Kim-Isabell Birth

Bedingungslos Geliebt

Sie saß gelangweilt an ihrem Schreibtisch. Schon seit Tagen war nichts Aufregendes passiert. Sie war vertieft in Gedanken. Sie lag am Strand auf einer schönen warmen Insel . Die Sonne schien und wärmte sie.
Plötzlich klingelte das Telefon. Sie nahm den Höher und meldete sich: „Polizeipräsidium, Becker mein Name. Was kann ich für Sie tun?“ Erst hörte sie nur ein Schluchzen.  Dann hörte sie eine Frau sprechen: „Bitte kommen sie schnell. Ich glaube ich habe meinen Mann umgebracht.“
Sie war schockiert. Noch nie in ihrem Leben war ihr derartiges passiert. Sie hatte solche Situationen vor Jahren auf der Polizeischule gelernt, doch in der Realität ist die Regel ruhig zu bleiben leichter gesagt als getan. Trotzdem versuchte sie es: „Wo befinden Sie sich, Miss?“ Das Schluchzen hörte nicht auf. Im Gegenteil es wurde noch schlimmer. „Ich bin in unserer Wohnung. 1 Sutton Lane. Bitte kommen sie schnell.“
Dann legte die Frau an der anderen Leitung auf. Nur noch der Ton, wenn jemand auflegte war zu hören. Becker legte den Hörer auf und wählte dann die Nummer von einem Einsatzwagen. Sie gab den Notfall und die Angaben durch.
Nur knapp eine Stunde später kamen ihre Kollegen mit der Frau, mit der sie am Telefon sprach, in das Präsidium. Die Frau war grün und blau am ganzen Körper. Ihr Arm war gebrochen und sie hatte eine Platzwunde am Kopf.
Becker wusste sofort, dass diese Frau geschlagen worden sein musste.
Sie schaute ihren Kollegen nach, die die Frau in einen Verhörraum brachten. Das Verhör dauerte nicht lange, da die Frau sofort gestand ihren Mann mit einem Messer erstochen zu haben, als er sich an ihren Kindern vergehen wollte. Die ganze Zeit bedauerte die Frau, was sie getan hatte. Doch jeder Mensch konnte es verstehen. Es war Notwehr. Sie hatte ihre Kinder beschützen wollen. Das sah jeder. Becker war so fasziniert von der Frau, dass sie einen Mord für ihre Kinder auf sich nahm, dass sie sich die Verhandlung der Frau ansah. Jeden Tag verfolgte sie das Geschehen. Becker dachte, dass jeder verstehen müsse, dass die Frau nur ihre Kinder beschützen wollte. Doch der Richter sah dies anders.
Er stufte diese Tat als Mord ein.
Die Frau bekam lebenslänglich.
 Becker war enttäuscht von dem Richter. Doch sie nahm sich vor, die Frau zu besuchen. Sie wollte mit der Frau reden. Nicht am Telefon, nein von Angesicht zu Angesicht.
 Es verging einige Zeit, doch dann konnte Becker die Frau besuchen.
Noch nie hatte Becker jemanden in der Justizvollzugsanstalt besucht. Sie hatte es eigentlich auch nicht vor. Doch irgendetwas zwang sie dazu. Becker setze sich auf den Stuhl gegenüber der Frau. Die Frau sah sie nur an und fragte: „Entschuldigen Sie, aber kennen wir uns?“ Becker lächelte leicht.
Sie hatte mal gelernt, dass Menschen weniger Angst haben wenn man sie Anlächelt.
 „Nein, wir kennen uns nicht. Ich habe mit Ihnen am Telefon geredet, als Sie die Polizei anriefen um zu sagen, dass ihr Mann tot sei.“ 
Becker merkte, dass der Mord die Frau belastete. Sie fing an zu weinen. Und dann begann sie zu reden: „Ich wollte ihn wirklich nicht umbringen. Ich hab ihn doch so sehr geliebt. Wissen Sie wir lernten uns damals in der Schule kennen. Es war Liebe auf den ersten Blick. Wir waren sehr lange ein Paar, bis ich schwanger wurde und wir heirateten. Er war zu Anfang ein wirklich lieber Kerl. Er las mir jeden Wunsch von den Augen ab. Wirklich jeden. Und er war auch ein guter Vater. Ich tat alles für ihn. Wenn er gesagt hätte ich solle aus dem Fenster springen hätte ich das getan. Alles hätte ich ihm verziehen zu dem Zeitpunkt. Es wäre mir egal gewesen ob er fremd gegangen wäre oder ob er eine Bank überfallen hätte ich habe diesen Mann mehr geliebt als alles andere. Ich hab ihn bedingungslos geliebt. Nie hatte ich einen Wunsch ich war glücklich, wenn er nur in meiner Nähe war. Nie stellte ich eine Bedingung. Ich vergötterte ihn und wollte nur, dass er glücklich ist mit mir und mit den Zwillingen.