Nicolai Rosemann

Alte Rache

1. Erwachen
Mit der Klinge fährt er langsam seinen Unterarm hinauf. Der Schnitt ist klein und flach, doch das Blut fließt sofort sprudelnd heraus. Er verdreht vor Schmerz die Augen, hält seinem Gegenüber jedoch die offene Wunde hin.
Durch den Nebel des Schmerzes kommt die Stimme des Gegenübers nur leise und schwach herüber: „Dir ist klar was es bedeutet.“
„Verlier keine Zeit“, keucht der Mann und drückt auf die Vene. Der Blutstrom wird nicht stärker.
„Sei nicht traurig.“
„Es ist mein Wille. Meine Entscheidung“, stammelt der Mann. Sein Gegenüber nickt kaum merklich und schlägt die Kapuze zurück. Dann setzt er die Lippen auf den Schnitt und leckt das bereits geflossene Blut ab. Der Strom beginnt bereits wieder langsam zu versiegen als er seine Zähne ins Fleisch rammt und richtig zu trinken beginnt.
Später lässt er die leere Hülle achtlos zu Boden gleiten und wischt sich den Mund ab. Frisch gestärkt bewegt er die noch etwas steifen Muskeln und schüttelt die grauen, langen Haare aus. Unzählige fallen heraus, darunter ist der dunkelbraune frische Haarschopf zu sehen.
„Geht es dir besser?“ fragt der Beobachter, der die ganze Zeit im Schatten der Ecke gestanden hatte.
Der Vampir massiert seine Handgelenke. „Die Stricke haben sich tief in mein Fleisch gegraben. Ich werde mehr brauchen um diese Wunden zu schließen“, erklärt er.
„Ich werde sie dir bringen. Wie viele auch immer du brauchst, ich werde sie dir bringen. Meister?“
Der Vampir schweigt und schiebt die Vorhänge etwas zur Seite. Es ist nicht mehr dunkel, bald wird die Sonne aufgehen.
„Meister?“ wiederholt der Beobachter seine Frage.
„Wo kann ich schlafen? Ich bin müde.“
„Du weichst meiner Frage aus. Du weißt wohl was ich will.“
„Es ist noch zu früh. Ich will noch nicht darüber sprechen!“ sagt der Vampir in einem rüden Ton und unterstreicht es mit einer herrischen Geste. Der Beobachter verneigt sich leicht und deutet dann auf den Keller.
„Dort ist ein Platz für deinen Sarg. Ich habe schon alles vorbereitet. Wenn du aufwachst, wird der nächste Trunk bereit stehen.“
„Gut. Guten Tag.“
„Meister?“ Der Vampir dreht sich fragend um. „Die Zeit heilt alle Wunden. Das weißt du doch?“
Der Vampir verzieht das Gesicht und knurrt. „Darum hast du mich fast 400 Jahre in dem Loch gelassen?“
„Man musste dich vergessen. Davor hätte sich jemand erinnern können!“ verteidigt sich der Beobachter.
„Pah! Kein Mensch lebt 400 Jahre. Nicht einmal die Inquisition überlebt solange. Sie ist vergessen, genau wie ich!“ Schnaubend kommt er näher und packt den Beobachter an der Kehle. Er hebt ihn hoch und zerrt ihn dabei ins Licht. Der Beobachter ist jung, vielleicht zwanzig. Die braunen Locken hängen ihm tief ins Gesicht und darauf liegt der Ausdruck von nackter Angst. Er schnappt nach Luft, doch der Vampir lässt nicht locker. „Das war doch deine Absicht, nicht? Dass man mich vergisst. Dass du meine Geschäfte weiterführst. Ich wirst? Antworte!“
„Nein, Meister. Du verstehst nicht“, keucht der Junge.
„Erzähl mir keine Lügen!“ zischt der Vampir undsieht tief in die Augen des Jungen. Der versucht dem bohrenden Blick seines Meisters auszuweichen, doch der Griff verhärtet sich nur noch, sodass er den Plan sofort verwirft. Irgendwo in seiner Seele gräbt der Vampir.
