Renate Wolf

Liebe im Internet



Liebe im Internet
 
Rena Wolf
 
I.
Traumverloren stand Rena am Fenster – ein zartes Lächeln lag auf ihrem Gesicht. Ihre Katze Mimi schaute sie mit schläfrigen Augen an und rieb sich den Kopf an ihrem Unterarm. Sie war unentschlossen ob sie fliegen sollte oder nicht. Die Versuchung war groß, den Mann zu treffen, den sie nur aus dem Internet kannte. Rena, die immer Ruhe bewahrte und nichts so leicht aus der Reserve locken konnte, hatte sich verliebt. Der Unbekannte hatte ihr schlaflose Nächte verursacht. Ihr Verstand immer wieder gewarnt, beende die sinnlosen Träumereien.
Allen, der Unbekannte der ihr auf ein Profil in einer Kontaktbörse geschrieben hatte, war aus beruflichen Gründen in Bremen und wollte sich auf Dauer in Deutschland nieder lassen. Rena hatte ihm nicht antworten wollen, da er um einige Jahre jünger war, als sie selbst. Sein Bild mit dem jungenhaften Lachen hatte sie aber fasziniert und sie war neugierig geworden und antwortete ihm. Sie gab sogar ihre Rufnummer preis, die eine Geheimnummer war. Es hatte nicht lange gedauert bis er sich meldete. Renas Herz schlug schneller als er sich meldetet und vor lauter Aufregung verstand sie nur die Hälfte, da er englisch mit ihr sprach. Das was sie von sich gab, war eine einzige Blamage. Sie antwortete in einem grauenvollen englisch. Aber es reichte um Email Adressen auszutauschen, und es begann eine innige Korrespondenz via Internet.
Nach einigen Wochen teilte Allen ihr per Email mit, dass er in seine Heimat, dem Vereinigten Königreich zurückkehren müsse, um ein lukratives Geschäft in trockene Tücher zu bringen. Es würde nicht allzu lange Zeit in Anspruch nehmen, bis er für immer nach Deutschland kommen würde um mit ihr ein gemeinsames Leben zu beginnen. Rena`s  Herz hatte Freudensprünge gemacht, und in Gedanken malte sie sich die Zukunft an der Seite des Mannes, in den sie verliebt hatte, in vielen bunten Farben aus. Rena war nach bitteren Enttäuschungen der Vergangenheit, endlich eine glücklich verliebte Frau.
Über Beziehungen hatte sie den Flug ausfindig gemacht, mit dem Allen nach London fliegen sollte. Der Mann, den sie liebte hatte ihr per Email Bilder von sich geschickt. Es musste doch möglich sein, ihn am Flughafen zu finden. Rena hatte sich entschieden und ihre Wohnung verlassen um nach Bremen zu fliegen.
II.
…….Das Terminal war kleiner als Rena gedacht hatte, was aber ihrem Vorhaben entgegen kam. Sie entdeckte eine kleine Bar. Auf einem der freien Hocker nahm sie Platz und bestellte einen Kaffee schwarz und ein Mineralwasser. Als sie die Reisenden beobachtete war sie nicht einmal aufgeregt. Sie war noch unentschlossen, was sie tun würde, wenn Allen wirklich kam. Und dann sah sie IHN. Rena hatte Allen sofort erkannt. Er ging schnellen Schrittes auf den freien Platz neben ihr zu und bestellte einen Kaffee schwarz. Allen schaute sich um und lächelte ihr zu. Sie lächelte zurück und bat ihn um Feuer. Er griff in die Tasche seiner Lederjacke und hielt ihr das gezündete Feuerzeug entgegen. Hoffentlich musste sie nicht husten, denn Rena hatte seit vielen Jahren nicht mehr geraucht. Die Zigarette sollte ihr helfen, ihre Nervosität zu verbergen. Sie bedankte sich und er gab ihr zu verstehen, dass er nur wenig Deutsch sprechen würde. Irgendwie kam es aber zu einem kurzen Wortwechsel.
Rena brachte nicht den Mut auf, sich zu erkennen zu geben. Sie fürchtete sich vor seiner Reaktion. Allen war ein toller Mann. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass er ungebunden war. Sicher wartete zu Hause eine Familie auf ihn. Und Rena war nicht die Frau die eine Verbindung zu einem gebundenen Mann eingehen würde. Sie hatte am eigenen Leib erfahren, wie es ist den Mann an eine andere Frau zu verlieren.
Dann kam der Aufruf seines Fluges über den Lautsprecher. Er bezahlte, lächelte sie an, sagte „Auf Wiedersehen“ und ging mit eiligen Schritten dem Check In entgegen. Ihr wurde bewusst, dass sie die Chance vertan hatte und sie ihn nie wieder sehen würde. Sie würde zurück kehren aus ihrem Traumland in die Wirklichkeit. Rena bereute nichts, sie war glücklich IHN im World Wide Web getroffen zu haben. Sie sah ihm solange nach, bis er hinter der großen Glastür verschwunden war. Dann trank sie ihre Kaffeetasse noch aus, bezahlte stand auf und ging langsam dem Ausgang entgegen. Sie kämpfte mit den Tränen, ihr Herz weinte und das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht. Rena schaute noch einmal zurück und warf dann ihr Rückflugticket in den nächsten Papierkorb. Sie bestieg eine Taxe und ließ sich zum Bahnhof bringen. Am Schalter kaufte sie eine Fahrkarte für den nächsten Zug nach Hause. Rena liebte Zugfahren. Man konnte sich tief in den Sitzplatz fallen lassen, den Gedanken freien Lauf lassen und die vorbei fliegende Landschaft genießen. Langsam setzte sich der Zug in Bewegung. Rena schloss ihre Augen.
Immer wieder fragte sie sich, warum sie sich das angetan hatte? Warum war sie nach Bremen geflogen um den Mann ihrer Träume zu sehen? Ohne dass sie es wollte, liefen Tränen über ihr Gesicht. Ihre Freundin hatte sie immer wieder gewarnt, mit der Träumerei vom Glück endlich auf zu hören. Aber Rena hatte alle Argumente mit einer Handbewegung fort gewischt. Sie wollte nichts Negatives hören, die Unkereien ihrer Freundin waren ihr an die Nerven gegangen. Rena hatte jetzt begriffen, dass ihre Freundin Recht gehabt hatte. Ihre Träume von Zweisamkeit waren heute zerplatzt wie eine bunte Seifenblase. Sie weinte still in ihr Taschentuch und schlief irgendwann erschöpft ein. Der Zug fuhr ihrer Heimatstadt in der Eifel entgegen. Zu Hause angekommen schaute sie sofort in ihr Emailpostfach. Ihre Enttäuschung war groß, es gab keine Post von IHM. Hatte sie denn wirklich erwartet eine Nachricht von Allen vor zu finden? Sie war eine Närrin, das zu glauben. Rena wollte nur noch in ihr Bett, sich in die Kissen kuscheln, schlafen und vergessen.
III.
 
