Klaus-D. Heid

Das Verhör

„Man hat Sie beobachtet, Herr Fischer! Verschlimmern Sie also Ihre Situation nicht, indem Sie weiter schweigen. Wenn Sie jetzt die Wahrheit sagen, könnte das unter Umständen strafmildernd sein...!“

„Strafmildernd? Ich bin unschuldig, Herr Kommissar! Ich habe überhaupt keine Strafe verdient.“

„Sie beharren also auf Ihrer Geschichte, Fischer?“

„Natürlich. Soll ich Ihnen zuliebe etwa die Unwahrheit sagen?“

„Drehen Sie mir ja nicht das Wort im Munde um! Es gibt Beweise, Fischer! Eindeutige Beweise, die Sie als Täter identifizieren. Jedes leugnen ist also vollkommen sinnlos. Nur ein Geständnis kann Ihre Lage einigermaßen verbessern. Ich bin davon überzeugt, dass der Staatsanwalt mit sich reden lassen wird, falls Sie endlich auspacken!“

„Und wenn Sie noch so lange auf mich einreden; ich bin es nicht gewesen! Suchen sie den Täter, wo immer Sie wollen, aber lassen Sie mich zufrieden, Herr Kommissar. Meine Frau kann schließlich bezeugen, dass ich...“

„Ihre Frau, Fischer? Ihre Frau ist mit Ihnen angeklagt! Sie ist die schlechteste Entlastungszeugin, die Sie sich aussuchen konnten. Als Nächstes präsentieren Sie mir noch Charles Manson als Leumund? Fällt Ihnen nichts Besseres ein? Erleichtern Sie endlich ihr Gewissen – und gestehen Sie!“

„Es gibt nichts zu gestehen, Herr Kommissar! Und wenn Sie mich noch tausendmal fragen, ändert sich immer noch nichts an meiner Aussage. Ich war es nicht! Verstehen Sie? Ich war es nicht!“

„Natürlich nicht, Fischer. Und Sie sind der gesetzestreueste Bürger, den diese Stadt jemals gesehen hat, nicht wahr? Sie verabscheuen jede Form von Gewalt, stimmt’s? Sie könnten keiner Fliege etwas zu leide tun, Fischer. Wüsste ich’s nicht besser, würde ich Sie für das Bundesverdienstkreuz vorschlagen. Sie sind ja ein echtes Vorbild für unsere Jugend!“

„Ist das alles, was Ihnen einfällt? Sarkasmus? Wo sind denn die unerschütterlichen Beweise, die mich als Täter identifizieren? Warum sagen Sie’s nicht? Zeigen Sie mir doch die Protokolle von Zeugenaussagen der Leute, die mich als Täter erkannt haben. Nein? Nur ein Protokoll? Ein Zeuge? Noch nicht mal das? Sie bluffen, Herr Kommissar! Sie bluffen wie ein stümperhafter Anfänger! Ich hätte wirklich mehr von Ihnen erwartet!“

„Überreizen Sie’s nicht, Fischer. Noch halte ich meine schützende Hand über Sie. Wenn Sie es aber wünschen, werde ich Sie den Hyänen überlassen, die Leuten wie Ihnen zu gerne den Hals umdrehen würden.“

„So? Jetzt droht der Herr Kommissar mir schon? Kommt jetzt gleich ein Baum von Kerl in den Vernehmungsraum, der mir die Knochen brechen soll? Wie wär’s mit Folter? Es müsste Ihnen doch bestimmt gefallen, wenn ich ein bisschen gefoltert werde, oder? Vielleicht sage ich ja alles, was Sie gerne hören möchten, wenn Sie mir die Fingernägel mit der Kneifzange rausreißen?“

„Reizvoller Gedanke, Fischer. Allerdings leben wir in einem Rechtsstaat, in dem sogar Subjekte wie Sie gewisse Rechte haben. Ob das nun richtig oder falsch ist, will ich dahingestellt sein lassen.“

„Aber der Gedanke, mich zu foltern, ist Ihnen durchaus sympathisch, oder?“

„Meine persönliche Meinung ist irrelevant, Fischer. Es geht hier um das Aufklären eines Verbrechens. Nicht um irgendein Verbrechen. Es geht um das schlimmste, abscheulichste und ekelerregendste Verbrechen, mit dem ich jemals in dreißig Jahren Polizeidienst konfrontiert wurde.“

„So lange sind Sie schon bei der Polizei? Wird’s nicht langsam Zeit, in den wohlverdienten Ruhestand zu treten? Warum überlassen Sie es nicht jüngeren agilen Beamten, mich zu verhören? Sie stehen das doch nicht mehr durch, Herr Kommissar! Außerdem steigern Sie sich in eine fast psychopathische Manie rein, die mich als Täter fixiert hat. Ihnen fehlt die Objektivität, Herr Kommissar!“

„Machen Sie sich keine Gedanken zu meinem Alter, Fischer. Machen Sie sich lieber Sorgen um Ihren Lebensabend. So, wie’s aussieht, wird der nämlich in einer kleinen schmuddligen Zelle stattfinden. Ab und zu werden sich Ihre Mithäftlinge über Sie hermachen, weil Frauen echte Mangelware im Knast sind. Gefällt Ihnen der Gedanke? Haben Sie etwa Hemmohriden, Fischer? Was soll’s. Im Laufe der nächsten zwanzig Jahre gewöhnen Sie sich schon daran...!“

„Warum fangen wir nicht gleich an? Möchten Sie, dass ich meine Hose ausziehe? Stehen sie auf Männerärsche, Herr Kommissar? Weiß Ihre Frau von Ihrem kleinen bösen Geheimnis? Nein? Keine Angst; ich verrate Sie nicht. Wir alle haben ja unsere Geheimnisse, nicht wahr?“