Plötzlich lässt der Vampir den Jungen los und sackt auf einen Sessel zusammen. „Ich brauche Ruhe. Tut mir Leid.“
Der Junge schnappt auch nach Luft. Trotzdem hebt er die Hand und winkt ab. „Ich verstehe es, Meister. Aber ich habe dich nie belogen.“
„Jetzt weiß ich das“, schmunzelt der Vampir und schleppt sich zum Keller. Lautlos schließt er die Tür hinter sich. Der Junge steht kurz danach auf und zieht alle Vorhänge zu. Dann prüft er noch einmal ob die Tür verschlossen ist, bevor er sich in das Bett legt. Es ist mit dunklen Tüchern umhangen, die er sorgfältig schließt.
In die Bettücher eingewickelt liegt eine Frau, die sanft den Arm um ihn legt und ihm einen Kuss auf die Wange haucht. „Du lässt ihn im Keller schlafen?“ schmunzelt sie.
„Er weiß es nicht. Du warst eine gute Lehrerin“, antwortet der Junge. Im selben Moment fallen sie sich in Arme und küssen sich innig.
 
2. Ketzer
Irgendwo in Deutschland, circa 1600:
Der Platz war erneut voller Menschen. Obwohl der Morgen eisig kalt war, standen sie dicht an dicht vor dem Galgen und verlangten lautstark nach der Vorführung.
Der Henker stand bereits neben dem Strick und drehte das Seil nervös in der Hand. Was sich auf seinem Gesicht abzeichnete konnte niemand sagen, denn er trug einen schwarzen Sack über dem Kopf, der nur Sehschlitze hatte. Dieses Mal war es auch nicht der Henker der Stadt, sondern ein eigens von der Inquisition mitgebrachter Scharfrichter.
Der Stadthenker selbst stand mit seinem Sohn in der ersten Reihe und hielt die Axt mit beiden Händen umklammert. Der Priester hatte ihm verboten sie zu benutzen bei diesem Fall. Welch eine Verschwendung.
Plötzlich ging ein Raunen durch die Menge. Schwer gepanzerte Reiter bahnten sich den Weg durch den Pöbel und machten sich nicht selten mit dem Stock platz. Hinter ihnen trottete ein Gespann mit zwei Ochsen daher. Auf dem Wagen stand ein Stahlkäfig mit dem zu Hängenden. Vor dem Gespann gingen die drei Priester der Inquisition einher. Ihr Blick war gesenkt und sie umklammerten nervös ihre Bibeln.
Einige Leute aus dem Pöbel warfen mit faulem Gemüse nach dem Käfig, doch der Gefangene nahm sie kaum wahr. Er kauerte in eine dunkle Decke gehüllt in der Ecke und hatte die Decke über den Kopf gezogen. Nur seine Augen glänzten böse in dem Zwielicht des Schattens.
Die Reiter stiegen vor dem Podest des Galgens ab und stellten sich auf, um die Inquisitoren und den Gefangenen zu schützen. Denn einige im Pöbel schwenkten Messer und andere kleine Waffen über dem Kopf.
Die Priester gingen würdevoll die sieben Stufen zum Galgen hinauf, während der Gefangene mit Stockschlägen hinaufgetrieben werden musste.
Die Sonne tastete mit ihren Strahlen über die Dächer als der Gefangene unter den Galgen geführt wurde. Die Priester sprachen ein kurzes Gebet und segneten den Strick.
„Letzte Worte?“
„Etwas möchte ich noch loswerden“, kicherte der Gefangene. Er trat soweit die Wächter es zuließen nach vorne und breitete die Arme aus. „Seht mich an, ihr Dorfbewohner. Ich bin immer noch hier! Hundert Mal habt ihr mich schon zum Galgen geführt, und ich lebe noch immer. Sterben kann ich nicht! Auch nicht diese Würmer mit ihren Worten über Gott werden etwas daran ändern können. Sterben kann ich nicht! Euer Gott hat euch verlassen und mich geschickt die Saat des Teufels auszusäen!“
Erschrocken wich die Menge zurück, dann unterbrachen die Wachen die Rede des Gefangenen und prügelten auf ihn ein. Doch kein Wort der Klage kam über die Lippen des Gefangenen, nicht einmal als sie den schwarzen Sack über seinen Kopf zogen. Dann legte der Scharfrichter den Strick ums Genick und trat zurück.
