Klaus-D. Heid

Die Gottesanbeterin

Stirb schön, Liebling...!“

 

George gab sich offenbar redlich Mühe, dem Wunsch seiner Frau nachzukommen, aber offenbar war es für ihn doch nicht so leicht, wie sie es sich vorgestellt hatte.

Während Marianne ungeduldig auf dem Sofa herum rutschte und dabei immer wieder erwartungsfrohe Blicke auf den sich vor Schmerzen krümmenden George warf, dauerte sein Todeskampf viel länger, als von ihr geplant.

Du bist noch nie in Deinem Leben pünktlich gewesen, Liebling. Vielleicht könntest Du mir trotzdem den Gefallen tun und endlich sterben, ja? Ich habe noch eine Menge zu tun und dieses Gezappel von Dir ist offenbar kontraproduktiv! Der Abwasch muss noch erledigt werden, der Hund muss in die Wanne und in einer Stunde wollte Cindy anrufen, um mir von ihrem Bali-Urlaub zu berichten. Du musst jetzt wirklich aufhören, so dagegen anzukämpfen, hörst Du? Ändern lässt sich Dein Tod ohnehin nicht mehr, also sei lieb und stirb jetzt ein bisschen zügiger, Schatz! Sei nicht immer so verdammt egoistisch!“

Aber es lag nicht an George, dass Marianne ihrem Zeitplan hinterher hinkte. Es lag einzig daran, dass Marianne bei der Dosierung des Giftes zu sparsam vorgegangen war. Dies hatte zwar nicht zur Folge, dass sich etwas an Georges Tod ändern würde, aber es bedeutete eben, dass George langsamer starb. Viel langsamer.

George war längst nicht mehr in der Lage, etwas zu sagen. Sein Körper zuckte von Krämpfen geschüttelt, aus Georges weit geöffnetem Mund lief weißlicher Schleim und seine Augäpfel waren so angeschwollen, dass sie gleich zu platzen drohten.

Marianne trommelte nervös mit den Fingern auf dem Wohnzimmertisch, sie blickte im 2-Sekunden-Rythmus auf ihre Armbanduhr und es war ihr deutlich anzusehen, dass sie nicht die geringste Lust hatte, dem Sterben ihres Mannes noch lange zuzusehen.

Also, George, ich gebe Dir noch fünf Minuten, okay? Danach musst Du wirklich hinüber sein, denn immerhin dreht sich die Welt nach Deinem Tod weiter und andere Menschen haben eben auch ihre Verpflichtungen. Fünf Minuten, verstehst Du? Danach, mein lieber Schatz, müsste ich leider diese Angelegenheit mit anderen Mittel zu einem Ende bringen und das willst Du doch nicht, oder? Was sagst Du? Siehst Du, dass ist genau einer der Gründe, warum Du hier liegst und nicht in irgendeiner Bar einen Whiskey schlürfst. Ich verstehe Dich einfach nicht! Ich habe Dich noch nie verstanden, George! Ich denke, wir hätte niemals heiraten dürfen, nicht wahr?“

George konnte natürlich nichts dazu sagen. Inzwischen hatten die Krämpfe seinen Körper in eine extrem unnatürliche Haltung verbogen und ließen ihn aussehen, wie ein monströses Fabelwesen oder ein furchterregendes Alien. Der weiße Schleim, der aus seinem Mund floss, hatte sich nun mit Blut aus der sich zersetzenden Lunge vermischt und auf dem Parkettboden des Wohnzimmers breitete sich immer mehr ein ekelhaft aussehender Fleck aus.

So, George, und was ist nun mit dieser Schweinerei? Die wirst Du ja wohl kaum selbst beseitigen können, oder? Und wieder einmal muss ich Deinen Dreck wegmachen! Ständig räume ich hinter Dir her! Herrlich, dass das nun bald ein Ende hat, falls Du jetzt endlich sterben solltest!“

George tat seiner Frau den Gefallen und starb. Seine aus den Höhlen gequollenen Augen blickten starr zur Decke, seine Gesichtszüge hatten nichts menschliches mehr und Marianne registrierte mit einem Lächeln auf den Lippen, dass es endlich vorbei war.

Vielen Dank, Liebling! Nicht, dass es mir etwas ausgemacht hätte, die Sache manuell zu beenden, aber ich finde, dass Du es mir schuldig warst, mich damit zu verschonen. Wenn ich mich jetzt mit dem Aufräumen etwas spute, habe ich vielleicht noch genug Zeit, in aller Ruhe einen schönen starken Kaffee zu trinken.“

Mariannes Tag war wie immer gut durchgeplant und lediglich die Verzögerung durch Georges zu langen Todeskampf brachte sie ein kleines bisschen aus dem Konzept.

Wenn sie ihren Kaffee getrunken, die Leiche beseitigt, gründlich aufgewischt und den Hund gebadet hatte, würde sie ein halbes Stündchen mit Cindy quatschen können, um sich deren Urlaubserlebnisse anzuhören. Danach konnte Marianne sich in aller Ruhe umziehen, zum Wagen gehen und dann zur Theaterprobe fahren.

Stirb schön, Liebling...!“ hieß das Stück, in dem sie die Hauptrolle spielte. Man riss sich um Marianne, denn es gab kaum eine andere Schauspielerin, die sich so perfekt auf ihre Rollen vorbereitete und sie mit so viel Glaubwürdigkeit spielte, wie Marianne.

Eine Frau ermordet ihren Mann, weil sie sich an ihm für seinen Betrug rächen wollte. Sie vergiftet ihn und sieht dabei zu, wie er langsam und qualvoll stirbt.

Das verlangt einer Schauspielerin natürlich alles ab und Marianne hat es in der Vergangenheit immer so gehalten, dass sie zu hause bis ins kleinste Detail probt, bis sie sich zu einhundert Prozent in die Rolle hineinversetzen kann. Dass diese Art der Vorbereitung das Privatleben hin und wieder belastet, nahm sie dabei gerne in kauf, denn was gab es Schöneres, als den lang anhaltenden Applaus des begeisterten Publikums?

Marianne freute sich auch schon auf ihre nächste Rolle.

Man hatte sie gebeten, in einem halben Jahr die 'Christa Lehmann', eine schreckliche deutsche Serienmörderin aus den sechziger Jahren zu spielen. Die geistesgestörte Christa Lehmann soll mindesten drei Menschen drei Menschen mit dem Pflanzenschutzmittel E-605 ermordet haben.

Mindestens drei Menschen! Marianne würde sich wieder sehr gründlich auf diese Herausforderung vorbereiten. Im Geiste überlegte sie schon, wer es in ihrem Umfeld und auch in der Verwandtschaft verdient hatte, ihr bei den Proben behilflich zu ein.



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Langsam gehe ich auf das sechzigste Lebensjahr zu. Da hinter mir nahezu jede emotionale Erinnerung »verschwindet«, besitze ich keinerlei sichtbare Erinnerung! Vieles von dem, was ich Ihnen aus meinem Leben berichte, beruht auf alten Notizen, Erinnerungen meiner Frau und meiner Mutter oder vielleicht auch auf sogenannten »falschen Erinnerungen«. Ich selbst erinnere mich nicht an meine Kindheit, Jugend, nicht an meine Heirat und auch nicht an andere hochemotionale Ereignisse, die mich zu dem gemacht haben, was ich heute bin.

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