Hans Witteborg

Das Danaer Geschenk



Wer freut sich nicht, wenn er etwas geschenkt bekommt? Vielleicht derjenige, der etwas ablehnt und versichert: das möchte ich nicht einmal geschenkt? Hier scheinen sich Geber und Beschenkter in ihren Zielen offenbar nicht einig zu sein. Es zeigt uns, daß ein Geschenk ein zwiespältiges Wesen hat. Auf der einen Seite vermittelt es Dankbarkeit, Zuneigung und Liebe,
verbreitet Freude und Überraschung, die dunkle Seite hingegen steht für erkaufte Zuneigung, für gefügig machen, Vertuschung, Vorteilserheischung oder Arglistig. Man erinnere sich an das Geschenk der Danaer, das Trojanische Pferd, das zum Untergang jener berühmten Stadt führte, weil man die Mahnungen der Seherin Kassandra nicht beachtete. Ein Geschenk,
das nichts als Unheil bewirkte, auf diese Weise die Charakterschwäche der Menschen offenbarte.
Geber aber auch Beschenkter müssen sich somit – völlig ungewollt – einer verborgenen Wahrheit stellen. Ob sie sich dessen immer bewußt sind?
Die Geschichte, über die ich heute berichten möchte, kann wahr sein oder auch nicht, denn sie stammt aus einem Traum. Träume kann man ernst nehmen oder belächeln, sie als wahr empfinden, in die Welt der Märchen einordnen oder auch als Warnung verstehen. Schließlich bleibt es jedem überlassen was er glauben will oder denkt. Ich überlasse euch derweil euren Gedanken während wir uns in die Einkaufsstraße einer Stadt begeben und uns in dem Strom
der Passanten treiben lassen.
An einer belebten Ecke saß auf einer schmutzigen Decke ein Bettler mit einer Blechdose in der sich einige Cents befanden, gleichsam als wollten sie dazu auffordern, daß man ihnen Gesellschaft leiste. Neben dem Bettler hatte sich sein Hund auf den Boden gelegt. Auffällig an ihm war sein struppiges, ungepflegtes Fell und seine Augen, die wie glühende Kohlestückchen starrten, während seine Nase gekraust war, was wie ein bösartiges Grinsen wirkte. Etliche Passanten gingen achtlos an dem Paar vorüber, wenngleich die Blechdose nahezu nach dem Klappern hinein geworfener Münzen schrie. So sah es wohl auch ein junger Mann, der vor dem Bettler verhielt und etwas umständlich ein Zwei-Eurostück aus seinem Portemonai herausholte, sich zu dem Bettler beugte, um seine Gabe in die Blechbüchse zu legen. In diesem Augenblick ergriff der Beschenkte mit harter Hand den Arm des jungen Mannes und zog den Verblüfften zu sich heran. Er flüsterte ihm etwas ins Ohr worauf der Freigebige das Geldstück wieder an sich nahm und offenbar hoch erfreut seines Weges ging.
Der Hund sah ihm mit einen verschlagenem Grinsen nach.
Den genauen Wortlaut dessen, was der Bettler dem jungen Mann zugeflüstert hatte, kennen wir nicht, dazu waren wir nicht nah genug am Geschehen. Da wir aber von Natur aus neugierig sind, haben wir den Passanten befragt. Dabei erfuhren wir, daß der Bettler ihm versprach, wenn er die Münze wieder in seinen Geldbeutel zurück lege, er sie so häufig ausgeben könne wie er wolle, es würde sich immer ein Münze gleichen Wertes wieder in seinem Partemonai einfinden. Wer ´s glaubt! Auch der junge Mann wurde nun skeptisch und machte die Probe aufs Exempel. Er ging zu einem Würstchenstand, kaufte sich eine Rostbratwurst, bezahlte mit der erwähnten Münze, nahm das restliche Wechselgeld entgegen und sah zu seiner Verblüffung, daß sich ein weiteres Zwei-Eurostück wieder in seinem Geldbeutel befand. Hatte er die Münze zuvor übersehen – war es also reiner Zufall was er da erlebte? Er strebte eine Weiteren Prüfung dieses Phänomens an. Dazu ging er in eine Buch-
Handlung, nahm sich das erst beste Buch aus dem Regal und ging damit zur Kasse. Das Buch kostete €19,50. Erlegte zwei Euro auf den Zahltisch, sah, wie sich daraufhin ein weiteres
Geldstück in seinem Portemonai einfand. Er wiederholte die Prozedur vor den erstaunten Augen der Kassiererin so lange, bis das Buch bezahlt war und sich ein Haufen Münzen auf dem Zahlteller befand. Fröhlich pfeifend verließ er die Buchhandlung und eilte nach Hause.
Dort angekommen erzählte er das Unglaubliche seiner Freundin, die ihn zunächst für übergeschnappt hielt und auf einer Probe bestand, nachdem ihr Freund unter schwören aller heiligen Eide ihr das Wunder glaubhaft machen wollte.
Es geschah alles wie gehabt. Sie konnten noch soviel Male das Geldstück entnehmen wie sie wollten. Der anfängliche Spaß entwickelte sich nun zu einem Wettbewerb. Wer konnte am schnellsten den Geldbeutel öffnen, die Münze entnehmen und eine neue Münze herausholen.
Nachdem sie so eine ansehnliche Anzahl von Geldstücken zusammen hatten über legten sie, wie sie nun weiter vorgehen sollten. Zunächst mußten sie die Münzen gegen Papiergeld eintauschen, denn es gab plötzlich Wünsche, die sich mit einem Haufen Kleingeld nicht erfüllen ließen. Mit ihren Wünschen wuchs auch ihre Gier und die Gegenstände, die sie kaufen wollten wurden immer teurer. So schufteten sie Tag und manchmal auch die Nacht durch, schon reichte die kleine Einraumwohnung nicht mehr aus alle Münzen zu verstauen. Sie kauften sich Jutesäcke, befüllten diese, soweit sie das Gewicht noch tragen konnten, und schafften den gesamten Reichtum in den Keller, der auch bald schon zu klein zu werden drohte.
Eines Tages als sie gerade wieder ein Säckchen aus ihrem Vorrat holten, zerriß dieses in dem Augenblick, als ein Nachbar gerade den Kellergang betrat. Er half ihnen zwar die Münzen wieder einzusammeln, machte sich aber so seine Gedanken. Er konnte nachts deswegen nicht einschlafen und vermutete , daß die Münzen aus einem Überfall stammen könnten. Als guter Staatsbürger gab er deshalb der Polizei einen Tipp. Die Staatsmacht ließ sich nicht lange bitten. Mit einem Durchsuchungsbeschluß drang die Polizei in den Keller ein. Sie wurden fündig und beschlagnahmten eine hydraulische Prägepresse sowie mehr als zwei Tonnen
ungestanzter Münzrohlinge. Die beiden jungen Leute wurden verhaftet... sie konnten sich die Situation nicht erklären, das, was sich wirklich abgespielt hatte, hätte ihnen ohnehin niemand geglaubt. Ihr seht also, daß ihr damit nicht alleine seid. An dieser Stelle verliert sich der Traum. Es offenbart sich uns jedoch diese Wahrheit: Danaer Geschenke sind nicht nur von Arglist geprägt sondern zeigen auch den wahren Charakter des Beschenkten wie der mit der freiwilligen Gabe umgeht.
Das sollte uns nicht daran hindern Wünsche zu haben, denn auch die sind ein Geschenk des Lebens. Doch Vorsicht:

