Lothar Schwalm

Der Sohn

Oft saß er stundenlang auf seinem Bett. Die Tür war verschlossen. Aus einer Box über dem Heizofen kam leise die Musik gekrochen. Am liebsten hörte er Blues. Manchmal hatte er auch New Wave auf dem Plattenteller. Der Inhalt der Texte war ihm gleichgültig, er hörte sowieso nie hin. Allein der Stil faszinierte ihn, brachte ihn immer wieder auf andere Gedanken, zog ihn in neue Träume hinein… Nicht selten überhörte er die Stimme seiner Mutter, die ihn zum Abendbrot rief, übersah er, dem Abend näher rückend, dass der Tag verschwand. Es war alles so hoffnungslos.
 
Seine Eltern wussten auch nicht, wie sie ihm helfen konnten. Seit vier Monaten nun suchte er jetzt schon eine Lehrstelle – vergebens. Das Abitur hatte er zwar geschafft, aber das half ihm jetzt auch nicht weiter. Wie oft hatte er sich nach freien Plätzen erkundigt, wie viele Bewerbungen und Anfragen hatte er geschrieben; aber die Antwort war denkbar immer die gleiche. Allmählich verlor er auch die Lust. Er zog sich zurück. Seine Eltern machte das auch nicht glücklicher; auch sie hatten eine ganze Menge Sorgen. Die Dialoge wurden mit der Zeit kürzer. Er sprach höchstens mal über ein Angebot, das er von Freunden bekommen hatte. Sie suchten noch Leute für die WG, damit das Ganze billiger würde. Er hatte noch nicht großartig darüber nachgedacht. Seine Eltern hatten hin und wieder ihre Gedanken ausgetauscht und besprochen, was dann werden würde. Seine Mutter wusste nicht recht, was sie dazu sagen sollte, der Vater fand die Idee nicht schlecht und bot sich an, ihm dabei zu helfen. Aber noch war er sich nicht darüber im Klaren, wie er sich entscheiden sollte.
 
Die Tage gingen dahin. Er bekam das Gefühl, nur noch vor sich hin zu vegetieren, fühlte sich unwohl in den eigenen vier Wänden. Die kleinste Unebenheit im gewohnten Tagesablauf reizte ihn und macht ihn nervös. Die Stimmung war gedrückt. Lange würde er das nicht mehr aushalten, das wusste er. Auch die Aussicht auf einen Ausbildungsplatz schien ihm immer kleiner zu werden. Seine Mutter schien das Ganze ziemlich mitzunehmen. Er merkte es. Sein Vater tat so, als würde er die Stimmung, die gerade herrschte, übersehen, aber auch ihm sah man die letzten Wochen an.
 
Auch an diesem Nachmittag führte ihn der Blues in eine andere Gedankenwelt. Er träumte von Blumen, die zum Himmel aufstiegen und von Kometen, die versuchten, ihrem eigenen Schweif nachzujagen. Die Nadel des alten Plattenspielers drehte wie gewohnt ihre Runden. Plötzlich blieb sie hängen. Zwei-, drei, viermal hörte man die gleiche Tonfolge hintereinander. Jäh zerplatzte seine Traumwelt. Er stand auf, ging zum Regal, um den Plattenspieler abzustellen. Sein Blick fiel auf den alten Schrank, den er mal geschenkt bekommen hatte. Langsam ging er auf ihn zu, schob die rechte Tür beiseite, holte den verstaubten Koffer hervor und begann zu packen…
 
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.06.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Weil ich das Verschwenderische des Lebens begriffen habe, die Extreme erkannte und über den Weg von einem zum anderen nachzudenken anfing, weil ich verstand wie elend es ist, wußte ich auch, wie schön es ist und weil ich erkannte, wie ernst es auch ist wußte ich auch wie fröhlich es ist.

Und weil ich begriff wie lang und wie kurz der Weg zwischen beiden ist, nahm ich ihn auch wahr und so ist mir heute jeder Schritt es wert eingehalten zu werden, weil hinter jedem Ereignis sich ein anderes verbirgt und sichtbar wird.

Und deshalb schrieb ich diesen Gedichtband.

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