……Die Maschine war im Landeanflug auf London Heathrow. Die Frau aus der Bar im Flughafen Bremen, beschäftigte Allen immer noch. Sie war nicht mehr jung, aber auch nicht alt nicht einmal besonders attraktiv. Das Lächeln aus ihren grüngrauen Augen, die ihn angestrahlt hatten, war ihm aufgefallen. Irgendetwas hatte ihn fasziniert an der Unbekannten und er fragte sich, warum er das Gefühl nicht los wurde, das er sie irgendwo her kannte. Aber er konnte sich nicht erinnern die Fremde schon einmal getroffen zu haben. Vielleicht würde es ihm noch einfallen. Als die Maschine gelandet war erhob er sich aus seinem Sitzplatz, streckte seinen Körper und langsam kam Freude bei ihm auf, Rose nach längerer Zeit wieder zu sehen. Da war sie: blond, schlank, jung und gestylt. Rose erkannte ihn sofort und lief ihm entgegen, direkt in seine Arme. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen um ihn zu küssen, aber seine Lippen blieben verschlossen. Sie redete ununterbrochen auf ihn ein. Er aber war mit seinen Gedanken ganz weit entfernt. Sein schlechtes Gewissen hatte sich gemeldete. Aber er ignorierte diesen Gedanken. Nach seiner Rückkehr hatte er sich in die Arbeit gestürzt. Er blieb immer öfter von zu Hause weg. Er konnte Rose nicht mehr in die Augen schauen. Er übernachtete oft in seinem Büro. Die Wahrheit konnte er ihr nicht sagen. Was war denn die Wahrheit? Er hatte die Unbekannte aus dem Internet von der er nie ein Bild gesehen hatte einfach nicht vergessen können. Ihre Emails, mit so viel Phantasie und Zärtlichkeit geschrieben, auf die er jeden Tag voller Sehnsucht gewartet hatte, als er beruflich in Bremen zu tun hatte. Als sein Projekt in Germany beendet war, musste auch die Internetaffäre beendet sein. Sie hatte noch einige Male nach seiner Rückkehr ins Vereinigte Königreich geschrieben. Allen aber hatte nie darauf geantwortet. Dann gingen keine Emails mehr ein. Ihn plagte sein schlechtes Gewissen, weil er ohne ein Wort der Erklärung den Kontakt abgebrochen hatte und sich nie mehr bei ihr gemeldet hatte. Er hätte doch nic! ht alles in London aufgeben können um mit IHR ein neues Leben zu beginnen. Dazu war er zu feige gewesen. Und hätte er das wirklich gewollt? Allen wusste es nicht und er wollte auch nicht darüber nachdenken, was gewesen wäre WENN…
 