Noch einmal segnete ein Inquisitor den Strick und gab dann das Zeichen. Das Tor öffnete sich und der Gefangene sackte nach unten.
Es war plötzlich totenstill. Gebannt starrte die Menge auf den regungslosen Körper am Galgen. Sie warteten, doch nichts rührte sich.
Schließlich trat ein Inquisitor nach vorne und breitete die Arme aus. „Gottes Wille ist vollbracht! Diese Gestalt des Teufels ist in sein Reich eingegangen und wird nie wiederkehren. Gesegnet sei Gott!“
Die Menge sank in die Knie zum Gebet. Da hörten sie das leise Lachen. Die Gestalt am Galgen begann sich wieder zu bewegen. Das Lachen wurde immer lauter und der Körper bewegte sich immer mehr. Die Stricke, die die Hände banden, knackten unter der Belastung.
„Teufel!“ schrie der Inquisitor. „Teufel!“ Sofort schlugen die drei Priester ein Kreuz. Selbst die Ritter wichen zurück und wagten es nicht näher an den Galgen heranzutreten. Der Scharfrichter riss sogar seine Kapuze herunter und floh in die Menge.
Der Pöbel, wenn er nicht vor Angst erstarrt war, brach dadurch in schallendes Gelächter aus.
Nur der Stadthenker blieb ruhig und nickte seinem Sohn zu. Dann hob er die Axt und ging die Stufen zum Galgen hinauf.
„Was machst du, Kerl?“ schrie einer der Priester. Er versuchte sich dem Henker in den Weg zu stellen, doch der Sohn des Henkers war schneller und stieß ihn zur Seite. „Er vollbringt Gottes Werk. Mit dieser Axt wird er dem Teufel den Kopf abschlagen!“
„Er hat nicht das Recht! Nur Gott…“
„Gott hatte seine Gelegenheit. Er ist nicht gekommen. Jetzt nehmen wir das in die Hand!“
„Blasphemie! Ihr werdet brennen.“
Der Henker hatte den Galgen erreicht, stieß einen beherzten Ritter zur Seite und holte aus. Die Klinge kappte den Strick und der Gefangene fiel schwer zu Boden. Der Henker wollte hinterher springen um sein Werk zu beenden, doch die Ritter hielten ihn zurück. Schnell überwältigten sie ihn und seinen Sohn und beruhigten den Pöbel wieder.
„Holt ihn raus und bindet seine Arme mit Ketten. Dann verbrennt dieses Monster!“ befahl der Priester. „Und zu euch! Bringt sie in die Burg zum Verhör! Vielleicht sind ihre Seelen noch zu retten.“
Zwei Ritter banden den beiden die Hände und führten sie ab. Die anderen zerrten den Gehängten aus dem Loch und schleiften ihn zurück zum Käfig.
In der Menge schlug ein junger Mann die Kapuze über den Kopf und schlenderte gemächlich von dannen.
 
Noch am selben Abend brannte der Körper vor dem Dorf. Der Gefangene lachte bis die Flammen ihn vollständig verbrannt hatten. Sein Körper wurde danach nicht von den Ketten befreit, sondern geweiht und begraben.
Die Inquisition postierte vor dem Grab zwei Wachen, die erst dreizehn Tage nach dem Begräbnis ihren Posten wieder verlassen durften.
Die beiden Henker, Vater und Sohn, wurden am Tag darauf wegen Ketzerei verbrannt. Davor gestanden sie bei den Verhören noch mit dem Teufel im Bunde gewesen zu sein und den Versuch begangen zu haben dieser Kreatur Satans zur Flucht zu verhelfen, vor den Augen der Inquisition.
