Alexander Vogt

Winterfeuer (Teil 2) Die Eskorte

                                Jannick:              
Die Kuppeldächer Neuschaffenburgs glänzten im Morgenlicht wie die Panzer goldener Skarabäen. Lord Erchangers Palast lag auf einem der vier Hügel, auf denen die zweitgrößte Stadt Avariens vor fast achthundert Jahren gegründet worden war. Die ersten Sonnenstrahlen des eisigen Frühlingsmorgens berührten das waldige Land noch zaghaft und dicker Reif lag noch auf den Wiesen und den dunklen Nadelbäumen ringsumher.
Der Mischwald der unteren Kornebene, der sich von Neuschaffenburg nach Westen und Süden erstreckte, war noch kahl und schwarz: die Blaufichten waren die einzigen Bäume, die sich von dem tristen Einheitsgrau der Wälder abhoben. Dieses war der erste schöne Tag im Wetterlir, der erste Tag, der auf einen nahen Frühling hoffen ließ, an dem die Wälder wieder grün und die Weiden wieder bunt wurden.
Jannick stand in seinem gefütterten weiß-beigen Morgenmantel aus Hermelinfellen hoch oben auf dem prachtvollen Marmorbalkon seiner Palast Suite, hatte seine Hände tief in den gepolsterten Seitentaschen vergraben und blies mit jedem Atemzug Kondenswasserwölkchen in die kalte Morgenluft. Er nahm einen tiefen Atemzug der kalten Brise, die plötzlich aufgekommen war und den Duft der reifbedeckten Felder bis hoch in die Stadt hinauf trug.
Er grinste jetzt unwillkürlich, als er über den Gedanken nachsann, der ihm gerade gekommen war, und fuhr sich dabei durch seinen kurzen Bart. Jannick ließ seinen Blick von links nach rechts über den hellblauen Morgenhimmel schweifen und seufzte tief und zufrieden über diesen wundervollen Anblick. Vielleicht sollte er es wirklich wagen.
„Morgen, alter Träumer,“ hörte er die tiefe Stimme seines Freundes, die so früh am Morgen noch basshaltiger  klang. Greganor musste ihn seufzen gehört haben. Er hatte sich ebenfalls in seinen Morgenmantel gehüllt und legte ihm jetzt die breite Hand auf die Schulter, ehe er neben ihn trat: „Komm´ mir nicht auf dumme Gedanken, mein Alter, ich habe keine Lust, heute allein zu frühstücken! Ich habe für uns nämlich schon ein reichhaltiges Frühstück bestellt, das du bestimmt nicht kalt werden lassen möchtest!“
„Bestimmt nicht!“ grinste Jannick und dachte an den gebraten Speck, die kleinen Bratwürstchen, das Rührei mit Pilzen und die süßen weißen Bohnen in heißer Tomatensoße. Dazu hatte Greganor bestimmt wieder Milch, heißes Wasser, Kakaopulver und verschiedene Teesorten bestellt. Im Sommer würde es sogar wieder frischen Orangensaft zum Frühstück geben, worauf Jannick sich besonders freute.
Sein Freund stütze sich auf das übertrieben breite Marmorgeländer und blickte hinab in die dunklen Gassen, in denen noch nicht eine Katze zu sehen war.
„Was meinst du?“ fragte Greganor ihn, „Warum hat unser Lord uns für gleich zu sich bestellt? Hat er wieder aus Kermon von den Adepten einen Auftrag für uns erhalten?“
„Vermutlich.“
Greganor seufzte: „Ich hoffe nur, diesmal ist unser Auftrag wenigstens etwas prickelnder als die Überführung von Dokumenten von Inlach nach Dernchester. Ich habe mich so gelangweilt, daß ich mich ernsthaft fragen musste, wofür ich meine ganze harte Ausbildung eigentlich gemacht habe. Bisher habe ich dich nur vor alten Greisinnen geschützt, die dich dafür hassten, dass du ein Adept bist. Ach ja,“ fügte er hinzu, „und vor Horden kleiner Kinder, die gerne mal mit ganz tiefer Männerstimme sprechen wollten...oder mit den Füßen in der Luft schweben.“
„Oder die sich Ausschlag oder Läuse gewünscht haben, um nicht zur Schule zu müssen,“ lachte Jannick. „Du hast Recht, ich komme mir manchmal so vor, wie ein Gaukler, ein Scharlatan, der mit faulen Tricks arbeitet.“
„Und ich komme mir vor, wie ein tumber Eisenmantel, der die Zuschauermenge zurückdrängt, wenn der König durch die Straßen zieht. Die Adepten haben doch wirklich ein Rad ab, uns immer diese Laufburschenaufträge zu geben!“
„Jammere nicht, ich fühle mich auch nicht gerade Gaben orientiert eingesetzt, aber wir unterstehen nun mal Veranas, und der hält nicht viel von uns.“
Jannick hob seinen Zeigefinger und drehte ihn im Kreis, wobei ein schmaler Feuerstreifen seinem Finger folgte und so einen Wirbel bildete der langsam nach oben stieg. Er war bereits vor vielen Jahren dazu übergegangen, keine bestimmten Formeln und Gesten mehr zu benutzen, wenn er seine Kräfte einsetzte und nur Greganor oder Lord Erchanger zugegen waren. Die Adepten wussten freilich nichts von dieser Verletzung ihres wichtigsten Gebotes, dessen Unantastbarkeit so selbstverständlich war, dass nominell nicht einmal eine Strafe dafür existierte. Vielleicht war es der Trotz seinem alten Lehrmeister gegenüber, der Jannick diese Regel bewusst missachten ließ, vielleicht auch nur der Unwillen, seinen engsten Vertrauten etwas vorzuspielen. „Wir könnten längst Jagd auf Morbiél machen, aber Veranas besteht eben darauf, dass man erst mit dem fünfundzwanzigsten Lebensjahr in den Zirkel der Jäger eintreten kann,“ meinte Jannick missmutig.
Greganor stöhnte schicksalsergeben, nahm die Hände von dem massiven Marmor und rieb sie aneinander: „Komm, lass uns frühstücken, sonst fallen uns gleich noch die Ohren ab vor Kälte!“
Jannick schnippte mit Daumen und Zeigefinger ein imaginäres Sandkorn fort, worauf der winzige Feuerwirbel in einem Wölkchen verpuffte: „Ja, das Frühstück müsste bald da sein. Kakao und Tee?“
„Wolltest du etwa Starkbier?“
„Wenn es wieder unser graziöses Küchenmädchen mit den blonden Löckchen serviert, nehme ich sogar mit Freuden Sauerrahm als Getränk.“
Greganor grinste und knuffte ihn mit dem Ellenbogen: „Die Kleine gehört schon mir, du schwärmst doch schon die ganze Zeit von der Malerin und Bildhauerin, die unseren Lord gerade porträtiert.“
„Tja,“ meinte er und blickte wieder tagträumend an die Decke „das Mädel ist wirklich ein Unikat.“
Ein hartes Pochen von Eisen auf Eisen war zu vernehmen. Greganor stand wieder in der Balkontür: „Ich gehe schon,“ rief er Jannick über seine Schulter zu.
Jannick grinste und folgte seinem Freund in ihre gemeinsamen Räume. Er verriegelte die gewaltige Balkontüre aus Glas und Eichenholz und bekam gerade noch mit, wie Tailana, das blonde Küchenmädchen, ihren Servierwagen vor sich herschiebend, in ihre Suite trat. Mit ihrem blütenweißen Häubchen, ihrer Schürze und ihrem verlegenen Lächeln sah sie fast noch wie ein Mädchen aus, als sie die versilberten Hauben von ihren Tellern lüftete. Zugegeben, Greganor und er waren auch nie daran unschuldig gewesen, dass Tailana nicht nur jedesmal mit einem Lächeln und geröteten Wangen ihre Suite betrat sondern sie auch mit einem kaum zu unterdrückenden Strahlen im ganzen, hochroten Gesicht wieder verließ! Sie servierte ihnen jetzt schon seit drei Wochen fast jeden Morgen das Frühstück. Genaugenommen seit dem Tag, als sich Jannick spasseshalber bei Lord Erchanger beschwert hatte, dass er seinen Frühstücksspeck mehr genießen könnte, wenn er nicht jedesmal beim Anblick der Servierdame daran erinnert werden würde, welch prekären Folgen übermäßiger Speckgenuss haben konnte!
Tailana blickte schüchtern aber schmunzelnd nieder, als sie ihnen ihren Morgengruss entgegen brachte: „Guten Morgen, meine Herren! Hier ist ihr bestelltes Frühstück, lassen sie es sich munden.“
„Wie machst du das, dass aus deinem Munde alle Worte klingen wie eine Melodie?“ fragte Jannick sie, wofür er sich einen bösen Rippenstoß seines grinsenden Freundes einfing.
„Wie kannst es wagen?“ lachte Greganor: „Jetzt wird mein Kompliment, daß sie heute wieder ganz hinreißend aussieht, geradezu erschreckend banal klingen!“
Sie hatten es tatsächlich schon wieder geschafft, dass Tailana ganz rot wurde und sich auf die Unterlippe biss, als sie weiter schüchtern zu Boden blickte.
„Du kannst ihr doch immer noch sagen, dass dir in ihrer bezaubernden Gegenwart sowieso kein klarer Gedanke kommt,“ gab Jannick Greganor grinsend zurück.
„Das ist allerdings wahr!“ Greganor blickte sie direkt an. „Ich durfte heute noch gar nicht richtig deine Augen bewundern, willst du mir nicht den Gefallen tun, sonst habe ich heute gar nichts, von dem ich träumen kann!“
„Eins zu eins!“ lachte Jannick.
Tailana blickte nur einen kleinen Augenblick auf, Greganors Blick konnte sie nicht länger aushalten, ohne vollends nervös zu werden. Jannick grinste: Es wäre doch alles nur halb so schön, wenn sie nicht so schüchtern wäre!
„Ich muss jetzt wieder in die Küche zurück gehen,“ entschuldigte sie sich und versuchte damit von ihrer Schüchternheit abzulenken und sich schnell aus der Affäre zu ziehen. Sie hatte jetzt sogar schon rote Ohren bekommen.
„Was wäre, wenn wir jemanden schicken würden, der dich entschuldigt, weil wir deine entzückende Gesellschaft noch nicht so früh wieder missen möchten, wo sie uns doch das Einzige ist, was uns so den Tag versüßt?“
Tailana schwieg einen Moment betroffen und ihre Wangen glühten schon wieder vor Verlegenheit.
„Meine Herren, bitte!“ bettelte sie ohne aufzusehen: „Ich habe noch zu tun! Ihr Frühstück wird noch kalt.“
„Nicht, wenn du so nah davor stehst, du glühst ja richtig,“ scherzte Greganor.
Jannick und Greganor blickten sie jetzt beide unverhohlen an und Tailana wagte sich nicht zu rühren. Das war mit Abstand die angenehmste Form von Machtmissbrauch, die er kannte, dachte Jannick heftig schmunzelnd. Er blickte zu Greganor hinüber, dem er sofort ansah, dass er so herzlos sein würde, seinen bohrenden Blick und sein Schweigen so lange aufrecht zu erhalten, bis das Mädchen schließlich mit einer Entschuldigung die Flucht ergreifen müsste.
Jannick war nicht so grausam, er trat auf sie zu und nahm ihre Hand: „Komm, du kannst gehen!“ lachte er. „Aber wage es nicht, dich versetzten zu lassen! Wir finden dich überall!“ Er führte sie zur Tür, blickte schnell noch in die Suite nach dem Blumengesteck auf der Fensterseite des Raumes und öffnete fordernd seine andere Hand. Eine Rose hob sich von unsichtbarer Hand geführt aus einer Kristallvase, glitt lautlos durch die Luft und ließ sich von Jannicks Zeigefinger und Daumen aus der Schwerelosigkeit klauben: „Hier, damit du uns nicht vergisst,“ er lächelte sie an und reichte ihr die gelbe Blume. Die hochrote Tailana machte einen Knicks, ohne ihn anzublicken und ergriff dann schnell die Flucht.
„Ich hatte sie fast so weit!“ hörte er Greganor aus ihrer Suite murren.
„Wie weit?“
„Für ihren vorzeitigen Abgang eine Wiedergutmachung anzubieten.“
„Du meinst, das hätte dir die Möglichkeit gegeben, sie einmal auf ein Essen einzuladen?“ Jannick hob schmunzelnd die rechte Braue.
„Zum Beispiel! Aber du musstest ja wieder den Kavalier spielen,“ Greganor zog beleidigt seine Mundwinkel nach unten.
Jannick stibitzte derweil schon einen Streifen gebratenen Speck von seinem Teller: „Ist sie für deine Geliebte nicht etwas zu schüchtern? Du bist doch selber nicht so.“
„Wer spricht von Geliebte? Wir gehen zum König und sagen ihm, dass das Zölibat für Beschützer und Adepten eine Zumutung ist. Der alte Lothar wird darüber nachdenken und unverzüglich eine Gesetzänderung erlassen und: tata! Ich werde die Kleine heiraten!“
„Dann sieh aber zu, dass du unsern mürrischen Lothar in Gegenwart seiner Frau deine Bitte vorträgst,“ lachte Jannick. „Sonst wird er dir eine Gardinenpredigt darüber halten, dass du dir das mit der Ehe noch einmal gründlich überlegen sollst und, dass das Gefühl seine Frau immer an seiner Seite zu wissen weit überschätzt wird!“
„Alter Miesmacher! Ich wette, du bist von uns der Erste, der dem König zu Füßen kriecht, weil du es nicht mehr ertragen kannst, dein Dasein ohne eine Frau zu fristen!“
„Möglich,“ sagte er lapidar und schob sich einen weiteren Streifen gebratenen Speck in den Mund.

„Da sind ja meine Jungen!“ grölte Lord Erchanger fröhlich, als er Greganor und ihn ganz formlos in seinem Studierzimmer empfing. Der Lord hatte privat nicht viel übrig für Pomp und Glitzer, dafür musste immer alles blitzblank und militant ordentlich sein. In seinen großzügigen Bücherregalen waren alle Bände auf die gleiche Linie herausgezogen und eine Spinne oder eine Fliege in seinem Studierzimmer zu finden, war unwahrscheinlicher, als beim Pflügen eines Ackers auf eine vergrabene Kiste Juwelen zu stoßen. In der Luft hing wieder der vertraute schwere Geruch von verbranntem Tabak. Der Lord zog gut gelaunt an seiner Mehrschaumpfeife und bat ihnen die zwei breiten Sessel ihm gegenüber an. Weiter hinten stand sein hoher Schreibtisch und gleich dahinter lag das Fenster, mit dem er nach Westen, Pfeife rauchend und Wein trinkend ins Abendrot blicken konnte. Eine der liebsten Zeitbeschäftigungen des großen Mannes, der an Jugend und Tatkraft nichts eingebüßt zu haben schien, seit ihm Jannick vor gut zehn Jahren zum ersten Mal begegnet war!
Allein die wenigen grauen Haare in seinem sonst pechrabenschwarzen Bart und seinen Schläfen kündeten davon, dass Lord Erchanger keine vierzig mehr war.
„Na, setzt euch schon, Jungs!“ donnerte er und grinste dabei unverschämt breit. „Ich habe da etwas ganz Nettes für euch! Ach, ich wünschte, ich könnte mit euch Burschen tauschen!“
Mit skeptisch amüsierten Blick setzten sie sich in die tiefen Sessel und warteten neugierig ab, was ihr Lord ihnen zu sagen hatte.
„Gestern abend traf diese Depesche hier ein,“ sagte er, nahm einen dünnen Brief vom Tisch und winkte damit.
Am blutroten Siegelwachs und der siebenstrahligen Sonne erkannte Jannick sofort, dass er von Herzog Veranas Hand stammte. Es war eine schriftliche Anordnung, die allein der oberste Adept unterzeichnen durfte.
„Diesmal ist es kein Botendienst, sondern ein waschechtes Vergnügen!“
Jannick setzte sich aufrechter hin und auch Greganor rutschte in seinem Sessel nach vorne.
„Na, schon interessiert?“ grinste der Lord, warf den Brief wieder auf den Marmortisch und ließ sich dann genüsslich in seinen Sessel zurücksinken.
„Um was geht es denn?“ hörte sich Jannick neugierig fragen. Seit Greganor und er ganz offiziell ihre Schule hinter sich hatten, war ihr Leben trotz der ungewohnten und grosszügigen Annehmlichkeiten des Hoflebens doch sehr fade geworden!
„Um was es geht?“ donnerte der Lord. „Um das schönste Weib Loriéliens! Die Gräfin sieht wohl so gut aus, dass ihre adligen Neiderinnen ihren Ruhm bis nach Neuschaffenburg tragen konnten. Nicht nur einmal fiel ein Bonmot bei Tisch für ihre Neiderinnen ab. Verschiedene Adlige aus Loriélien haben schon über den Neid ihrer Frauen und die ausgefallene Schönheit dieser jungen Dame etwas zum Besten gegeben! Sie soll kastanienbraunes Haar und grüne Augen haben und einen Mund, der schon mehr als einen armen Mann kirre gemacht haben soll! Ihr Ruhm ist erstaunlich, dabei ist sie machtpolitisch gesehen so herzlich unbedeutend, wie die Zofe der Königin.“
Greganors und Jannicks Interesse war geweckt. Jannick bemerkte sogar, dass sich seine Rechte an sein Knie geklammert hatte, als der Lord seine Rede fortsetzte.
„Nun, ihr Burschen wart wohl für Veranas genau die Richtigen, um einer so unbedeutenden Person den gesetzlich vorgeschriebenen Geleitschutz der Adepten in Avarien zu geben! Die Gräfin litt wohl unter ähnlichem Langmut wie ihr und hat kurzfristig beschlossen, eine Vergnügungsfahrt durch unser schönes Reich zu machen. Und damit die bösen Morbiél sie nicht in die Finger bekommen, dürft ihr ihre tapferen Schoßhündchen spielen!“ lachte der Lord, sichtlich mit sich und seinen Worten zufrieden. Er gönnte sich noch einen gehörigen Zug an seiner Pfeife.
Die beiden Freunde blickten sich begeistert an: das verhieß nicht nur schön zu werden, sondern vielleicht auch gefährlich! In den letzten drei Jahren hatten die Morbiél unerfindlicherweise angefangen, diverse Adlige verschwinden zu lassen oder einfach nur abzuschlachten! Dabei schienen sie kein System zu verfolgen, denn weder fanden sich unter den Adligen familiäre Bindungen, noch waren sie alle besonders reich oder bedeutend. Die einzige Verbindung, die zwischen all den Morden bestand, war die Tatsache, dass die Opfer alle blauen Blutes gewesen waren.
Wenn diese Gräfin tatsächlich so schön war, sollte es Jannick nicht im Geringsten stören, dass Veranas ihn nur für sie als Begleitschutz ausgewählt hatte, weil für Avariens und Loriéliens Monarchien sowohl die Gräfin als auch er entbehrlich waren! Er hatte keine politischen Ambitionen, noch wollte er in den engeren Kreis der Adepten aufsteigen! Seit den ersten Wochen in seiner Formellehre unter Marbuk war es ihm nicht entgangen, dass sein Lehrer ihn nicht besonders schätzte! Er hatte sich aber lange nach bestem Wissen und Gewissen bemüht, seinem Lehrer alles recht zu machen, um dadurch endlich seine Anerkennung zu gewinnen. Irgendwann schließlich, in seiner frühen Pubertät hatte er dann jedoch eingesehen, dass er Marbuk nicht glücklich machte, indem er Glanzleistungen vollbrachte, sondern nur, indem er Dinge nicht fertig brachte und seine Kräfte brach liegen ließ! Diese Erkenntnis hatte dem schlechten Lehrer nicht nur die tiefste Verachtung seines Schülers eingebracht, sondern seinen Schüler auch dazu bewegt, Marbuk seine wirklichen Fortschritte zu verschweigen!
Jannick experimentierte fortan mit seinen Kräften, lebte seine schöpferischen Ideen vollends aus, achtete aber penibel darauf, dass sein Lehrer nichts davon erfuhr! Ihm spielte er den letztendlich gebrochenen Adepten vor, dem seine Kräfte nur noch eine Last waren, zumal sein einziger Lehrer keinen Wert auf ihn legte. Angeblich resignierend, hatte er Marbuk ein Bild eines Menschen geboten, der es Leid geworden war, immer nur mit Argwohn und Hass betrachtet zu werden, egal, wie sehr er sich um die Gunst seines Lehrers bemüht hatte. Welches falsche Spiel Marbuk auch immer spielen mochte, nachdem Jannick die Regeln begriffen hatte, spielte er mit der ganzen Verschlagenheit seines Lehrers mit. Diese Erfahrung hatte den jungen Mann gleich zweierlei gelehrt: Dass auch vermeintlich wohlgesinnte Menschen, die ein Vorbildcharakter für ihre Untergebenen sein sollten, ihnen durchaus feindlich gesinnt sein können. Und zweitens, dass Bosheit sich nur in den seltensten Fällen direkt offenbart: Sie verbarg sich viel mehr, war intrigant und verschlagen und würde erst dann zuschlagen, wenn man sich dagegen nicht mehr wehren konnte. Die Bosheit würde solange dein Freund bleiben, wie sie dich für ihre Zwecke gebrauchen konnte und erst im letzten Augenblick ihre scheußliche Fratze in aller Grässlichkeit zeigen!
Nicht zuletzt war es die Weisheit seines alten Vaters und das Misstrauen seiner Gönner Erchanger und Fornworth, die Jannicks Weltbild geprägt hatten. Sein Vater hatte ihm über Jannicks Schulwissen hinaus viele weise Einsichten vermittelt und die Lords hatte diese Einsichten um die gebotene Vorsicht bereichert, die mächtige Männer von Welt dazu walten lassen sollten.
„Wann werden wir aufbrechen und wo werden wir die Gräfin abholen?“ fragte Greganor den Lord breit grinsend.
„Ihr werdet heute noch in die Grenzstadt Sillencorn aufbrechen, von dort aus geleitet ihr sie über Kermon nach Neuschaffenburg und wieder zurück.“

Zurück in ihrer Suite saß Jannick in einem schweren Sessel und blickte mit Mißfallen auf seine blutrote Adepten Robe. Sie war schwerfällig und plump, weder praktischen Nutzen noch Eleganz konnte man ihr nachsagen, einzig der Schrecken, der von ihr ausging war benenneswert. Nur greise Witwen, die sich in ihrem Alter und ihrer Situation in einer gewissen Narrenfreiheit glaubten, erlaubten sich abfällig über Adepten in deren Gegenwart zu äußern. Selbst Hofnarren und die frechsten Barden ließen sich nicht auf einen Spottgesang ein, bedurfte es doch nur einer Handbewegung der Adepten, um sie ihrer Stimme oder ihres Rockes zu berauben. Adepten waren grausame Regierungsbeamte und noch unbarmherzigere Henker: wer sein Wort gegen sie erhob war entweder ein Tor oder seines Lebens überdrüssig. Jannick wiegte den Kopf hin und her.
Vor zweihundert Jahren war das Ansehen der Adepten weit größer gewesen, sein Vater hatte ihm viele alte Bücher darüber zu lesen gegeben. Einstmals hatte der Zirkel der Adepten aus vielen verschiedenen Zirkeln bestanden. Einem Zirkel, der sich der bildenden Kunst verschrieben hatte, einem anderen, der nur nach der Perfektion der Musik strebte, einem Zirkel, der Heilpflanzen züchtete und kreuzte. Ob Bildhauer, Architekten, Maler, Musiker, Biologen, Politiker oder Poeten, alle hatte - vor knapp zweihundert Jahren, als auch Greifenfels errichtet worden war - Tobaskar von Halskenmoor zu einem einzigen Zirkel zusammengedrängt!
Tobaskar - wegen seiner ungewöhnlich blassen Gesichtsfarbe auch `der Fahle´ genannt - war ein geschickter Taktiker aus dem Zirkel der Politiker gewesen, der das Überleben der Adepten dadurch sichern wollte, sie alle in die gleiche, hohe Position zu bringen.
Unter schier unvorstellbaren Mühen hatte er die Adepten in die Rechtsbücher aller drei großen Monarchien Kimbernias eingebrannt als Vögte im Dienste der Könige mit judikativen und exikutiven Vollmachten, wie sonst nur die Könige selbst sie hatten. Er schaltete die Zirkel gleich und machte sie zu Politikern, was ihm ohne die damals schon drohende Gefahr seitens der Morbiél nie gelungen wäre. Auch führte er jenes fatale Gesetz ein, das neugeborene Adepten, unter Androhung der Todesstrafe für die Eltern, an den Zirkel der Adepten ausgeliefert wurden mussten. Zuvor hatte lediglich eine Meldefrist bestanden und das Recht des nächstgelegenen Adeptenzirkels, die Kinder von Geburt an neben der Schule in ihren Kräften zu unterrichten. Als Tobaskar dies alles erreicht hatte, war er verschwunden.
Manche Überlieferungen gaben an, er sei gestorben und in einem geheimen Grab beigesetzt worden, um eine Grabschändung der Menschen zu verhindern, denen er Leid zugefügt hatte. Andere fragmentarische Überlieferungen berichten, er habe sich zu Forschungszwecken in die fernen Berge im Norden aufgemacht.
Manchmal fragte sich Jannick, ob sein Leben nicht viel schöner verlaufen wäre, hätte dieser machtbesessene Mensch aus den Adepten keine Monster gemacht.
Er blickte hinüber zu Greganor, der sich gerade seine Beschützerrüstung anlegte: „Na, passt du überhaupt noch in deine Schalen rein, oder hat dich das Hofleben auch aufgeschwemmt?“
„Pah!“ lachte sein Freund und verhakte die Wadenschiene in der Schienbeinschiene. „Mein nachmittägliches Training habe ich jeden Tag eisern durchgezogen, wie du weißt! Es braucht schon mehr, als ein paar fette Würste, fetten Schinken und Humpen voller Schwarzbier um mich außer Form zu bringen!“
„Du hast die erlesenen Süßspeisen und den fetten Käse vergessen, die du dir immer zum Eiswein reichen lässt!“ lachte Jannick.
„Du kannst von Glück reden, dass deine Robe so großzügig jeden Wanst verbergen würde, den du dir anfrisst.“
„Noch gibt es ja  nichts zu verbergen,“ schmunzelte Jannick. „Weißt du eigentlich, was mir die ganzen Tage auf dem Weg nach Sillencorn am meisten fehlen wird?“
„Deine Malerin?“ fragte Greganor frei heraus und steckte den konkaven Kniescheibenschutz in seine Verankerungen.
„Nein,“ lachte Jannick. „Mein allabendliches Bad in den Thermen. Aber jetzt, wo du es sagst, meine Malerin wäre eine willkommene Bereicherung für meinen abendlichen Grottenbesuch!“
„Mir wird Tailana fehlen,“ seufzte Greganor. „Die Gräfin wird wohl nicht so anfällig für Komplimente sein?!“ fragte er und arbeitete an den Oberschenkelelementen.
„Du musst sie nur zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, zur richtigen Gelegenheit in die richtigen Worte kleiden und mit der richtigen Stimme wie dem richtigen Blick versenden!“ grinste Jannick.
„Mein Glück, dass du nur ein brillanter Theoretiker bist und in der Praxis so großzügig versagst, dass auch meine direkten Anzüglichkeiten bei den Damen darauf wieder besser ankommen!“
„Wenn man uns so zuhören würde, müsste man gleich denken, wir Privilegierten hätten nichts Wichtigeres zu tun, als dem schönen Geschlecht nachzustellen,“ lächelte Jannick gut gelaunt.
„Ich möchte gar nicht wissen,“ lachte Greganor, der gerade seine Rumpfelemente befestigte „wie oft du bei deinen nächtlichen Streifzügen als Uhu oder Kauz dieser Behauptung Fundament verliehen hast!“
„Bitte!“ schmunzelte Jannick und erhob sich aus dem übertrieben weichen Sessel „als freischaffender Schöngeist muss ich meine Gedanken auf jede Weise stimulieren dürfen um meine Kunst der Perfektion ein Stückchen näher zu bringen. Und welch anderes Gebilde gibt es auf Erden, welches der Perfektion näher kommt?“
Greganor lachte schallend: „Wenn du dich auch immer dagegen wehrst, mit ihnen verglichen zu werden: kein Adept hätte eine politisch korrektere Formulierung für seinen Voyeurismus formulieren können! Außerdem sind deine schöngeistigen Werke eher bescheiden, wenn du mich als autodidaktischen Kunstkritiker dazu hören willst.“
„Das will ich tatsächlich nicht!“ grinste Jannick und ging auf und ab. „Jemand, der in Frauen nicht mehr sieht, als das warme Lustobjekt in seinem Bett bei Nacht und die brave Mutter seiner Kinder, die ohne zu klagen den ganzen Haushalt erledigt, werde ich wirklich nicht auch nur ein Kunstwerk bewerten lassen! Wo bleibt denn dein Verständnis für das Wesen der Frauen, für ihren Anmut, ihre exquisiten Parfüms, ihre Zärtlichkeit, ihren anzüglichen Liebreiz, ihr neckisches Spiel, ihre Intrigen, ihre Gelüste, ihre Schwächen und ihren Geist?“
„Sind die letzten Punkte deiner Liste nicht ein und dasselbe?“ erwiderte Greganor schalkhaft und schnallte sich seine Armschienen an.
„Da siehst du,“ lachte Jannick „du bist ein Bauer, kein Schöngeist! Ich spreche nicht von ihrer Schwäche, sondern ihren Schwächen! Obwohl deine Interpretation bei mir durchaus nicht auf taube Ohren stößt, dererlei Überlegungen sind mir auch schon gekommen. Ich sprach aber von ihren Schwächen wie ihrer Eitelkeit, ihrer selbstgefälligen Überlegenheit den vermeintlich törichten Männern gegenüber, ihrer Schwäche für Ansehen und Schmuck.“
„Ach, bah!“ meinte Greganor und suchte vergeblich nach einem Zwillingshaken in dem Rüstelementehaufen vor sich: „Du beschäftigst dich zu sehr mit einer Wissenschaft, der dieser Name weder gebührt noch gerecht wird! Frauen sind wie Hunde: die einen lieben dich treu von Anfang an, die anderen sind bissig und verschlagen, stehlen sich nachts aus dem Haus und werden dir nie gehorchen! Such dir lieber eine Frau mit den treuen Augen, die anderen sind keiner weiteren Betrachtung wert!“
Jannick schmunzelte amüsiert. Welch fruchtbare Unterhaltungen er doch mit Greganor führen konnte und welch erschreckenden Weisheiten die doch so banal klingenden Worte seines besten Freundes hatten! Vielleicht war er zu experimentierfreudig und zu naiv, um sich gänzlich auszureden, dass eine raffinierte Frau nicht zu zähmen wäre. Vielleicht aber teilte sein Freund einfach die Welt schon zu sehr in schwarz und weiß auf, um allen Graubereichen gerecht zu werden. Eine hübsche kleine Diebin könnte ebensogut seine Herzensdiebin werden, schmunzelte Jannick bei sich: Raffinesse stand nicht unbedingt unter Manieren und schließlich hörte man auch von Dieben, die sich untereinander so treu waren, wie manch ehrbare Menschen es nicht vermochten!
Er seufzte verträumt und blickte aus dem Fenster in den hellblauen Morgenhimmel. Was mochten für Geschichten und Wagnisse da draußen auf sie warten? Jannick grinste: Zumindest einen Spötter, dem er den Hosenboden stramm ziehen konnte, erhoffte er für sich. Und zumindest einen dummdreisten Eisenmantel, der im Neid seinen Beschützer beleidigen würde, wünschte er sich für Greganor!