VI.
…….. Die Tage waren im einheitsgrau dahin gegangen. Rena hatte auf Emails von IHM gewartet und einige Male hatte sie selbst versucht Allen zu erreichen. Nie war eine Antwort gekommen. Dann hatte sie es aufgegeben, die Kontaktadresse gelöscht und versucht den Mann, den sie liebte zu vergessen. An manchen Tagen ging es ihr sehr schlecht. Ihre Kollegen vermissten ihr Lächeln und ihre Fröhlichkeit aber Rena wollte nicht bemitleidet werden – am aller wenigsten von ihrer besten Freundin. Sie hatte ihre Kisten gepackt. Nach dem Debakel mit Piet war ihr nicht viel geblieben. Das wenige Hab und Gut würde in Kürze von der Spedition abgeholt und eingelagert werden. Bis Rena wusste, wie es in ihrem Leben weiter gehen sollte, war es die preiswerteste Lösung. Schweren Herzens hatte sie sich von ihren beiden Katzen trennen müssen. Sie hatten ein Ersatz Zuhause gefunden für die Zeit, wo Rena unterwegs sein würde, um zu sich selbst zu finden. Sie dachte an den Abschied, der zum Ende ihrer Dienstzeit gemacht worden war. Rena wäre gerne still und leise gegangen, aber nach einer so langen Zeit konnte sie nicht einfach „Tschüss – das war´s sagen, Und dann hatte sie sich sehr darüber gefreut sich mit einem kleinen Fest von ihren Kollegen verabschiedet zu haben. Die wenigen Sachen, die sie brauchen würde für die Reise, passten in die Reisetasche und den Rucksack. Eigentlich war es Wahnsinn was sie sich vorgenommen hatte. Sie wollte “ Ihren Jakobsweg“ gehen. Telefonisch hatte sie sich bei Freunden in Potsdam angemeldet. Man war nach dem Mauerfall, dem Ende des kalten Krieges, Freunde geworden. Rena erinnerte sich gerne an ihren Einsatz beim „ Aufbau Ost“ zu Beginn der Neunziger Jahre.
V.
…….Es waren Wochen vergangen. Allen und Rose hatten sich nicht mehr viel zu sagen. Jeder ging dem anderen aus dem Weg. Er wusste, sie litt genau so wie er. Vielleicht würde eine gemeinsame Reise alles wieder ins Lot bringen. Aber wollte er das überhaupt? Er setzte sich an seinen PC und bucht eine romantische und teure Reise für sich und Rose. Schließlich war sie völlig unschuldig an seinem Gefühlschaos und seinen Vertrauensbruch hatte sie auch nicht verdient. Während er auf die Buchungsbestätigung wartete, dachte er wieder an die Unbekannte, die mit ihren Emails so viel Freude in sein Herz gebracht hatte. Sie hatte so lebendig geschrieben, ihn mitgerissen in ihre Träume und Phantasien. Er fragte sich, warum er nicht den Mut gehabt hatte, sie in Deutschland zu treffen. Ein Feigling war er doch sonst nie gewesen! Jetzt war es für immer zu spät. Allen hatte alle Emails und Notizen gelöscht. Rose konnte manchmal sehr neugierig und eifersüchtig sein. Das Internetabenteuer sollte aber für Rose für immer unentdeckt bleiben. Er war gespannt auf ihre Reaktion, wenn sie die Unterlagen für die gemeinsame Reise auf ihrem Kopfkissen finden würde.
VI.
 
