Rosie Taubmann

Ein tierisches Märchen! (1) Die weiße Königin des Waldes!

Es ist ein schöner warmer Sommertag und die Tiere des Waldes sind glücklich. Auf einer großen Lichtung herrscht ein emsiges Treiben. Frau Hase putzt und wienert ihre Wohnung. Sieben Igelkinder sitzen in Reih und Glied, hören aufmerksam ihrem Vater zu, der ihnen die Regeln des Überlebens erklärt. Frau Fuchs betreibt emsig Körperpflege. Die Wildschweinkinder, zwölf an der Zahl, sind mal wieder voller Tatendrang und zu allerlei Streichen aufgelegt. Übermütig rennen sie wild durcheinander, beschmutzen der Frau Hase die Wohnung, die schimpfend hinter ihnen her läuft. Ärgern die Igelkinder und äffen den Trommelstakkato des Spechtes nach. Der neu gegründete Amselchor trällert das wunderschöne Lied, der weißen Wolken, in den Himmel. Der mächtige Hirsch röhrt. Aufgeregt erzählen sich schnatternd die Wildenten die neusten Nachrichten und der alte Bär sitzt dösend und brummend vor seinem Haus. Auch Bambi das kleine Rehkind tänzelt staksend umher. Heute trägt es sein kleines Herz auf der Zunge und trällert glücklich sein tralalalaaa die Welt, sie ist so wunderbar, seht her die kleine Maus schaut neugierig aus ihrem Haus, tralalalaaa die Welt, sie ist so wunderbar, laut hinaus. Geh nicht so weit weg ruft ihm seine Mutter zu, doch die glückliche Kleine hört sie nicht. Da steht sie plötzlich dem grimmigen Wolf gegenüber. Na du, sagt Ferdinand der Wolf, was meckerst du denn hier so laut herum, das ist ja grausig. Ängstlich und mit großen Augen schaut Bambi auf den Wolf, es hat ihr die Sprache verschlagen.
Der alte Bär macht ein Auge auf und brummt. Du alter Grießkram, siehst du nicht dass die Kleine glücklich ist? Sie singt so wunderschön, halte dich gefälligst zurück!
Aber sagt der Wolf, ich habe es doch nicht böse gemeint, nur ich kann viel schöner singen, willst du es mal hören, schon hebt er seinen Kopf und singt aus Leibeskräften. Völlig entgeistert schaut Bambi auf Ferdinand, etwas schüchtern meint sie nach einer Weile, du jaulst aber laut. Ja, ja brummt Willi eine gute Lunge hat er ja! Beleidigt schweigt Ferdinand.
Doch was haltet ihr davon, schlägt Willi vor,  wenn wir
zusammen singen? Au ja ruft Bambi ganz verzückt. Immer noch etwas pikiert schaut Ferdinand Willi an und meint. Du, du kannst doch gar nicht singen, nur laut brummen. Aber von mir aus können wir es ja mal probieren.
Sie setzen sich zusammen und legen lauthals los, das Lied der Tiere, denn das können sie alle. - Es sitzt ein kleiner Hase, im tiefen grünen Grase. Ein Huhn es läuft im Kreis herum, ach wie ist das Huhn so dumm! Die anderen Tiere horchen auf, sie kommen gelaufen und setzen sich dazu. Laut stimmen sie mit ein, in diesen wunderbaren Liederreim. Es schallt ein Röhren, Jaulen, Piepsen, Mauzen, ein Grunzen, Krähen Zwitschern und Brummen durch den Wald. Jeder gibt sich Mühe schön zu singen und sie sind glücklich dabei.
Neugierig kommt ein Kobold angerannt. He ihr, ruft er schon von weitem, was soll dieser Krach, wollt ihr wohl still sein. Willi wendet sich ihm zu, verschwinde du kleiner nichtsnutziger Wicht, brummt er, sonst fresse ich dich!  Laut zeternd zieht sich der Kobold zurück. Jedoch hinter dem großen Baum bleibt er stehen, spitzt vorsichtig hinüber und verfolgt heimlich den Gesang der Tiere.
Inzwischen sind auch die Elfen gekommen, um dem Gesang der Tiere zu lauschen. Nachdem das Lied zu Ende ist fragt sie Willi: Na ihr fleißigen Elflein hat euch unser Lied gefallen?  Wunderschön sagte Elfi die Elfenkönigin! Quatsch schreit der freche Kobold hinterm Baum, grässlich  war es! Verschwinde Albert du elender Wicht, ruft Ferdinand sonst mache ich dir Beine, schon springt er auf und rennt zum Baum. Laut lachend verschwindet der Kobold.
Langsam trottet Ferdinand wieder zurück. Sag mal Willi fragt er den Bär, früher soll hier mal eine weiße Hirschkönigin gelebt haben, weißt du etwas darüber? Ja antwortet Willi, ich kenne die Geschichte! Erzähle, erzähle rufen die Tiere. Gut sagt Willi setzt sich bequem hin, ich werde sie euch erzählen. Gespannt schauen sie ihn an, auch die Elfen setzen sich dazu.