Eines Tages

Eines Tages wirst du sehen,
wird die Hoffnung sich erfüllen,
Wünsche in Erfüllung gehen
deine Sehnsucht stillen.

Eines Tages – weiß nicht wann –
Werden Träume wahr
Welt verändert sich und dann
stehst du ohne Träume da!

Wünsche, Träume sind nicht mehr,
wie du wolltest. Sag ´s,
ist da Leben so nicht leer
eines schönen Tags?



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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.06.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Vom Ufer aus von Hans Witteborg



Die Gedichte begleiten durch die vier Jahreszeiten und erzählen wie die Natur erwacht, blüht und welkt, wissen von reicher Ernte zu berichten. Der Spätsommer im Park, winterliche Gefilde oder Mailandschaften scheinen auf. Der Autor verwendet meist gereimte Zeilen, zeigt sich als Suchender, der neues Terrain entdecken möchte. Der Band spricht von den Zeiten der Liebe, zeigt enttäuschte Hoffnungen und die Spur der Einsamkeit. Wut und Trauer werden nicht ausgespart. Es dreht sich das Kaleidoskop der Emotionen. Der kritische Blick auf die Gesellschaft und sich selbst kommt zum Zuge. Kassandras Rufe sind zu hören. Zu guter Letzt würzt ein Kapitel Humor und Satire. So nimmt der Autor seine Zettelwirtschaft aufs Korn, ein hoffnungsloser Fall.

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