Keine Stunde später saßen die beiden Freunde hoch zu Ross auf ihren eleganten schwarzen Vollbluthengsten, eskortiert von vier Eisenmänteln, deren Rüstungen die grelle Mittagssonne widerspiegelten. Die sechs Männer ritten über den Palastplatz durch das Tor hinaus auf den großen Marktplatz im Zentrum von Neuschaffenburg. Greganor und er würden, während sie die Gräfin eskortierten, ihrerseits von den Eisenmänteln eskortiert werden. Das Gesetz aller drei Monarchien Kimbernias besagte seit Tobaskars Zeiten, dass jeder reisende Adlige zumindest von einem Adepten begleitet werden musste! Einem Adepten nun standen wiederum vier Eisenmäntel als Eskorte zu, so würde die Gräfin, die selbst ihr Gefolge haben würde, wohl kaum um ihre Sicherheit bangen müssen. Die Reise nach Sillencorn würde fast eine Woche dauern und sie würden nicht jede Nacht in einem Dorf unterkommen.
Vor ihnen ritten zwei der Eisenmantel Ritter, um ihnen einen Weg zu bahnen, hinter ihnen ritten die anderen zwei, um ihren Rücken zu decken und ganz am Schluss folgten ihnen zwei schwerbeladene Packpferde mit ihrem ganzen Equipment.
Die Bürger Neuschaffenburgs widmeten ihnen relativ wenig Aufmerksamkeit: der einzig ungewohnte Anblick war Greganor in seiner Beschützerrüstung! Eisenmäntel und Adepten ritten im Schloss ein und aus wie das Gesinde. Die prunkvollen, blankpolierten silbernen Rüstungen und die mächtigen Blutroben der Adepten waren ein vertrauter Anblick, derweil die matte schwarze Beschützerrüstung alle Blicke auf sich zog, die zufällig umhergeschweift waren. Als Kind zur Nachtstunde einem Beschützer zu begegnen musste grauenvoll sein, denn ihre Rüstungen waren furchterregend, sahen abstoßend und entsetzlich aus! Sie waren Teil der Kriegstaktik der schwarzen Greifen: Nicht allein der Ruf der Greifen sollte ihre Gegner demoralisieren, nicht nur ihre unvergleichlich schnelle und effiziente Kampfweise den Gegner in Grauen versetzen, allein ihre Rüstungen und ihr gespenstisches Schweigen sollten ihre Feinde in unbestimmte Furcht versetzten!
Greganors Helm bedeckte sein ganzes Gesicht. Wie seine ganze Rüstung war der Helm speziell für ihn angefertigt worden und bestand aus über dreißig einzelnen Segmenten, die aber zum grössten Teil schon zusammengefügt waren, bevor er sie anzog. Seine Größe, seine Proportionen, seine Gesichtszüge, all das war beim Bau der Rüstung genaustens einbezogen worden, denn von Greganors gesamten Körper waren in mehreren Körperpositionen Gipsabdrücke gefertigt worden, um die Rüstung wie eine zweite Haut anliegen zu lassen ohne dabei nur einen einzigen Bewegungsablauf unmöglich zu machen. Allein seine Rüstung hatte ein Vermögen gekostet; nicht nur, weil sie ein Kunstwerk und ein Wunderwerk an Mechanik war, sondern auch wegen ihres exotischen Materials!
Eine Beschützerrüstung bestand nur aus Chitin und natürlichen Klebstoff, gewonnen aus dem Speichel der Kakerlaken: Millionen von Hornissenpanzern waren geschliffen und zusammengeklebt worden mit diesem Kleber, den nur heißestes Feuer zerstören konnte. Greganors Rüstung wog nicht einmal zwölf Stein, eine durchschnittliche Eisenmantel Rüstung wog weit über dreißig! Dennoch war sie durch ihr besonderes Material und durch ihre Stärke so dick, dass weder ein Bolzen noch ein Pfeil sie durchschlagen konnte! In ihr konnte er sich so frei bewegen, als trüge er nur eine gewöhnliche Uniform und der Helm war derart geformt, dass zwar nur seine Augen zu sehen waren, die Aussparungen des Helms aber nahezu sein ganzes Sichtfeld freiließen: Nach rechts, links und oben konnte er mit Helm sehen, wie ohne. Nur seine gepanzerte Nase beeinträchtigte geringfügig seine Sicht! An den Ohren waren zwei kleine trichterförmige Löcher eingelassen, um das Hörvermögen und den Gleichgewichtssinn nicht zu beeinträchtigen. Zwischen Helm und Kopf war nur eine dicke Pferdehaarfilzschicht, die Abschürfungen oder starke Erschütterungen des Schädels bei Treffern unterbinden sollte. Der Helm selbst war grotesk anzuschauen: er war absolut symmetrisch, aber von Dornen und messerscharfen Kämmen überzogen, die den Blick von den Augen des Trägers ablenkten. Der Helm ging in die Hals und Nackenpanzerung über, die sich wiederum nahtlos in den Brust und Rückenpanzer einfügte.
Ein Beschützer sah aus, wie eine lebendige Rüstung, da außer den Augen nur schwarze Platten von ihm zu sehen waren, die sich gegenseitig über- und untereinander schoben, wenn er sich bewegte. Die Rüstung führte hinab bis in die weichen Lederstiefel und bedeckte selbst die Zehen noch von oben. In die Sohlen der Lederstiefel waren dünne Stahlplatten eingelassen, um die Füße auch von unten zu schützen. Auch trugen Beschützer keine Schwertgurte: an ihre Rüstungen waren einfach Scheiden angeklebt, durch die die Klingen geschoben wurden.
Greganor trug auf dem Rücken seinen Anderthalbhänder; sein Langschwert und die Armbrust waren am Sattel des Pferdes verankert. Eine weitere Besonderheit waren die zwei runden Tartschen, die am oberen Ende des Unterarms in die Rüstung integriert waren: da Beschützer keine Schilde trugen und mit ihrem Schwert nicht alle Angriffe ablenken konnten, boten diese eine weitere Möglichkeit Schläge zu parieren. Die Letzte und wohl exponierteste Ausgefallenheit der Beschützerrüstung waren zwei schwarze Keramikdolche, die sich bei durchgestreckten Armen, nahtlos in die Rüstung einfügten, bei angewinkelten Ellbogen jedoch gefährlich von eben diesen abspreizten und durch gehärteten Stahl stoßen konnten, als wäre dieser weiches Pappelholz!
Rangsymbole waren keine an der Rüstung zu sehen. Die Rüstung selbst war ihr eigenes Rangsymbol! Soldaten der Greifen hatten auf ihrer linken Schulterpartie ein silbernes Schwert eingraviert, Waffenmeister zwei gekreuzte Schwerter. Außer in einer unübersichtlichen Schlacht waren diese Rangsymbole ohnehin bedeutungslos, da die Greifen ihre Vorgesetzten kannten und diese nicht zwingend einen höheren Rang einnehmen mussten.
Als sie schließlich die Stadttore passiert hatten und auf die weiten Felder hinausritten, trieben die Ritter und Jannick ihre Pferde von Schritt in Trab und polterten über die Reichsstraße gegen Nordosten. Die ungewohnte Wärme zur Mittagsstunde versprach einen frühen Frühling und auch die vereinzelten Vogelstimmen, die hoch und fröhlich zwischen dem kalten Hufschlag zu vernehmen waren, verkündeten schöne Tage. Die Wälder waren noch fast ganz kahl, aber einige Sträucher und Büsche – wie auch Gräser und Blumen am Wegesrand - standen schon in zarter Knospe und erfreuten Jannicks Gemüt: wenn die Wälder wieder hellgrün blühen würden und der Himmel satt von vollen Vogelstimmen geschwängert wäre, würde er sich erneut in Vogelgestalt erheben und diese ganze Pracht von oben bewundern, seine Kreise in der sanften, duftenden Frühlingsluft ziehen und in schönen Träumen schwelgen. Danach würde er sich in eine saftige Wiese zur Ruhe legen und den ungemein kräftezehrenden Flug mit einem gesunden Schlaf in der warmen  Frühlingssonne beschließen! Das Leben konnte doch so einfach und schön sein.

                    10. Lalilia
Die Reise bis hierher war wirklich eine Strapaze gewesen, doch mochte Lalilia keinen Tag davon missen. Das triste Leben auf Hohenwaldstein, ihrer Heimatresidenz war wirklich zu viel für sie geworden! Jeden Tag die selben Menschen, die selben Mauern, die selben engen Zimmer. Mochte ihr kleines Schlösschen noch so schön und licht sein, ihr fiel die Decke auf den Kopf. Auch ihrer Dienerschar und ihren engsten Freunden war sie in den letzten Monaten keine gute Herrin oder Freundin gewesen! Sie war launisch und unbequem geworden, hatte sich weder Bitten noch Komplimenten zugänglich gezeigt. Was Lalilia schlussendlich aber dazu veranlasst hatte, dieser bedrückenden Enge zu entfliehen, waren die nicht abreißenden Höflichkeitsbesuche örtlicher Edler, die nicht einsehen wollten, dass sie, und sie ganz allein, entschied, wann und wen sie heiratete!
Wie sollte sie die Gegenwart von Efraim von Steinenbrück, Ansgar von Panchester oder Richard von Neumühlen noch ertragen, die sich gegenseitig die Klinke in die Hand gaben und anscheinend beschlossen hatten, ihr auf der Tasche, vor allem aber auf den Nerven zu liegen? So hatte sie wieder einmal den klugen Rat ihrer lieben Gesellschafterin Miss Clara Folge geleistet und ihre vertrauten Gefilde verlassen. Neuerdings zog sie sich für gewöhnlich ein oder zwei Wochen auf ihren neu erworbenen Feriensitz Lichtwald in den Südwäldern zurück, aber diesmal war ihr dies nicht genug gewesen! Sie brauchte Luft und fremde Menschen um sich. So hatte sie diese Reise geplant, die in dem lange ausstehenden Höflichkeitsbesuch bei ihrer Cousine, der Königin Loriéliens, gipfeln sollte. Sie wollte durch Avarien reisen, von dessen wildromantischer Schönheit sie schon viel gelesen und gehört hatte. Die Adepten bei Hofe hatten dieses Anliegen mit Argwohn betrachtet, wie sie jede Reise des Adels als lästig empfanden. Lalilia hatte dies aber wenig gestört, schließlich war es ihr eigenes Gesetz, nachdem die Adepten sich verpflichteten, reisenden Adligen Geleitschutz zu geben. Wenn sie es störte, sollten sie es eben ändern!
Den Adepten, den sie ihr bis nach Sillencorn zur Seite gestellt hatten, verachtete sie so, wie jeden aus seiner Bruderschaft. Sie hatte nur zwei Sätze mit ihm gewechselt, seit sie von Hohenwaldstein aufgebrochen waren, und das war gut zwei Wochen her!
Mit der Gesellschaft ihrer alternden Gesellschafterin Miss Clara und ihrer blutjungen Zofe Sophie war sie vollauf zufrieden. Von den Männern wechselte sie allein mit noch mit ihrem treuen Kutscher Hermann regelmäßig Worte, die vier Ritter waren ihr gänzlich gleichgültig, solange sie ihre Arbeit ordnungsgemäß verrichteten und sie in Frieden ließen.
Bis vor wenigen Tagen hatte sie ihre kleine Kutsche immer für äußerst bequem gehalten, was sie auch bei zwei- bis dreitägigen Reisen durchaus war, aber inzwischen hatte Lalilia ihre Meinung korrigieren müssen. Ihr Po schmerzte trotz einer friedlichen Nacht in den Kissen einer schmucken Gaststätte immer noch, als sie sich an diesem Morgen aus ihrem Zimmer zu den anderen reichen Gästen in die eigentliche Gaststätte zum Frühstück begab. Miss Clara und Sophie saßen bereits an ihrem kleinen Tisch, erhoben sich aber, als sie ihrer angesichtig wurden und grüßten sie fröhlich mit einem Knicks. Die beiden schienen genauso fröhlich wie sie zu sein, endlich wieder ein vernünftiges Frühstück nach einer Nacht in echten Daunen zu sich nehmen zu können. Die letzten neun Gasthöfe waren wirklich nicht standesgemäß gewesen und im Gasthof in Zobalik hatten die drei Frauen sogar auf einem Zimmer schlafen müssen!
Sillencorn war die größte Grenzstadt zwischen Loriélien und Avarien und lag direkt an der gemeinsamen Reichsstraße, auf dem auch fast sämtliche Handelskutschen zwischen den Königreichen verkehrten. Lalilia gebot den beiden lächelnd wieder Platz zu nehmen und setzte sich hinzu. Heute sollte laut Zeitplan ihre Eskorte aus Avarien eintreffen, um sie abzuholen. Wenig erfreut dachte sie an deren förmliche Begrüßung, die nicht mehr fern lag: Wieder diesem wandelnden Blutstropfen für sein Geleit zu danken war ihr zuwider! Als sie aber in die unbeschwerten und fröhlichen Gesichter ihrer Begleiterinnen sah, wie sie darauf warteten, dass das warme und kalte Buffet aufgetragen wurde, lächelte sie auch fröhlich. Für Sophie, die erst vierzehn Sommer zählte, war es die erste große Reise und das schöne junge Mädchen sah auch sehr aufgeregt aus. Ihr widerspenstiges goldenes Haar hatte sie zu einem Zopf geflochten und ihre blauen Augen glitzerten lustig, als sie neugierig die anderen Gäste beäugten. Miss Clara war damit beschäftigt, eine bequeme Sitzhaltung einzunehmen, denn ihre Gelenke machten ihr schon seit vielen Jahren zu schaffen. Lalilia strahlte munter, als die Kellner mit den Buffettablets aus der Küche traten. Es versprach ein schöner Tag zu werden.

„Herrin, der Offizier der Eisernen Mäntel meldete soeben, dass euer Geleitschutz just eingetroffen sei. Sie machen sich noch ein wenig frisch und werden euch dann ihre Aufwartung machen.“
„Danke, Clara,“ meinte sie, stand auf und ging zum Fenster. Draußen waren nur noch zwei Reitknechte zu sehen, die sechs weiße und zwei schwarze Pferde mit Eimern frischen Wassers versorgt hatten und sie jetzt striegelten. Lalilia fragte sich einen Moment, wem das zweite schwarze Pferd gehören mochte, ging dann aber zurück zu ihrer Kommode, über der ein großer Silberspiegel hing.
Sie betrachtete sich. Ihre kastanienbraunen Haare glänzten frisch gewaschen und ihr weites, hellgrünes Kleid harmonierte mit ihren grünen Augen. Sie steckte ihr Haar mit einer vergoldeten Haarspange zusammen und ließ nur über ihre rechte und linke Schulter eine kleine Strähne ihres Haares fallen. Vielleicht gehörte das zweite Pferd ja einem vorwitzigen Adligen Avariens, dem sie ruhig ein bisschen den Kopf verdrehen konnte, wenn er sich schon die Mühe machte, sie hier abzuholen. Sie lächelte ihr schönes Spiegelbild an und freute sich über die strahlend weißen Zähne, die ihr entgegen funkelten. Sollte der Geleitschutz ihr nur ihre Aufwartung machen!
Ungebeten trat ihre junge Zofe heran und musterte ihre Herrin kritisch. Sie nahm eine Bürste von der Kommode und kämmte damit winzige Flusen aus ihrem Brokatkleid, dann nahm sie eine Pinzette und zupfte Lalilia ein einzelnes langes Haar aus ihrer rechten Augenbraue.
„Ihr seht wunderschön aus, Gräfin!“ sagte sie darauf und lächelte.
„Du bist ein Schatz, Sophie,“ lächelte Lalilia zurück.

Wenige Minuten später klopfte es dann an ihrer Türe und Miss Clara ging gleich, um zu öffnen. Die Gräfin seufzte gespannt und erhob sich, Sophie sprang gleich hinzu und zupfte Lalilia ihr Kleid zurecht, dessen eleganter Faltenwurf vom Sitzen etwas ramponiert worden war.
„Öffne den Herren!“ gebot sie.
„Einen wunderschönen Tag wünsche ich ihnen. Man sagte uns, die Gräfin Lalilia von Hohenwaldstein residiere in diesen Räumen und wir sind gekommen, um ihr aufzuwarten.“
Miss Clara machte einen Knicks: „Euch sei gedankt. Wenn ihr Herren doch eure Namen nennen wolltet, werde ich euch herein bitten. Die Gräfin erwartet euch noble Herren schon.“
Lalilia hörte eine tiefe Stimme lachen, dann sprach wieder die etwas hellere, angenehme Stimme des Sprechers: „Nun, vergebt meinem noblen Begleiter,“ sagte die Stimme amüsiert „wir freuen uns über eure schmeichelhafte Begrüßung. Zu meiner Linken steht mein Freund und Beschützer Greganor und mein werter Name ist Jannick. Titel dienen nur der eigenen Eitelkeit, so bevorzugten wir beide in nicht blaublütige Familien hinein geboren zu werden!“
Lalilia zog skeptisch die Brauen zusammen, als sie die Haarschöpfe der beiden sah, als diese sich ausgiebig vor ihrer Gesellschafterin verbeugten. Eine wahrlich unorthodoxe Begrüßung, die ihr sowohl unpassend, als auch reizvoll erschien.
„Dann tretet herein, ihr Herren. Dies ist meine Herrin, Gräfin Lalilia von Hohenwaldstein.“ Miss Clara trat einen Schritt zurück und blickte verwirrt in ihre Richtung.
Zwei junge Männer in ihrem Alter betraten den Raum. Vorneweg in der widerlich blutroten Robe ein hübscher Mann mit schönen, unnatürlich blauen Augen und hellem Haar. Dahinter ein weit größerer Mann mit hellen Augen und dunklem Haar in der seltsamsten Rüstung, die sie je gesehen hatte! Die beiden verbeugten sich wieder und musterten sie darauf neugierig, wobei den Adepten nur ihr Gesicht zu interessieren schien, während der Soldat seine Musterung weniger zimperlich ausfallen ließ.
„Seid gegrüßt, Gräfin Lalilia von Hohenwaldstein und verzeiht, dass wir nicht euren Erwartungen entsprechen.“
Sie machte einen leichten Knicks und bot dem Adepten verwundert die Hand an. Er nahm sie und hauchte einen Handkuss darauf, dann lächelte er sie wieder fröhlich an. Was für ein Spiel mochte dieser Adept nur treiben? Misstrauisch musterte sie jetzt auch ihn genauer. Warum sollte sie seiner Freundlichkeit Glauben schenken, wo er doch so falsch sein musste, wie der Rest des Adepten Zirkels?
„Seid auch ihr gegrüßt, Jannick von... und Greganor,“ sagte sie verwirrt, denn soweit sie wusste, bekamen alle Adepten irgendeinen Adelstitel zu ihrem Namen, sobald sie vollständig ausgebildetes Mitglied des Zirkels waren.
„Wir sind hocherfreut persönlich für euren Schutz sorgen zu dürfen und hoffen, dass unsere bescheidenen Dienste und unsere bescheidene Gegenwart euer Hochwohlgeboren nicht über Gebühr beanspruchen werden!“
Die Worte des jungen Mannes waren eindeutig spöttisch und so herzlich unverschämt, dass sie ein klein wenig rot wurde.
„Ich glaube kaum, dass eure gemeine Begleitung meine Stimmung drücken wird, darüber bin ich gänzlich erhaben!“ gab sie kühn zurück.
Jetzt grinste dieser Mann sie an und Lalilia fand für einen winzigen Augenblick Gefallen an diesen Frechheiten und dem Amüsement, welches sie ihm verschafft hatte, als sie seine Anzüglichkeit sogleich gekontert hatte.
„Wenn die Gräfin dann bereit ist, werden wir gleich nach Kermon aufbrechen. Gebt uns nur Bescheid!“ Er lächelte sie an und verbeugte sich ein weiteres Mal. Darauf nickte er auch ihrer Gesellschafterin zu und schenkte dann Sophie noch ein unverschämt anzügliches Lächeln und ein Kopfnicken, bevor er sich zu Gehen umwandte. Sein Beschützer, der Greifenritter, stand ihm dabei um nichts nach, was sie ziemlich aufbrachte! Mit ihrer Zofe hatte niemand zu flirten, vor allem kein dreckiger Adept und sein Lakai! Sie schluckte damenhaft ihre Verärgerung hinunter und fragte sich dann nach deren Ursache: War es der Umstand, dass sie die beiden Männer selbst zu interessant fand, um es gut heißen zu können, nur ihren amüsierten Spott zu bekommen, derweil ihre junge Zofe ihr Interesse geschenkt bekam?
Lalilia lächelte: Das würde sie bald herausfinden!