 
Nach dreizehn Tagen löste sich aus den Büschen am Rand des Friedhofs eine Gestalt in einer langen Kutte und schlenderte im Mondschein zwischen den Gräbern herum. Blumen, die auf den Grabhügeln wuchsen, verwelkten und das Wasser in den Pfützen wurde bitter. In den letzten Tagen hatte es stark geregnet und somit war der Boden aufgeweicht und schwer.
Als die Gestalt das Grab der satanischen Kreatur, die weit abseits der anderen Gräber verscharrt worden war, erreichte, begann sie bald mit bloßen Händen zu graben bis sie auf die roh gezimmerte Holzkiste traf. Eine geschlagene Stunde saß die Gestalt dann nur auf dem Sarg und starrte in den Himmel. Der Vollmond war plötzlich von Wolken verhangen. Trotzdem ging ein böses Leuchten von ihm aus. Die Gestalt vergrub die Kiste wieder und verschwand.
 
3. Verhör
Die Sonne ist gerade im Untergehen begriffen als der Junge wieder aufwacht. Die Frau ist bereits aufgestanden und macht Kaffee. Gähnend schlurft auch er in die Küche und macht den Kühlschrank auf. Dann kramt er darin herum bis er eine halbe Konserve findet und mit dem Mund aufreißt. Den Verschluss spuckt er auf den Boden. „Ist er schon auf?“
Die Frau zischelt etwas Unverständliches und hebt den Verschluss auf. „Ohne mich wäre das ein Schweinestall“, protestiert sie.
„Oink oink“, antwortete der Mann und geht in den Keller. Sie hört nur die Dielen einer Kiste knarren, dann polternde Schritte. Ihr Gefährte kommt herauf gerannt. In ihrem Hinterkopf sieht sie das Blut, das in den Boden sickert. Welch Verschwendung, denkt sie.
„Er ist weg!“
„Dann solltest du ihn finden. Mit der Zeit kommt er wohl nicht klar.“
„Wir hätten ihn gestern unterschreiben lassen sollen und die Sache dann beenden!“ fluchte der Mann und zog sich schnell um. Dann schlüpfte er in Mantel und Hut. Inzwischen hat die Frau den Vorhang leicht zurück geschoben und späht nach draußen.
„Schlechtes Wetter, es nieselt. Er kann schon über alle Berge sein bei dem Wetter.“
„Das will ich nicht hoffen“, flüstert der Mann und öffnet die Tür. Mit riesigen Schritten läuft er zu seinem Fiat und fummelt am Schloss herum.
Die Frau schaut ihm hinterher, wie ihr Freund mit quietschenden Reifen losfährt und verschwindet. Kopfschüttelnd gießt sie sich Kaffee ein und dreht sich um. Erschrocken lässt sie die Tasse fallen und fasst sich an die Brust.
„So, ich soll also etwas unterschreiben. Sagst du mir auch was, alte Freundin?“ fragt der Vampir und grinst böse. Auf seinen Zähnen sind noch die Rückstände von Blut.
„Was machst du hier?“
„Das sollte ich dich fragen. Was hast du dem Jungen nur erzählt, dass er seinen Meister so leichtfertig ins Messer laufen lassen würde.“
„Das weißt du wohl ganz genau.“
„Ich weiß nur, dass mich vor vierhundert Jahren jemand verpfiffen hat. Dass ich brannte und dann zwei Wochen mit den Wunden in einem Sarg lag bis jemand die Güte hatte mir wenigstens so viel Blut zu geben diese Wunden zu heilen“, knurrt der Vampir und packt sie an den Händen. „Also, Schwarzseele, sag mir jetzt was ich hören will. Dann werde ich dir vielleicht das Genick brechen und es dabei belassen.“
„Lass mich zuerst los. Sonst sage ich gar nichts“, droht die Frau. Daraufhin lacht der Vampir und verstärkt den Druck. „Ich kann auch anders, Schwarzseele. Ich könnte dir auch die Kehle zerfetzen und dann ihn fragen.“ Er entblößt seine Reißzähne und verstärkt den Druck auf ihre Handgelenke noch weiter. Sie windet sich in seinen Armen und keucht vor Schmerz als er beginnt ihr Handgelenk zu verdrehen.