……..Rena hatte schöne und anregende Tage in Potsdam verbracht. Erinnerungen aufgefrischt und sich gewundert, dass man sie in all der Zeit die vergangen war, nicht vergessen hatte. Ihre Reisetasche war bereits mit dem Zug zur Ostsee unterwegs. Sie würde die Alleenstraßen von Brandenburg über Mecklenburg Vorpommern bis zur Ostseeküste zu Fuß gehen. Das hatte sie sich vor mehr als fünfzehn Jahren vor genommen und jetzt wollte sie es wahr machen. Dieses Abenteuer war gerade gut genug um IHN endgültig zu vergessen. Das Wetter meinte es gut mit Rena , und alles ging besser als sie erwartet hatte. Die Unterkünfte waren sauber und nicht zu teuer. Aber das wichtigste war, sie lernte nette Menschen kennen. Ihr Tagebuch und der Skizzenblock füllten sich. Aber vergessen konnte sie IHN nicht. Manchmal spürte sie den Schmerz tief in ihrem Herzen. Die Reise dauerte länger als Rena geplant hatte. Sie war müde und ausgelaugt. Aber die Ruhetage an der Ostsee hatten für sie Erholung gebracht. Sie wollte mit dem Schiff nach England. WARUM? Diese Frage hatte sie sich nicht gestellt. Sie hatte es tatsächlich geschafft ein Schiff von Rostock nach London ausfindig zu machen. Die Überfahrt war ruhig und erholsam verlaufen. LONDON…..sie war endlich angekommen. Aber was sie hier wollte, darauf wusste sie keine Antwort. Erst wollte Rena richtig ausschlafen. Am nächsten Tag würde sie überlegen, wie es weiter gehen sollte.
VII.
……. Rose hatte die Unterlagen für die gemeinsame Reise auf ihrem Kopfkissen im Schlafzimmer gefunden. Sie ging zu Allen ins Wohnzimmer, setzte sich neben ihn und schaute ihm fest in die Augen und sagte: wir hatten eine tolle gemeinsame Zeit, aber auch die Reise würde dich die ANDERE aus DEUTSCHLAND nicht vergessen lassen. Du hättest mit mir reden sollen. Unsere Zeit war schon zu Ende bevor du den Auftrag in Bremen angenommen hast. Er hatte ihr nicht widersprochen und erleichtert, daß Rose einen Schlussstrich gezogen hatte. Am nächsten Morgen brachte er sie zum Flughafen. Sie flog zurück in die USA wo sie sich vor Jahren kennen gelernt hatten. Er würde sich in die Arbeit stürzen. In wenigen Monaten wartete ein neuer Auftrag in Deutschland auf ihn. Dann wollte er in die kleine Stadt am Rande der Eifel fahren um seine Liebe aus dem Internet zu suchen.
VIII.
….. Rena verbrachte einige Tage in London. Den Plan nach Croydon zu fahren hatte sie aufgegeben. Was für einen Sinn hätte das gemacht? Sie hatte eingesehen, dass sie IHN hier im Trubel der Megastadt niemals finden würde. Es war auch nicht mehr wichtig für sie. Sie hatte ihren Frieden gefunden und wollte endlich wieder ein ganz normales Leben mit Höhen und Tiefen führen. Es war wohl ihr Schicksal ihrem Mister RIGHT niemals zu begegnen. Rena bereute keine Stunde, sie hatte für wenige Monate das Glück empfunden, sich noch im Alter verlieben zu können. Für den nächsten Tag hatte sie einen Flug gebucht um in ihr „ALTES - NEUES LEBEN“ zu starten, in der kleinen Stadt am Rande der Eifel.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.02.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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