„Provozieren Sie mich ruhig, Fischer! Ich interpretiere das als Versuch, von Ihrer Schuld abzulenken. Es ist jetzt nur noch ein ganz kleiner schritt, bis Sie endlich die Wahrheit sagen werden. Erst einmal werden sie aggressiv, dann werden Sie weinerlich, Fischer – und dann brechen Sie zusammen! Ersparen Sie sich und mir die Jammer- und Zornphase. Machen Sie lieber gleich reinen Tisch, Fischer! Sie kommen aus der Falle nicht mehr raus. Ende, Fischer! Sie sind am Arsch! Nutzen Sie die letzte kleine Chance, die sich Ihnen bietet – und gestehen Sie endlich!“

„Ich bin wirklich begeistert, Herr Kommissar! Sie als Psychologe? Gehört das auch zur Ausbildung bei der Polizei? Sollten Sie derartige Finessen nicht lieber Ihren studierten Kollegen überlassen, die mich über meine verkorkste Kindheit ausfragen? Papa hat mich geschlagen, Mama hat gesoffen und meine böse Großmutter hat mich vergewaltigt. Was meinen Sie? Bin ich unzurechnungsfähig?“

„Ich habe schon eine Menge Typen wie Sie kennen gelernt, von denen einige tatsächlich vermindert schuldfähig waren. Aber Sie, Fischer, sind ein Musterbeispiel für einen Mann, der seine Taten präzise und exakt plant und ausführt. Nichts mit Unzurechnungsfähigkeit! Sie dürfen also die volle Zeit im Gefängnis absitzen. Ich kann nicht verhehlen, dass mir dieser Gedanke ein gewisses Vergnügen bereitet. Sie verstehen das doch, oder?“

„Natürlich, Herr Kommissar. Ich verstehe sehr gut, dass Sie persönliche Motive haben. Hoffentlich hört das keiner Ihrer Vorgesetzten. Nachher nimmt man Ihnen noch den Fall weg, weil Sie voreingenommen sind? Huch? Habe ich jetzt was Falsches gesagt? Habe ich ganz vergessen, dass dieses Gespräch protokolliert wird? Auweia. Na, Sie werden schon einen Weg finden, die entsprechenden Passagen aus dem Protokoll verschwinden zu lassen, nicht wahr? Sie wollen mich ja schließlich überführen, Herr Kommissar. Ist das dann Ihre letzte Amtshandlung? Geht’s danach ab in den verdienten Ruhestand?“

„Sie glauben wohl, dass Sie in ganz pfiffiges Kerlchen sind, was?“

„Zumindest denke ich, dass ich nicht zu den ganz Bekloppten im Land gehöre.“

„Bestimmt nicht, Fischer. Bekloppt sind Sie nicht. Nur eben ein bisschen unvorsichtig. Unvorsichtig und arrogant. Eine überaus gefährliche Mischung für einen Serienmörder.“

„Serienmörder? Was soll das denn jetzt? Wieso Serienmörder? Ich verstehe nicht ganz...“

„Nein? Und Sie wissen auch nichts von den sieben Frauen, die Sie zerstückelt haben, um sie in Ihrem Kaminofen zu verbrennen?“

„Um Gottes Willen, nein! Was reden Sie denn da? Ich dachte, ich bin wegen dem beschissenen Geländewagen hier, den ich gestohlen habe...!“

„Mich interessiert kein gestohlener Geländewagen, Fischer! Mich interessieren nur die Morde. Was ist nun? Gestehen Sie endlich?“

„Das ich den verdammten Wagen geklaut habe? Klar doch! Na und? Aber mit irgendwelchen morden habe ich bestimmt nichts zu tun! Sie verwechseln mich mit einem anderen...“

„Keine Morde? Nur ein lächerlicher Autodiebstahl? Wem wollen sie das denn erzählen, Fischer? Ich werde Ihnen so sehr den Arsch aufreißen, bis Sie endlich die Morde gestehen! Und wenn es das Letzte ist, was ich tun werde!“

„Hören Sie auf! Ich weiß nichts von diesen Morden! Gut, ja! Ich habe den Scheißwagen geklaut. Und nicht nur diesen wagen, Herr Kommissar! Ich habe insgesamt achtzehn Geländewagen gestohlen, die ich alle an einen gewissen Heinz Groß verscherbelt habe. Groß ist der eigentliche Drecksack. Er dealt nur mit geklauten Autos, die ihm arme Schweine wie ich beschaffen. Den müssen Sie sich greifen, Herr Kommissar! Aber Mord? Damit habe ich nichts zu tun. Das müssen sie mir einfach glauben!“

„Ich glaube Ihnen jedes Wort, Fischer.“

„Was?“

„Ich glaube Ihnen jedes Wort. Was meinen Sie, wie lange ich schon versuche, Heinz Groß zu überführen? Nie hat sich einer seinen kleinen Hehler bereit erklärt, gegen ihn auszusagen. Um ganz ehrlich zu sein, finde ich es wirklich sehr freundlich von Ihnen, dass Sie mir meinen Ruhestand mit diesem Geständnis versüßen.“

„Und die Morde?“

„Morde? Welche Morde? Wovon reden Sie denn, Fischer? Ich weiß nichts von irgendwelchen Morden. Ich habe damit auch nichts zu tun. Sie sind hier im Kommissariat für organisiertes Verbrechen, Abteilung Autokriminalität. War mir wirklich ein Vergnügen, Sie kennen gelernt zu haben, Fischer. Wenn Sie mich nun bitte entschuldigen wollen? Ich werde auf meiner Abschiedsparty erwartet. Ruhestand.

Wohlverdienter Ruhestand!“

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