„Ich werde reden!“ schreit sie schließlich.
 
4. Zwei
Was der Junge zu der Zeit seiner Wache nicht wusste, war dass er nicht alleine war. Die andere Gestalt hatte jedoch eindeutig feminine Züge und zog es vor in einem Bretterverschlag zu warten. Dort gab es auch ein kleines, wärmendes Feuer und etwas zu essen.
Abgesehen von einer Ratte hungerte der Mann die dreizehn Tage lang.
Auch befleckte die Frau ihre Kleidung nicht beim Ausgraben sondern zeigte sich in der zweiten Nacht erst als der Mann den Sarg wieder freigelegt hatte.
„Deine Loyalität gegenüber deinem Meister ist bewundernswert. Viele hätten ihre Existenz genutzt um selber zum Meister zu werden“, begrüßte die Frau den Gräber. Er warf die Schaufel weg und zog ein Messer von seinem Gürtel. „Wer bist du? Was willst du?“
„Meine Namen sind zahlreich wie die Sterne und tun im Moment nichts zur Sache. Doch vielleicht solltest du erfahren warum ich hier bin, Gräber und loyaler Diener.“
„Dann sprich, bevor ich dir das Herz herausschneide“, befahl der Junge. Sie lachte. „Das würdest du nicht schaffen. Denn wie du und dein Meister bin ich von einer besonderen Statur. Obwohl ich eine Leere bei dir fühle. Hat dein Meister dir bis jetzt etwa verwehrt was uns allen zusteht, von Geburt an und immerdar?“
„Niedere Tiere stehen mir erst zu“, bestätigte der Junge leise.
„Er lässt dich Ratten und anderes Kleingetier aussaugen?“ fragte die Frau ungläubig. Der Junge nickte und ließ das Messer langsam sinken.
„Darum frage ich mich auch was ich hier tue.“
Die Frau pfiff durch die Zähne und sprang dann zu ihm in die Grube. Sie legte ihre Hand auf seine Schulter und strich über seine Wange. „Er hat es nicht verdient einen Schüler wie dich zu haben, mein junger Freund. Darum frage ich dich was du willst.“
„Ich glaube das weißt du. Vielleicht gibt er es mir, wenn ich ihn befreie.“
Die Frau lachte auf und wischte ihm eine Träne ab. „Ich verspreche dir zu geben, was du dir wünschst. Dafür musst du nur eine Sache für mich tun.“
„Was verlangst du?“
„Schütte diesen Graben wieder zu und lass ihn noch einige Jahre leiden. Dafür werde ich dich an Orte bringen, von denen du nicht einmal gehört hast, und du wirst Dinge erleben, die dir nicht einmal in deinen kühnsten Träumen eingefallen sind. An meiner Seite wirst du als Wesen der Nacht, gleichberechtigt und meisterhaft, die Welt für dich erobern. Dir Diener und Imperien schaffen, und dich ihnen wieder entledigen wenn dir danach ist.“
„Das ist alles?“ fragte der Junge ungläubig.
„Das ist alles“, bestätigte sie und lächelte damit er ihre Zähne sehen konnte. Ihre Augen leuchteten wie rote Diamanten als sie seinen Hals zurück bog und sanft küsste. Er spürte den Biss kaum, und als sie von ihm abließ, sank er nicht zusammen wie sonst, wenn sein Meister von ihm trank. Sie lächelte bevor sie ihre blutigen Lippen auf die seinen presste und ihre Zunge in seinen Mund wanderte. Ein Gefühl der Stärke verbreitete sich von seinem Mund aus im ganzen Körper. Genüsslich schloss er die Augen und ließ es auf sich wirken bis sie sich von ihm löste. Als er die Augen wieder öffnete war er ein anderer Mensch. Denn alles Menschliche in ihm war gegangen.