Ihre kleine Kutsche klapperte über die Reichsstraße nach Südwesten. Neben ihr saß Sophie und ihr gegenüber Miss Clara, die versuchte, sie nach allen Regeln der Gesellschafterkunst zu unterhalten. Als die ältere Frau merkte, dass die meisten Themen bei ihrer jungen Herrschaft nicht anschlugen und diese nur sinnend vor sich hin guckte, stieß sie zu ihrer Freude endlich auf ein Thema, das Lalilia mit mehr als nur einer knappen Antwort würdigte: „Was denkt ihr, Gräfin, über unsere beiden jungen Begleiter? Wenn ihr mir erlaubtet frei zu sprechen...?“
„Ich bitte darum,“ forderte Lalilia ihre Gesellschafterin auf.
„Trotz ihres rüpelhaften Benehmens bemerkte ich ihren Anstand und ihre Manieren. Mit Verlaub, sie sind eigenartig aber nicht unsympathisch.“
Die Gräfin musterte mit skeptischem Blick das Gesicht ihres Gegenübers. Sie fragte sich, ob es die Kunst ihrer Gesellschafterin war, die Meinung ihrer Herrschaft als die eigene auszugeben, oder ob Miss Clara tatsächlich dieser Auffassung war. Über den Adepten hatte sie allerdings die wesentlich geringfügigere Meinung, denn sie kannte die psychologischen Tricks, derer sich die Adepten zu bedienen pflegten, um genau die Meinung ihres Opfers über sich zu kreieren, die sie haben wollten. Sie waren einfach nur geschickte Taktiker und mit allen Wassern gewaschen. An dem einen Tag waren sie für dich, umgarnten dich und schmierten dir Honig ums Maul oder pressten dich zu ihrer Meinung durch Rhetorik und Machtgehabe. Am kommenden Tag dann fochten sie gegen dich, verrissen dich gnadenlos, zerstörten dein Ansehen und deine Zurechnungsfähigkeit um ihr Ziel durchzudrücken.
So in etwa waren die Worte ihrer Cousine, der Königin gewesen. Wie charmant immer dieser junge Adept auch sein mochte, Lalilia wollte seine Worte zwar hören und bewerten, sich von ihnen aber nicht berühren lassen!
„Sie sind lustig, nicht wahr?“ unterbrach Sophie ihre Überlegung, als sie Lalilia plötzlich ansprach.
„Adepten sind nicht lustig und dieser schwarze Greif ist ein Ritter, und Ritter sind auch nicht lustig!“ erwiderte sie harsch und musste feststellen, dass weit mehr Feindseligkeit in ihren Worten mitgeschwungen war, als sie geplant hatte. Sophie wurde ganz still.
„Sie sind amüsant,“ verbesserte sich Lalilia in einem versöhnlicheren Ton.
„Welchen von den beiden findet ihr hübscher?“ fragte ihre Zofe sie jetzt wieder frei heraus, was Lalilias Wangen leicht erröten ließ, denn sie hatte auch schon darüber nachgedacht. Vielleicht war es das strenge Zölibat der beiden Männer, das sie so interessant für sie machte. Die Gräfin konterte mit einer Gegenfrage: „Sophie, welchen findest du denn hübscher?“
Ihre Zofe wurde auch ein wenig rot: „Ich finde den schwarzen Greif sehr süß. Er ist schön groß und muskulös. Der Adept ist aber auch sehr hübsch, nur seine Robe ist so unschön.“
„Er könnte uns gerade belauschen,“ sagte Lalilia schmunzelnd.
Ihre Zofe fuhr leicht zusammen und blickte sich naiv um.
„Kein Mensch außer den Adepten selbst weiß, wie mächtig sie wirklich sind! Vielleicht können sie sogar Gedanken lesen,“ lächelte die junge Gräfin und beobachtete neugierig die Wirkung ihrer Worte auf Sophie.
„Mit Verlaub, Herrin, ich glaube der junge Mann besitzt zuviel Anstand euch zu belauschen,“ meinte Miss Clara überzeugt.
Lalilia zuckte mit den Schultern: „Einem Adepten traue ich alle niederen Listen zu. Lasst uns aber jetzt eine Rast einlegen und in der Abendsonne noch ein letztes Mahl zu uns nehmen, ehe wir heute Nacht das nächste Dorf erreichen!“
Miss Clara zog sofort die kleine Klappe auf, die sie vom Kutscher trennte, und rief diesen an, er möge stoppen.
Die drei Frauen traten ins Freie und vertraten sich die Beine. Lalilias Begleiterinnen erbaten dann sogleich, sich empfehlen zu dürfen, weil sie auszutreten wünschten. Wolken waren nur wenige aufgezogen und der Frühlingstag ging mit einem orangen Himmel seinem baldigen Ende zu. Avarien war wirklich ein sonnenverwöhntes Land, so, wie man es ihr geschildert hatte.
Die Ritter des eisernen Mantels führten ihre Pferde von der Straße zum Grasen, behielten aber wachsam die Gegend im Auge. Der Beschützer hatte sein wie des Adepten Pferd an einen Strauch gebunden und setzte jetzt aufatmend seinen Helm ab.
„Weißt du, was ich nicht verstehe?“ meinte er grinsend zu seinem rotgewandetem Freund.
„Du wirst es mir bestimmt gleich sagen.“
„Das unsere Rüstungsschmiede bei aller Sorgfalt keine Belüftungslöcher in die Rüstung oder den Helm eingebaut haben! Mit schwarzer Rüstung bei dem Sonnenschein zu reiten ist trotz des weiten, immerhin marineblauen, Reitumhangs manchmal wirklich hart!“
„Zieh dir doch `nen Rock an!“ meinte der Adept und bekam dafür unsanft die Flache Hand seines Freundes über den Hinterkopf gezogen. Die beiden lachten. Lalilia sah ihnen interessiert zu.
Miss Clara und Sophie waren inzwischen aus den nahen Sträuchern zurückgekehrt und wuschen sich in einer Wasserschüssel die Hände. Miss Clara holte jetzt zwei Körbe aus den Hohlräumen unter ihren Sitzen in der Kutsche und breitete ein großes Tuch neben der Straße aus, auf dem die drei Frauen sitzen konnten.
Die Soldaten entnahmen den Satteltaschen ihrer Pferde ihren eigenen Proviant und aßen im Stehen.
Miss Clara hatte sorgfältig alles abgepackt, was sie in Sillencorn aus der feinen Gaststubenküche bestellt hatte.
Sogar kühle Milch schenkte sie aus einer Karaffe Sophie und ihr ein, bevor sie die verschiedensten belegten Brote herumreichte.
Amüsiert stellte die Gräfin fest, dass ihre junge Zofe immer wieder neugierige Blicke auf die vier Ritter des eisernen Mantels, besonders aber auf den schwarzen Greif und den Adepten warf. Sie war dem Charme der beiden schon verfallen. Eine kühle Abendbrise kam auf und ging rauschend durch die hohe Wiese in der sie saßen. Sie trug einen schwachen Duft von Wiesenblumen mit sich und die drei Frauen bestaunten ein paar Augenblicke den schönen Himmel, der weit unten im Süden Loriéliens, wo sie herkamen, selten so klar war. Es war zwar wesentlich wärmer als in diesen Breiten, aber Dunst und Regenwolken bedeckten oft tage- oder wochenlang den Himmel.
Überrascht bemerkte Lalilia, wie sich der Adept und sein Beschützer ihrer kleinen Picknickrunde näherten. Das war in den ganzen zwei Wochen in Loriélien seitens ihres früheren Begleiters nie geschehen!
Jannick der Adept verbeugte sich artig, ebenso wie sein Freund Greganor der Greif. „Meine Damen, ich möchte wirklich nicht stören, obwohl ich das mit diesen Worten bereits tue oder zumindest herausfordere, aber es war meinem Freund und mir ein Verlangen uns nach dem werten Befinden der Herrschaften zu erkundigen, zumal unser Ritt schon lang war und noch einige Stunden andauern wird!“
Es ärgerte die Gräfin, dass diese Störung so höflich verpackt war, dass die geringste Gehässigkeit auf ihrer Seite böse auf sie zurückfallen musste. So erwiderte sie nur das Lächeln der beiden: „Seid unbesorgt meine Herren, wir sind weit größere Anstrengungen gewohnt, als ein paar Stunden in einer Kutsche eingepfercht zu sitzen!“
„Dessen bin ich mir sicher,“ lächelte Jannick zurück und aus seinem Munde klangen die Worte wieder wie Spott und das Lächeln sah wie ein amüsiertes Grinsen aus. „Deswegen wagte ich dreister Weise still die Frage an mich zu richten, ob ihr vielleicht nicht die Güte besäßet, mir eine Frage in eigener Sache zu beantworten. Besitzt ihr sie?“
Lalilia schmunzelte: „Welcher Art ist eure Frage, die ihr in eigener Sache stellen möchtet? Ich hoffe, sie ist nicht unziemlich?“
„Oh, seid euch versichert, die Etikette sei jederzeit gewahrt!“ meinte Jannick lächelnd. „Die liebreizende Dame, an die ich sie zu richten gedenke, kann sich im höchsten Maße meiner wahrhaft ritterlichen Absichten gewiss sein!“
Lalilia tat nun alles, um ihr Interesse zu verbergen, sie gab ihrer Stimme einen gelangweilten und herausfordernden Klang: „Dann sprecht doch, ihr wahrhafter Rittersmann, auf das ich mir ein Urteil über eure Absichten erlauben kann.“
„Nun,“ meinte dieser, und ihm fielen die folgenden Worte etwas schwer „wäre es gar ungebührlich euch zu fragen, ob ihr euch nicht erheben möchtet und von Angesicht zu Angesicht meine Bitte entgegenzunehmen?“
„Wenn es euch denn hilft,“ sagte sie gönnerhaft, konnte ihre Neugier nun aber doch nicht ganz verbergen. Sie erhob sich und die Blicke ihrer Bediensteten folgten ihr in unverhohlener Neugier. Welche Strategie verfolgte dieser Adept, der sicher nur aus einem niederen Beweggrund diese Freundlichkeit und Höflichkeit hervor kehrte.
„Da stehe ich nun,“ sagte sie stolz. „Nun sprecht!“
Der junge Mann schien verlegen: „Verzeit mir meine Unbeholfenheit, denn es ist eine doch recht ungewöhnliche Bitte, die ich an euch zu richten gedenke.“
Lalilia musste sich zusammenreißen, um dieser geradezu grandiosen Verführtechnik nicht zu einer Schwäche in Haltung oder Worten hinreißen zulassen. Was wollte dieser Mann von ihr? Er schien in ihrer Gegenwart tatsächlich sehr verlegen und machte sie glauben, sie sei es, die Macht über seine Selbstbeherrschung hatte: „So sprecht, solange ich gewillt bin, euch zuzuhören!“
„Also nun...ich wollte euch bitten, eure junge Zofe zu fragen, ob sie vielleicht Gefallen daran fände, ein wenig Reiten zu lernen. Sie könnte vor meiner Wenigkeit auf dem Sattel sitzen - selbstverständlich im Damensitz - um den schönen Abendhimmel im Freien genießen zu können.“
Lalilia zog in aufkeimender Wut die Luft ein! Wie konnte sie nur so dumm gewesen sein zu glauben, dass sich die Worte des jungen Mannes um sie drehten? Er wollte sie nur vorführen mit seinen eindeutig scheinenden Anmerkungen, die sie glauben gelassen hatten, er wollte ihr selbst eine indiskrete Frage stellen! Es war ihm unverschämter Weise auch noch geglückt und sie konnte sich jetzt nicht mehr elegant aus der Affäre ziehen, denn ihr stand längst leichte Wut in den Augen. Sie entschied, dass Angriff die beste Verteidigung war und antwortete im vorwitzigem Ton: „Aber selbstverständlich erfülle ich eure Bitte, sie zu fragen! Wenn ihr mir dafür euren charmanten Beschützer überlasst und ihn für die Zeit, in welcher ich der Gesellschaft meiner Zofe verlustig gehe, in meiner Kutsche reisen lasst!“
Der junge Adept grinste jetzt gewinnend breit: „Oh, gewiss werde ich ihn an euch entlehnen, werte Gräfin. So werden wir beide in der uns angenehmsten Gesellschaft weiterreisen! Aber bitte schont ihn doch und belästigt ihn nicht gar zu sehr mit euren Erzählungen des Hoflebens und der Landschaft Loriéliens. Weder möchte ich meinem treuen Freund und Beschützer diese ungewohnte Anstrengung, noch mir hinterher seine Klagen darüber zumuten!“
Sie sah ihn giftig an und biss die Zähne zusammen. Was nahm er sich heraus, sie so tödlich zu beleidigen? Sie spießte ihn mit ihrem Blick auf, als sie über schmale Lippen eiskalt erwiderte: „Ihr seid unverschämt!“
Er lachte nur und strahlte: „Oh nein! Ich wäre in der Tat unverschämt gewesen, wenn ich diese Worte einer Dame gegenüber geäußert hätte, aber einer solchen wäre bereits längst die Hand ausgerutscht!“
Lalilia rutschte jetzt tatsächlich die Hand aus und der Adept zuckte leicht unter ihrer plötzlichen Ohrfeige. Sie starrte ihn wütend an. Der junge Mann rieb sich jetzt sie Wange, schwieg einen Augenblick und lächelte sie wieder strahlend an: „Wie ich feststellen muss, seid ihr nicht die Einzige, die ihre vorgefertigte Meinung über ihre Mitreisenden überdenken sollte!“ Er verbeugte sich.
Lalilia stand der Mund offen!
Jannick der Adept hatte Recht! Sie hatte ihm einen Stempel aufgedrückt, der ihm eigenartiger Weise nicht entsprach! Erst jetzt, dadurch, dass sie seine Vorurteile gegenüber ihr fortgewischt hatte, konnte sie ihre eigenen gegenüber ihm fortwischen! Sie war auf ihn hereingefallen aber nicht, wie sie es zunächst vermutet hatte: er wollte sie nicht in seinem Sinne Irreführen, sondern ihr nur die Augen öffnen!
Sie schluckte ihre Aufgewühltheit und ihren Zorn hinunter, als er sie wieder gut gelaunt ansprach: „Bitte, verehrte Gräfin, nehmt meine Entschuldigung an. Ich habe euch beleidigt und bereue es zutiefst. Ihr habt einen Wunsch dafür bei mir frei, wünscht euch, was ihr mögt, wenn ihr nur mein Pardon akzeptiert!“
„Dann gewährt mir die Bitte, dass ihr mir verzeiht, denn ich dachte schlechter von euch, als ihr es verdient!“
Der Adept strahlte beglückt, nahm ihre Hand und gab ihr noch ganz chevaleresk einen Kuss darauf: „Habt Dank!“
„Unsere Abmachung gilt doch noch?“ fragte sie jetzt mit schelmischen Grinsen. Jannick nickte ebenfalls grinsend.
Sie blickte lächelnd zu ihrer Zofe hinunter: „Sophie, nimmst du das Angebot an, bei diesem Herren etwas Reiten zu lernen?“
Das junge Mädchen biss sich strahlend auf die Lippen, bevor es rasch antwortete: „Sehr gerne, Gräfin!“
 
„Sie kennen sich schon seit frühster Jugend?“ fragte Lalilia den schwarzen Greifen interessiert. Der schöne Beschützer saß Lalilia direkt gegenüber. Neben ihr hatte ihre Gesellschafterin Platz genommen, die sich in der Kunst des Schweigens übte.
Greganor war ihr sehr sympathisch und seine dominante und unverfälschte Auftretensweise war erfrischend! Er war nicht wie ihre heuchlerischen Verehrer, war aber auch kein eingebildeter Pfau, der ihr selbstverliebt klarmachen wollte, dass es er wahr, der ihre Gegenwart duldete und keinesfalls umgekehrt. Wahrhaftigkeit schien des Beschützers auffallendste Tugend zu sein. Neugierig hatte sie inzwischen seinen Ausführungen gelauscht, wie er und sein Freund Jannick sich zum ersten Mal getroffen hatten.
„Ja, tatsächlich. Er war damals sehr verschüchtert und fürchtete jeden Menschen, den er nicht kannte. Er hatte sogar vor mir Angst, als ich ihm begegnete.“
„Vor ihnen?“ lachte sie.
„Wirke ich auf sie nicht bedrohlich?“ fragte er grinsend.
Lalilia lächelte ihn verschmitzt an. „Sie sehen so freundlich aus, als könnten sie keiner Fliege etwas zu leide tun.“
„Fliegen haben in der Tat weniger vor mir zu fürchten als Räuber oder hübsche Frauen.“
„Eingebildet sind wohl sie gar nicht?“ lächelte sie.
„Was die Räuber angeht mag ich mich täuschen, aber bei den hübschen Frauen spreche ich aus Erfahrung!“ sagte er kühn lächelnd.
„Was glauben sie, macht sie in den Augen dieser Frauen am attraktivsten?“ fragte sie albern lächelnd.
„Wieviel Zeit haben sie?“
„Womit wir wieder bei ihrer Einbildung wären.“
„Was glauben sie denn, werte Gräfin, was sie in den Augen der Männer am attraktivsten macht, wenn ihr mir die Frage gestattet?“
Lalilia schmunzelte und dachte nach: „Nun, ich denke den meisten Männern reicht mein Aussehen völlig, um sich in die waghalsigsten Bemühungen zu stürzen, mich zu erobern. Ich spreche übrigens auch aus Erfahrung. Männer sind doch sehr oberflächlich!“
„Was mich betrifft, so mögen sie völlig Recht haben!“ grinste der Greif nicht ganz ernst. „Mir reichen ihre schönen Augen, um mich ganz vergessen zu lassen, dass an ihnen noch viel mehr dran ist.“
Lalilia schmunzelte kokett über sein Kompliment, seine Aufrichtigkeit war tatsächlich erfrischend. „Sie bezeichnen sich also selbst als oberflächlich,“ hakte sie nach.
Greganor wiegte den Kopf: „Warum sollte ich ihnen etwas vormachen, was sie doch ohnehin durchschauen würden?“ lächelte er.
„Sie sind ein merkwürdiger Mann.“
„Nicht merkwürdiger als mein Freund!“ lachte er laut.
„Was macht ihn so merkwürdig?“ wollte sie wissen.
„Sie meinen, außer, dass er die Kräfte der Adepten besitzt und trotzdem wie ein Ausgestoßener von ihnen behandelt wird?“ Greganor kratze sich am Kopf. „Er versteht sich ganz trefflich darauf, alles zu theoretisieren und kann die einfachste Sache ganz hervorragend in ein unglaublich komplexes Konstrukt verwandeln. Auf der anderen Seite macht er aus einer schwierigen Sache eine Banalität. Er glaubt von sich, er sei ein Künstler!“
„Und ist er einer?“ lachte sie.
„Dazu verstehe ich zu wenig davon, ich bin nur ein Mann der Wissenschaften, der Praxis und des Kampfes. Sie können ihn aber, wenn sie wollen, jederzeit um ein Gedicht bitten und in Neuschaffenburg sogar seine Gemälde betrachten. Wenn er auch kein Künstler ist, so ist er zweifelsohne ein begnadeter Adept, auch wenn er dies nur in meiner Gegenwart zeigt!“
„Sie halten wohl viel von ihrem Freund?“ fragte sie interessiert.
Der große Ritter lächelte: „Ich versuche nur die Dinge richtig einzuschätzen. So, wie ich Jannick meinen besten Freund nenne und den begabtesten Mann neben meinem großen Bruder, so nenne ich sie die schönste Frau, die ich je erblicken durfte, ohne mich dabei in Verlegenheit zu bringen!“
Lalilia bekam wieder rote Wangen, als sie geschmeichelt antwortete. „Sie bringen mich dabei nur in Verlegenheit!“
„Sie wollen doch nicht sagen,“ grinste er „dass sie solch oberflächlichen Komplimenten zugetan sind, wo sie doch nur den Männern solche Oberflächlichkeit unterstellen!“
Sie lächelte verschmitzt zurück:„Es kommt nur ganz darauf an, zu welcher Zeit und zu welcher Gelegenheit und mit welchen Worten mir diese oberflächlichen Komplimente gemacht werden.“
Ihr Gegenüber grinste: „Irgendwo habe ich diese Worte doch schon einmal gehört! Vielleicht sollte ich mich mit dessen Urheber noch einmal gründlich unterhalten!“
„Vielleicht,“ lächelte Lalilia geschmeichelt und fragte sich, wen er damit wohl gemeint hatte.    

Erst spät in der Nacht erreichte die kleine Eskorte das nächste Dorf und die Eisenmäntel pochten den schlaftrunkenen Wirt mit Nachthemd und Schlafmütze wach, auf dass er ihnen Quartiere geben möge. Lalilia fühlte sich gar nicht müde, wusste aber, dass sie sehr erschöpft war. Es war der aufregendste Tag seit langem gewesen und sie war sehr erfreut über ihre beiden jungen Begleiter. Auch ihre kleine Zofe war ihnen sehr zugetan: trotz zunehmender Nachtkälte war sie nicht vom Sattel des Adepten gewichen, der ihr längst seinen Reisemantel umgelegt hatte. Jannick selbst hatte sich mit seinen Adepten Kräften gewärmt, hatte Sophie spät in der Nacht erzählt, als sie ihre Zimmer bezogen hatten. Sie wäre sogar an seiner Brust eingeschlafen, doch er hätte sie nicht geweckt, strahlte sie schlaftrunken und Lalilia schüttelte nur schmunzelnd ihren Kopf. Sie würden morgen am Vormittag wieder aufbrechen und in wenigen Tagen in Kermon länger Station machen.
Es versprach noch eine aufregende Reise zu werden, lächelte sie, als sie sich in ihr frisches Daunenkissen kuschelte und an die beiden jungen Männer dachte!

                    11. Veranas
Veranas von Quedlinsee schrieb gelassen an einer Depesche an Wiscon, den engsten Vertrauten von Marbuk. Es waren in den letzten Tagen viele wichtige Depeschen von ihm zu verfassen gewesen, deren Dringlichkeitsgrad sich kaum unterschied. Sie alle waren der höchsten Geheimhaltungsstufe unterworfen und sie alle verlangten nach ihrer direkten und saubersten Ausführung! Er lächelte süffisant, als er das Siegelwachs mit seinen Gedanken schmolz und dann seinen goldenen Siegelring hineindrückte: Bald würde die Ernte endlich eingeholt werden und die jahrelangen Vorbereitungen endlich ihre Früchte tragen.
Gähnend erhob er sich von seinem steinernen Schreibtisch und schlurfte müde zum Palastfenster um das nächtliche Gnossas zu betrachten. Nur die unzähligen Straßenlaternen brannten, um den Einbrechern ihre Arbeit zu erschweren. Die Schlagläden vor den Wohnungsfenstern waren geschlossen und hinter ihnen brannte kein Licht, es war die dritte Morgenstunde. Die Handwerker schlummerten längst tief, die Schreiber und Professoren hatte längst der Schlaf über ihren hölzernen Schreibpulten übermannt und die Bäcker hatten noch ein- bis zwei Stunden, ehe sie sich wieder wachrütteln mussten, um den Teig anzusetzen. Veranas rieb sich die Augen. Das brave Volk!
Sein Metier war kein Handwerk an sich, es sei denn, man betrachtete die Politik als ein solches. Es war Lord Veranas eigene Politik! Nicht die der Königshäuser noch die des Volkes, doch war sie jeder anderen weit überlegen, denn sie arbeitete ohne Fremdeinflüsse, ohne Verzug und vor allem ohne Skrupel! Was er gebot wurde befolgt und weder in Frage gestellt noch aufgeschoben.
Ein weiteres Gähnen schüttelte ihn, der Tag war wieder einmal viel zu lang gewesen. Sanft blickte er in die vom dünnem Kerzenlicht erhellten Straßen und Gassen. Irgendwo da draußen trieben sich seine Untergebenen herum und führten unwissend Aufträge aus, deren Nutzen sie nicht kannten und deren Zusammenhang ihnen so fremd war, wie die Neugier, wenn nur genügend Münzen dafür in ihre Beutel flossen. Was gab es größeres als Macht? Welche Sinnesfreude konnte die Freude an Macht je übertreffen, waren sie doch alle flüchtig und begrenzt? Nur Macht konnte ein Leben lang erfreuen und deren Pflege ein ganzes Leben an interessanter Muße spenden.
Veranas blickte auf die Vierundzwanzigstunden Sanduhr auf seinem Schreibtisch und entschied kurz entschlossen, dass er sich erst gegen Mittag dieses Tages Schlaf gönnen würde, weil er jetzt trotz seiner Müdigkeit viel zu sehr in der Materie seines Tuns war. Er würde sich nur schlaflos auf seinem Lager herum wälzen, denn sich selbst in gesunden, erholsamen Schlaf zu versetzten war eins der wenigen Dinge, die auch dem mächtigsten Adepten vollkommen unmöglich waren!
Er öffnete den Riegel zu der breiten Bronzetür, die sein Arbeitszimmer von dem Rundgang durch die zweite Etage des Palastes trennte. Sie öffnete sich vor ihm und fiel hinter ihm wieder ins Schloss, ohne dass er sie berührt hatte. Die Tür war weder an der Außen- noch der Innenseite mit einer Klinke oder einem Schloss versehen, war statt dessen nur durch Bewegen des komplexen Mechanismus in ihrem Inneren durch Gedankenkraft zu öffnen. Außer Adepten konnte seinen Raum niemand betreten und da Bronze weit härter als Eisen war und die dicken Türscharniere im Innenraum in die Kalksteinmauern griffen, war auch das Aufbrechen von außen beinahe unmöglich. Vor den Fenstern waren ebenfalls schwere Bronzegitter angebracht und einen Balkon gab es nicht.
Veranas schlurfte - seine Gedanken vor sich herschiebend - über tiefen weichen Teppich den langen Rundgang entlang.
Lange armdicke Wachskerzen brannten zu beiden Seiten des Flures und die Nachtkälte des Frühlingstages kroch langsam durch die Fensterritzen. Stille hatte sich über das Schloss gesenkt und König Berengar und seine Frau Waldrada schliefen wahrscheinlich arglos in ihrem mächtigen Himmelbett. Welch köstlicher Sarkasmus war es doch, dass der König den Beinamen `der Weise´  von seinem Volk erhalten hatte! Er, der so blind und einfältig war, seinen größten Feind in seinem eigenen Haus zu beherbergen und ihm alles Recht zu machen, was er nur vermochte! Veranas verabscheute diesen dummen Menschen, dessen Vertrauensseligkeit ihm, Veranas gegenüber, so weit gediegen war, dass er ihn nicht nur wie einen wichtigen Diplomaten und Staatsmann beherbergte, sondern ihm wie einem Freund alle Privilegien des Hoflebens offenstellte. Seinen Dank dafür würde Berengar bekommen, auch wenn er anders aussehen würde, als der König es sich jetzt wohl erhoffte!
Ein leises Klickern drang an Veranas Ohr. Es klang, als machte sich jemand am Schloss einer Türe zu schaffen, der nicht besonders viel von seinem Handwerk verstand. Ein dummer kleiner Einbrecher, der ihm wie eine Maus ins Netz gehen würde! Welch überraschende Erheiterung zu so später Stunde!
Veranas Füße erhoben sich leicht vom Boden und er glitt schwebend und lautlos den Rundgang entlang, dem Geräusch entgegen.
Tatsächlich war dort ein kleiner Mann in heruntergekommenen Sachen an einer Tür zu Gange. In dem Raum hinter der Türe befanden sich erkleckliche Werte in Form von Tafelsilber, Kerzenhaltern, Töpfen und Tellern. Ein armer kleiner Stümper war dieser Dieb, der wirklich verzweifelt Geld brauchen musste, um so eine Selbstmordaktion durchzuführen! Einer der Bediensteten musste ihm eines der Flurfenster unverschlossen gelassen haben, dass dieser Fassadenkletterer hineingeschlüpft sein konnte. Zu den Füßen des Diebes lag ein brauner Leinensack und ein wenige Schritt messendes Seil. Ein Amateur, ein verzweifelter noch dazu, dachte Veranas! Wer sich so in Lebensgefahr begab, sollte wenigstens sein Handwerk beherrschen, Türen lautlos und schnell knacken und etwas stehlen, das wertvoller und leichter war und vor allem nicht so schepperte wie Tafelsilber! Lord Veranas hatte kein Mitleid mit diesem Tor: er räusperte sich.
Der heruntergekommene Mann fuhr zusammen und wurde aschfahl, als er ihn in seiner erhabenen Blutrobe über dem Boden schweben sah. Er ließ seinen Schlüsselbund Dietriche fallen und erstarrte. Veranas ließ sich wieder gelangweilt auf den Teppich niedersinken und gähnte. Der Einbrecher fand ein Quentchen seines Mutes wieder und spurtete los.
Seine Oberschenkel brachen nun synchron in der Mitte durch und er fiel vor Schreck schreiend auf den Boden, versuchte sich wieder aufzurappeln, brach aber sofort wieder ein. Veranas trat langsam an ihn heran. Bald müsste der Schmerz über die Brüche einsetzen!
Der Dieb drehte sich mit Verzweiflung in den Augen und schlotternden Händen auf den Rücken und starrte auf das sanfte Gesicht hoch über ihm. Er atmete in Stößen und Schweiß brach ihm aus.
„Bitte,“ flehte der Mann, all seinen Stolz vergessend, „tötet mich nicht, Herr! Tötet mich nicht!“
„Warum sollte ich dir diesen Gefallen erweisen?“ fragte Veranas wenig interessiert.
Der kleine Dieb schlotterte jetzt am ganzen Körper und fasste sich an die gebrochenen Beine. Jetzt musste er den ersten Schmerz spüren! Der abgerissene Mann jammerte: „Bitte, lasst Gnade walten. Ich werde mich ganz allein aus dem Schloss robben und euch nicht weiter stören, lasst mir nur mein Leben!“
„Du bist nur ein erbärmlicher Wurm und wem würde es schaden, wenn du stirbst?“ sagte Veranas gelangweilt und kratzte sich am Ohr.
„Habt Erbarmen,“ schrie der Mann jetzt und Tränen schossen ihm ins Gesicht, er drückte sich seine schlotternden Hände vor die Augen und auch das letzte bisschen Farbe wich aus seinem schmutzigen Antlitz: „Habt doch Erbarmen, Herr! Ich habe zwei Kinder, zwei Buben, die ihre Mutter verloren und nur noch mich in der Welt haben! So tötet mich doch nicht!“
„Zwei kleine Dreckspatzen, die ihr das Klauen lehrt?“ fragte Veranas und verzog abfällig den Mundwinkel. „Zwei Kinder nur? Ich hörte von wertlosen Menschen wie euch, die ihren Häschern gleich neun oder elf davon anboten! Wenn ich wüsste, wo eure Brut wohnte, würde ich sie gleich auch töten, aber das werde ich wohl nie erfahren, weil ich euch nicht mehr dazu fragen werde.“
„Nein!“ schrie der Dieb gellend.
Veranas drückte ihm - mittels seiner Gedanken und angeödet von dessen Schwäche - die Stirn ein, dass dem Mann die Augäpfel aus den Höhlen traten. Der schmächtige Einbrecher gab nur noch ein paar spastische Zuckungen von sich und blieb dann auf dem dicken Läufer leblos liegen. Ein dünner Fluss von Blut lief ihm aus der Stirn, versiegte aber rasch.
Die Dienstboten oder Reinigungskräfte würden ihn in ein paar Stunden finden und entsorgen, seine Arbeit war getan. Veranas schritt an dem Leichnam vorbei und begann gut gelaunt eine Melodie zu summen. Die nächtliche Abwechslung hatte ihn irgendwie erheitert, denn seit seinen aktiven Tagen im Zirkel der Jäger waren einige Jahre ins Land gegangen und solcherlei vergnügliche Zerstreuung fand er nicht mehr zwischen alle seinen bürokratischen Verpflichtungen als Oberhaupt der Adepten. Das Wachbleiben hatte sich gelohnt!