“ Sie weinte bitterlich. Becker konnte ihre Tränen nur mit Mühen zurückhalten. Sie hatte auch mal jemanden sehr geliebt doch dieser ist bei einem Drogeneinsatz ums Leben gekommen. Becker konnte die Frau verstehen. Sie konnte verstehen, dass sie diesen Mann geliebt hatte. Umso weniger konnte Becker den Richter verstehen, der die Frau verurteilte. Während Becker sich innerlich über den Richter und das Urteil aufregte erzählte die Frau weiter: „Doch dann verlor er seinen Job. Er suchte Trost bei einer Bierflasche. Irgendwann wurde der Frust über den Verlust des Jobs so groß, dass er schon morgens anfing zu trinken. Er konnte nicht mehr aufhören. Als ich dann einen Job bekam wurde er wütend. Er meinte ich könne ihn auch gleich verlassen und das ich in meinem Leben ja prima klar käme und das ich ja auch ohne ihn einen Job finden würde. Aber ich wollte ihn nicht verlassen. Ich liebte ihn doch immer noch wie am ersten Tag. Darum dachte ich auch es wäre nur ein Ausrutscher als er mich das erste Mal schlug. Doch es schien ihm zu gefallen. Jeden Tag nachdem er aufstand und eine Flasche, meistens Bier, getrunken hatte und die Kinder aus dem Haus waren musste er mich schlagen. Es wurde jeden Tag schlimmer und schlimmer. Doch anstatt die Fehler bei ihm zu suchen, suchte ich sie bei mir. Ich machte mir Vorwürfe. Ich dachte ich hätte es verdient. Ich dachte wenn es ihm hilft sollte ich es über mich ergehen lassen. Was anderes konnte ich nicht für ihn tun. Ich stellte ja nie eine Bedingung und er hat mir auch jeden Wunsch von den Augen abgelesen gehabt dachte ich mit. Also musste ich ihm doch helfen und wenn es so sein musste, dass er mich schlug. Das komischste an dem ganzen ist, dass ich ihn trotzdem immer noch liebte. Ich liebte ihn immer noch genauso bedingungslos wie am ersten Tage. Und das änderte sich auch nicht in den ganzen Jahren in denen er mich misshandelte. Doch an diesem Tag, an dem ich ihn erstach kamen unsere Kinder früher von der Schule nach Hause. Sie sahen, wie er mich schlug und wollten dazwischen. Er ließ sich nicht abhalten auch unsere Kinder zu schlagen. Ich flehte ihn das nicht die Zwillinge zu schlagen. Ich bettelte und zog ihn zurück. Doch ich war machtlos. Er war zu stark für mich. Dann flehte ich meine Kinder an zu fliehen doch die zwei wollten mich nicht allein lassen. Da erkannte ich, dass ich etwas tun musste. Ich musste sie einfach beschützen. Es sind schließlich meine Kinder. Das einzige was mir noch geblieben war. Sie waren der Grund wieso ich meinem Mann immer noch liebte. Sie waren der Grund wieso ich meinen Mann erstach, um sie zu retten. Zuerst wusste ich nicht was ich tun konnte, er war ja viel zu stark für mich und dann sah ich in die Küche und entdeckte ein Messer. Es lag da und funkelte mich an. Also nahm ich das Messer und stach zu. Und in diesem Moment war der ganze Spuk vorbei. Ich freute mich, dass er meine Kinder nicht mehr schlagen konnte. Dennoch  ich fühle mich so schuldig, ich wollte doch nur meine Kinder retten. Ich wollte keine Mörderin sein.“  Sie weinte bitterlich. Sie weinte so herzergreifend, dass Becker auch weinen musste. Ihre mit Mühen zurückgehaltenen Tränen kullerten über ihre Wangen. Es wurden immer mehr und mehr. Becker wollte sich beruhigen und atmete tief ein und aus. Nach kurzer Zeit hatte sie sich wieder gefasst. Doch sagen konnte sie zu der Geschichte nichts. Becker konnte die Frau verstehen. Sie hätte das gleiche getan, jede Mutter hätte das getan. Jede Mutter hätte um jeden Preis seine Kinder beschützt. Becker konnte immer noch nicht verstehen wieso der Richter diese Frau als Mörderin hinstellte. Es war Notwehr und, dass die Frau direkt bei der Polizei anrief musste doch Beweis genug sein, dass diese Frau niemanden freiwillig umbringen würde. Becker fasste in diesen Moment einen Entschluss. „ Hören Sie, ich kann Sie sehr gut verstehen. Jede Mutter hätte so gehandelt. Und ich verspreche Ihnen, dass ich alles tun werde, damit der Richter ihre Tat auch als Notwehr anerkennt. Was anderes außer Notwehr kann es gar nicht gewesen sein. Höchstens Totschlag in einem Minderschweren Fall Sie wollten nur ihre Kinder retten.“ Becker hatte so eine Entschlossenheit das letze Mal gemerkt, als sie beschloss Polizistin zu werden. Sie wollte die Gauner dieser Welt einsperren. Und für sie war so ein Mann der eine Frau schlug und nicht einmal vor den eigenen Kindern halt machte ein Gauner. Becker stand auf und klopfte an die Tür. Das war das Zeihen, dass sie die Zelle verlassen wollte. „Ich werde wieder kommen und ich werde sie hier rausholen. Zum Wohle ihrer Kinder.“ Dann verließ Becker die Zelle und machte sich auf den Weg zu einem Anwalt. Die Frau saß in der Zelle und weinte immer noch. Dennoch machten ihr die Worte von Becker Mut.
Seit jenem Tag geht Becker so oft wie möglich zu der Frau in die JVA und redet mit ihr. Sie sind gute Freundinnen geworden. Becker hat sogar ihre Kinder aus dem Heim geholt. Sie versucht immer noch mit ihrem Anwalt, dass ihre Freundinn aus dem Gefängnis entlassen wird. 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.06.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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