätte, wenn ich geschrien hätte, dass Glück mit uns beiden nichts zu tun hatte, nicht mehr.

Ich erinnere mich daran, dass du mir Stunden zuvor erzählt hattest, du würdest ihr ein hübsches Paar Ohrringe schenken. War es Zufall, dass ich an diesem Weihnachten von dir ein Armband geschenkt bekam? Ich habe es danach nie wieder getragen, weil meine Wut sich in dem Silber so blendend spiegelt.

Stumm starre ich auf die umherwirbelnde, nasse Wäsche in der Trommel. Das Bild verschwimmt mir dabei vor Augen, ist es wegen den Tränen oder wegen dem Seifenwasser? Mit leeren Händen stehe ich hier vor der Waschmaschine, vor dir, vor unserem Leben. Und die Gedanken stapeln sich in meinem Kopf, der Schmerz stapelt sich in meinem Herzen. Hinsehen will ich nicht. Ich weiß, dass ich dich fragen sollte, wieso deine Kleider nach Zigarettenrauch riechen. Doch da ist diese Angst vor der Antwort, die ich längst kenne.

Eigentlich sollte ich dich verstehen können, denn ich kenne dieses wunderbare Gefühl, das von Freiheit. Schließlich bin ich diejenige, die nicht raucht.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.02.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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