Falk Peter Scholz

Der alte Mann im Park

Der alte Mann im Park

Eine Nacht mit V.H.

Originaltitel: ( Le vieil Homme dans le Jardin )

 

 

„ Paris repariert ein Herz“, sagt man! Doch so sicher war ich mir da nicht. Seit Stunden wanderte ich umher,- vom Hotel zur Champs Elysees, von ihr zur Grande Arche – von der Grande Arche wieder zurück zum Louvre , mit seiner schier unwirklich erscheinenden Glaspyramide und nun stand ich im Jardin de Tuileries, unter dem schwachen Schein einer schmiede eisernen Laterne und konnte nicht mehr weiter, denn meine Füße versagten ihren Dienst. Wie hypnotisiert lies ich meinen Blick durch diesen Gabentisch Gottes streifen. Einfach wundervoll dieser Park, der einst für Katharine von Medici angelegt wurde. Voller wunderschöner Skulpturen, Brunnen, einem kleinen Triumphbogen, der sich zu meiner linken befand und voller Faszination! Eigentlich so dachte ich, könnte es doch kaum schöner sein als hier, doch hunderte von wirren Gedanken und die Schreibblockade der letzten Wochen, ließen kein befreites Gefühl in mir aufsteigen. Die beiden Parkbänke, die sich links und rechts von mir befanden, bemerkte ich erst jetzt. Auf der Bank mir zur rechten, saß eine Dame in teurem Pelz. Sie drehte eine Blume in ihren Händen, und starrte in die Ferne. Die Parkbank zu meiner linken war durch einen Clochard besetzt, der mich amüsiert musterte. „ Der passt viel besser zu mir“, schmunzelte ich in mich hinein und streckte mich auf der Bank zur linken nieder, was den Mann im Stadtstreicherlook nun abermals zur Erheiterung verleitete. Dieses seltsame und auch fordernde Schmunzeln des Mannes, erweckte eine Art von Neugier in mir, die ich lange Zeit nicht kannte und die ich keineswegs bei einem Menschen seines Schlages vermutet hätte. Doch so betrachtete ich den alten Mann genauer und stellte mit Erstaunen fest,- er war gar nicht so ungepflegt wie ich Anfangs auf Grund seines Aussehens vermutet hatte. Er hatte durchaus gepflegte Hände, einen sauber geschnittenen Bart und wache Augen die mich fortwährend musterten.

„ Sag mal mein Junge, was hat dich denn bewogen dich nicht auf die andere Bank zu setzen?“, durchbrach er die Stille. „ Nun“, antwortete ich ohne zögern, -“ Meine derzeitige Lage passt wohl eher zu dieser Bank, und außerdem fühlte ich eine Art Verbundenheit!

Verbundenheit?  Du scheinst noch recht jung zu sein. Was glaubst du denn, was uns verbindet?

Das ist einfach zu beantworten“, antwortete ich abermals.

„ Unser Elend natürlich!

Ach ja, unser Elend?

Genau, da könnte man glatt ein Buch drüber schreiben. So wie Hugo! Den haben sie bestimmt mal gelesen“, sagte ich ihm, um ihn nicht zu verletzen. Obwohl ich nicht an nahm, dass er jemals ein Buch in den Händen gehabt hätte.

„ So so Hugo also?“, seine Augen blitzten! „ Bist du der Meinung dass es ein gutes Buch war mein Junge?

Na ja, es beschreibt den Geist der Zeit denke ich.

Weißt du ich habe sehr viel Zeit damit verbracht, über diesen Roman nachzudenken.

Und was denken sie heute?, fragte ich den Mann der mich nun zunehmend fesselte.

„Ich denke er würde es heute anders schreiben. Ehrlicher!

„Na sie haben vielleicht Nerven, Hugo ist unantastbar, der konnte schreiben was er wollte, und es war immer gut! Ich habe mal gelesen, dass ein Schriftsteller über ihn sagte:“ Man kann nicht jeden Tag gute Poesie schreiben, es sei denn man ist Victor Hugo!

Und das glaubst du?“, er sah mich fragend an.

„Ja das glaube ich!

Du bist also auch ein Schreiber?

Früher dachte ich das zumindest mal“, antwortete ich ihm und war fast beschämt. Danach zog ich das von mir zuvor gekaufte Sandwich aus der Tasche und bot ihm die Hälfte an. Wir schmatzten genüsslich.

 

„Sagen sie wo wohnen sie eigentlich?

Ach ich brauche keine Wohnung, am Tage bin ich in den Katakomben und des Nachts sitze ich hier und betrachte mir die Sterne.

