Hans Witteborg

Wie fabelhaft ist das denn?


Fast jeder kennt das Märchen vom Hasen und dem Igel, einer Wette, die durch hinterhältigen Betrug gewonnen wurde und dem armen Meister Lampe das Leben gekostet hat. Ich persönlich finde, dass man die beiden Meckies nicht hätte so davon kommen lassen – rein aus pädagogischen Gründen, denn das Märchen hatte ja wohl die Zielgruppe der Kinder, die man schon früh damit auf Schadenfreude eingestimmt hat.
Aber aus den Kindern werden irgendwann auch einmal Erwachsene und exakt für die Zielgruppe aufstrebender, abhängiger Beschäftigter habe ich mich zu einem „Lauschangriff“ hinreißen lasen.
Es war vor einer jener seelenlosen Bürohochhäuser – ihr wißt schon, dort wo man seine gute Erziehung an der Garderobe abgibt, dafür aber in den grauen Mobbingkittel schlüpft, um anderen Kollegen oder Untergebenen das Leben schwer zu machen. Die Geschäftsleitung hatte ein Tier-Casting für einen Werbespot angesetzt, das der berühmte Pieter Stohlen leiten sollte.
Viele „Tierliebhaber“ versammelten sich vor dem Gebäude und hatten ihre geflügelten oder vierbeinigen Lieblinge mit gebracht, die sich entweder angifteten (die Tiere) oder sich herzlich langweilten. So auch zwei seltsame Gestalten – eine Schildkröte und eine Ziege –
deren Unterhaltung ich das Vergnügen hatte zu lauschen. Bevor mich nun jemand Lügenbaron schimpft: ich bin weder Baron noch ein Lügner! Man übersieht häufig, daß dies in Märchen und Fabeln durchaus gängige Praxis ist ich meine, wenn Tiere sprechen und man das auch versteht. Dies zur Erklärung für die immer wieder kritischen Stimmen, die es sich nicht verkneifen können alles anzuzweifeln!

Die Ziege: du bist mir vielleicht ein Lahmarsch...glaub doch nur nicht, daß du genommen wirst!
Schildkröte: dich hat man doch schon im Märchen „Tischlein deck dich“ vom Hof geprügelt.
Ziege: bei der Geschwindigkeit mit der du dich bewegst bist du nicht mal um Mitternacht bei der Vorstellung.
Schildkröte: daß die Zicken mit ihren langen Beinen immer glauben, die Welt läge ihnen zu Füßen. Bevor du nur Mäh sagen kannst, bin ich dir schon enteilt.

Das war wohl sehr arrogant gesprochen und hatte meiner Meinung nach nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Doch wer fragt schon nach meiner Meinung! Die Ziege jedenfalls nicht.

Ziege darauf: ich wette, daß ich mindestens zehnmal bis ins obere Stockwerk laufen kann, bevor du die erste Etage überhaupt erreicht hast!
Schildkröte: die Wette halte ich! Und sei es, daß es nur um die Ehre geht. Aber wir brauchen einen Schiedsrichter, denn Ziegen sind nicht ehrlich...ich sage nur „wovon sollt ich satt sein, ich sprang nur über Gräbelein...“
Ziege: schon gut, schon gut..
Dann deutete sie auf mich, ich ein Auserwählter! Von einer Ziege auserwählt, das war mir seit meiner Tanzstundenzeit nicht mehr passiert – ich fühlte mich geschmeichelt!
Nachdem die Duellanten in Stellung gegangen waren, gab ich das Kommando: „Auf die Plätze, fertig los!“ die Ziege rannte und wirbelte soviel Staub auf, daß ich eine ganze zeitlang nichts mehr sehen konnte. Beide Tiere waren meinen Blicken entschwunden. Ich nahm den Fahrstuhl, um zu sehen, wie schnell die Ziege das Obergeschoß wohl erreichen würde. Erstaunt stellte ich fest, daß die Schildkröte sich dort schon in aller Ruhe befand, während die Ziege mit heraus hängender Zunge gerade keuchend die letzte Treppenstufe nahm.
„Betrug,“ hauchte sie, „du hast den Fahrstuhl benutzt!“. Ich als Schiedsrichter konnte dies verneinen auch gab es sonst keine Anzeichen irgendeines Betruges.
Die Ziege und ich platzten denn auch vor Neugier, wie die Echse-Hexe das wohl bewerkstelligt haben könnte.
„Wenn ihr das nicht breittretet, werde ich es euch verraten.“ Wir versprachen es.
„Nun,“ sagte die Schildkröte, „um im Leben schneller hoch zukommen als andere, muß man kriechen und nicht meckern!“

Ich breche hier mein Versprechen. Eine solche Weisheit darf nicht verlorengehen man muß sie allen abhängig Beschäftigten zur Kenntnis bringen... nicht nur zu deren Wohle, nein auch den überfordeten Chefs gegenüber, wie fabelhaft ist das denn?!


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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.07.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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