Am frühen Nachmittag hatte Veranas all seine neue Post durchgesehen. Wie alle Dienstpost der Adepten waren die Briefe an ihn in ihrer Hieroglyphenschrift verfasst, die alle jungen Adepten neben der Gemeinsprache vom vierten Lebensjahr an lernten. Es war keine gewöhnliche Hieroglyphenschrift die man - wie jede andere alte Sprache - auch entziffern konnte, sondern eine Geheimsprache, die so konzipiert war, dass man sie nur mit vielen Schlüsselcodes lesen konnte! Wer diese Schlüssel nicht hatte, musste über die scheinbare Strukturlosigkeit verzweifeln. Allein die Zusammensetzung aus Lautsprache und Symbolsprache würde den ahnungslosen Schriftforscher schon in den Wahnsinn treiben!
Gut gelaunt über sein bereits geschafftes Tagewerk setzte er einen neuen Brief auf. In seiner selbstverliebten Schrift malte er mit seiner Feder in weitschweifigen Schnörkeln den Adressaten in der Gemeinschrift der drei Monarchien auf den Umschlag: Marbuk von der Vogelweide.

    Brief Nummer 283 an M v d V, gesendet am 26.04.37
Alter Freund, ich freue mich, dir endlich mitteilen zu können, dass es nur noch wenige
Wochen, vielleicht nur noch Tage sind, bis wir unserem Plan in die Tat umsetzten können.
Alle wichtigen Schritte sind gemacht, alle unsere Spieler sind auf dem Spielfeld plaziert. Sei
also vorbereitet auf den Tag Null, er ist nicht mehr fern! Es bleibt uns nur noch zu warten,
wann unsere Gegner sich in die Positionen begeben haben, in denen wir sie am einfachsten zu
Fall bringen können! Mit einem lachenden und einem weinenden Auge werde ich an diese
Zeit jetzt zurückdenken. Wie sehr werde ich das Ränke schmieden und das Korrumpieren der
Mächtigen unserer Reiche vermissen, wie sehr werden mir ihre naiven, ahnungslosen
Gesichter fehlen. Natürlich gab es auch unschöne Tage, aber wem erzähle ich das, wo du doch
persönlich diesen gefährlichen Störfaktor Jannick aufgezogen hast. Leider muss ich dir
mitteilen, dass ich deinen ausdrücklichen Wunsch ihn persönlich zu beseitigen nicht
entsprechen kann, weil deine Anwesenheit in Neuschaffenburg für uns zwingender ist, als
deine persönlichen Rachegelüste. Du gehörst zu meinen engsten Vertrauten und kaum einer
unseres Zirkels ist ähnlich mächtig wie du. Dir allein obliegt die Verantwortung für Avariens
zweitgrößte Stadt. Ich möchte dir aber noch die Gelegenheit geben von dem Jungen Abschied
zu nehmen, denn wie meine Informationen besagen, befindet er sich in der Nähe von Kermon
und wird in ein paar Tagen auch wieder in Neuschaffenburg sein, wo du dich inzwischen auch
befinden müsstest! Wenn meine Rechnungen aufgehen, wird Jannick irgendwo an der
Reichsgrenze sein, wenn wir losschlagen. Die Gräfin, der er Geleitschutz bietet, wird
    nämlich zu dieser Zeit hier in Gnossas ihrer Cousine Waldrada ihre Aufwartung machen.
    Lass es dir gutgehen, bis wir uns wieder treffen. Mein nächster Brief wird mein letzter vor
dem Tage Nulls an dich    sein, sei also bereit.                                V v Q

Veranas faltete das Papier sorgfältig zusammen und knickte es, dass es sich genau in der Mitte auch halbierte. Er steckte es in einen Umschlag, versiegelte es und stand dann entspannt auf. Viel mehr hatte er heute nicht zu tun. Er würde die Briefe weiterreichen und sich dann zum königlichen Badehaus begeben. Dort fand er immer Entspannung in den Armen seiner lieben Mätressen, die ihm schon manches Mal die üblen Gedanken vertrieben hatten.
Die Ehelosigkeit hatte einst der einzigartig mächtige Tobaskar eingeführt, um die Adepten zu schützen: Manch einer hätte im Ehebett schwach werden können und hätte vermutlich seinem Weib die beiden Geheimnisse der Adepten preisgegeben. So aber war nun das Geheimnis um ihre Kräfte und das Geheimnis ihrer Ambitionen wohl behütet!
Veranas schlenderte noch zu seinem vergitterten Fenster und blickte wieder in die belebten Straßen. Alle Leute verrichteten unschuldig ihre Arbeit, lebten Tag ein Tag aus in ihrem stumpfsinnigen Trott. Bald würde sich vieles für sie ändern aber sie würden nur murren und maulen angesichts der Täuschung, der sie erliegen würden!
Das Volk glaubte das, was sie im wöchentlichen Zeitungsblatt las, das Volk bestand nur aus denkenden Tieren und was diese Tiere dachten, war nur die Frage dessen, was man ihnen soufflierte. Welch besseres Mittel als die vermeintlich obrigkeitskritische Presse konnte es für diese Art der subtilen Manipulation ungebildeter Tölpel geben? Veranas erlaubte sich ein winziges Lächeln, als er mit verschränkten Fingern, die Daumen gegeneinander klopfend, auf das Vieh zu seinen Füßen sah.
Bald würde die Macht in den Händen der Mächtigen liegen, und der Pöbel würde staunend und untätig zusehen.

                    12. Greganor
Sie hatten in der teuersten Niederlassung ganz Kermons Quartier bezogen. Greganor vermisste nichts an Komfort, als er neugierig die Küche inspizierte und feststellen musste, dass alle nur erdenklichen Köstlichkeiten auf den Tischen, in den Regalen und Schubladen zu finden waren. Er nahm gerne enge Zimmer und ein hartes Lager in Kauf, solange der Koch ein Virtuose seines Fachs war und ihm ein wohlzubereitetes Stück Fleisch mit möglichst wenig Beilagen servierte! Die Kost der Greifen war zu seinen Schulzeiten sehr viel ausgewogener gewesen, was für ihn schlichtweg bedeutete, dass er in dem ganzen Grün auf seinem Teller immer lange hatte graben müssen, bis er an das ersehnte, kleine Fetzchen Fleisch gelangt war. Greganor hatte damals eine enge Freundschaft zu einem Küchengehilfen aufgebaut, um überleben zu können: Jener Mann hatte ihn regelmäßig mit Fleisch und Wurst beliefert, die es noch viel seltener zu essen gab.
In dieser Küche nun fesselte besonders ein Spanferkel seinen Blick, das mit einer Melasse aus Honig, Zwiebeln und Senf bepinselt war und goldbraun glänzte. Es lag auf einem Gemüsebett und hatte einen dicken roten Apfel in der Schnauze, der diesem knusprigen Leckerbissen fast noch eine komische Note verlieh. Im Gasthof zum Goldenen Eber war es Tradition, dass jeden Abend - sieben Tage in der Woche - beim Abendessen solch ein Schwein aufgetragen wurde. Schon Bataillone von Ferkeln und Ebern hatten ihr Leben lassen müssen, für diesen einen großen Auftritt im Goldenen Eber, der in ganz Avarien der einzige Gasthof war, welcher so viele reiche Gäste hatte, sich solch ein fulminantes Abendbuffet zu erlauben.
Es störte Greganor nicht im Geringsten, dass sich zum wiederholten Male die Kellner und Köche an ihm vorbeidrücken mussten, weil er die schmale Küchentür blockierte, als er so gebannt auf seinen saftigen Schatz blickte und ihm das Wasser im Mund zusammenlief! Bei dem Gedanken an das bevorstehende Abendessen dachte er auch wieder an die schöne Gräfin und seinen Freund.
Es war inzwischen eine Entwicklung eingetreten, die er mit Unbehagen und gleichzeitig mit größter Anteilnahme verfolgte. Irgend etwas war zwischen ihnen dreien passiert, dass ganz und gar nicht dem Verhältnis entsprach, dass eine Adelsdame zu ihrem Geleitschutz haben sollte und umgekehrt! Es war nicht nur ein gesteigertes Interesse zwischen ihnen vorhanden, sondern sogar eine Neugier, die in ihm Gefühle weckte, die er schon lange Jahre nicht mehr gespürt hatte. Etwas an dieser Gräfin war anders, als an all den Frauen, die er zuvor kennengelernt hatte! Sie war nicht nur wunderschön, sie war nicht nur klug und gebildet, sie hatte auch noch Schneid und sogar ein bisschen Witz, was Greganor bei den meisten Frauen sehr vermisste! Lalilia in seiner Nähe zu wissen, brachte ihm Fröhlichkeit und eine seltsame Bedrücktheit in einem ein, dass er sich am liebsten in weiter Ferne zu ihr sah: Er würde sich womöglich in diese bezaubernde Frau verlieben und sich damit eine unheilbare Wunde zufügen. Weder war eine Ehe von ihrer Seite mit ihm möglich, da blaues Blut auch in der Ehe verpflichtete, noch durfte er sich begründete Hoffnungen machen, als Beschützer tatsächlich dem Zölibat entfliehen zu können. So gut sein Verhältnis zu Lord Fornworth auch sein mochte, der erste Ritter der Greifen würde seinem Wunsch nicht stattgeben, da war er sich sicher. Sich in die Gräfin zu verlieben hieße, seine Kampfmoral zu schwächen, seinen Lebenswillen zu dämpfen, weil dann das Wichtigste in seinem Leben zum Unerreichbarsten in seinem Leben werden würde.
Greganor biss die Zähne zusammen! Was für einen Unsinn dachte er da? Solch hypothetische und fruchtlose Überlegungen überließ er lieber seinem besten Freund, der Stunden damit zubringen konnte, die wunderbarsten Luftschlösser zu errichten und jeden Raum mit Düften, Farben und Stimmen zu füllen. Er aber lebte auf dieser Seite des Spiegels und wollte sich nicht mit Hirngespinsten beschäftigen, die nur Schwermut brachten und sonst keinerlei Nutzen für ihn hatten!
Greganor machte sich auf den Weg in den Speisesaal. Seine Rüstung hatte er in einen schweren Eichenschrank weg gesperrt und trug jetzt nur seine blauschwarze Uniform und sein Langschwert zu seiner Linken. Er war ein wenig überrascht, als er in dem leeren Speisesaal, in dem nur die Kellner ein- und ausgingen, um die langen Tafeln herzurichten, seinen Freund erblickte. Jannick saß gedankenverloren auf einer Holzbank an der Seite des Saales und spielte mit seinen Fingern. Greganor grinste und trat auf ihn zu.
„Na, was treibt dich denn schon so früh in den Speisesaal?“
Jannick blickte nur kurz zu ihm auf und blickte dann wieder ermattet auf seine Finger. „Langmut.“
„Hast du wieder deine Kräfte benutzt? Du siehst so müde aus!“
„Ich habe nur zu wenig geschlafen in der letzten Nacht, das macht sich jetzt bemerkbar,“ Jannick gähnte.
„Was macht wohl die kleine Sophie? Ist dir aufgefallen, wie sie dich angeguckt hat, als du die Blaumeise auf deinem Zeigefinger landen und sie ihr ein Liedchen hast trällern lassen?“
Auf den Zügen seines Freundes zeigte sich ein dezentes Lächeln: „Das war schon lustig, vor allem, wenn ich daran denke, was ich die Blaumeise denken lassen musste, damit sie so inbrünstig ihre Stimmbänder vibrieren ließ!“
„Es gibt heute sogar ein Ferkel, ganz zart und saftig sah es aus!“
„Mir ist zwar schleierhaft, wie du von Singvögeln auf Schlachtvieh kommst, aber mir ist jetzt eher nach einem Krug Wein als nach gebratenem Fleisch.“
„Du hast das Tier noch nicht gesehen!“ grinste Greganor und setzte sich jetzt zu seinem Freund auf die Bank.
„Die Gräfin mag uns,“ sagte Jannick jetzt mit dunklen Augen und spielte wieder mit seinen Fingern. Greganor blickte ihn skeptisch an und versuchte zu ergründen, was sein Freund jetzt dachte.
„Jetzt ist mir schleierhaft, wie du von Spanferkeln auf unsere schöne Gräfin kommst!“
„Ist dir diese Ähnlichkeit nie aufgefallen?“ lächelte Jannick immer noch etwas müde „dieser zarte rosa Teint, die verständnislosen Augen, die feuchten Lippen.“
„Aber Lalilia hat kein Ringelschwänzchen!“ lachte Greganor.
„Hast du nachgesehen?“ schmunzelte Jannick.
„Komm, lass uns nach den Damen sehen! Das Buffet wird bald aufgetragen. Du kannst sie ja gleich mal fragen, ob sie tatsächlich ein Ringelschwänzchen hat.“ grinste Greganor breit und erhob sich wieder.
Jannick ächzte leicht, als er sich streckte und dann auch erhob, er schien schon sehr lange unbeweglich dort gesessen zu haben. „Also gut, gehen wir die Damen abholen und erlösen die vier Eisenmäntel von ihrer schweren Bürde.“

Sie hatten die Hauptstadt viele Tage und Landschritt hinter sich gelassen und befanden sich inzwischen kurz vor Torquiens Fähre. Greganor und Jannick hatten Lalilia soviel von ihrem alten Zuhause berichtet, dass es nur eine Frage der Zeit gewesen war, bis die Gräfin ihren Wunsch geäußert hatte, ihre Reiseroute ein wenig zu verbiegen um auf dem Weg nach Neuschaffenburg einmal Greifenfels aus der Nähe zu sehen.
Vor ein paar Stunden noch hatten sie auf einer kleinen Wiese am Waldrand auf dem großen hellblauen Tuch und ein paar Kissen der Gräfin gesessen und im angenehmen Licht des frühen Morgens ein zweites Frühstück zu sich genommen. Es war längst bei ihnen üblich geworden, dass Lalilia bei ihren Mahlzeiten ihre beiden Begleiter zu sich an den Tisch einlud oder eben auf ihr hellblaues Tuch, wenn es an Tischen mangelte.
Inzwischen befanden sie sich auf halber Höhe des schwarzen Greifenberges und Greganor machte sich Gedanken, wie er den erzürnten Fornworth erklären werden würde, wieso er uneingeladen und dann auch noch mit gleich drei Frauen im Gepäck auf Greifenfels zu residieren gedachte. Und sei es auch nur für eine Nacht! Obwohl er Fornworth nur die traurigsten Parodien einer Entschuldigung vorzubringen hatte, war sich Greganor sicher, dass die Wiedersehensfreude bei weitem über den Ärger des ersten Ritters obsiegen würde. Im Grunde genommen waren die schwarzen Greifen wie eine riesige Familie. Jeder kannte jeden beim Namen und es gab immer eine kleinere oder größere Abschiedsfeier, wenn einer von ihnen in die Welt ausrückte um andernorts seinen Dienst zu verrichten.
Lalilia würde staunen, welch famose Festung Greifenfels war und er war sehr bestrebt ihr tatsächlich auch alles zu zeigen, was es zu sehen gab. Er machte sich nichts vor und wusste, dass er längst sehr viel mehr für sie empfand, als es angebracht war, doch auch sie machte es ihm nicht einfach, sich wieder seiner Pflichten als Beschützer zu besinnen: Er hatte mit genug Frauen angebändelt, um ihre Blicke und ihr Lächeln richtig zu deuten. Er wusste, dass Lalilia ihm schöne Augen machte, auch wenn sie es immer sofort wieder einstellte, wenn sie es bemerkte. Dennoch konnte sie Geschehenes nicht wieder rückgängig machen und auch an diesem Tag hatten sich in einem scheinbar unbeobachteten Moment ihre Blicke getroffen, worauf Lalilia schnell wieder zur Seite gesehen hatte. Sie behielt ihm im Auge und er machte sich einen Spass daraus, jedesmal, wenn er ihren Blick bemerkte, schamlos und eindringlich zurück zu gucken! Greganor war sogar dazu übergegangen, ohne seinen furchteinflößenden Helm zu reiten, was eine grobe Verletzung seiner Beschützerregeln war. Das Gebiet, durch das sie ritten, war aber das am besten gesicherte in ganz Avarien, weil die Haupthandelsrouten auf dem gleichen Weg lagen. Außerdem waren ja noch vier Eisenmäntel dabei und sein Freund Jannick, der mit seinen Kräften gefährlicher war, als ein ganzer Trupp vogelfreier Räuber oder Morbiél Söldner!
Sein Freund ritt in Gedanken - was er scheinbar schon immer, jede wache Stunde jeden Tages gewesen war - auf der anderen Seite der Kutsche und sah wenig glücklich aus. Jannick tat ihm leid, denn Greganor wusste, dass die Sympathien seines Freundes auch der Gräfin galten, deren Sympathien sich aber nun zunehmend zu seinen Gunsten heraus kristallisierten. Aber was machte das schon, da doch dies alles nur ein kindliches Spiel um die Gunst eines schönen Mädchens war, dass sie beide doch nicht haben konnten!
Greganor lächelte fröhlich und klopfte seinem schwarzen Hengst gut gelaunt auf den Hals: „So, Talg, bald stehst du wieder in deiner alten Box in Greifenfels und bekommst wieder bestes Kraftfutter, wie gefällt dir das?“
Sein schlauer Hengst hatte eines seiner spitzen Ohren umgeknickt und wieherte jetzt verständig. Greganor grinste über die Klugheit seines Tieres. Es war fast so, als ob die Greifen ihre Reittiere nicht nur nach deren Gesundheit und deren Farbe auswählten, sondern auch nach deren Verstand. Er kraulte seinem Pferd die zottige schwarze Mähne auf dem schlanken, glänzendem Nacken: „Du bist ein kluges Pferd, Talg, du wirst es noch zu etwas bringen! Vielleicht lassen sie dich ein paar hübsche Stuten decken.“
Talg schnaubte.
„Sie unterhalten sich mit ihrem Pferd?“ fragte die Gräfin jetzt lächelnd und ihr schönes Gesicht tauchte in dem großen Fenster der Kutsche auf.
„Aber sicher!“ sagte er ernst. „Ich stelle ihm auch Fragen und meistens hat er auch eine weise Antwort parat.
„Fragen sie ihn doch mal, wieviel elf mal elf sind!“ lachte sie und ihre grünen Augen funkelten ihn keck an.
„Ich muss doch sehr bitten! Mit so einer Frage würde ich seinen Verstand beleidigen, und er würde mir nicht antworten!“
„Na gut, und wie sieht es aus mit fünf hoch fünf?“
Greganor klopfte Talg seitlich auf den Hals und flüsterte ihm zu. „Talg, fünf hoch fünf!“
Sein Pferd schnaubte verärgert und blähte seine Nüstern.
„Und? Was sagt ihr Pferd?“ fragte Lalilia und lachte breit mit ihren schönen rosa Lippen, dass Greganor sie ganz fasziniert beobachtete.
„Dreitausendeinhundertfünfundzwanzig. Aber er lässt fragen, wie sie das überprüfen wollen, da sie kein Rechenbrett zur Hand haben!“
Lalilia strahlte ihn an. „Ich ziehe meinen Hut vor eurem Pferd, das zweifelsohne weit mehr Verstand besitzt, als sein Reiter!“
„Wir ergänzen uns eben hervorragend: Ich besorge sein Futter, dafür beeindruckt er die Frauen und ich bekomme sie dann.“
Für einen Augenblick entdeckte Greganor Verunsicherung in den meergrünen Augen Lalilias, dann fasste sie sich wieder: „Nicht alle Frauen sind so einfach zu haben!“
Greganor setzte ein ganz ernstes Gesicht auf und blickte ihr lange und herausfordernd in die Augen: „Vielleicht doch.“
„Sie vergessen sich, mein Herr!“ sagte sie in harschem Ton, aber Greganor spürte ihre Unsicherheit über ihre eigenen Gefühle.
Er lächelte jetzt versöhnlich und betrachtete ihr ebenmäßiges, edles Antlitz: „Verzeit, meine Gräfin, aber euer Einfluss auf mich beraubt mich nicht zum ersten Mal meiner Etikette. Ich kann euch nicht länger betrachten und eurer Stimme lauschen, ohne mir zu wünschen, wir wären uns unter ganz anderen Umständen begegnet!“
Ihre Wangen färbten sich rosig und sie rang sich für ihren Rückzug nur einen knappen Satz ab: „Wir sind uns aber unter diesen Umständen begegnet,“ sagte sie hart und ihr Gesicht verschwand wieder hinter dem offenen Fenster. Greganor grinste jetzt: Lalilia konnte sich nicht verstellen noch verstecken, sie war ihm mehr als nur zugetan, und sie wusste das!

„Zum Donnerwetter, Greganor, was hast du dir dabei gedacht? Trägst du den Kopf nur auf den Schultern damit es dir nicht in den Hals regnet?“ Lord Fornworth sah ihn bitter ernst an.
„Und du, Junge? Du hast wohl zu viel Hammelfleisch gegessen, dass das auf deinen Verstand abgefärbt hat.“
Jannick blickte reumütig zu Boden, aber Greganor entging nicht, dass sein Freund damit nur sein amüsiertes Lächeln vor den Augen des ersten Ritters verbarg. Fornworth ging jetzt ein paar Schritte in dem Flur auf und ab:
„Für eure drei Damen kann ich ein Gästehaus freimachen. Aber ihr beiden Torfköpfe und die vier Eisenmäntel müsst zusehen, wo ihr bleibt! Hier jedenfalls nicht! Wie konntet ihr nur so pflichtvergessen und töricht sein, hier ohne Bittschreiben oder Ankündigung aufzutauchen?“ Fornworth ging noch ein paar Schritte auf und ab, doch weder Jannick noch er machten den Versuch, ihn zu unterbrechen. Schließlich blieb er stehen und musterte die beiden mit seinen scharfen, klaren Augen inmitten seines braunen ledrigen Gesichtes. Sein verärgerter Ton war plötzlich ganz weich und freundlich geworden, die gestrenge Miene des alten Greifen wich dem sanften und beinahe stolzen Lächeln eines gutmütigen Großvaters, der sich über den Besuch seiner Enkel freute, egal wie unpassend die Zeit dafür war: „Habt ihr eine gute Reise gehabt? Was denkt ihr euch eigentlich dabei, euch so lange nicht hier zu melden? Und wie seid ihr an dieses wunderschöne Weibsbild gekommen?“
Jannick und Greganor grinsten sich jetzt an. Sie verbeugten sich vor Lord Fornworth ehrerbietig.
„Wir entschuldigen uns, eure Lordschaft,“ meinte Jannick lächelnd. „Es wird nicht wieder vorkommen! Wir sind der Geleitschutz für die Gräfin Lalilia von Hohenwaldstein und nach all unseren Geschichten über Greifenfels und euer Hochwohlgeboren musste sie diesen Ort mit eigenen Augen sehen und euch persönlich aufwarten!“
Fornworth schmunzelte: „Wie ich sehe, hast du immer noch nicht gelernt, dich anständig auszudrücken und der Wahrheit nicht deine persönliche Note hinzuzufügen,“ meinte er zu Jannick. „Aber du bist immer noch der sympathischste Adept, der mir je unter die Augen gekommen ist. Diese Bürste um dein Schwätzermaul solltest du dir aber abrasieren! Ein anständiger Mann braucht diese gräßliche Haare im Gesicht nicht, um männlich zu wirken!“
Jannick grinste und seine Augen leuchteten wieder blau: „Ich werde darüber nachdenken!“
„Und du, Greganor? Du siehst aus, wie so ein Geck bei Hofe, der sich mit Duftölen einreibt und seine Haare täglich pflegt, um die jungen Mädchen zu verführen. Vielleicht solltest du dir einen Bart wachsen lassen, du siehst für meinen Geschmack viel zu weibisch für einen Greifen aus!“
„Wie ihr meint,“ entgegnete er und war nicht wenig angesäuert.
„Wie dem auch sei: seid willkommen auf Greifenfels! Ich freue mich, dass aus euch richtige Männer geworden sind: als ich euch mit neunzehn aus der Schule entließ, saht ihr noch aus, wie zwei Milchbuben,“ lachte Fornworth. „Seht nur zu, dass ihr vor Einbruch der Dämmerung wieder auf dem Weg nach Torquiens Fähre seid, bis dahin könnt ihr tun, was ihr mögt!“
Die beiden verbeugten sich abermals.
„Greganor, bevor du wieder gehst, möchte ich dir noch jemanden vorstellen!“
„Mein Lord,“ sagte Greganor fragenden Blickes.
„Komm in einer Stunde in den Übungsraum für Blankwaffen, mit Rüstung und Schwert, versteht sich.“
Greganor nickte und Fornworth rieb sich die Hände, was bei ihm ein Zeichen für äußerste Genugtuung war. Er blickte seinen Freund Jannick an, der auch nur schelmisch und fragend seinen Blick erwidern konnte.
Sie traten wieder in das Licht des Tages, wo die Gräfin mit ihrer Zofe und ihrer Gesellschafterin warteten. Lord Fornworth hatte sie in allen Ehren und aller Freundlichkeit empfangen und sich Jannick und ihn erst danach zur Brust genommen. Die drei Frauen sahen sie neugierig an. Lalilia trug ein bodenlanges, dunkelblaues Kleid und hatte ihre Hände übereinander geschlagen, als die beiden auf sie zutraten.
„Nun, meine Herrn,“ sagte sie fröhlich „kann die Führung beginnen? Werden wir hier Quartier bekommen?“
„Aber selbstverständlich, meine Gräfin!“ lächelte Greganor. „Wenn ihr mir die Ehre erweisen würdet, mir eure Hand zu leihen, werde ich euch persönlich alle Sehenswürdigkeiten zeigen.“ Er bot ihr seinen Arm an. Lalilia zögerte keinen Augenblick und legte souverän ihre Hand auf seinen Unterarm. Jannick trat auch mit fröhlich blauen Augen an die kleine Zofe Sophie heran: „Wollt ihr mir auch eure Hand entleihen und euch von mir führen lassen, junge Dame?“ Das Mädchen lächelte keck und legte den Arm ebenfalls auf Jannicks. Sie zogen los.
Schon nach wenigen Minuten - sie hatten nicht einmal den ersten Hof der Greifenburg komplett erklären können - erblickten sie zwei vertraute Gesichter, die sich unterhielten und die Gegend mit Blicken absuchten. Als sie die fünf Gäste entdeckt hatten, kamen sie lachend mit ausgreifenden Schritten auf sie zu.
„Inon! Kelly!“ rief Greganor lachend.
„Unser kleiner Adept und der alte Greganor!“ lachte Kelly.
„Wir hörten, ihr seid auf der Durchreise hier abgestiegen,“ Inon grinste.
„Hallo, Jungs!“ freute sich Jannick. „Darf ich euch unsere adlige Begleitung vorstellen? Das ist die Gräfin Lalilia von Hohenwaldstein, dies ist ihre Gesellschafterin Miss Clara und schließlich ihre entzückende Zofe Sophie.“
Die beiden Soldaten lächelten und betrachteten die beiden jüngeren Frauen interessiert.
„Ihr arbeitet unter einer Frau?“ fragte Kelly spöttisch und wenig ernst. „Kannst du dir das vorstellen, Inon?“
„Naja,“ grinste dieser mit albernem Zug in seinem furchigen, erfahrenen Gesicht. „Das kann ich schon, da mir schon ähnliches widerfahren ist. Ich will zwar nicht behaupten, dass es keine Arbeit war, aber es hat doch eher Spass gemacht!“
Kelly und Greganor lachten, dann zwang sich aber Greganor blitzschnell wieder ein ernstes Gesicht zu machen, als er sich gewahr wurde, dass er Lalilia an seinem Arm führte. Jannick war klüger gewesen und hatte sich unter Mühe das Lachen zum Preis eines breiten Grinsens verkniffen.
„Sie sind geschmacklos,“ sagte Lalilia weit freundlicher, als Greganor erwartet hatte. Auch sie schien sich ein Lächeln zu verkneifen.
„Das musst du unseren Freunden verzeihen und zugestehen!“ meinte Greganor zu ihr. „Die beiden tragen zwar die Uniform der Greifen, sind aber darunter gewöhnliche Nordlandbarbaren!“
„Pass auf, was du sagst!“ mahnte Inon albern. „Du lästerst über uns und wir kennen fast alle deine schmutzigen Geheimnisse. Nicht, dass wir uns noch genötigt fühlen, der Gräfin davon zu berichten!“
„Wie die Eskapade mit der vollbusigen Schankdame im `Singenden Spielmann´,“ fügte Kelly dazu. Greganor lief dunkelrot an und starrte wütend zu Boden. Das war unter der Gürtellinie gewesen! Lalilia blickte ihn jetzt an und ihr überlegenes Lächeln strafte ihn zusätzlich: „So?“ fragte sie voller selbstgerechten Spottes: „Eine vollbusige Schankdame? Warum erzählt ihr nicht mehr darüber, Ritter Greganor? Ich bin begierig darauf, von euren vergangenen Erfolgen zu erfahren!“
„Ein Erfolg war es weniger!“ grinste Jannick und Greganor hätte ihn am liebsten mit seinen Blicken aufgespießt, ehe er dann wieder wütend auf seine Stiefel starrte.
„Aber ich möchte hier niemanden kompromittieren,“ führte Jannick lachend fort, „erst recht nicht meinen Beschützer, den wackeren Greganor, der in der Gunst zu vieler Damen stand, um eine einzelne länger halten zu können!“
Greganor biss die Zähne zusammen: „Warte nur, bis du eingeschlafen bist, mein Lieber!“ sagte er finster.
„Über mich herfallen wirst du wohl kaum,“ lachte sein ehemals bester Freund „schließlich heiße ich nicht Susanna Schuster.“
Lalilia kicherte leicht, doch als er irritiert wieder aufzublicken wagte, traf ihn nur ein scharfer, strafender Blick! Verstehe einer die Frauen, dachte er sich.
„Können wir euch begleiten?“ fragte Kelly lachend „Es gibt noch ein paar Neuerungen, seit ihr zum letzten Mal hier wart!“
„Aber selbstverständlich. Es sei denn, die Gräfin hätte Einwände über die Begleitung dieser zwei Herren?“ Lalilia schüttelte fröhlich den Kopf über Jannicks fragenden Blick. „Nein, keine Einwände. Seien sie willkommen, meine Herren!“