 
5. Übergang
„So war das also“, seufzt der Vampir. „Aus Rache hast du mich zum Schattendasein verdammt, Schwarzseele.“
„Genau wie du es mit meinem Meister getan hast!“ antwortet die Frau.
„Er hatte den Pflock verdient. Das weißt du genauso gut wie ich. Ich war nur der Henker, weder Richter noch Geschworener!“
„Trotzdem hasse ich dich! Niemand hatte das Recht. Nie gefährdete er unsere Sache.“
„Er hätte an meiner Statt brennen sollen. Hätte ich gewusst was kommt, hätte ich den Pflock nicht eingesetzt und ihn den Menschen überlassen. Dann hätte er das Lied unter dem Galgen gesungen, nicht ich!“
Draußen geht die Tür und der Junge kehrt zurück. „Ich habe ihn nicht gefunden“, ruft er, während er sich wieder entkleidet. Als er die Küche betreten will, bleibt er in der Tür stehen. „Oh, ihr seid euch also begegnet“, stammelt er. Der Meister wendet stumm sein Gesicht ab, doch sie nickt.
„Dann weiß er es?“
„Er hat gefragt und mir keine Möglichkeit gelassen.“
„Und?“
„Du wirst dich entscheiden müssen. Entweder sie oder dein Meister! Entscheide nicht sofort, denn die Entscheidung wird endgültig sein. Du verkaufst damit deine Seele.“
„Die verkaufte ich bereits vor Jahrhunderten als ich in Kontakt zu dir trat und naiv wie ich war meinen Hals darbot“, zischt der Junge und schwenkt mit seinem Blick zwischen den beiden her.
„Entweder die Frau, die mir die schönsten Jahre meines Lebens gab. Oder mein Meister, der mich zwar zu dem machte was ich bin, mir aber alles verwehrte, was meine Existenz ausmacht. Ich glaube die Entscheidung wird mir nicht schwer fallen.“
Der Meister senkt seinen Blick und nickt. „Dann soll es so sein“, flüstert er enttäuscht. „Doch gestatte mir noch eines, mein junger Schüler. Einen letzten Schluck.“
Der Junge sieht Schwarzseele an, sie weicht seinem Blick jedoch aus. „Es liegt an dir. Du bist frei. Warst immer frei, zumindest an meiner Seite.“
Der Meister wirft seinen Kopf zurück und geht dann auf seinen alten Schüler zu. Dieser legt den Kopf zurück und bietet ihm den Hals dar.
„In meinen Augen lag einst die Ewigkeit, und ich machte dich unsterblich. Doch dein Dank lässt zu Wünschen übrig“, flüstert er bevor er seine Zähne ins Fleisch treibt. Die Augen seines Opfers weiten sich als er den Biss spürt. Er ist keinesfalls so sanft wie sonst. Der Biss ist eher als hätte sich ein Tier in seiner Kehle verbissen. Ein ungleicher Tanz beginnt, bei dem der Junge versucht seinen Meister wegzustoßen. Schwarzseele will dazwischen gehen, doch ein Faustschlag des Meisters schleudert sie durch den Raum.
Als er den Biss von der Kehle löst, spritzt das Blut aus der Wunde. Keuchend taumelt der Junge durch den Raum und versucht die Wunde zu verschließen. Seine Kraft ist aber zu gering, was der Meister genommen hat zu groß.
Dieser wischt sich angewidert den Mund ab und geht zu Schwarzseele, die benommen in einer Ecke kauert.
„Es kann nur einen geben, meine alte Freundin. Unsere Feindschaft wird hier ein Ende finden. Hast du noch irgendwelche letzten Worte?“ fragt er grimmig. Schwarzseele schließt kurz die Augen und sieht ihn dann wieder mit glasklarem Blick an.