Wieso schreibst du eigentlich nicht mehr“, fragte er mich und schlang sich den Rest des Sandwiches hinunter.

„ Schreibblockade! Mein Geist, mein Geist ist leer. Ich bin extra hierher gekommen, weil ich dachte; hier finde ich bestimmt neue Inspiration.“ Jetzt grinsten wir beide!

„Ja bei mir ist es die Feder.

Die Feder? Also schreiben auch sie?

Früher mal, ist lange lange her.

Sie sollten nicht all zu viel mit dem Herzen schreiben, sondern mit dem Geist. Einfach die Feder ansetzen und den Geist machen lassen. Ich glaube es liegt am Zusammenhalt! Wenn Hugo mehr über den Zusammenhalt der Klassen gewusst hätte, vielleicht wäre er mit seinem Roman zufriedener gewesen. Ich stelle mir immer vor, ich wäre einer der Elenden und dann empfinde ich ein sehr starkes Gefühl für meine Stadt. Es wäre doch möglich dass die Verdammten wie man sie auch nannte, gar nicht so traurig waren. Vielleicht wollten sie nur alles Menschenmögliche für ihre Stadt tun. Aristokratie hin oder her! Eine Art Stolz fürs Vaterland – für ihr Paris.“

Dann trat Stille ein. Wir schauten in die Sterne und sagten nichts. Nach einer Weile des Schweigens eröffnete er wieder das Gespräch.

„Wir sind wo möglich in die falsche Zeit geboren, stell dir vor du wärst gar nicht in die heutige Zeit geboren, sondern sagen wir ins 19 Jahrhundert. Die Betrachtung der Dinge, wäre eine völlig andere.“

Ich staunte!

In diesem Moment hatte ich tausend Ideen im Kopf, die hin und her schwirrten wie kleine Hummeln. Ich wandte mich zum gehen, und auch der Alte schien von Hast beseelt.

„Es war ein sehr gutes Gespräch und ein schöner Abend“, er lächelte.

Auch ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. War ich doch im Glauben von einem wie Ihm nichts erwarten zu können. Wie das Leben so spielt.

„ He“, rief ich Ihm hinterher.

„ Wie heißen Sie?

Ich heiße Victor“, klang es aus dem Dunkel.

„ Na dann“, schrie ich noch lauter.

„ Denk an die Feder und den Geist Victor.“ Ich blickte in die Sterne! Es war schon spät und auch die Frau von der anderen Bank war schon gegangen. Ich entschied mich dazu, zurück zum Hotel zu gehen, und dachte den ganzen Weg über seine Worte nach. Am nächsten Tag bin ich dann nach Hause gefahren, und habe die folgenden zwei Wochen wie ein Besessener geschrieben. Von meiner Schreibblockade war nichts zurück geblieben und so hatte ich mein neuestes Werk in kürzester Zeit vollendet. Direkt am nächsten Morgen habe ich mich dann mit einem meiner Schreibkollegen getroffen, und hielt ihm stolz das Buch vor die Nase. Es trug den Titel – Zeitbeschreiter - In die falsche Zeit geboren. Zu meinem Werk hat er nichts gesagt, hat nur geantwortet; ich solle mal in die Zeitung schauen. Es stünde etwas über den Meister drin, wie ich Hugo zu nennen pflegte.

Es war ein Artikel aus Paris. - Sensationsfund in den Katakomben -, verriet mir die Überschrift.

Man hatte zufällig einen verborgenen Eingang in den Katakomben gefunden. In einem geheimen Raum fand man alte Aufzeichnungen von und über Victor Hugo, sowie einen Brief seiner Frau den sie laut Artikel ein Jahr nach dem Tode ihres Mannes verfasst hatte. In diesem Brief schwor sie bei ihrem Leben, ihren Mann im Jardin de Tuileries auf einer Parkbank gesehen zu haben. Sie saß ihm direkt gegenüber, so beschrieb sie und er habe sich mit einem jungen Mann unterhalten. Die beiden hätten ständig gelacht. Sie schrieb, sie habe ihn selten so glücklich gesehen, wie an diesem Abend – dieser Nacht von Paris. Ein Werk Victor Hugos, welches dem Brief beigelegt war, trug den

Titel – Zusammenhalt der Klassen – und galt schon jetzt unter Literaturkritikern als Meisterwerk.

Auch war in der Zeitung ein Foto abgedruckt. Man sah eine alte Dame im Pelz, auf einer Bank sitzend und in die Ferne starrend!


Fin

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.03.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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