„Ah, willkommen, Greganor!“ Lord Fornworth fuhr sich durch sein schlohweißes Haar. Fackeln brannten in dem unterirdischen Übungsraum für Blankwaffen und der vertraute Mief nach verbranntem Öl stieg Greganor in die Nase. Hier hatte er viele Tage verbracht, besonders in den letzten Tagen vor seinen Prüfungen. Die niedrige Decke und die zahlreichen engen Sackgassengänge und Wendeltreppen, die sich mal links herum, mal rechts herum nach oben wandten, waren ihm ein vertrauter Anblick. Viele Kerben hatte er mit seinem Übungsschwert unabsichtlich in die Wände getrieben, als er auf so engem Raum seine Kämpfe hatte ausfechten müssen. Sein bevorzugter Anderthalbhänder war oft denkbar ungeeignet gewesen, und er hatte sich des Langschwertes bedienen müssen!
Neben Fornworth stand ein Junge von vielleicht dreizehn oder vierzehn Jahren. Er war noch nicht ausgewachsen, hatte aber einen Grimm im Gesicht, als hätte er schon sehr viel mehr erlebt, als seine jungen Jahre einen Außenstehenden schließen lassen mussten! Er hatte kurzgeschnittene haselnussbraune Haare und graublaue Augen. Er musterte Greganor argwöhnisch, als hätte er ihm etwas getan. Greganor trat bis auf drei Schritte an den Lord heran und verbeugte sich.
„Darf ich euch bekannt machen? Das ist Greganor, einer der besten Beschützer, die Greifenfels je hervorgebracht hat.“
Der Junge verbeugte sich trotzig und Greganor sah den Lord mit hochgezogener Augenbraue an.
„Der Junge hier ist Cedrick, ein Beschützeranwärter.“ Greganor verbeugte sich ebenfalls.
Fornworth schmunzelte und klopfte dem Jungen auf den Rücken.
„Er hat die gleiche Waffengattung wie du gewählt, den Anderthalbhänder, deshalb ließ ich dich kommen!“ sagte er zu Greganor. „Cedrick ist, genau wie du, ein Naturtalent mit Waffen und im waffenlosen Kampf. Er hat nur ein kleines Autoritätsproblem.“ Fornworth grinste: „Cedrick ist ohne Mutter aufgewachsen. Seine zwei älteren Schwestern nun haben ihn nicht nur gehänselt, wie ein unliebsames Schosstier: seine Familie war auch so arm, dass er ihre Kleidungsstücke auftragen musste!“
Der Junge war plötzlich ganz bleich geworden und eiskalter Zorn stand in seinen Augen! Lord Fornworth hatte ihn bloßgestellt! Den ersten Ritter schien das wenig zu bekümmern, er fuhr unbeirrt fort:
„Eigenartigerweise besitzt der Kleine ein tiefverwurzeltes Ehrgefühl, das ihn davor zurückschrecken ließ, es seinen Schwestern heimzuzahlen. Es ist deshalb so eigenartig, weil es im krassen Gegensatz zu seinem Jähzorn steht, der jeden Spötter sein unüberlegtes Lachen über den Jungen in Frauenkleidern bitter bereuen ließ! Es muss für die anderen Jungs in der Tat sehr sonderlich ausgesehen haben, ihn in Leinenkleidern über den Schulhof eilen zu sehen!“
Greganor musste auch grinsen und fing sich darauf einen tödlichen Blick des Knaben ein.
„Ich sage das deshalb in deiner Gegenwart, Cedrick, damit du lernst, deine Vergangenheit zu verarbeiten und deinen Zorn zu beherrschen. Wenn du es nicht ertragen kannst, wie andere über dich spotten, bist du als Greif denkbar ungeeignet! Du brauchst auch gar nicht so feindselig zu gucken, auch wenn es mir Vergnügen bereiten mag, mich deinen Spöttern anzuschließen: sieh die erzieherische Maßnahme dahinter!“
Lord Fornworth wandte sich wieder Greganor zu. „Der langen Rede kurzer Sinn: Der Junge war irgendwann nicht mehr zu bändigen. Jeder, der ihn auch nur ansah, wurde so nach Strich und Faden von ihm verprügelt, dass mancher von ihnen tagelang das Bett hüten musste. Als sie ihm vor drei Jahren zu neun Mann auflauerten um ihm alles heimzuzahlen, hat er fast bist zur Bewusstlosigkeit gekämpft! Vier Jungen hat er die Beine gebrochen, dreien zusätzlich noch die Rippen und den letzten beiden hat er einfach einen Arm ausgekugelt. Danach war er so schwer verletzt, dass er nicht mehr laufen konnte und kam später vor den Richter! Sein Vater hat mir alles verzweifelt berichtet und nach einem Gespräch mit dem Jungen, dass mich von seiner Ehrlichkeit und seiner Ritterlichkeit überzeugte, wanderten ein paar Goldstücke in die Robe des Richters.“
Der Lord grinste selbstgerecht und verschränkte die Arme, als er auf Cedrick nieder sah. Der Junge hatte jetzt wieder an Farbe gewonnen und war sogar ein wenig rot geworden, als sein Herr so angetan über seinen Kampfgeist berichtet hatte. „Inzwischen,“ begann Fornworth wieder, „hat sich Cedrick zu einem Musterschüler gemausert und sich die Anerkennung seiner Klassenkameraden erworben. Jähzornig ist er jedoch noch immer und er hasst alle Frauen, egal welchen Alters. Ein Manko, an dem wir noch stark arbeiten müssen! Wie auch immer, er ist sehr klug und wenn ihn seine Klugheit auch nicht immer von seinen unbeherrschten Reaktionen zu schützen vermag, so lässt ihn sein ungestümes Wesen zumindest mit einer überlegenen Todesverachtung kämpfen, die ihresgleichen sucht. Er muss nur noch lernen, dass seine Ehre sehr wenig nützt, wenn sie ihn das Leben kostet! Bis dahin aber werden sich seine aggressiven Attacken so weit in seinem Kampfstil verfestigt haben, dass er ebenfalls ein großer Beschützer werden wird!“ Er blickte zu dem Knaben hinab: „Bist du bereit Greganor einen guten Kampf zu liefern. Der alte Junge rostet sonst vielleicht noch ein!“
„Ja, mein Lord!“ sagte die kratzende Stimme des Jungen, der gerade erst im Stimmbruch war. Fornworth strahlte die beiden an und rieb sich wieder die Hände. „Ganz ausgezeichnet, Cedrick, ganz ausgezeichnet!“

Schwitzend lehnte Greganor an der Basaltmauer auf einer Bank mit Blick auf das Arboretum. Wolken waren vor die Abendsonne gezogen und ein kühler Wind pfiff in den Höhen der Greifenburg, dass sich die Baumwipfel bogen. Greganor kam dieser böige Westwind recht, denn sein nasses Haar klebte ihm an seinem heißen Schädel. Er hatte nicht gedacht, dass er so außer Form war, gestand er sich ein. Tatsächlich hatte er sein tägliches Training in den letzten Tagen unentschuldbar vernachlässigt, aber dass er heute so hart hatte kämpfen müssen, war schon sonderbar.
Er holte tief Atem und rieb sich das Gesicht, als er ein paar schlurfende Schritte hörte, wie von jemandem, der lust- und freudlos durch die Gegend wandelt, ohne ein bestimmtes Ziel zu haben. Er sah auf.
„Jannick. Was treibt dich hierher? Wo ist die Gräfin und deine Kleine?“
Sein Freund raffte sich seine schwere Robe zurecht und ließ sich auf die Bank neben ihm plumpsen. Er sah erschöpft aus und seine braunen Augen waren wieder dunkler als gewöhnlich. Er war traurig.„Du scheinst ja gut geschwitzt zu haben?“ fragte ihn sein Freund.
„Du wirst es nicht glauben,“ lachte Greganor. „Ich habe gerade gegen einen jungen Beschützeranwärter gekämpft!“
„Und?“ fragte Jannick wenig interessiert.
„Naja, davon abgesehen, dass ich etwas außer Form war...“ Greganor zögerte, denn diese Erkenntnis hatte er bisher noch nichteinmal in seinen Gedanken in eine klare Aussagen zusammengefasst, so unangenehm war sie ihm. Er raunte jetzt mehr, als das er sprach, als befürchtete er, jemand anderes könnte noch mithören: „Du, ich sage dir, wenn der Junge nicht gerade ein Drittel weniger wiegen würde als ich und noch ein oder zwei Jahre Training mehr hinter sich gehabt hätte, hätte er mich zu Mus verarbeitet!“
Jetzt sah ihn Jannick doch interessiert an. Greganor war einer der besten Beschützer, dies hatten seine Lehrer und Lord Fornworth unabhängig voneinander gesagt und Jannick wusste das.
„Wie heißt der Junge?“ fragte sein Freund ihn.
„Cedrick.“
Jannick verfiel nach Greganors Antwort fast ohne Übergang wieder in seinen Schwermut und ließ den Kopf sinken. „Wir müssen gleich aufbrechen, sonst finden wir womöglich kein Zimmer mehr in Torquiens Fähre.“
„Wenn unsere Eltern wenigstens noch hier wohnen würden,“ dachte Greganor laut.
„Ich würde vorschlagen, wir gehen in den goldenen Luchs, da gibt es die besten Zimmer!“
Greganor lächelte: „Einverstanden! Und wenn wir das Zimmer gemietet haben, ziehen wir ein bisschen durch die Gassen und betrinken uns, dann verfliegt auch dein Schwermut wieder! Was hältst du davon?“
Ein kleines Lächeln zeigte sich auf dem betrübten Gesicht seines Freundes: „So machen wir es!“

Die Nacht hatte sich über die Landschaft hinab gesenkt und zwischen den schweren Wolken am Himmel konnten sie immer wieder einen der beiden Monde und viele funkelnde Sterne sehen. Es war eine laue Frühlingsnacht, eine der ersten warmen Nächte in diesem Jahr überhaupt. Sie hatten ein Zimmer im Goldenen Luchs bekommen, hatten ihre Pferde untergebracht und ihre Nachtlager bereitet, dann hatten sie eine gute Flasche Rotwein aus dem persönlichen Bestand des Gastwirtes erworben und waren losgezogen. Die Gassen waren nicht mehr sonderlich belebt, nur noch wenige ältere Bürger saßen vor ihren Häusern und genossen die nächtliche Ruhe. Die Wirtschaften waren dafür um so voller und als sie die Straße mit den Pinten erreichten, schallte es den beiden fröhlich aus den erleuchteten Buntglasscheiben entgegen. Da sie ihre Weinflasche bis auf einen kümmerlichen Bodensatz mit Weinstein ausgetrunken hatten und Greganors trockener Gaumen nach noch mehr des kühlen Nassen verlangte, blieb er gleich vor der ersten Wirtschaft stehen und versuchte hineinzublicken. Er drückte sein Gesicht an die Buntglasscheibe, die ihm am durchsichtigsten erschien.
„Meinst du, die haben da drinnen Wein?“
Greganor zog sein Auge zurück: „Was hast du immer mit deinem Wein? Tut es für heute abend nicht auch ein wohl eingeschenktes Bier?“
„Ein Schwarzbier vielleicht!“
„Saurer Wein und süßes Bier. Was hast du nur für einen eigenartigen Geschmackssinn!“ er blickte auf das Holzschild, das über dem Eingang an zwei rostigen Ketten baumelte. „Der Streunende Hund! Das ist doch die Pinte, in der die ganzen fahrenden Händler aus den barbarischen Nordlanden und die finsteren Typen aus dem Steinbruch herumhängen.“
„Hast du Angst? Du bist doch schon groß!“ sagte Jannick müde lächelnd.
„Dein Vater hat uns immer davor gewarnt, hier einzukehren.“
„Da waren wir vierzehn.“
„Na prima, ich wollte schon immer mal hier hineingehen, ganz besonders, nachdem uns dein alter Vater so eindringlich eingeschärft hatte, diesen Ort zu meiden!“
„Das war eigentlich keine Aufforderung, hinein zu gehen, aber meinetwegen. Ich muss etwas Wasser abschlagen und habe keine Lust noch lange nach einer Kneipe zu suchen!“
Greganor stieß die Tür auf und das gutturale Gemurmel der tiefen Stimmen im Inneren wurde lauter und ein undefinierbarer Geruch nach Tierfellen, Leder, Alkohol, einer leichten Schweißnote und weiteren Ingredienzen schlug ihnen entgegen, dass die beiden die Nase rümpften. In dem engen Schankraum, der nur spärlich von ein paar stinkenden Talgkerzen erleuchtet wurde, saßen an den schweren, grobgezimmerten Holztischen und Bänken große, klobige Männer in unfeiner Kleidung. Felle und schwere Leinen- und Lederjacken waren vorherrschend. Jannick und Greganor waren zwar ausnahmsweise in ziviler Kleidung unterwegs, weil sie sich nicht im Dienst befanden, fielen aber in ihrer Garderobe nichtsdestotrotz aus dem Rahmen!
Wie er es ganz treffend beschrieben hatte, setzte sich die grobschlächtige Kundschaft überwiegend aus Arbeitern des hiesigen Steinbruches zusammen. An der langen Theke aber saßen fünf gewaltige Barbaren aus dem Norden, die wohl auf ihren Handelsreisen hier in Torquiens Fähre hängengeblieben waren. Sie waren ausnahmslos in schwere Felle, die von ihrem Reichtum kündeten, gewandet. Viele Barbaren hatte Greganor noch nicht gesehen, aber das Gerücht, das sie alle fast zwei Schritt oder mehr maßen, hatte er mit jedem Nordmann, den er getroffen hatte, bestätigt gefunden. Frauen und Kinder aus dem rauhen Norden hatte er noch nie zu Gesicht bekommen, dafür diese reisenden Händler um so häufiger. Sie kauften Luxusgüter und Schmuck im Süden und tauschten sie in ihrer Heimat wieder gegen Felle und Bein ein. Ein lukratives Gewerbe, wie er gehört hatte.
Als die beiden Freunde sich durch die engen Reihen der trinkenden Gäste drückten, blieb manch missmutiger Blick an den beiden kleben. In den wettergegerbten Gesichtern der Steinbrucharbeiter war das gleiche Missfallen zu erkennen, wie in dem vollbärtigen Gesicht des Barbaren an der Theke, der sich auf seinem Hocker den beiden zudrehte.
Streitlust lag in der Luft, aber Greganor sog diesen Duft nur gefällig ein, denn der Wein und der Wunsch sich wieder zu rehabilitieren, nachdem der nachmittägliche Kampf ihn so gebeutelt hatte, machten sich in ihm breit. Er würde keiner Auseinandersetzung aus dem Weg gehen.
Jannick suchte gleich den Abort auf und blickte keinem der anderen Gäste in die Augen, um möglichst unbehelligt zu bleiben. Greganor indes drückte sich zwischen zwei Barbaren an die Theke und rief nach dem Wirt.
Neben ihm auf dem Tresen lag eine große Pranke mit drei Goldringen, die wenig fachmännisch, dafür um so dicker gearbeitet waren. Auch die Hände der anderen Händler wurden von solch protzigen wie plumpen Ringe geschmückt.
„Herr Wirt!“ rief der dem alten, breitschultrigen Mann zu, der gerade einen irdenen Humpen von ansehnlicher Größe mit Bier voll laufen ließ. „Bringt mir ein obergäriges Bier und ein Schwarzbier, wenn ihr habt. In euren grössten Humpen, wenn es gefällt!“
„Und was wird deine Mutter dazu sagen?“ brummte der Barbar neben ihm tief und lachte über seinen eigenen Witz.
„Ich weiß nicht, aber deine bat mich dir auszurichten, du sollst bald nach Hause kommen, die Wäsche müsste noch aufgehängt werden!“
Krachend landete die Faust des Barbaren auf der Theke. Zwei kleine Augen blickten ihn wild an. „Junge, wenn du Ärger haben willst, wir haben davon mehr, als du in einem ganzen Jahr vertragen könntest!“
„Ärger will ich tatsächlich nicht, nur zwei Bier!“
„Hier gibt es kein Bier für Schönlinge wie dich und deinen Freund! Macht euch woanders hin auf!“ Der Händler drehte sich wieder seinen Kameraden zu und sie lachten und stießen ihre Humpen zusammen. Greganor zuckte mit den Schultern und bekam mit, wie Jannick wieder in die Gaststube trat. Sein Freund setzte sich auf einen freien Barhocker an die Theke und blickte ihn fragend an. Greganor machte mit seinen Händen nur eine Unwissenheitsgebärde und drehte sich wieder dem Schankwirt zu.
„Wie sieht es aus, Meister Wirt, habt ihr Obergäriges- und Schwarzbier für uns?“ Der Wirt schaute erst ihn und dann die fünf Händler aus dem Nordland an. Der Barbar mit den meisten Goldringen schließlich gab Greganor donnernd die Antwort, die er vom Wirt erwartet hatte: „Ornaf hat dir gesagt, dass es für euch hier nichts zu trinken gibt, also verkriecht euch und lasst euch von ein paar Huren verwöhnen, oder was ihr sonst so treibt!“
Die anderen Nordmänner schwiegen und auch die übrigen Gäste waren leise geworden. Greganor grinste jetzt zu Jannick hinüber. Sein Freund sah kurz resignierend nach oben und schloss vermutlich gerade mit dem Gedanken ab, dass dieser Abend ganz friedlich zu Ende gehen würde. Dann nickte er ihm mit verzogenem Mundwinkel bestätigend zu: er ließ ihn seinen Spass haben.
Greganor grinste den bärtigen Händler an. Wie seine Begleiter war er noch ein Stückchen größer als Greganor und wesentlich breitschultriger, was ihn bedrohlich wie einen Bären erscheinen ließ.
„Wir lassen es uns durch den Kopf gehen. Sind die Geschichten eigentlich wahr, das ihr Nordmänner eine Nacht mit eurem Vieh einer Nacht mit euren Weibern vorzieht?“
Der hünenhafte Händler stellte seinen Humpen beiseite, ballte die Hand zur Faust und erhob sich. „Ich bin Dergan vom Winterwald und wer mich beleidigt, verwirkt seine Gesundheit und wenn er Pech hat, sein Leben.“
Die anderen Nordmänner erhoben sich jetzt ebenfalls und auch die letzte Stimme in der Schenke verstummte.
Greganor hörte nur das Seufzen seines Freundes in der Stille. Er ging jetzt sicherheitshalber schon in Verteidigungsstellung, bevor er den Barbaren wieder ansprach: „Verzeiht mir meine Worte, es war reine Neugier. Ich würde euch im Übrigen davon abraten, mit mir einen Streit zu beginnen!“
„Ach, Bursche, kneifst du jetzt den Schwanz ein und machst dich winselnd davon?“ grölte der Händler.
„Das liegt mir fern. Ich bin viel mehr um eure Gesundheit besorgt als um meine!“
„Habt acht,“ sagte jetzt der Wirt leise zu dem Nordmann „dieser Mann ist bestimmt ein Schwarzer Greif!“
Der Barbar lachte auf und donnerte dann mit seiner krächzenden Stimme: „So, ein Greif! Dann wollen wir mal sehen, was die Greifen wirklich können und verpassen dem Schönling eine ordentliche Tracht Prügel!“
Greganor lachte und freute sich: „So? Ihr fünf und welche Armee?“ Er rief schnell den Wirt an: „Schenkt ihr jetzt endlich unser Bier ein? Nach dem Gerangel gleich will ich einen zünftigen Schluck Gerstensaft kredenzt bekommen, sonst werde ich ernsthaft ungehalten! Die zerstörten Möbelstücke setzt meinem Freund auf die Rechnung, er kommt für alles auf!“
Der Barbar lachte jetzt ebenfalls: „Für so einen schmalen Burschen riskierst du eine ganz schön dicke Lippe! Ich werde schon dafür sorgen, dass du diesen Abend nicht so schnell vergisst.“ Er ging in Boxerstellung.
Greganor lächelte noch einmal kurz und konzentrierte sich dann: „Erlaubt mir, euch zuerst ein Andenken an diese denkwürdige Begegnung zu verpassen!“ sagte er und brach dem Barbar mit drei Fingerspitzen die Nase, dass ihm direkt das Blut in den Bart schoß.
Der Hüne sah ihn einen Augenblick verdutzt an, dann stieß er einen Schlachtruf aus und versuchte nach ihm zu schlagen. Greganor tauchte nur unter dem Schlag weg und setzte dem Barbaren sein Knie zwischen die Beine, dass sein grölender Schlachtruf mit einem piepsenden Flüstern abebbte.
Dem nächsten Fausthieb wich er nicht aus, sondern packte das Handgelenk, zog den Angreifer an sich heran und schlug ihm gekonnt die Fingerspitzen so auf die linke Schläfe, dass der Barbar gleich bewusstlos zu Boden sank.
Die Enge des Schankraumes hatte Greganor unterschätzt, als er dem nächsten Angriff nicht ausweichen konnte und von groben Händen von vorn gepackt wurde. Die Nordmänner hatten schnell geschaltet und begriffen, das er flinker war, als ihre Fäuste und sie nur im Ringkampf an ihn herankommen würden. Greganor drehte sich nun, ließ den Griff des Mannes zu, ergriff aber nun selbst den Barbar und schleuderte ihn mit einem Hüftwurf gegen einen Bartisch und die Stühle davor. Holz brach und ein Stuhlbein splitterte, als der Mann ächzend auf den Boden fiel. Greganor stand wieder fest und hatte gerade genug Zeit für einen Flugkick. Er drehte sich um seine eigene Achse und trat seinem Angreifer mit dem Stiefel direkt von der Seite gegen sein Kinn. Der Barbar war bewußtlos, ehe er längs auf einen Tisch aufschlug, von dem die andren Gäste bereits wohlweislich ihre Krüge entfernt hatten.
Zwei schwielige Hände, groß wie Suppenteller legten sich jetzt von hinten um seinen Hals, das Greganor für einen Augenblick schwarz vor Augen wurde. Instinktiv griff er nicht mit seinen Händen nach den würgenden Händen des Barbaren, sondern bog seine eigenen Finger zurück, dass seine Handteller zwei leicht eingewölbte Flächen bildeten. Damit hieb er mit aller Kraft auf die Ohren des Hintermannes, dass diesem der Druck die Trommelfelle zerriss. Die Hände ließen ihn los. Jetzt stieß Greganor dem Mann seinen Ellbogen in den Solar Plexus und schubste ihn über seinen, am Boden liegenden Anführer, der sich immer noch aschfahl in den Schritt griff.
Einzig der Hüne, der zwei Stühle und einen Tisch durch sein Eigengewicht zertrümmert hatte stand jetzt noch, doch ihm war anzusehen, das er keine weitere Keile von ihm wünschte.
Greganor setzte sich jetzt mit dem Rücken zur Theke, dass er die geschlagenen Nordmänner im Auge behalten konnte. Seine Rückseite würde Jannick schon decken, falls der Wirt ihm unvernünftigerweise eine Flasche überziehen wollte. Er machte seine Atemübungen, um seinen Herzschlag wieder langsam zu senken.
„Herr Wirt!“ hörte er Jannick fordern, und ein breites Lächeln zierte jetzt Greganors schweißnasses Gesicht. „Wo bleibt unser Bier? Wenn sich die fünf anderen Streithähne wieder erholt haben, gebt ihnen auch eines. Die Getränke in der nächsten Stunde gehen auf mich!“
Jannick erhob sich und setzte sich neben Greganor mit Blick zur Theke: „Angeber!“
Er keuchte nur schweratmend als Antwort. Dann zwang er sich doch zwischen zwei Atemzügen ein paar Worte ab. „Ich habe nur die Ehre der Greifen gegen ein paar barbarische Berserker verteidigt!“
„Du hast deinen Hochmut verteidigt, ein paar einfältige harmlose Händler beleidigt und zusammengeschlagen.“
„Wenn du das so sagst, klingt das fast so, als ob ich etwas Verwerfliches getan hätte!“ sagte Greganor, in dessen triumphierendes Glücksgefühl über den gewonnen Kampf sich jetzt ein bitterer Wermutstropfen mischte. Hatte Jannick Recht?
„Ich bin ein Ritter, kein friedliches Lamm. Ich kämpfe wo ich muss!“
„Du bist ein Beschützer und Schutz ist es, für den du kämpfen sollst“ sagte sein Freund nur ernst und nahm die zwei Bierhumpen entgegen, die der Wirt ihm reichte.
Greganor blickte betroffen zu Boden, auf dem sich immer noch ein Nordmann wand. Die Zerstörung ringsumher war sein Werk. Jannick verstand es, auch die harmloseste Keilerei als eine unritterliche, verwerfliche Schande darzustellen. Er seufzte und nahm seinen Bierkrug in die Faust: „Mische du dich nicht in meine Angelegenheiten, wie ich mich nicht in deine mische. Ich bin dein Greif und wenn ich nicht hin und wieder meine Krallen wetzen kann, werden sie stumpf und ich für dich untauglich.“
„Vielleicht hast du recht,“ sagte Jannick und lächelte ihm zu. Die beiden Freunde stießen an. „Auf meinen Freund, den unbezähmbaren Beschützer.“
„Auf meinen Freund, den wirren aber tiefsinnigen Adepten.“   