„Du hast mir alles genommen, was ich jemals geliebt habe. Was soll ich da noch sagen? So lass mich aufrecht sterben, wie es sich für einen der Unseren gehört.“
Der Vampir seufzt und reicht ihr dann seinen Arm. Sie ergreift ihn und wird dann auf die Beine gezogen. Langsam öffnet sie eine Schublade hinter sich, während der Meister ihren Kopf unsanft nach hinten biegt und ihren Hals anstarrt.
Sie ergreift ein Messer und führt einen geschickten Schnitt über sein Gesicht. Der Vampir schreit auf und weicht zurück. Obwohl die Wunde sich sofort schließt, reißt er die Hand hinauf um sie zu schützen.
„Dafür wirst du bezahlen!“ tobt er. Doch bevor er einen Angriff unternehmen kann, sticht sie erneut zu. Der Stich ist genau und durchbohrt das Herz des Vampirs. Seine Augen weiten sich ungläubig. Er fasst sich an die Brust, wischt das Blut ab und sieht seine Hand dann an.
„Was hast du getan?“ keucht er.
„Ich werde beenden, was vor vierhundert Jahren begonnen wurde!“
 
6. Abschluss
Hinter Schwarzseele liegt das brennende Haus, das lange als Unterschlupf gedient hat. In seinem Keller liegen die Opfer sauber aufgebahrt und mit Benzin übergossen. In ihrer Mitte steht ein offener Sarg mit ihrem jungen Begleiter. Er ist sauber aufgebettet, gereinigt und hat einen friedlichen Gesichtsausdruck.
Im Garten gibt es ein frisch ausgehobenes Grab. Darin liegt ein weiterer Sarg, in dem der Meister liegt. Das Messer steckt noch immer in seiner Brust, auf seinem Gesicht ein versiegelter Brief, der eventuelle Finder warnen soll das Messer zu entfernen.
Schwarzseele wartet im Schatten bis alles niedergebrannt ist und die Ruine nicht mehr glimmt.
Dann steigt sie in einen Wagen mit getönten Scheiben und atmet tief durch. „Zurück nach Hause“, befiehlt sie leise. Der Fahrer dreht sich um und mustert seine Herrin. „Alles in Ordnung?“
„Es ist vollbracht“, antwortet sie. Der Fahrer lächelt und greift in sein Jackett. „Nicht ganz, Mylady. Eine Person fehlt noch.“
Er zieht eine Pistole und schießt Schwarzseele aus nächster Nähe in die Brust. Danach feuert er noch drei Schüsse in ihren Kopf ab, bevor er aus dem Wagen steigt und sich eine Zigarette anzündet. Danach kramt er nach einem Handy und wählt die erste Kurzwahl. „Wir haben uns aller entledigt. Es ist abgeschlossen. Endgültig.“

Diese Geschichte sollte eigentlich zum Handlungsstrang um Izzy und Frank Fennig gehören. Aber nach dem Ende der Arbeit daran, habe ich mich doch entschieden die Charaktere rauszunehmen und eine eigenständige Geschichte daraus werden zu lassenNicolai Rosemann, Anmerkung zur Geschichte

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Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Nicolai Rosemann).
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.02.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Ich hätte nie im Traum daran gedacht, dass ein Besuch auf einer Faschingsparty solche Konsequenzen haben könnte. Eingeplant hatte ich eine Menge Spaß, gern auch frivoler Art. Meine Freundin schleppte mich häufig auf Veranstaltungen, wo auch in der Horizontalen die Post abging. Doch was bei diesem Fasching passierte, war jenseits des Erklärbaren. Irgendein als Magier verkleideter Partybesucher beschwor lustigerweise germanische Götter. Und dann stand ER plötzlich vor mir, ein Typ mit Axt, er wirkte ziemlich desorientiert und nannte sich Saxran. UND er war attraktiv. Ich schnappte ihn mir also. Nicht nur die Axt war recht groß an ihm. Hätte ich allerdings damals schon geahnt, was das noch für Konsequenzen haben würde… Saxran war absolut nicht von dieser Welt, und seine Welt sollte ich bald kennenlernen. Sie war geprägt von Unterwerfung, Schmerz, Lust und jeder Menge Abenteuer.

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