Es ist Silvester und Karin blättert in der TV-Zeitschrift um festzustellen, was die Sender zu bieten haben. Kurz hält sie inne, als ihr Blick auf ein Rezept fällt:
Fruchtiger Limetten-Silvestercocktail
50 ml frischer Limettensaft, 50 ml weißer Rum (alkoholfreie Variante: Rum weglassen) 1 EL Köllnflocken Instant, 2 TL brauner Zucker, 120 ml Orangensaft, 120 ml Maracujasaft, 5- 6 Eiswürfel Limettenviertel zum Garnieren
Zubereitung: Limettensaft mit Zucker und Köllnflocken Instant gut verrühren. Die restlichen Säfte, sowie Eiswürfel zugeben und vermischen. Der Drink wird noch erfrischender, wenn Sie anstatt der Eiswürfel gecrushtes Eis nehmen.
Karin lächelt. Fruchtige Limettencocktails trank sie vor 41 Jahren in Madrid, aber als erfrischendes Sommergetränk im Pablo Palazuelo Café.Karin legt die Zeitschrift aus der Hand und sinkt etwas tiefer ins Sofakissen. Ihre Gedanken schweifen zurück in längst vergangene Tage.
Damals, 1967, begleitete Karin ihre spanische Freundin Rosaliá zu deren Schwester, die in Madrid wohnte. Die Reise mit dem Nachtzug ab Hannover war beschwerlich, in Paris von einem Bahnhof zum anderen hetzen! Alles klappte aber prima, sogar an die anfangs Kreislauf belastende Hitze der Großstadt gewöhnte sich Karins Körper nach einigen Tagen. Rosaliás Familienangehörige waren nett, an Sonntagen unternahmen sie Ausflüge mit ihnen. Sie besuchten zum Beispiel das gewaltige Klosterschloss El Escorial und kehrten in Gartenrestaurants ein. Rotwein wurde zum Essen mit Wasser aus riesigen Flaschen verdünnt und Melonenkerne spuckten sie alle einfach auf die Erde. Nach einiger Zeit mochte Karin sogar den zu Beginn widerlich gefundenen permanenten Olivengeruch in der Küche. Inzwischen kocht sie selbst mit Olivenöl und schwarze oder grüne Oliven stehen täglich auf ihrem Tisch.
Die beiden jungen Frauen wollten natürlich nicht nur in der Wohnung herumsitzen und wie sie es von Deutschland gewohnt waren, suchten sie Discos auf, die es im Franco-Spanien auch gab. Sitten und Gebräuche waren im streng-katholischen Land zwar nicht so locker, z.B. durften sie im Schwimmbad keinen Bikini tragen, aber Flirts mit netten, jungen Männern tat das keinen Abbruch.
So lernte sie in einer Disco Juan-Carlos kennen, einen gut aussehenden Studenten. Obwohl Karin selbst Studentin war, kam er ihr irgendwie um Längen intellektueller vor. Und war bis zu diesem Zeitpunkt Horchata de Chufa, ein Mandelmilch-Mixgetränk, Karins Sommer-Drink gewesen, so wurde as ab dem nächsten Tag der Limetten-Cocktail, den sie im Pablo Palazuelo Café, das zu ihrem täglichen Treffpunkt werden sollte, kredenzten.
Die persönliche Erreichbarkeit war in jenen Tagen komplizierter, von einem Handy wusste man noch nichts und einen privaten Festnetzanschluss hatten hauptsächlich nur Geschäftsleute, Ärzte, usw. So erhielt Karin die Telefonnummer von Juan-Carlos’ Familie. Dort sollte sie zwecks Terminabsprache anrufen. Rosaliá hatte ihr beigebracht, was sie fragen musste, falls er nicht selbst ans Telefon ginge: “Oiga, por favor, está Juan-Carlos?” Karin machte sprachlich gute Fortschritte, weil sie bei jeder Tätigkeit, z.B. Tischdecken oder Abwaschen alle Gegenstände spanisch benennen musste. Umgekehrt hatten sie es in Deutschland gemacht, als Rosaliá nach Hannover gekommen war und nur wenig Deutsch verstand. Auch sangen sie vergnügt La Paloma in der Landessprache. Den Text kann Karin immer noch auswendig.
Der Sommer 1967 in Spanien mit Rosaliás Familie und Juan-Carlos war unbeschwert und den Geschmack des Limetten-Cocktails spürt sie nun Jahrzehnte später wieder auf ihrer Zunge, fruchtig-frisch, mit einem Hauch von jugendlicher Freiheit! Eine Urlaubsbekanntschaft bleibt wohl meistens ein Flirt, so verebbten die gegenseitigen Briefe recht bald. Die Kluft zwischen diesen beiden jungen Menschen war zu groß. Manchmal wüsste Karin gerne, was aus Juan-Carlos geworden ist. Rosaliá kann es ihr auch nicht sagen, sie hat zwar einen Spanier geheiratet, ist aber in Deutschland geblieben und kam nicht mehr oft nach Madrid. Erst vor kurzem haben sich die beiden über das Internet wiedergefunden. Karin wohnt immer noch in Hannover und Rosaliá in München. Irgendwann möchten sie sich besuchen.
Karin holt eine Schere und klebt später das ausgeschnittene Rezept des Limetten-Cocktails neben das Foto von Juan-Carlos. Mit einem Lächeln beschließt sie, es vielleicht einmal diesen Limetten-Cocktail zu mixen, aber nur vielleicht, sie ist jetzt 60 und da gibt es schon viele „vielleichts“! Sie findet aber schon allein die Erinnerung an den einen Limetten-Cocktail wunderschön, wie auch die Erinnerung an schwarzen Tee mit ganz viel Zucker und einem Pfefferminzblättchen in kleinen Gläsern, doch das ist eine andere Geschichte …
© Sonja Nic Rafferty ~ 2008
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.03.2011.
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