                              Perrin
Die Sonne stand schon tief am Himmel, als Perrin die dünnen Rauchfäden am Himmel im Westen entdeckte. Ein kleines Tal, mitten zwischen dem dreitausend Schritt hohen Berg Weitblick und den kaum kleineren Bergen Gorsolar und Steinkranz öffnete sich vor seinen Augen. Perrin befand sich mitten in den zerklüfteten Gefrorenen Bergen, auf deren schroffen und unzugänglichen Gipfeln das ganze Jahr über Schnee und Eis lag.
Auch, als vor wenigen Stunden die Sonne noch im Zenit gestanden hatte, war es frostig gewesen. Jetzt aber, da der ferne Feuerball die kalten Felswände in ein prächtiges Abendglühen tauchte, bevor er viel zu früh vom Himmel hinter den Bergen verschwand, war es so winterlich kalt, wie es selbst auf Burg Speerspitze erst in den Wintermonaten wurde!
Mühsam hatte er sich mit seinen vier Begleitern und ihren acht genügsamen Maultieren die Passstraße hinaufgekämpft und endlich waren sie oben auf einem winzigen Felsplateau angelangt. Von hier aus führte der Weg sie nur noch bergab und trotz der schneidenden Kälte zog Perrin nun kurz seine verschwitzten Handschuhe aus, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. Seine Gesichtshaut schmerzte, als er sich mit seinen rauhen Händen darüber rieb. Die Höhensonne mochte zwar wegen dem starken Gebirgswind nicht wärmen, war aber sonst ungewöhnlich stark. Er und die anderen vier Ritter der Speerspitze waren am ganzen Körper blass, aber ihre ungeschützten Gesichter waren so braungebrannt wie die Kruste frischen Brotes!
Perrin zog die Nase hoch, spuckte aus, um den schalen Geschmack auf seiner Zunge loszuwerden und spritze sich mit dem Wasserschlauch den Mund aus. Tief unter ihnen lag das Lager der Nordmänner und derweil er gierig das kalte Wasser hinunterschluckte, musterte er erfreut und doch feindselig die Ansammlung von Zelten in dem Gebirgstal! Er war erfreut, endlich des Barbarendorfes angesichtig zu werden, aber erinnerte sich gleichzeitig wieder mahnend an das Schicksal, das seine Vorgänger erlitten haben mussten! Sie waren inzwischen die dritte Gruppe von Unterhändlern, die Herzog Richin, ihr General, zu diesem Stamm sandte!
Ihre Vorgänger waren nicht zur Speerspitze zurückgekehrt und da es unwahrscheinlich war, dass seine Kameraden, die das Gebirge ihr zu Hause nannten, in den Bergen umgekommen waren, drängte sich nur eine Erklärung auf. Die Barbaren mussten sie erschlagen haben! Diese Nordmänner waren ein stures Volk, ein Volk von ungebildeten und grobschlächtigen Männern und von Frauen, die Haare auf den Zähnen hatten.
Perrin selbst hatte schon mit zwei ihrer zahlreichen Stämme erfolgreich Verhandlungen geführt und war deshalb für diesen schwierigen Auftrag ausgewählt worden!
Die Barbaren waren so stolz und unbeugsam, dass man sie nicht einmal anständig bestechen konnte, das wusste Perrin inzwischen. Der einzige Weg diese bornierten Idioten für ihre Pläne zu gebrauchen, war ihren Stolz zu nähren! Zunächst musste man sie rühmen und beschenken, ohne jedoch dabei sein Gesicht zu verlieren: es durfte nicht der Eindruck entstehen, sie wären als Bittsteller gekommen, die um Almosen bettelten. Die Häuptlinge der Barbaren, die sich selbst nicht weniger als als Könige betrachteten und auch so nennen ließen, mussten immer das Gefühl behalten, von einem ähnlich bedeutsamen Unbekannten aufgesucht worden zu sein! Sie empfingen keine Bittsteller und auch keine namenlosen reichen Südländer, sie empfingen Kriegsfürsten.
Hatte man diese Analphabeten erst einmal reich beschenkt und ihrem Stolz genüge getan, begann der schwierige Teil. Was auch immer man von ihnen wollte, man musste es so aussehen lassen, als seien die `Barbaren Könige´ selbst und zuerst auf diese Idee gekommen! Dazu war nicht nur ein ansehnliches Quantum Geduld von Nöten, denn diese Trottel dachten nie besonders schnell, sondern es bedurfte auch eines gerütteltes Maßes an Rhetorik. Man durfte ihnen weder zu viel, noch zu wenig in den Mund legen, denn wenn sie einmal einen Entschluss gefasst hatten, war es ein Ding der Unmöglichkeit, sie auch nur zu einer winzigen Korrektur an ihrem Plan zu bewegen. Es war bald so, als ob ihnen ihr eigenes Wort unantastbar war, wie stumpfsinnig auch immer es sein mochte! Einmal von ihnen ausgesprochen galt es in ihren Augen als wahr und richtig und niemand durfte ihr Urteil in Frage stellen, der nicht seine Zunge oder gleich seinen ganzen Kopf verlieren wollte!
Perrin steckte den Wasserschlauch wieder zurück in die Satteltasche seines hässlichen Maultieres und tätschelte diesem mit dem Handschuh sein langes Gesicht. Ab hier mussten sie Vorsicht walten lassen. Die Barbaren mussten sie entdecken, wenn sie noch weit von ihrem Dorf entfernt waren. Sie zu überraschen wurde als ein feindlicher Akt angesehen, und würde sie vielleicht das Leben kosten!
Dieser Stamm war der letzte, den sie noch auf ihre Seite ziehen konnten, alle anderen hatten sie bereits für ihren Plan gewonnen. Es war der Stamm des grauen Schneeluchses, einer der größeren Stämme, der für seine Blutrünstigkeit unter den anderen Stämmen berüchtigt war. Mit ihm legten sich selbst die größten Barbarenkönige nicht an: durch den Ruf, den sich diese Nordmänner in den vergangenen Generationen erworben hatten, war ihr Gebiet von den Stammeswanderungen der anderen nomadischen Barbarenstämme verschont geblieben!
„Machen wir uns an den Abstieg,“ murrte er den anderen zu. „Und denkt dran, wenn wir ihnen begegnen, haltet Blickkontakt mit ihnen, aber eure Schnauze geschlossen!“
Er zerrte dem Maultier am Zaumzeug und ging den steinigen Pfad, der sich bis in das Gebirgstal hinab schlängelte voran. Das goldene Abendlicht bemalte inzwischen die kalten Gipfel hinter ihnen in einem warmen orange. Vor nicht einer Stunde hatte sich die Sonne hinter dem Berg Weitblick versteckt. Es war zwar erst später Nachmittag gewesen, aber in den Gefrorenen Bergen gab es außer den weißen Gipfeln kaum einen Fleck, der an einem Sommertag mehr als nur ein paar Stunden Sonne abbekam. Kapp unterhalb der Baumgrenze standen kleine, dünne Fichten, die trotzdem weit älter waren, als ihre riesenhaften Geschwister weiter im Süden.
Hier oben wuchs alles langsamer, wenn überhaupt etwas wuchs. Allein Flechten klebten hier auf jedem Felsen und Gebirgsmoose wuchsen an windgeschützten Stellen.
Sie näherten sich jetzt dem Dorf und entdeckten in einem Wald aus Rundzelten im Zentrum der Siedlung ein Holzfort. Der hohe Erdwall und die bedrohlich angespitzen Pallisaden des Forts schützen drei lange Hethäuser. Trinkwasser gewannen die Barbaren aus der Endmoräne des Zeisalgletschers, der zwischen den Bergen Steinkranz und Gorsolar bis fast in ihr Tal hinabreichte. Es war wohl gerade Essenszeit, denn viele Dutzend dünne Rauchschwaden stiegen zwischen den Zelten auf.
Plötzlich ertönte aus dem Dorf der jaulende Ruf eines der Wolfhunde! Das Tier musste sie und ihre Maultiere gewittert haben!
„Halt!“ gebot Perrin seinen Kameraden. „Warten wir ab, bis diese Wilden uns empfangen! Und gebt mir die Truhe mit dem Geschmeide!“
Jetzt stimmten auch andere Wolfhunde mit in den Klageruf ein. Ein schauriges Geräusch in seinen Ohren, obwohl er es inzwischen gewohnt war. Sie befanden sich immer noch viele hundert Schritt von dem kleinen Dorf entfernt und hatten den Gebirgsweg just hinter sich gelassen, den das fehlende Sonnenlicht inzwischen wieder grau und abweisend wirken ließ.
Perrin kniff jetzt die Augen zusammen, als er am Dorfrand ein paar Barbaren erblickte, die nun mit ausgreifenden Schritten auf sie zukamen. Er bekam die kleine Truhe mit dem Begrüßungsgeschenk in die Hände gedrückt und hielt es sich vor den Bauch. Ein kühler, trockener Wind blies ihm ins Gesicht, als die großen Nordmänner sie schließlich erreicht hatten.
Die sieben Barbaren waren mit ihren mächtigen und plumpen Breitschwertern bewaffnet und hielten diese angriffsbereit in den Fäusten, als ihr Wortführer auf ihn zu schritt.
„Fremder, was habt ihr hier verloren!“ knurrte ihn die dunkle Stimme des Hünen an, der mit seinen gefletschten Zähnen im dunklen Bart und seinen winzigen kalten Augen darüber nicht besonders geduldig wirkte. Sein Akzent war noch schlimmer, als der der anderen Barbaren, was Perrin auf die Abgeschiedenheit dieses Stammes von den anderen zurückführte. Perrin war alles andere als wohl zu Mute und er spürte den mächtigen Klos in seinem Hals, als er versuchte so nüchtern und sachlich zu klingen, wie er auch mit den anderen Nordmännern zuvor gesprochen hatte. Vielleicht hing ihr Leben schon davon ab, wie überzeugend diese erste Begegnung auf die Barbaren des grauen Schneeluchses wirken würde, die nicht für ihren Skrupel mit Eindringlingen bekannt waren!
„Wir kommen, um euren König unsere Geschenke zu überbringen und ihm unsere Aufwartung zu machen! Sagt ihm, der Kriegsherr Perrin möchte ihn sprechen!“
„Was habt ihr in der Truhe da?“ bellte ihn der Barbar an und Perrin klappte den Deckel langsam auf, das die Nordmänner einen Blick hinein werfen konnten.
„Schwere Goldringe und Amulette für eueren König!“ sagte Perrin fest und blickte dem Wortführer durchdringend in die Augen.
Der Barbar blickte seine sechs Männer hinter ihm an und riet ihnen stumm zu erhöhter Wachsamkeit, ehe er noch einen Schritt auf ihn zutraf und mit seiner großen behaarten Hand in die Truhe griff. Er nahm Ringe, Münzen und Amulette von weiter unten und prüfte dann jedes einzelne Stück mit seinen Zähnen.
Als er sicher war, dass sie ihm kein Katzengold, sondern nur wertvollstes Geschmeide anboten, warf er die Stücke zurück in die Truhe.
„Schlagt hier eure Zelte auf und wagt euch nicht, dem Dorf noch näher zu kommen, Südländer!“ knurrte der Barbar jetzt. Er entriss Perrin unsanft die Truhe. „Wir werden euch Bescheid geben, wenn König Rochren gewillt ist, euch zu empfangen!“
Er kehrte ihm den Rücken zu und stapfte an seinen Männern vorbei, die noch eine ganze Weile zurückblieben und sie mit finsteren Blicken musterten. Diese breitschultrigen Riesen mit ihren langen Haaren, dickten Bärten und den verfilzten Fellen von Bären, Wölfen und Schneeluchsen sahen noch furchterregender aus, als die Barbaren, die Perrin bisher gesehen hatte. Es war der Hass auf alle Fremden, der sie so bedrohlich wirken ließ.
Schließlich wandten auch die anderen sechs ihnen den Rücken zu und schritten zurück zu ihrem Dorf.
Perrin atmete auf und blickte seine Speerspitzen Kameraden an, die noch sehr mulmig dreinschauten, obwohl ihnen die Erleichterung anzumerken war. „Los, baut die Zelte auf und macht die Maultiere fest. Es ist alles gut gelaufen!“
„Wie lange werden sie uns warten lassen?“ fragte ihn Jobar.
„Vielleicht einen Tag, vielleicht eine Woche, vielleicht schicken sie uns wieder fort. Ich weiß es nicht.“
„Ich bin froh, wenn wir diesen Ort wieder verlassen können,“ sagte Jobar finster aber sehr leise. „Diese Männer sind mir nicht geheuer!“
„An die Arbeit!“ befahl Perrin und blickte wieder zu dem Dorf hinüber. Er selbst durfte beim Aufbau der Zelte keine Hand anlegen. Sie würden ab diesem Moment permanent unter Beobachtung stehen und ein Kriegsfürst, der Zelte aufbaute, war ein Hochstapler!
Einige Menschen sammelten sich jetzt vor dem Zeltdorf. Vermutlich Halbwüchsige, die sie mit Neugier und Argwohn betrachteten, und sich garantiert überlegten, wie sie mit ihnen verfahren wären, wenn ihnen das Kommando gehören würde! Perrin kratze sich seinen blonden Bart und blickte voll Verachtung zu ihnen hinüber.
Dieses Gebirgstal war so beliebt bei den Barbarenstämmen, weil hier einige heiße Quellen entsprangen, die vor tausenden von Jahren angeblich noch überall in den gefrorenen Bergen zu finden gewesen waren. Diese Quellen erwärmten und bewässerten den Boden des Tals und ermöglichten es den Barbaren hier Gemüse anzupflanzen.
Andere Stämme lebten fast ausschließlich von tierischer Nahrung und mussten oft ihr Gebiet verlassen, wenn ihre Ziegen und Schafe den kargen Boden abgefressen hatten. Vor dem Winter schlachteten sie viele Tiere und pökelten sie ein, Pemmikan nannten sie diese verwürzte und versalzene Kost, die so stark wie widerlich auf Zunge und Gaumen eines Südländers brannte. Salz aus Salinen gab es hier in den Gefrorenen Bergen fast überall.
Derweil die anderen Stämme den ganzen Winter über fast nur dieses abscheuliche Pemmikan zu fressen bekamen, konnten die Barbaren des grauen Schneeluchses das ganze Jahr über frischen Kohl, Rüben und ähnliches Gemüse essen, dass in dieser Höhe noch wuchs.
Es waren heftige Schlachten um dieses Tal geführt worden, aber der Stamm der Schneeluchse war immer unbesiegt geblieben, bis die anderen Stämme schließlich resignierend davon abgelassen hatten, dies Tal erobern zu wollen. Perrin war sogar von den anderen Barbarenstämmen erzählt worden, dass dieses Tal über eine Grotte mit stark schwefelhaltigem, heißen Wasser verfügte!
Ihre drei Zelte standen nun und er zog sich vor dem kühlen Wind in sein Einzelzelt zurück. Er erinnerte sich jetzt düster daran, dass nach uralten Legenden einmal ein seltsames Volk im Wettersteingebirge gehaust hatte. Vor vielen tausend Jahren - als die heißen Quellen in jedem Gebirgstal, wie auch die Schwefelgrotten noch überall zu finden gewesen sein sollten - hatte dieses legendäre Volk angeblich hier eine Hochkultur gehabt. Mächtige Städte und gewaltige Paläste als auch Schulen mit Gelehrten und Künstlern sollten sich hier einmal befunden haben, bis die Eiszeit hereingebrochen war. Die Barbaren seien angeblich erst in der Eiszeit über den gefrorenen Ozean in das Nordland gewandert und hätten hier als Nomaden ein neues zu Hause gefunden.
Perrin glaubte kein Wort von diesen Geschichten, die seiner Meinung nach nichts als Phantastereien waren!
Als gesicherte Tatsache galt nur, dass die meisten Menschenvölker die Eiszeit nicht überlebt hatten oder mit ihren primitiven Flößen zu anderen Ufern aufgebrochen waren.
Allein das Volk der Kimbern hatte der Natur solange trotzen können, bis es wieder wärmer geworden war. Die Kimbern hatten sich darauf wieder in ganz Kimbernia verbreitet und so waren irgendwann schließlich, nach hunderten von Kriegen, die drei Königreiche Kimbernias entstanden.

Die erste und die zweite Nacht hatte sie niemand aufgesucht. Bangend hatten sie in ihren winzigen kalten und unbequemen Zelten ausgeharrt, und sich nur von ihrem Lager entfernt, um auszutreten. Erst in der dritten Nacht, als die Sonne bereits viele Stunden untergegangen war und eine geschlossene Wolkendecke auch noch das Licht der Monde schluckte, hatte eine tiefe Stimme Perrin aus seinem Zelt gerufen.
Er hatte sich eilig seinen Fellmantel um die Schultern geworfen, sich mit ein paar Schluck doppelt gebrannten Kornschnapses den nötigen Mut eingeflößt und war aus seinem Zelt getreten.
Drei hünenhafte Gestalten mit Fackeln und Breitschwertern erwarteten ihn in der pechschwarzen Nacht vor seinem Zelt.
„Folgt uns, Kriegsherr Perrin!“ knurrte ihr Redeführer mit seinem harten Akzent. „König Rochren wird euch empfangen!“
Perrin nickte. Für einen Moment lang meinte er etwas wie Zufriedenheit oder zumindest Erheiterung in der Stimme des grobschlächtigen Nordmannes bemerkt zu haben. Aber selbst, wenn er sich nicht irrte, war das noch lange kein gutes Zeichen! Ob ein Barbar mit oder über einen lachte, bedeutete meist nicht weniger, als das Leben für den Fremden!
Der Wortführer ging voran und die beiden anderen Hünen flankierten ihn jetzt. Die Nacht war so schwarz, dass Perrin nur ahnen konnte, wie nah sie dem Dorf inzwischen gekommen waren. Das Licht der drei Fackeln erhellte nur einen kleinen Kreis um sie her, in dieser schweren Dunkelheit, die scheinbar alles Licht zu absorbieren schien!
Schließlich passierten sie die ersten hohen Rundzelte, die Perrin erst erkannt hatte, als sie fast darüber gestolpert waren. Jetzt hörte er auch in der Nähe gedämpfte und fröhliche Männerstimmen, kurz bevor er endlich das schwache Licht aus einem Dachgiebel der Hethäuser erkennen konnte. Auch der Boden unter seinen Füßen hatte sich verändert: um das Dorf herum war das Felsplateau felsig und wellig, im Dorf der grauen Schneeluchse selbst aber war der Boden weicher und sehr eben.
Perrin entdeckte einen weiteren Barbaren mit Fackel, der vor einer wuchtigen Tür des langen Hethauses Wache stand. Als er sie erblickte, trat er auf die große Tür zu und zog sie auf. Ein heller Schein von vielen Fackeln als auch eine Kondenswasserwolke, die nach Tierfellen und Honigwein roch, kam ihnen entgegen. Wohlige Wärme umfing ihn jetzt, als er dem Barbaren in das berstend volle Hethaus folgte!
Perrin sah sich um. Nichts sagte mehr über die Persönlichkeit und die Sitten eines Stammes aus, als das Innere ihrer Hethäuser. Eine breite Tafel erstreckte sich über die ganze Länge des Hauses und auf plumpen Hockern ringsherum saßen die Nordmänner vor ihren Holzbechern. Die winzigen Schlitze der Fensterrahmen waren mit gegerbten Tierhäuten bespannt und Trophäen aus Horn oder Bein wechselten sich mit besonders prächtigen Tierfellen an den Wänden ab. Widderhörner und Schädel von gewaltigen Bären und Wölfen prangten an den massiven Wänden des Hethauses, die aus ganzen Baumstämmen bestanden. Kein ungewohnter Anblick für Perrin. Als er aber den menschlichen Schädel zwischen zwei gewundenen Widderhörnern entdeckte, lief es ihm doch kalt den Rücken hinunter. `König Zangnaf´ war darunter in ungewöhnlich fein ziselierter Handschrift in das Nadelholzbrett geschnitzt worden.
Das Hethaus endete, wie alle Hethäuser der Barbaren, in einer Steinmauer, in die ein mächtiger Kamin eingelassen war. Die Hetleute und Könige pflegten auf einem übergroßen Stuhl mit Armlehnen, den offenen Kamin im Rücken, am Ende der Holztafel zu sitzen, so auch König Rochren. Perrin staunte nicht schlecht, als er den riesenhaftesten Menschen, den er jemals erblickt hatte, dort auf seinem breiten Thronstuhl vor den hohen Kaminflammen sitzen sah! Ein rotbärtiger Hüne von weit über zwei Schritt Länge, der auch im Sitzen eher wie ein Bär, denn wie ein Mann wirkte!
Der Barbar, der Perrin aus seinem kümmerlichen Zelt gerufen hatte, schob ihn jetzt langsam vorwärts auf den roten Riesen zu. Er versuchte diesen gewaltigen Nordmann nicht anzustarren, konnte sich aber nicht von ihm abwenden. Dieser Mann hatte keine Hände, sondern zwei Pranken, groß wie Suppenschüsseln und seine Arme waren so lang, wie Perrins Beine es nicht waren. Wenig älter als zwanzig Sommer konnte dieser Riese sein, aber sein breites Gesicht sah so abgebrüht und zerfurcht aus, wie das eines sturmerprobten Veteranen. Der teils rost-, teils feuerrote Bart bedeckte fast das ganze Gesicht des Barbaren und als die gelben Pferdezähne des Riesen ihn jetzt aus diesem Gestrüpp her anfunkelten, wurde ihm ganz anders zumute. Perrin zweifelte keinen Augenblick daran, dass dieser unmenschlich groß und breit geratene Mensch einem ausgewachsenen Kalebbären mit bloßen Fäusten den Schädel einschlagen konnte!
„Ahhh, der Südländer!“ dröhnte die gesellige Stimme des Barbaren über den heiteren Lärm der trinkenden Nordmänner, die jetzt ihre Gespräche langsam einstellten. „Setzt euch, Kriegsherr! Ihr müsst ein reicher Mann in eurer Heimat sein!“
„Ich grüße euch, König Rochren! Die Kunde von euerer Tapferkeit und Wildheit sind weit bis in unser Land hinein bekannt!“
Der Wortführer seiner Eskorte klopfte jetzt einem am Tisch sitzenden Barbaren auf die Schulter, worauf dieser seinen Hocker räumte, dass Perrin darauf Platz nehmen konnte. Er setzte sich.
„Trinkt einen Becher Honigwein mit uns, Herr Perrin!“ grölte der Riese fröhlich und krachend wurde vor Perrin ein Holzbecher auf die Tischplatte gestellt. Ein Lederschlauch, der wohl mal ein Hammel gewesen war und auch jetzt noch nicht gänzlich die Proportionen des Tierleibes eingebüßt hatte, wurde von einem Barbaren zu seinem Platz getragen. Der breite Nordmann riss den Schlauch von seiner Schulter und goss Perrin seinen Humpen mit trüben Honigwein randvoll.
Er setzte den Becher an den Mund und nahm ein paar Züge, bevor er ihn, ebenfalls krachend, wieder vor sich abstellte. „Guter Wein, brennt wie Feuer in der Kehle,“ sagte er anerkennend und laut.
„Warum habt ihr die weite Reise hierher unternommen?“ grinste der Riese ihn jetzt an. Der Anblick seines unregelmäßigen gelben Gebisses war nur schwerlich zu ertragen. „Seid ihr gekommen, um ihn zu holen?“ lachte der Rotbart jetzt, griff unter den Tisch und zog einen menschlichen Schädel hervor, dessen Stirnbein von einem scharfen Gegenstand zertrümmert worden war. In der schaufelgroßen Pranke des Riesen sah der Skelettkopf seines Vorgängers so winzig wie der Schädel eines Kleinkindes aus.
Perrin verzog angewidert die Mundwinkel und riss sich zusammen: „Nein, ich habe meine eigenen Gründe!“
„Gut für euch!“ lachte der Barbar jetzt dreckig und grölend. Er genehmigte sich selbst einen Schluck Honigwein aus seinem prunkvollen Silberbecher, ehe er fortfuhr. „Dieser Mann hier,“ höhnte er und hielt den zertrümmerten Schädel in die Höhe, „er hat so viele feine Worte gesprochen, dass ich müde darüber geworden bin.“
„Ein Narr!“ erwiderte Perrin kalt.
„Ein wahres Wort aus dem Mund eines verlogenen Südländers!“ grinste der Riese und seine Augen wurden jetzt schmal und forschend, als er Perrin anfunkelte. „Wie wollt ihr mir beweisen, dass ihr anders seid, als all die anderen Schlangen aus dem Süden?“
Eine beängstigende Gerissenheit stand in diesem argwöhnischen Blick geschrieben. Perrin schluckte, hielt den Blickkontakt aber aufrecht. „Ich brauche nichts zu beweisen, mein Wort hat euch zu genügen!“ sagte er kühl.
Die kleinen Augen musterten ihn weiter und eine bedrückende Stille, nur unterbrochen von den knisternden Scheiten im Kaminfeuer, machte sich in dem Hethaus breit.
„Euer Wort, soso,“ lächelte der Riese kalt. „Werft ihn vor die Hunde.“
Zwei Arme schoben sich unter seine Achseln und er wurde brachial von seinem Hocker in die Höhe gerissen. Seine Füße baumelten in der Luft, das Herz rutschte ihm in die Hose und er wurde blass. „Ihr mögt vielleicht der größte Mann sein, den je geboren wurde,“ schrie er ihn an, „aber ihr seid mit Sicherheit der größte Schwachkopf, der je gelebt hat!“
Der Riese erhob sich jetzt ruckartig und warf dabei seinen massiven Stuhl um. Mit zwei Schritten war er bei ihm und jetzt erst sah Perrin, wie groß dieses Ungeheuer wirklich war! Drei Schritt vielleicht und seine Schultern waren breit wie die eines Ochsen. Seine pelzige verhornte Pranke schloss sich um Perrins ganzen Hals und schon der leichte Druck schnürte ihm fast das Blut zum Kopf ab. Wenn der Riese zudrücken würde, könnte er ihm sein Genick brechen!
„`Schwachkopf´ schreist du Wicht mich an?“ schnaubte ihn das Monstrum an, ohne jedoch Ärger oder Zorn in der tiefen Stimme.
„Nur ein Schwachkopf lässt einen Kriegsherren und Unterhändler nicht ausreden,“ keifte Perrin im Mut der Verzweiflung zurück und erwartete jeden Augenblick sein Genick knacken zu hören. Er wurde jetzt höher gehoben, die Arme unter seinen Achseln lösten sich und der Riese hielt ihn mühelos mit einem Arm am Hals gepackt in der Luft.
Momente vergingen. Augenblicke, die ihm wie Jahre vorkamen, ehe sich auf das ernste Gesicht des rothaarigen Monstrums ganz langsam ein Lächeln stahl. Erst unmerklich und dann immer breiter zeigte sich ein Grinsen auf den breiten Zügen des Riesen!
Perrins Schläfen pochten und er glaubte jeden Augenblick durch die Strangulation der riesigen Pranke die Besinnung verlieren zu müssen, als der Druck auf seine Kehle langsam nachließ.
„Ihr gefallt mir, Südländer,“ grinste der Riese leise. „Vielleicht lasse ich euch wirklich noch ausreden, bevor ich mich eines Besseren besinne und euch doch zu euresgleichen in die Hundekampfgrube werfe.“ Er lachte und Perrin spürte, wie seine Füße zurück auf festen Boden gestellt wurden und ihm wieder frisches Blut in den Kopf strömte. Er hustete und rieb sich die schmerzende Kehle.
„Was sollen die ernsten Mienen, Männer?“ grölte der Riese jetzt donnernd in das stille Hethaus. „Wir sind gekommen, um zu feiern und feiern wollen wir auch!“ Er ließ seine Faust auf die Tischplatte niedersausen, dass alle Weinbecher darauf einen winzigen Satz machten.
„Rotan, gieß Wein ein,“ kläffte er dröhnend. „Drosaf und Werkin, ihr sucht zwei schöne Rüden für den Hundekampf heraus! Wir wollen unserem Gast doch zeigen, wie wir hier zu feiern verstehen!“
Es wurde laut im Hethaus und einen tiefes und heiteres Stimmengewirr füllte wieder das lange Gebäude. Die pelzige Pranke des Giganten legte sich jetzt auf Perrins Rücken und schob ihn freundschaftlich wieder auf die Tafel zu. „Ihr seid seit langem der erste Fremde,“ lachte die tiefe Stimme, „der einem Grubenkampf unserer Wolfhunde von oben mit beiwohnen kann!“