Vor mehr als zweihundert Jahren, fing er an, lebte hier Giselde eine junge Hirschkuh. Sie verliebte sich unsterblich in Albert den König der Hirsche. Aber sie war keine Schönheit, eher unscheinbar und so beachtete er sie nicht. Traurig lief sie durch den Wald und immer wenn sie sich begegneten, dieser große starke Hirschkönig und die kleine unscheinbare Giselde musste sie vor Kummer weinen. Sie konnte nicht verstehen dass er sie keines Blickes würdigte und ihr kleines unglückliches Herz war schwer. Schnell sprach sich ihr Liebeskummer bei den anderen Tieren herum und sie wurde zum Gespött aller.
Auch heute saß sie wieder weinend am See und ihr kleines Herz war vor Kummer traurig und schwer. So nahm sie auch nichts um sich herum wahr. Die Stille die sich über den Wald legte, das Getrampel von Pferdehufen, das Bellen von Hunden, nichts hörte sie, so vertieft war sie in ihrem Schmerz. Da plötzlich ein lauter Knall hallte durch den Wald, ein Schrei und Giselde stürzte von einer Kugel getroffen in den See. Tiefer und tiefer sank sie in die Dunkelheit des Sees hinab. Das Entsetzen lähmte sie und sie dachte, nun muss ich sterben oder bin ich schon tot? Plötzlich wurde es hell um sie und eine strahlende Gestalt erschien. Da stand sie, eine wunderschöne junge Frau, in ein goldenes Gewand gehüllt. Langes silbernes Haar floss spielerisch um ein zartes schönes Gesicht - die Göttin des Sees! Hab keine Angst Giselde sprach sie mit lieblicher Stimme, ich werde dir helfen. Du Arme, was haben diese rohen Gesellen dir angetan. Sie nahm sie mit in ihr Reich und pflegte sie gesund.
Nachdem Giselde wieder laufen konnte, schaute sie sich staunend um. Das ist ja ein richtiges Schloss sagte sie laut vor sich hin. Ja antwortete die Göttin und stand ihr plötzlich gegenüber, das ist mein Schloss, aus Gold, Silber und Juwelen erbaut. Andächtig flüsterte Giselde, es ist so wunderschön hier, am liebsten würde ich für immer bleiben. Nein das geht nicht widersprach ihr die Göttin, deine Aufgabe ist noch nicht erfüllt. Du musst wieder zurück. Traurig lässt Giselde ihren Kopf hängen und Tränen rinnen ihr aus den Augen. Sei nicht mehr traurig sprach die Göttin weiter, ich kenne deinen Kummer und werde dir helfen. Als wunderschöne weiße Braut kehrst du zurück. Dein Fell wird weiß wie Schnee sein und glänzen wie mit abertausend Diamanten besetzt und auf deinem Kopf werden sich deine kleinen Geweihhörner zu einer goldenen Krone formen. Du wirst die Königin des Waldes sein! Eine wunderschöne, einmalige Königin, die es vor dir noch niemals gab und nach dir nie mehr geben wird. Auch  kann dir keiner mehr ein Leid zufügen. Keine Kugel, kein Pfeil oder Messer kann dich verletzen. Nun leb wohl meine kleine Königin!
Nach diesen Worten fand sich Giselde am Ufer des Sees wieder. Sie schaute an sich herunter und sah das weiße strahlende Fell. Ungläubig ging sie zum See und schaute ihr Spiegelbild an. Vor Staunen blieb sie ganz ruhig stehen. Eine Königin in einem weißen strahlenden Gewand mit einer goldenen Krone schaute sie an. Es war also doch kein Traum, dachte sie glücklich. Das bin wirklich ich.
Langsam drehte sie sich um und da standen sie, Tiere des Waldes und schauten staunend zu ihr hin. Wer bist du fragten sie? Die Königin dieses Waldes antwortete sie. Und alle verbeugten sie sich vor ihr. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Kunde über die neue Königin. Hoch erhobenen Hauptes schreitet sie durch den Wald und jedes Tier das ihr begenette, verbeugte sich ehrfurchtsvoll vor ihr. Sie strahlt eine göttliche Schönheit aus flüsterten sie sich zu. Diesmal lachte niemand mehr über sie.
Als der Hirschkönig von der Kunde hörte, machte er sich auf die Suche nach ihr. Und dann stand er ihr gegenüber. Ein überirdisch schönes Wesen schoss es ihm durch den Kopf. Staunend fiel selbst er vor ihr auf die Knie und wagte es kaum sie an zuschauen. Steh auf hörte er eine liebliche Stimme sagen. Nachdem er wieder stand wagte er es sie nach ihrem Namen zu fragen. Aufmerksam lauschten die Tiere. Ich heiße Giselde antwortete sie. Giselde heißt sie, ging es andächtig von Mund zu Mund.
