Diethelm Reiner Kaminski

Endlich am Ziel



Was Ramses ein Leben lang versagt blieb – hier hat er gefunden, was er braucht: Freundschaft, Zuspruch, Verständnis. Nicht alle, aber viele teilen seine politische Gesinnung, die er erst vorsichtig, dann immer offener hat durchblicken lassen. Unzufriedenheit verbindet. Und unzufrieden ist er, nicht mit seinem privaten Leben, da geht es ihm bestens, aber mit den Zuständen in seiner Stadt, seinem Land, in der ganzen Welt. Er lässt in seinen Beiträgen und Kommentaren keinen Zweifel daran, dass er ein Privilegierter ist, dank seiner Eltern, denen er heute noch dankbar ist, dank seiner herausragenden Begabung, seines angeborenen Geschicks und nicht zuletzt, weil ihn das Glück nie im Stich gelassen hat.
Mit 32 verfügt er über ein beträchtliches Vermögen, eine eigene Firma, ein Ferienhaus in Griechenland, die Frauen flögen nur so auf ihn, kaum könne er sich ihrer erwehren. Junggeselle sei er nicht aus Überzeugung, sondern weil er die Qual der Wahl habe. Auch Frauen im Blog senden ihm interne Botschaften, umgarnen ihn und hoffen, ihn aus der Reserve und Anonymität locken zu können.
Aber so viel Ramses auch öffentlich von seinem rundum gelungenen Leben verrät, in diesem Punkt gibt er keinen Millimeter nach. Er hat einen Schutzwall um sein Privatleben errichtet, um seine Firma, um seine Zwölfzimmervilla auf dem Peloponnes in der Nähe von Kalamáta.
Die Bloggerinnen, die bis jetzt keinen Mann gefunden haben oder ihn an eine andere haben abgeben müssen, wurmt das sehr. An diesen Ramses muss doch ranzukommen sein. Vor allem bedrückt sie die Vorstellung, eine andere könne ihnen zuvorkommen und ihnen den seltenen Leckerbissen vor der Nase wegschnappen. Sie legen noch einmal zu in ihrem Bemühen, machen eindeutigere Avancen. Ramses bleibt höflich, aber neutral und lässt nie erkennen, dass ihm zu seinem Glück noch eine der virtuellen Freundinnen fehlen könnte, da mögen sie ihren Körper, ihre Bildung, ihren Charakter noch so sehr im rosigsten Licht darstellen.

Ramses sonnt sich in ihrer Gunst. Das erste Mal in seinem Leben, dass er sich angenommen weiß. Schon am frühen Morgen schiebt er seinen über achtzigjährigen Körper ächzend und unter Schmerzen von der verschlissenen Couch in seiner winzigen Mansarde, um sich einen Kaffee zu brühen, bevor er sich wieder an den PC setzt, seinen vielen Freunden einen fröhlichen Morgengruß entbietet und ihren oft kuriosen Ansichten begeistert beipflichtet.
Verdammt, die Kaffeedose schon wieder leer, und noch fünf Tage bis zum Ersten. Mit dem restlichen Geld muss er die Stromrechnung begleichen, sonst sperren sie ihm wieder den Zähler. Er begnügt wohl oder übel mit einem Becher Hagebuttentee und drei trockenen Zwieback.
Die schmecken gleich doppelt so gut, als er die erste interne Nachricht liest: „Hallo Ramses, habe heute Nacht von dir geträumt. Wir lagen am Strand in Griechenland. Nur wir beide. Du und ich. Weit und breit keine Menschenseele … Was denkst du, wann könnte dieser Traum Wirklichkeit werden?“
 


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