                           Lalilia
Die Ebene von Eritreia  breitete sich vor ihnen aus. Endlose Hügelketten deren dichter Grasbewuchs mit einer Fülle bunter Blumen prächtig in der Sommersonne strahlte. Es war ein sanftes Land ohne große Erhebungen oder Felsformationen und doch so abwechslungsreich von der Flora, dass man jeden Tag der Reise scheinbar in ein völlig anderes Gebiet zu reiten schien. Während man am Morgen durch die grüngelben Rapsfelder der Bauern ritt, kam man am Nachmittag durch wilde Wiesen voller bunter Kräuter und Blumen und des Abends leuchtete der rotorange Mohn so atemberaubend schön wie der Horizont selbst!
Lalilia hatte noch nie eine solch wunderschöne Landschaft gesehen wie diese Ebene, die sich von Neuschaffenburg bis zu den Sterntalseen zu Füßen der fernen Berge zwischen Avarien und Loriélien erstreckte.
Der Frühling war längst zum Sommer geworden und die Sonne schien jeden Tag. Dreimal hatte es am Abend gewittert und sanfte Schauer waren über dem Land niedergegangen aber am Morgen war der Himmel wieder so makellos blau und hell gewesen, dass Lalilia das Gefühl hatte, einen endlosen Sommertag zu erleben.
Es war wunderbar warm und die Wälder und Wiesen blühten in aller Pracht, ein warmer Sommerwind trug die frische, Blumenduft geschwängerte, Luft über die Auen und spielte in ihren offenen Haaren.
Lalilia lag, den freundlichen Warnungen ihrer Gesellschafterin zum Trotz, inmitten einer solchen Aue zwischen Gräsern und Blumen, umgeben von dem Zirpen der Grillen und dem Summen der Bienen. Ein kleiner schwarzer Käfer krabbelte unbeholfen über ihr himmelblaues Kleid und fiel bei jeder Falte erneut auf den Rücken. Sie stupste ihn mit dem Finger wieder auf den Bauch und sah ihm zu, wie er den nächsten blauen Hügel erklomm.
Sie fühlte sich so unbeschwert und glücklich, wie zuletzt in ihren frühen Kindertagen. Der Himmel strahlte leuchtend blau, die warme Sonne schien auf ihr Gesicht, ihre Hände und ihre nackten Füße, die Wiese kitzelte sie an jeder Stelle ihres Körpers und der satte Duft von Sommer becircte ihre Nase. Am liebsten, so dachte sie, würde sie diesen Augenblick für immer festhalten, denn sie fühlte sich frei und ohne jede Sorge. Alle Last war von ihren Schultern gewichen und nichts bekümmerte sie. Einzig das Zirpen der Grillen und das angenehme Brummen der Honigbienen beschäftigten ihr Gemüt. Sie seufzte glücklich.
Heute wollte sie nicht mehr an Greganor denken, noch an Jannick, Sophie oder Miss Clara. Sie wollte nur für sich alleine sein. Lalilia strich sich ihr langes Haar zurecht, das sie entsetzlich kitzelte. Die ganzen Blumen und Gräser, die kleinen Ameisen und Käfer, alles schien sich in ihren Haaren zu verfangen um sie zu kitzeln. Sie wollte nicht an Greganor denken und doch erschien ihr immer sein Gesicht, wenn sie die Augen schloss und vor sich hin träumen wollte!
Sie sah ihn immer wieder vor sich stehen und spürte, wie sein schönes Lächeln ihren Bauch in Aufregung versetzte. Lalilia kniff erbost ihre geschlossenen Augen fester zusammen.
Jetzt sah sie sich und Greganor, wie sie Hand in Hand die Wiese zusammen hinunterliefen, in der sie gerade lag.
„Nein!“ entfuhr es ihr und sie setzte sich auf. Nicht einmal ihren Tagträumen konnte sie mehr trauen! Sie beruhigte sich wieder und bettete ihren Kopf zurück in das weiche Gras.
Was konnte es schon schaden von ihm zu träumen? In nicht einmal zwei Wochen würde sie wieder in Sillencorn sein und ihre Begleiter würden für immer, zumindest aber für viele Jahre aus ihrem Leben verschwinden. Womöglich würde sie Greganor schon vergessen haben, wenn sie ihre Cousine in Gnossas besuchte? Vielleicht würde sie ihn im Alter einmal wiedersehen, mit einer kleinen Enkelin auf dem Schoß und silbernen Haaren auf dem Haupt. Lalilia lächelte mit geschlossenen Augen: Greganor wäre wahrscheinlich ein furchtbarer Vater. Er würde ihre Kinder auf die höchsten Bäume klettern, die reißensten Flüsse durchqueren lassen und ihnen jeden Unfug beibringen, den ein Junge nur begehen konnte! Sie hätte keine ruhige Minute mehr in der Sorge um ihre Kinder. Sein wunderlicher Freund Jannick hingegen wäre geradezu prädestiniert für diese Rolle, schmunzelte sie. Er strahlte neben all seiner verträumten Unsicherheit eine weise Gelassenheit und einen demütigen Frieden aus, der ihr imponierte. Er war ein Kind und ein Mann im gleichen Körper, derweil Greganor bewusst seine kindliche Seite hervorzukehren schien. Die beiden Männer hatten den gleichen Humor, waren geistreich und attraktiv und beide waren sie in sie verliebt, dass wusste Lalilia. Sie lächelte und spielte sich neckisch mit den Fingern in ihren kastanienbraunen Haaren, als sie an die beiden dachte. Nie hatte sie die Aufmerksamkeit zweier Männer mehr genossen als in diesen Tagen, obwohl sie zugleich voller Trübsinn an diese zukunftslose Dreiecksbeziehung dachte!
Sie hörte das Klirren von Schwertern und setzte sich ruckartig auf! Irgendwo kämpfte jemand. Sie rutschte auf die Knie und sah den Hügel hinab zur Kutsche, wo sich vier in der Sonne dösende Ritter des Eisernen Mantels den kleinen Kampf zu Gemüte führten, der sich ihnen bot. Leise Stimmen drangen an ihr Ohr.
„Nein, du Tölpel, du sollst den Schlag nicht mit deiner Kraft abfangen, du sollst ihn ablenken, sonst kostet es dich viel zuviel Kraft und am Ende schlägt dir die Wucht noch die Klinge aus der Hand! Versuch es nocheinmal!“
Greganor machte einen Ausfallschritt und führte einen Schwertstreich gegen seinen Freund. Jannick parierte lustlos. „Ich weiß nicht!“ sagte er träge. „Ich bin heute nicht recht in Stimmung ein Schwert führen zu lernen!“
Greganor zog einen Mundwinkel nach unten und ließ seinen Anderthalbhänder wieder elegant in die Fassungen am Rücken seiner Rüstung gleiten. „Wie du meinst!“ Er bemerkte sie und wandte sich ihr zu: „Oh, Gräfin, beehrt ihr uns wieder mit eurer Gegenwart? Habt ihr wohl geruht? Verzeiht, dass wir euch für einen Moment aus den Augen ließen, es wird nicht wieder vorkommen!“
Sie lächelte, als sie ihm wieder an den Augen ablesen konnte, dass er sie am liebsten jetzt für sich ganz allein hätte. „Eure Unaufmerksamkeit war mir sehr willkommen, Herr Ritter. Auch ich schätze von Zeit zu Zeit ein bisschen Privatsphäre und mag nicht den lieben langen Tag den Blicken meiner Wächter ausgesetzt sein. Vor allem nicht, wenn sie so aufdringlich wie eure sind!“
Greganor grinste, trat ihr auf dem Feldweg entgegen und ergriff ganz chevaleresk ihre Hand, um ihr über den kleinen Vorsprung von der höher gelegen Wiese hinabzuhelfen: „Ihr beschämt mich. Ist meine Aufmerksamkeit euch ein Dorn im Auge, werde ich euch in Zukunft nicht mehr damit bedenken!“
Sie lächelte ihn glücklich an: „Ich würde euch zwar gerne Glauben schenken, doch bezweifle ich keinen Augenblick, dass euer Wort wohl diesbezüglich nicht viel Wert ist!“
„Ihr seid sehr scharfsinnig, Gräfin!“
Sie blickte in Richtung ihrer Kutsche und fragte sich, was Miss Clara und die kleine Sophie im Inneren wohl gerade taten. Ihre Gesellschafterin würde sich mit ihrem Schmetterlingsfächer ein wenig Kühlung verschaffen und Sophie würde über ihrem Stickrahmen sitzen, an dem sie schon seit geraumer Zeit an zwei Taschentüchern arbeitete. Lalilia lächelte wieder: Sie hätte schon vor Jahren diese Reise antreten sollen, selbst ihr Gesinde war besser gestimmt denn je. Auch wenn Miss Clara die Mittagshitze zu schaffen machte und Sophie oft im kindlichen Liebeskummer keinen Bissen zu sich nehmen wollte, so strahlten die beiden doch eine ungewohnte Vitalität aus, die sie im regnerischen Süden Loriéliens oft bei ihnen vermisst hatte. Auch sie selbst sah viel lieber in ihren kleinen Silberspiegel als zuvor, denn die sanfte Bräune ihrer Haut und die leicht rosigen Wangen gefielen ihr sehr an sich. Besonders aber das unbeschwerte, vielleicht sogar verliebte, Lächeln auf ihren Lippen und die schelmisch glitzernden grünen Augen zeigten ihr ihre ausgelassene Zufriedenheit, wie Lalilia sie seit Jahren nicht mehr genossen hatte!
„Ist es nicht ein herrlicher Tag heute? Ich mag gar nicht daran denken, dass ich bald die Heimreise antreten muss!“
Der schwarze Greif überhörte scheinbar absichtlich den letzten Teil ihres Satzes, was sie aber nur noch fröhlicher stimmte. Greganor ließ seinen Blick über die Hügel und die kleinen Wäldchen streifen, als ob er ihre Aussage für sich nachvollziehen wollte. „Ja, ein wahrhaft schöner Tag!“
Jannick trat hinzu und sah wieder fröhlich und gelassen aus. Es bedrückte sie ein wenig, dass sie ihm bei seinem Kummer nicht helfen konnte, auch wenn es von Zeit zu Zeit so schien, als wäre er tatsächlich mit sich und der Welt zufrieden. Es war befremdlich ihn manchmal glücklich und dann wieder traurig zu sehen und sie konnte sich nicht erklären, wie er nun wirklich zu ihr stand und ob es nicht doch etwas anderes war, was ihn bedrückte.
„Wir sollten so bald wie möglich weiter reisen, sonst werden wir vor Einbruch der Nacht den nächsten Ort nicht erreichen.“
„Nicht so übereifrig,“ bat ihn Greganor und sah seinen Freund an. „Wie wäre es mit einem kleinen Vers auf diese prachtvolle Landschaft, die unserer Gräfin so gefällt.“
Jannick zog die Augenbrauen zusammen und fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über den Kinnbart. „Einen Vers?“
„Oh ja, bitte!“ bettelte sie albern und fröhlich.
„Also, schön, aber wer lacht, dem lasse ich ein juckendes Furunkel mitten auf der Nase sprießen!“ schmunzelte er und überlegte einen Augenblick. Sie sah ihn lächelnd an.
„Flammend hoch die Sonne steigt in immerwährend süsser Glut
 Milchigblau der Horizont, heißer Wind geht mild und leicht
 Äste recken sich empor, grün die Pracht im gleißend Licht
 Freude wächst und Lächeln strahlt, verzückt in lieber Sommersflut.“
„Ein feines Gedicht,“ freute sie sich. „Habt ihr noch eins?“
Jannick lächelte sie dankbar für ihr Kompliment an, aber der Ausdruck seiner Augen strafte sein glückliches Lächeln Lügen. „Habt Dank, aber mit einem weiteren Vers zur Natur weiß ich zur Zeit nicht aufzuwarten. Was bestimmte Stimmungen und Themen betrifft, ist mein Repertoire doch noch sehr beschränkt.“
„Was er damit sagen wollte,“ erklärte Greganor gut gelaunt, „fragt ihn, wenn euch melancholisch zu Mute ist nach einem Gedicht, und er wird euch mit traurigen Versen verwöhnen, dass euch die Tränen kommen.“
„Oh, dann habt Dank, denn nach Tränen verlangt es mir tatsächlich nicht!“ lachte sie, fragte dann aber herausfordernd: „Doch sagt, wie ist es um die Liebe bei euch bestellt? Ihr wollt mir doch gewiss nicht weismachen, ihr hättet noch keinen Vers über sie geschmiedet?“
Jannick sah sie skeptisch an und in seinen tiefen braunen Augen zeichnete sich eine Frage ab, die ihr unangenehm bewusst werden ließ, dass sie versuchte, mit ihm zu spielen, was er durchschaute und sehr wenig schätzte.
Er überlegte wieder einen Augenblick, gab sich dann aber wohlwollend, doch ernst:
„Einen Vers über die Liebe mögt ihr hören. Tatsächlich habe ich einige verfasst.“ Er seufzte leicht und setzte an.
„Lieblich bist du anzuschaun´, lieblich wie der Tauenglanz,
 fröhlich wie das Morgenrot, du Stern der lauen Maiennacht.
 Trägst den Glanz der hellen Himmel, Glut und Liebe, schönen Tanz
 Engelsleuchten, Antlitz dein so feierlich mir lacht.“
Für einen Moment war sie sprachlos und ihr Herz klopfte aufgeregt. Hatte er es über sie geschrieben? „Auch sehr schön,“ sagte sie leise.
„Jetzt sollten wir aber die Pferde wieder aufzäumen und die Reise fortsetzten,“ sagte Jannick mit Nachdruck und seine braunen Augen hatten einen Ausdruck der Endgültigkeit, dass sie nicht wagte, ihm zu widersprechen.
„Ja,“ sagte sie, überrascht über ihre eigene Unterwürfigkeit. Sie erhob die Stimme. „Kutscher, spannt die Pferde wieder ein, wir reiten weiter!“
Greganor ließ sich auch nicht lange Bitten und lief zu Talg und Tigran, den beiden schwarzen Rappen, die an einer einsamen Birke festgebunden waren. Lalilia blickte aufwärts, dem jungen Adepten in die Augen: „Verzeiht mir, ich wollte euch nicht herausfordern!“
„Das konntet ihr nur, weil ich euch still herausgefordert und verloren habe. Es ist mir aber ein Trost, dass ihr um mein Herzensleid wisst.“
Sie legte ihm ihre Hand auf seinen muskulösen Oberarm und sah ihn liebevoll an: „Bitte, es ist mir längst anstrengend geworden, dich und deinen Freund zu siezen. Ihr seid mir die liebsten Männer neben meinem Vater und Großvater geworden und wenn ich dir auch nicht mehr geben kann, als meine Freundschaft, so nimm doch bitte mein Angebot an, mich fortan beim Vornamen zu nennen!“
Jannick lächelte und seine Augen wurden heller, das Braun klarte auf und färbte sich tiefblau, wie nach einem Sturm die braune, aufgewühlte See wieder zu einem azurblauen Spiegel wird.
„Ich nehme dein Angebot dankend an. Dein Verständnis und deine ehrliches Mitleid zeigen mir nur, dass ich mich nicht in dir getäuscht habe. Lalilia!“ Er nickte ihr anerkennend zu und wandte sich um, um seinem Freund die Zügel aus der Hand zu nehmen. Sie blickte ihm irritiert nach.
Plötzlich flogen bunte Feldblumen von allen Seiten auf sie zu und vereinigten sich vor ihren Augen zu einem Blumenstrauß. Sie grinste, als sie nun den wild-bunten Blumenstrauß, durchwirkt mit blühenden Gräsern und auch mit Gras zusammengebunden, ergriff. Sie blickte zu dem seltsamen Spender des Straußes hinüber, der aber lächelte nur gut gelaunt, sprang in den Sattel und ließ sich nichts anmerken, was Lalilia noch weiter erheiterte.

Mit jedem weiteren Tag kamen sie den, für ihre Schönheit beinahe schon legendären, Sterntalseen näher. Die Berge, zu deren Füßen sie lagen waren auch schon seit zwei Tagen in Sicht gekommen. Lalilia war glücklich, ihre beiden Begleiterinnen und ihr Kutscher waren fröhlich gestimmt, Jannick war auch wieder guter Laune und ihr süßer Greganor machte ihr auf so offene und selbstverständliche Weise den Hof, dass man hätte meinen können, es wäre ihm nicht klar, dass weder von ihrer noch von seiner Seite eine solche Verbindung möglich war.
Die vier Ritter des Eisernen Mantels indessen waren die einzigen, die mit jedem weiteren Tag unsicherer wurden. Ihr Auftrag war es, sie bis zum einundzwanzigsten Junbi spätestens nach Sillencorn zu bringen und dort weitere Order entgegen zu nehmen, aber es war bereits der fünfzehnte und Sillencorn lag noch weit im Norden. Den Rittern war unlängst aufgefallen, dass die Gräfin wenig Interesse daran hatte, ihre Reise zu beenden und sich noch viel weniger um den Zwiespalt sorgte, den ihre Befehle den Eisenmäntel einbrachten. Auf der einen Seite war es ihr Auftrag die Gräfin zu eskortieren, auf der anderen, ihren Zeitplan einzuhalten um für weitere, vielleicht wichtigereAufträge, zur Verfügung zu stehen. Bisher schwiegen sie noch aber an jeder Weggabelung, die sie passierten ohne abzubiegen und die das pünktliche Eintreffen in der Grenzstadt weiter gefährdeten, merkte man ihnen ihr Unbehagen an. Lalilia störte sich tatsächlich wenig um die Zwangslage, in die sie die Ritter brachte, denn sie fühlte sich bei ihren beiden anderen Begleitern völlig sicher und kam sich unter den Augen der vier Eisenmäntel mehr beobachtet denn beschützt vor! Gerade jetzt, wo ihre eigenen Neigungen dem gesetzten Recht aller Adelhäuser Kimbernias und dem Recht des reichsten Ritterordens widersprach, spürte sie jeden fremden Blick noch beißender im Nacken. Ähnlich, wie sie als Kind den Blick ihrer Gouvernante als äußerst unangenehm empfunden hatte, wenn sie mit dem Gedanken schwanger gewesen war, aus der Küche Süßigkeiten zu entwenden oder sich fortzustehlen, um mit den Kindern des Gesindes zusammen Streiche auszuhecken. Jetzt lehnte sie sich nur zurück und genoss es, dass sie selbst es war, die über ihre Handlungen entschied und von niemanden, der sie zur Zeit begleitete, gescholten werden konnte!
Lächelnd sah sie ihre Gesellschafterin an, die sich schon seit der elften Stunde des Tages unaufhörlich frische Luft zufächelte. Sophie saß neben ihr und las in einem dünnen Buch, war aber mit den Gedanken nicht wirklich bei der Sache. Sie blickte ständig auf und gedankenverloren aus dem Fenster. Lalilia schmunzelte über Sophie, die sich nach ihren anfänglichen Schwärmereien für den starken Greifenritter jetzt ganz auf den klugen Adepten fixiert hatte. Sie war in dem Alter, wo sie sich in jeden schönen Mann verlieben würde, mit dem sie viel Zeit verbrachte! Da sie nun schon seit fast zwei Monaten mit Greganor und Jannick durch Avarien reiste und der Ritter schon seine Herzensdame gefunden zu haben schien, war nun der Adept ihr Favorit geworden. Lalilia lächelte breit, als sie den Titel des Buches, das Sophie las, entdeckte. Sie war sich sicher, dass ihre junge Zofe weder alle Fremdworte dieser wissenschaftlichen Lektüre mit sehr elaborierter Sprache verstand, noch, dass sie das Buch verstanden hätte, wenn ihr alle Fremdworte geläufig gewesen wären! Aber Sophie blätterte hartnäckig darin und Lalilia sah, wie Sophie stumm die Lippen bei manchen Sätzen bewegte, als lerne sie den Satz auswendig. Auch wenn sie Jannick wenig damit imponieren würde, so würde sie ihn zumindest sehr damit erheitern! Das dachte Lalilia bei sich und biss sich mit den Zähnen auf die Unterlippe vor ehrlicher Freude: Der Adept hatte einen köstlichen Humor und vielleicht schätzte er diese unbeholfenen Annäherungsversuche der jungen Sophie sogar noch mehr, als die forschen und klugen Worte einer umfassend gebildeten Dame!
Die Sonne hatte ihren Zenit überschritten und es war in der Kutsche trotz des leichten Fahrtwindes sehr heiß und ein wenig stickig geworden, dass sie entschied, am nächsten Waldrand eine Rast einzulegen. Sie gab ihrem Kutscher Hermann den entsprechenden Befehl und freute sich, dass keine halbe Stunde verging, bis die Räder ihrer Kutsche zum Stehen kamen.
„Ich werde einen kleinen Spaziergang durch das Wäldchen dort machen, um mir ein wenig die Beine zu vertreten!“ lächelte sie ihren beiden Begleitern zu. Diese sahen sich schmunzelnd an und Jannick nickte seinem Freund zu.
Greganor blickte sie an: „Es kommt überhaupt nicht in Frage, dass wir dich alleine und schutzlos ziehen lassen! Vielleicht stößt du noch auf ein paar Vogelfreie oder einen Bären!“
„Oder ein paar tollwütige Eichhörnchen!“ fügte der Adept hinzu.
„Es besteht auch die Möglichkeit, dass du dich verläufst“ sagte Greganor ernst.
„Was du mit Greganor als Begleiter mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch tust!“ grinste Jannick.
„Wie dem auch sei, ich werde dich begleiten, ob mit oder gegen deinen Wunsch!“
„Wenn du darauf bestehst,“ sagte sie wenig überrascht und zufrieden. „Ich werde dich wohl kaum davon abhalten können.“
Der Ritter strahlte sie nur an, ging zu seinem Pferd und nahm die Armbrust aus dem Gehänge. Seinen Helm und sein Langschwert ließ er zurück, aber den Anderthalbhänder behielt er nach wie vor auf seinem Rücken. Er trat ganz dicht an sie heran und blickte ihr tief in die Augen: „Wollen wir?“
„Wollen wir was?“ fragte sie keck zurück.
„Was immer du willst!“ gab er mit herausforderndem Blick zurück.
Ihr Herz machte einen Satz: „Momentan genügt es mir, dieses beschauliche kleine Wäldchen zu erkunden.“
„Dann lass uns gehen!“ lächelte er.

Das satte grüne Waldgras und der lichte Laubwald leuchteten im kräftigsten Grün. Das Vogelgezwitscher war allgegenwärtig und der Boden unter ihren Füßen war angenehm weich. Sie hatte nur ein paar leichte Sandalen an den Füßen und trug ein dünnes, hellblaues Sommerkleid, welches ihr gerade bis zu den Knöcheln reichte. Dass ihr Männer auf ihre Beine guckten, wo sie konnten, war sie gewohnt. Aber Greganor war einer der wenigen Männer, bei dem sie dies mit Gefallen zur Kenntnis nahm. Im Übrigen war er auch mit seinen Augen überall um sie herum. Er beobachtete die Bäume, blickte auf abgeknickte Äste, kniete sich von Zeit zu Zeit auf den Boden um eine Abdruck näher zu begutachten und betrachtete manches Mal eine Baumrinde genauer, die ihm interessant schien oder er blieb einfach stehen und spitze seine Ohren. Auch wenn sie sich wenig für die eigentümlichen Interessen ihres Begleiters interessieren konnte, so wollte sie doch nach einiger Zeit wissen, ob er dieses waidmännische Verhalten nur um sie zu beeindrucken an den Tag legte, oder ob er tatsächlich etwas von dieser Kunst verstand. Als Greganor gerade wieder in die Hocke ging und mit einem dünnen Zweig in einem Büschel Gras stocherte, fragte sie ihn amüsiert lächelnd: „Und? Hast du den Zugang zu einer Räuberhöhle entdeckt?“
Greganor blickte sie verwundert an: „Wie? Nein, hier sind nur die zerschmetterten Eier eines Blaumeisenpärchens, was die Vermutung nahelegt, das ihnen ein Kuckuck ins Nest gesetzt wurde.“
„Wahnsinnig aufregend! Und was hast du noch so entdeckt? Zankende Waldameisen?“
Greganor erhob sich, stemmte die behandschuhten Hände in die Hüften und sah durchdringend in ihre Augen:
„Nein! Ich weiß, dass in diesem Gebiet schon seit Tagen keine Menschen mehr waren, dass hier kein Fallensteller seine Fallenlinie hat, dass hier in der Nähe ein Braunbär und mehrere Wildschweinfamilien leben, dass hier beachtlich viele Heilkräuter auf engsten Raum wachsen und sich ganz in der Nähe ein Bach befindet!“
„So,“ grinste sie. „Ich glaubte schon, du wolltest mich nur beeindrucken!“
Greganor schüttelte nur den Kopf und ihr war fast, als spräche er zu sich selbst. „Manchmal zweifle ich wirklich am Verstand von euch Frauen. Ihr lebt scheinbar in einer Welt, in der sich alles um euch dreht.“
„Empirisch hat das auch seine Berechtigung!“ lachte sie.
„Vielleicht hast du einfach in den falschen Kreisen verkehrt! Ich hatte es jedenfalls noch nicht nötig, eine Frau mit meiner Bildung zu beeindrucken! Dafür sind die meisten viel zu einfach gestrickt!“
„Und wie pflegst du sonst eine Frau zu beeindrucken?“ fragte sie kess.
„Na, so!“ sagte Greganor und ehe sie sich versah schwebten ihre Füße in der Luft, als er sie auf die Arme nahm und sie rasch auf den Mund küsste.
Sie gab ihm eine Ohrfeige, und er ließ sie wieder ihre Füße wieder auf den Boden gleiten. Sie war fassungslos empört und lief hochrot an, Greganor grinste nur zufrieden.
„Was denkst du dir eigentlich? Ich bin doch keine dumme kleine Magd!“
„Aber es hat dir gefallen, wie es auch einer kleinen Magd gefallen hätte!“
Sie starrte ihn wütend an und versuchte sich zu beruhigen. „Du bist ein Barbar!“
„Ich habe nur getan, worum du mich gebeten hast! Du wolltest sehen, wie ich andere Frauen einnehme“ grinste er.
„Ich habe dich nicht darum gebeten, mich hochzuheben und zu küssen!“ fauchte sie aufgebracht.
„Aber du hast es dir insgeheim gewünscht!“
„Das habe ich niemals!“ sagte sie und sie spürte, wie ihr alles Blut zu Kopf stieg.
„Niemals?“ fragte er und trat ganz dicht vor sie hin, dass ihre Körper sich beinahe berührten. Sie blieb standhaft und wich nicht zurück, als sie ihm von unten in die Augen sah. Ihr Bauch kribbelte, als wollten die Schmetterlinge darin gleich ausbrechen und davon fliegen!
„Niemals!“ sagte sie tapfer und spürte ihre Wangen glühen. Greganor blickte sie einfach nur an, wankte nicht, weichte nicht, sondern blickte nur stur mit seinen blauen Augen tief in ihre. Sie biss die Zähne zusammen und ihre Hände begannen leicht zu zittern. Sie wollte ihn jetzt nicht küssen und doch wollte sie es mehr als alles andere auf der Welt.
Greganor raunte ihr jetzt mit seiner warmen, dunklen Stimme zu, dass sie eine Gänsehaut bekam: „Was würdest du tun, wenn ich dich jetzt noch einmal küssen würde?“
Ihre Lippen zitterten leicht, als sie antwortete: „Ich würde dir wieder eine Ohrfeige geben!“
Er blickte sie nur an: „Das ist es mir wert!“ Er fasste ihren Hinterkopf und küsste sie auf den Mund. Sie gab nach, stellte sich auf die Zehenspitzen und fasste ihm jetzt auch ins dichte Haar, um ihn fester küssen zu können.
Es war wunderschön und die Augen fielen ihr zu, alles kribbelte in ihr verlor sich ganz in diesem Kuss, in dieser Umarmung.