Der König warb um sie und nach vier Wochen feierten sie Hochzeit. Giselde war glücklich. Sie strahlte in solch einer lieblichen Schönheit, dass viele den Anblick kaum ertragen konnten. Und im laufe der nächsten Jahre entwuchsen viele kleine Prinzen und Prinzesschen dieser glücklichen Ehe. Alle waren sie weiß, doch keines von ihnen trug eine goldene Krone wie ihre Mutter.
Es begab sich dass die Kunde der weißen Hirschkuh mit den goldenen Hörnern bis zum Grafen vor drang. Und diesen packte das Jagdfieber. Er musste sie haben, diese einzigartige Trophäe.
Immer wieder hatte er sie vor der Flinte, doch kein Schuss traf. Sie ist verhext flüstern sich einige seiner Treiber zu und bekamen Angst vor diesem unheimlichen höllischen Wesen. Andere wiederum sagten, sie wurde uns vom Himmel gesandt, sie ist ein göttliches Wesen, aber Angst hatten auch sie. Doch die Manie des Grafen artete zur Besessenheit aus.
Eines Tages stand ihm der König des Waldes gegenüber. Groß, mächtig und stolz stand er da mit hoch erhobenem Kopf und dem größten Geweih das die Jäger je gesehen hatten. Diesem kapitalen Hirschen konnte der Graf nicht widerstehen und schoss ihn ab. Weidwund röhrte das stolze Tier noch seinen Todesschrei durch den Wald und mit einem Schlag trat Stille ein. Eine solch unnatürliche Stille, dass sie den Jägern unter die Haut ging. Es ist als hielte die Welt den Atem an. Ewas Unheimliches ging hier vor und flößte ihnen Angst ein. Nachdem sie den toten  Hirschen auf einem Pferd fest gebunden hatten, verließen sie fluchtartig den unheimlichen, Geheimnis umwobenen Wald.
Giselde hörte den Schrei und wusste sofort was er bedeutete. Auch Tiere des Waldes kamen herbei gelaufen und berichteten ihr unter Tränen von dem Tod ihres Geliebten. Ein furchtbares Unglück war über sie herein gebrochen und sie weinte bitterlich. Sie hatte die Liebe ihres Lebens verloren. Lange Zeit trauerte sie, dann löste die Bitterkeit und eine schreckliche Wut die Trauer ab. Und sie beschloss sich an seinen Mördern zu rächen.
Als der Graf wieder einmal mit seinen Jägern, auf der Suche  nach ihr durch den Wald ritt, trat sie ihm plötzlich entgegen. Überrascht schauten die Jäger sie an. So nahe hatten sie noch nie das Glück sie zu sehen und waren von ihrer Schönheit überwältigt. Endlich rief der Graf, endlich haben wir dich. Los Männer schießt! Sofort rissen die Jäger ihre Waffen hoch und schossen auf sie. Doch was war das? Die Kugeln prallten wie durch Zauberhand von ihr ab, flogen zurück und trafen die Jäger selbst. Voller Grauen sahen sie zu ihr hin, unverletzt und hoch aufgerichtet stand sie da, hob ihren Kopf und stieß einen triumphierenden Schrei aus, danach wandte sie sich ab und verschwand im Wald. Und sie starben alle. Wer nicht durch die eigene Kugel starb, wurde von den wilden Tiere des Waldes zerrissen. Ihre Rache war grausam!
Aber Giselde konnte ihren Liebsten nicht vergessen. Sie wurde immer trauriger, nichts konnte sie mehr aufheitern. Und so kehrte sie eines Tages zum See zurück. Da stand sie, ihre Göttin, wunderschön, in ihrem goldenen Kleid. Meine kleine traurige Königin sagte sie leise, nun hast du deine Aufgabe erfüllt, dabei breitete sie ihre Arme aus, - komm zu mir! Und Giselde, sie ließ sich Trost suchend hinein fallen. - Niemals wieder wurde die weiße Königin des Waldes gesehen.
Aber wenn ihr heute ab und an einen weißen Hirschen seht, dann wisst ihr, dass es ein Nachkomme von Giselde, der weißen Königin ist!
Alle sitzen sie still und ergriffen da. Das war eine schöne Geschichte sagt Ferdinand. Ja, fast andächtig spricht Frau Hase immer noch ergriffen, die Liebe geht über den Tod hinaus. Wunderbar, wunderbar schnattern die Enten und wischen sich die Tränen aus den Augen. Auch Bambi sitzt still und schaut mit ihren schönen, großen, samtenen Augen nachdenklich auf Willi.  Nachdem wieder ein paar Minuten um waren fragt Ferdinand in die Stille: Sag mal Willi, kennst du noch mehr Geschichten? Klar antwortet Willi, ich kenne noch viele. Doch für heute reicht es. Die Tiere verabreden sich für den nächsten Tag um dieselbe Zeit und Willi verspricht ihnen die Geschichte vom traurigen Einhorn zu erzählen! Müde geht er in seinen Bau, legt sich hin und ist gleich darauf eingeschlafen!




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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.03.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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