Träumend hatte sie die Ellbogen auf den Fensterrahmen des kleinen Gaststättenfenster gesetzt und blickte hinaus in die beinahe sternklare Nacht. Beide Monde standen hoch am Himmel und Lalilia seufzte tief. An Schlaf war nicht zu denken, denn sie war trotz der späten Stunde noch kein Stück müde. In nicht ganz einer Stunde würde die Sonne aufgehen und das wunderschöne Land wieder in warme Orangetöne tauchen. Sie hielt sich ihre rechte Hand an die Brust und spürte ihr Herz klopfen. Sie war so verliebt wie zuletzt als winziges Mädchen in den schönen älteren Jungen aus dem Gesinde ihrer Eltern, der ihr immer die Haare geschnitten hatte. Sie hatte immer ganz still und schweigsam auf ihrem Stuhl gesessen, und der Junge hatte ihr Haar berührt, war ganz nah um sie herumgetänzelt, hatte ihren Kopf in die rechte Position gerückt und sie gekämmt. Seit dieser Zeit waren fast zwanzig Jahre vergangen und jetzt erst erinnerte sie sich daran, wie es war, verliebt zu sein. Sie konnte an nichts anderes mehr denken und mit was auch immer sie sich auch mit beschäftigte, ihr Herz brachte sie immer wieder auf den einen Gedanken zurück!
Lalilia ließ jetzt betrübt den Kopf sinken! Warum hatte sie sich ausgerechnet in Greganor verliebt? Warum nicht in einen ihrer adligen Verehrer? Warum waren sie alle ausnahmslos so langweilig oder abstoßend gewesen, dass sie sich jetzt ihr Herz brechen ließ, wenn sie in ihre Heimat zurückkehrte, ohne den einzigen Mann, der ihr etwas bedeutete? Warum hatte sie es soweit kommen lassen, sich gerade in einen schwarzen Greifen, einen Beschützer zu verlieben?
Ihre Augen wurden feucht, als sie darüber nachdachte und sie ballte wütend die Hände zu Fäusten: es war ungerecht, so furchtbar ungerecht, dass sie nicht lieben durfte, wen sie wollte! Was gab es doch für unmenschliche Gesetze!
Sie hörte Sophie im Schlaf murmeln. Es war nur ein sehr kleiner Gasthof und sie musste sich ein Zimmer mit ihrer Zofe teilen, derweil Miss Clara in einem winzigen Zimmer, wenig größer als eine Besenkammer, untergebracht war. Sie trat an Sophie heran und lauschte, was sie im Schlaf von sich gab. Es waren nur Wortfetzen und das Mädchen rollte sich unruhig unter dem dünnen Laken hin und her. Lalilia strich ihr eine blonde Locke aus dem Gesicht und legte ihr ihre Hand auf die feuchte Stirn. Sophie wurde wieder ruhiger und ihre Züge entspannten sich. Wenn es doch bei ihr auch so einfach wäre! Wenn sie doch auch einfach morgen in Hohenwaldstein erwachen könnte und feststellen müsste, dass sie nur einen wunderschönen, langen und intensiven Traum gehabt hätte! Das sie in Wirklichkeit diese Reise niemals angetreten hatte und es keinen Greganor gab, den sie liebte!
Sie schloss das Fenster, legte sich rücklings auf ihr Lager und blickte zur Decke. Es gab nur ein Weg für sie und der war schmerzhaft! Sie würde noch bis zu den Sterntalseen reisen und dann in ihre Heimat zurückkehren, aber sie müsste Greganor vergessen und durfte ihm keine weiteren Hoffnungen mehr machen. Je näher sie ihn an sich heran ließ, desto größer würde der Schmerz auf beiden Seiten werden, wenn sie sich trennen mussten! Noch war es nicht zu spät, diesen Schritt zu gehen! Sie weinte still in ihr Kopfkissen.

„Was schreibst du da? Wieder ein Gedicht?“
Jannick sah von seinem Buch auf und klemmte den Kohlestift zwischen die Seiten. Er saß auf einem großen Felsblock am Ufer des großen Diamantsees, der seinen Namen seiner schier unvergleichlichen Reinheit verdankte. Er war so klar, dass man bei dem Sonnenschein viele Schritt tief hineinsehen konnte bis hinab auf den Grund. Wenn sie ein Boot gehabt hätten, hätte sie das Gerücht überprüfen können, ob man tatsächlich den Grund an jeder beliebigen Stelle des Sees, auch an der tiefsten, noch sehen konnte. Kleine und große Fische tummelten sich in den tiefen dieses wunderschönsten Sees, den sie jemals erblickt hatte. Das warme Uferwasser mieden die Fische und stiegen erst in der Abenddämmerung wieder nah unter die Oberfläche, wo sie im Abendrot kleine Kreise zogen, wenn sie nach den über der Oberfläche tanzenden Mücken und Eintagsfliegen schnappten.
Es gab auch noch den Smaragd- und den Saphirsee, welche nicht minder die Gemüter ihrer Betrachter verzauberten. Das kupferhaltige Wasser des Smaragdsees färbte den See tiefgrün, so hatte sie gehört; der Saphirsee dagegen war unglaublich tief und leuchtete blau wie das Meer. Lalilia wollte auch die anderen Seen noch mit ihren eigenen Augen sehen, dass hatte sie sich in den Kopf gesetzt. Ihr kurzes Kleid, hellgelb wie Rosenblätter, raffte sie jetzt hoch, schlug ihre Beine unter und ließ sich auf dem Felsbrocken, den die Sonne schön erwärmt hatte, neben dem Adepten nieder.
Jannick lächelte sie mit blauen Augen an und seufzte verträumt. Sie mochte seine ruhige Art und erwiderte sein Lächeln noch breiter.
„Ja, ich schmiede gerade ein paar kümmerliche Verse in Anbetracht der Pracht hier ringsumher!“ Er blickte sich um.
„Ja, das ist wirklich der schönste See, den ich je gesehen habe!“
„Fast so schön wie du,“ grinste er.
„So?“ schmunzelte sie geschmeichelt und rutschte ein Stück an ihn heran, um in sein Buch schauen zu können. In den letzten zwei Tagen, seit Greganor und sie sich geküsst hatten, hatte sie sich so gut es ging von ihm zurückgezogen. Der Ritter hatte es anfangs nicht verstehen wollen, aber als sie sich zunehmend an seinen Freund gehangen hatte, hatte ihr Liebster begriffen, dass sie sich nur vor ihren und ihn vor seinen Gefühlen schützen wollte und war sehr trübsinnig geworden. Ihr brach es allein schon das Herz, ihn so traurig zu sehen, der sonst doch immer so fröhlich und enthusiastisch wirkte! Jannick hingegen hatte sich längst der Vernunft untergeordnet und genoss den Rest seines Geleitschutzes so gut es ging. Er freute sich am Sommer, an der Landschaft und an seiner Begleitung, die er längst aufgeben hatte und nun nur noch als eine Freundin betrachtete. Lalilia hatte also kein schlechtes Gewissen, sich ein wenig an ihn zu klammern, denn es schien nach wie vor ein stillschweigendes Einverständnis zwischen ihnen darüber vorhanden zu sein.
„Darf ich es lesen?“ Fragte sie und zeigte auf sein Buch.
Er grinste: „Ich weiß nicht, es sind doch alles sehr melancholische Verse und stehen in keiner Beziehung zu der Landschaft hier!“
„Das ist ungerecht! Du hast selbst Sophie Versmaße beigebracht und mit ihr zusammen gedichtet und jetzt willst du mich nicht einmal ein Gedicht lesen lassen! Lach nicht so! Ich finde das nicht fair!“
„Sophie ist ein Mädchen und sie versteht noch nicht viel von Lyrik, ihr kann ich meine Verse noch verkaufen, ohne ihren stillen Spott fürchten zu müssen!“
„Sophie kannst du alles verkaufen!“ lächelte sie wissend. Jannick schien darauf ein bisschen verlegen, was sie sehr erheiternd fand, seine Augen schienen noch ein wenig leuchtender blau zu schimmern.
„Aber glaube nicht, dass ich deine Gedichte weniger schätze, nur weil ich dich nicht so verklärt angucke wie sie und jedes Wort von dir bewundere,“ lächelte sie.
„Ist dem so?“ fragte er lächelnd und wurde rot. Manchmal benahm er sich wie ein kleiner Junge, dachte sie.
„Darf ich deine Gedicht nun lesen oder nicht?“
Er zögerte: „Nun, ich lese dir zwei davon vor. Sie sind abstrakt zu verstehen, oder sagen wir mal, sie sind nicht auf dies oder jenes Gegenwärtige bezogen sondern hätten zu einer beliebigen Zeit entstehen können!“
„Dann lass sie mich hören!“ forderte sie, ohne sich ein ungläubiges Schmunzeln ganz verkneifen zu können.
„Entfessle still mein stumpfes Herz, setz in Brand das tote Ding.
  Der Sonne fern war’s allzulang, bis es einmal Feuer fing.
  Doch die Quelle sprudelt nicht, zu karg ihr Boden von je her,
  nur Schmerz erschaudert mich und so ist weniger oft mehr!
  Durchdrungen bin ich von der Sehnsucht, lichterloh in Brand zu stehen.
  Leuchten über Feld und Flur, vor Glück und Freude übergehen,
  das dürstet mich, mein Herz so sehr, und fließen soll der Geist!
  Nur trostlos und verhärmt, so scheints´, ist jeder dieser Wünsche meist.
  Es kommt der Tag an dem ich lachend
  dieser Tage spotten kann!
  An dem ich Lieb´ und Leib entfachend
  vergesse, wann ich dies ersann!“
Sie blickte ihn ernst an, doch er mied bewusst ihren Blick und blickte weiter in sein Buch. Sie war sich sicher, dass er nur vermeiden wollte, dass sie seine braunen Augen sah, die vielleicht sogar schon ins Schwarze übergingen.
„Lies das nächste!“ bat sie und legte ihre Hand auf sein Knie. So erschreckend seine Robe auch aussah, so fühlte sie sich doch weich und anschmiegsam an. Jannick räusperte sich und setzte wieder in dem leicht pathetischen Tonfall an, den er immer benutze, wenn er seine Gedichte vortrug.
„Lustig prasseln im Kamin die Scheite in der Feuersglut.
  Funken stieben hell dahin, fröhlich und voll Übermut.
  Hüpfend, springend, lodernd tanzend fliegen sie zum Himmelszelt,
  mit tausenden Geschwisterchen ihr heller Schein die Nacht erhellt.
  In klarer Mondnacht auf der Wiese, der Feuerplatz tuts´ ihnen gleich,
  wirft unermüdlich süsse Flämmchen hoch hinaus ins Himmelreich
  Prasselnd, knackend, züngelnd wild, verspielt steigend am Holz empor,
  so zehrst auch du an mir mein Herz, seit sich mein Herz an dich verlor!“
Lalilia blickte jetzt stumm auf den klaren See, keine zwei Schritt unter dem Fels, auf dem sie saßen. Sie wusste nichts zu sagen, sie fühlte sich eigenartig betroffen und war verwirrt über die Gefühle und Gedanken, die gerade in ihr aufstiegen. So bildlich wie abstrakt die Gedichte auch gewesen waren, sie hatten sie doch direkt ins Herz getroffen. Sie legte Jannick kurz ihren Arm um die Schultern und erhob sich dann. Seine verwunderten, braunen Augen folgten ihr.
„Es sind gute Gedichte, lass dir von niemandem etwas anderes sagen,“ sagte sie und versuchte, weniger erfolgreich, als sie es sich gewünscht hätte, zu lächeln.

„Verehrte Gräfin, wir haben strickte Order erhalten, am einundzwanzigsten diesen Monat in Sillencorn zu sein. Wir müssen heute aufbrechen, sonst werden wir unseren Befehl nicht mehr ausführen können und dessen auch angeklagt werden!“ Der breitschultrige Eisenmantel sah sie ernst an. Er hatte seinen Helm unter den Arm geklemmt und wirkte unentschlossen.
Sie hatten erst eine Nacht in dem Gasthaus am Ufer des Diamantsees verbracht und ihr lag alles andere näher als der Gedanke, diesen beschaulichen Ort bald wieder zu verlassen, wie ernst die Miene dieses Ritters auch sein mochte. „Dann reitet, meine Herren! Ich fühle mich hinreichend von meinen anderen Begleitern beschützt und möchte nicht, dass ihr werten Rittersmänner wegen Befehlsverweigerung angeprangert werdet!“
Der große Mann nickte verständig: „Wenn dies euer Wunsch ist, werden wir reiten. Ich lege euch aber nah, auch mit uns zu kommen! Die Straßen sind gefährlicher, als es aussieht. Auch, wenn wir bisher ohne Zwischenfälle geritten sind, in manchen Gasthäusern in denen wir abgestiegen sind, kursierten schreckliche Gerüchte über weitere Morde an Amtleuten und Adligen!“
Lalilia schüttelte ihren Kopf: „Gerüchte wird es immer geben und ich wünsche nicht, jetzt schon meine Reise abzubrechen! Habt Dank für eure Sorge und eure Warnung, aber reitet ohne mich! Ich werde noch einige Tage bleiben!“
„Wie ihr wünscht, werte Gräfin.“ Der Ritter verbeugte sich ungelenk in seiner massiven Rüstung und stapfte schweren Schrittes zu seinem weißen Kaltblüter. „Aufsitzen, Eisenmäntel!“ rief er den anderen mit militantem Ton zu. Die drei anderen folgten seinem Befehl und quälten sich mit ihren fürchterlich schweren Rüstungen in die Sättel. Es war für einen vollgerüsteten Eisenmantel ohne den kleinen Kran mit Flaschenzug, den sie in ihren sämtlichen Lagern und Schlössern besaßen, ein gewaltiger Kraftakt von nicht zu unterschätzender akrobatischer Leistung sich in den Sattel zu hieven! Die Rüstungen waren nicht nur genauso schwer wie sie aussahen, sie waren auch noch sehr unbeweglich. Lalilia sah den vier Männern mitleidig zu, wandte sich dann aber zum Gehen. Sie hatte die Gerüchte natürlich auch gehört und beunruhigend waren diese Gerüchte tatsächlich gewesen. Irgend etwas war im Gange und verstörte Stimmen über eine Verschwörung der Morbiél wurden fast in jedem Dorf, das sie durchquert hatten, laut.
Für gewöhnlich kümmerten sich die Dörfler wenig um die Politik in den fernen Großstädten, aber diesmal betraf es auch Menschen in der unmittelbaren Umgebung. Einige Adlige waren von ihren Landsitzen verschwunden, mitsamt ihren Familien, reiche Kaufleute waren tot in ihren Landhäusern aufgefunden worden! Lalilia hatte all diese Gerüchte nicht an sich herangelassen und vertraute darauf, dass weder ihr Aufenthaltsort solchen Verschwörern bekannt sein konnte, noch, dass ihr bescheidener Reichtum Mörder oder Erpresser so sehr locken konnte, dass sie sich mit einem schwarzen Greif und einem Adepten anlegten! Überhaupt schien ihr in dieser malerischen Landschaft gar nichts bedrohlich zu wirken. Die Sonne schien freundlich in einem azurblauen Himmel, wie an den meisten Tagen, die grünen Bäume an den Ufern des Diamantsees wiegten sich schläfrig in der leichten Brise, die Wiesen blühten und das Wasser war so ruhig und klar, dass es einen Spiegel bildete und das Abbild der Bäume und Berge an seinem Ufer mitten im See zeigte.

Am späten Abend saß Lalilia mit Sophie, Greganor und Jannick auf einer kleinen Wiese am Ufer des Sees, stütze sich mit beiden Ellbogen ins Gras und blickte zu den Berggipfeln hinauf. Der Himmel stand voller Sterne und zum ersten Mal verstand sie wirklich, warum die Sterntalseen ihren Namen trugen! Wenn die auf das Wasser blickte, war es, als blickte sie in einen zweiten Himmel, mitten im See! Die funkelnden Sterne und die zwei halben Monde erhellten die nächtliche Landschaft, als auch der letzte, helle Schleier der untergegangenen Sonne verschwunden war. Still wurde es ganz allmählich und die Vogelstimmen verstummten in dem aufkommenden, seichten Nachtwind. Er war herrlich erfrischend und doch immer noch warm von dem heißen Tag. Das Gasthaus lag fast einen Landschritt entfernt und war hinter einer Gruppe Eschen verborgen. Sie saßen in einer kleinen Bucht, in der der Boden des gewaltigen Sees vom Land aus ganz sacht abfiel, dass man auch noch ein Dutzend Schritt vom Ufer aus auf den Füßen stehen konnte. Das Gras kitzelte Lalilia an ihren nackten Füßen und sie lächelte die Monde an, als wären diese ihre guten Freunde. Sie seufzte einmal unbeschwert und schloss kurz die Augen: Warum konnte diese Nacht nicht für immer so andauern? Sie wollte am liebsten aufspringen und im Mondlicht auf der kleinen Uferwiese tanzen. Überhaupt kamen ihr die albernsten Ideen in den Kopf und die neckischsten Gelüste, dass sie selbst über ihre Einfälle schmunzelte. Ihr Herz klopfte aufgeregt, als sie eine ihrer Ideen immer mehr für sich Gestalt annehmen ließ, und ihr Magen fühlte dabei sich so aufgeregt an, wie immer zu den Zeiten, wenn sie als Kind etwas Verbotenes geplant hatte!
Die anderen drei saßen arglos neben ihr im Gras und blickten ebenfalls schweigend über das Wasser. Miss Clara hatte sich mit den Worten entschuldigt, dass die Feuchtigkeit des Sees Gift für ihre Knochen wäre. Sie alle hatten es ihr nachgesehen, waren sie doch lieber unter sich.
Allenfalls Sophie war jetzt noch ähnlich aufgeregt als sie. Sie hatte sich an Jannicks Schulter gelehnt und dieser ließ sie gut gelaunt gewähren. Lalilia blickte über ihren spannenden Gedanken lächelnd zu den dreien hinüber. Greganor und Jannick blickten fragend zurück. Sollte sie es tatsächlich wagen? Sie bekam ganz heiße Wangen.
„Ich werde jetzt baden gehen!“ sagte sie und versuchte sich ihr albernes Lächeln zu verkneifen. Die beiden Freunde sahen sich verwirrt an, derweil ihre Zofe mit großen Augen auf sie starrte.
„Aber Gräfin, wie meint ihr das?“ fragte sie sichtlich verunsichert.
„So wie ich es sage!“ lächelte sie jetzt kühn. „Du darfst mich gerne begleiten, Sophie! Auch den Männern will ich den nächtlichen Badespass nicht nehmen, aber es wäre doch ganz schicklich, wenn ihr beide euch umdreht, solange bis Sophie und ich im Wasser sind! Euch sichere ich natürlich das gleiche Recht zu!“
Ihr Bauch kribbelte aufgeregt. Noch roter lief sie in der dunklen Nacht an, als sie die beiden Männer miteinander flüstern hörte, Sophie kam jetzt selbst mit dunklen Wangen auf sie zu. „Gräfin, meint ihr das ganz ernst?“ fragte sie mit ein klein wenig Verzweiflung in der Stimme.
„Du kannst auch gerne schon schlafen gehen, wenn du möchtest,“ lächelte sie.
Sophie zögerte aber nicht lange und versuchte ganz selbstsicher zu klingen, als sie antwortete: „Wenn ihr erlaubt, würde ich doch gerne mitkommen.“ Trotz der Dunkelheit konnte Lalilia jetzt das Herz ihrer kleinen Zofe unter ihrem Kleid schlagen sehen.
„Wir haben uns beraten und sind zu dem Schluss gekommen, dass es sicher genug ist, wenn Jannick für die Dauer unseres Bades über uns wacht. Wir werden auch mit ins Wasser kommen!“ sagte Greganor jetzt. Er sprach sehr nüchtern, aber schon an seiner Stimme erkannte sie, das er grinste.
Lalilia strahlte jetzt über ihr ganzes Gesicht! „Dann rasch, dreht euch um und wartet, bis wir euch rufen!“
Die beiden Männer drehten sich um und flüsterten weiter.
Sie wartete einen Augenblick. „Au weia,“ sagte sie jetzt laut, wobei Greganor sich sofort umdrehte. Sie grinste ihn spöttisch an: „Das war nur ein Test, wage es nicht, das noch einmal zu machen, bevor ich nicht ausdrücklich nach euch rufe!“
Greganor wandte sich beschämt wieder um und sie hörte Jannick heftig kichern. Darauf gab ihm Greganor sauer einen Klaps auf den Hinterkopf: „Sei bloß still!“ schimpfte er beleidigt.
„Komm, Sophie, lass uns ins Wasser gehen!“ sagte sie schnell zu ihrer Zofe und ließ ihr Kleid von ihren Schultern ins Gras gleiten, entledigte sich ihres Unterrockes und lief in drei großen Sätzen ins Uferwasser. Sophie schlüpfte auch aus ihrem Kleid und folgte ihr so schnell, wie sie es vermochte. Das Wasser war sehr kalt und sie biss die Zähne zusammen, um keinen Laut von sich zu geben, der ihren beiden Begleitern vielleicht als Grund für ein bewusstes Missverständnis hätte dienen können! Sie kämpfte sich so bis zu ihren unbedeckten Hüften in den See und tauchte dann mit ihren Händen vorneweg ins tiefere Wasser. Sophie folgte ihr Augenblicke später.
Als schließlich nur noch ihr Kopf aus dem Wasser ragte und Sophie neben ihr strampelnd im Wasser hing, denn ihre Füße berührten den Grund schon nicht mehr, rief sie nach den beiden.
„Ihr könnt euch umdrehen!“ rief sie und ihre Worte waren noch nicht ganz heraus, da blickte Greganor schon neugierig auf das Wasser hinaus. Jannick war etwas langsamer und sprach jetzt lächelnd, ruhig und laut: „Würden die Damen jetzt ebenfalls ihrem Versprechen nachkommen und sich abwenden?“
Sie drehte sich kichernd im Wasser um, wie auch Sophie, die sich jetzt zitternd selbst umarmte und sich warm strampelte. Lalilia spürte nun selbst, wie groß die Versuchung war, sich umzuwenden, als sie die beiden Männer leise miteinander reden hörte.
„Obacht, Greganor, ein Bär!“ schrie Jannick laut.
Sie und Sophie blickte sich erschrocken um.
„Meine Damen! Ich muss doch sehr bitten!“ lachte Jannick jetzt und Greganor klopfte sich lachend auf die gepanzerten Schenkel.
Beschämt aber mit breitem überlistetem Grinsen auf den Lippen wandten sie sich wieder ab. Sie hörte jetzt Greganor ein paarmal leise fluchen, weil er nicht so schnell aus seiner Rüstung herauskam, wie er es sich wohl gewünscht hätte. Gleichzeitig hörte sie dann aber die beiden Männer ins Wasser steigen.
„Da sind wir!“ schnaufte Greganor jetzt, der sich wahrlich beeilt zu haben schien. Sie drehte sich um und keine drei Schritt weiter schwammen die Männer im Wasser.
„Warum schwimmen wir nicht etwas weiter hinaus?“ fragte er sie jetzt. „Die Damen können doch schwimmen, oder etwa nicht? Selbst wenn ihr untergehen solltet, wir können euch gerne retten!“ lachte er.
„Kein Bedarf,“ schmunzelte sie „Wir können sehr gut schwimmen!“ Sie schwamm ein paar Züge Brust auf den See hinaus, den der Nachtwind leicht kräuselte. „Wartet, Gräfin!“ rief Sophie verunsichert und schwamm ihr nach.
Sie schwammen ein ganzes Stück auf den See hinaus und bewunderten die hohen Berge, die jetzt noch mächtiger auf sie wirkten, als sie sich so im flachen Wasser treiben ließen. Greganor und Jannick ließen sich auch nicht lange bitten und schwammen ihnen mit langen Zügen hinter ihnen her. Wenige Schritt von ihnen entfernt ließen sie sich schließlich auch treiben und guckten in den herrlichen Nachthimmel. Das Wasser war noch sehr kalt, aber die Aufregung und das zügige Schwimmen hielt sie warm.
Etwas streifte Lalilias Bein. Überrascht zuckte sie zusammen. Ein Fisch musste sie berührt haben, sie blickte in das schwarze Wasser hinab. „Ein Fisch hat mich gerade gestreift!“ lachte sie.
„Die werden doch nicht beißen?“ fragte Sophie.
„Nur süße kleine Mädchen!“ lachte Greganor.
„Ach, sei still!“ sagte Sophie beleidigt.
„Ob da noch viele Fische sind?“ fragte Lalilia sich jetzt laut.
„Wenn du willst, kannst du nachsehen!“ sagte Jannick und ein gleißender Lichtpunkt tief unter ihnen erhellte urplötzlich den See, dass sie ganze Schwärme von kleinen Fischen sah, die jetzt alle erschreckt auseinander stoben. Erschrocken bedeckte sie sich mit den Händen und auch Sophie zuckte entsetzt zusammen, aber das helle Licht erstarb ebensoschnell, wie es gekommen war.
„Ihr Lustmolche!“ fauchte sie zu den lachenden Männer hinüber.
„Keine Angst, wir haben nur nach den Fischen gesehen,“ lachte Greganor. Lalilia sah zunächst böse zu den beiden Freunden hinüber, aber eigentlich hatte ihr der kleine Streich des Adepten gefallen, auch wenn sie es nicht zugeben würde. Sie schwieg jetzt einfach und schwamm weiter am Ufer entlang. Sophie begleitete sie. „Meint ihr, die beiden haben wirklich nur nach den Fischen geguckt?“ fragte sie schüchtern.
Lalilia lächelte: „Wenn sie das wirklich getan hätten, sollten wir uns ernsthafte Gedanken um deren geistige Gesundheit machen, denkst du nicht?“
Sophie schwieg, doch sie tröstete ihre Zofe über ihre unbedeckten Augenblicke hinweg: „Das wird doch hoffentlich nicht das letzte Mal sein, wo dich ein Mann unbekleidet sieht, oder? Gewöhne dich also besser schon einmal an das Gefühl!“
„Ja, Gräfin,“ sagte Sophie und Lalilia sah, wie sie ganz zaghaft dabei zu lächeln begann.
 

Hi Maria :-)!

Du bist die erste Leserin, die einen Kommentar zu einer meiner Geschichten abgegeben hat, deshalb freue ich mich sehr, dir direkt eine Rückmeldung geben zu können! Die Geschichte geht ab Morgen weiter, ich kann immer nur wenige Seiten pro Tag online stellen, fünf Kapitel werden noch folgen, dann erst ist mein Fantasyroman abgeschlossen! An der Forsetzung arbeite ich noch, aber viele Kapitel sind auch schon abgetippt. Wenn sich ein Verlag finden würde, wäre ich freilich schneller fertig damit *lach* ;-/!
Ganz herzlichen Dank dir jedenfalls für deinen Kommentar!! Ich hoffe, die folgenden Kapitel werden dich auch vortrefflich unterhalten können und dir Kurzweil und romantische Gedanken bescheren!

Liebe Grüße vom alten Schnulzromanautoren Alex
Alexander Vogt, Anmerkung zur Geschichte

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Der Beitrag wurde von Alexander Vogt auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.04.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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