Andrea Zirbes

Just a smile - Teil 1 + 2 NEU: Teil 3

Teil 1:

Die Sonne brannte von einem azurblauen Himmel, meine Füße schmerzten und ich hatte das dringliche Gefühl, dass mein Kreislauf nur noch wenige Minuten durchhalten würde. Mit nachlassender Kraft umklammerte ich die Metallbrüstung vor mir, die mir jedoch durch den enormen Druck der wohl weit über 40.000 Menschen hinter mir die Luft zu nehmen drohte. Mein staubtrockener Mund sehnte sich nach einem Schluck Wasser – oder vielleicht doch lieber nach einem ganzen Fass. Meine Kleidung, die ich heute morgen sorgsam ausgewählt hatte, klebte an meinem schweißnassen Körper und ich war froh darüber, dass ich mich für den sehr kurzen Minirock aus hellem Jeans statt für die enganliegende Röhrenhose entschieden hatte. Das etwa DIN A 2 große Plakat mit dem Hinweis 'Mercy' hütete ich mit meinem Leben. An meinem Handgelenk baumelte meine Kamera, die ich eigens für diesen Anlass mit einer 16 Gigabyte SD-Karte ausgestattet hatte.

Alles in allem wohl sehr widere Umstände und doch der aufregendste und schönste Tag in meinem Leben - ein Bon Jovi Open-Air Konzert und ich stand in der vordersten Reihe mittig vor der großen, halb runden Bühne, deren komplette Rückwand eine riesige Leinwand darstellte.

Ich stand nun schon seit mehr als sechs Stunden auf dieser einen Stelle, die vier langwierigen und nervenaufreibenden Stunden vor dem Einlass nicht mit einbezogen.

Die beiden mäßig guten Vorgruppen, eine Band aus Frankfurt, deren Namen ich vergessen hatte und ein amerikanisches Rockquartett namens 'Vintage Trouble' hatten ihre jeweils halbstündigen Auftritte vor einem von den glühenden Temperaturen geräderten Publikum endlich beendet und Mitarbeiter bauten die Bühne um. Das große Happening stand nun unmittelbar bevor.

Es war viertel nach acht, als sich der Bühnenbackground in ein orange-gelbes Farbenmeer verwandelte, um Bon Jovi anzukündigen. Ein einträchtiges Grölen aus der Menge war zu vernehmen.

Dann die ersten E-Gitarrenklänge von Richie Sambora. Ich erkannte den Song auf Anhieb – 'Raise your hands'. Wie gebannt starrte ich auf die Treppe in der Mitte der Plattform, die unter die selbige führte und im gleichen Moment schon stürmte Jon von dort aus die Bühne.

Meine schmerzenden Arme reckten sich in die Höhe und ein schriller Aufschrei verließ meinen Mund. Ohne Nachlass schoss Adrenalin durch meinen ermüdeten Körper und hielt mich die folgenden drei Stunden auf den Beinen.

Das Highlight dieses Konzerts bestand zweifellos aus den Sekunden, in denen Jon mich von der Bühne aus ansah und über das Mikrofon in seiner Hand auch den Rest der Fanmenge über die Aufschrift meines Plakates informierte. Darauf folgte dieses unglaubliche, sanfte Lächeln, mit dem er seit nahezu dreißig Jahren Frauenherzen zum Schmelzen brachte.
Wenn man von so jemandem wie Jon Bon Jovi angesehen wird, dann wird einem heiß und kalt zugleich und man fühlt sich benebelt von diesem stolzen Ehrgefühl, das einem in so einem großartigen Moment zuteil wird.

 

Die letzten Takte einer atemberaubenden Show verklangen, die Scheinwerfer verloschen und tauchten den großen Platz in ernüchternde Dunkelheit. „Das war es nun“, dachte ich. „Ich habe ihn endlich sehen dürfen. Aber soll es das wirklich gewesen sein?“ Ich konnte und wollte mich nicht damit abfinden, dass er jetzt so einfach wieder weg sein sollte, dass ich zum Auto ging und nach Hause fuhr und mein Leben weiterlebte wie vorher. Das war unmöglich, nicht nach diesem Blick, diesem Lächeln. Und doch wusste ich, dass es genauso sein würde. Was auch sollte ich tun?

Ich drehte der Bühne den Rücken zu, als zwei kräftige Hände meinen Körper von hinten packten und mich über die metallene Brüstung in den Fotograben zogen. Erst jetzt nahm ich zwei Sicherheitsmitarbeiter wahr, die mir verständlich machten, dass ich mit einer Limousine zum Luxushotel Sheraton gebracht werden sollte. Den Rest der Erklärung nahm ich durch einen dumpfen Schleier zur Kenntnis, denn ich wusste, dass Bon Jovi in dieser Unterkunft residierten. Wortlos, verwirrt und tausend Gedanken sortierend ließ ich mich zum Fahrzeug bringen, einem nachtschwarzen Mercedes S 65 AMG. Ich schwieg die ganze Fahrt und konnte nicht einen einzigen klaren Gedanken fassen. Warum durfte ich ins Hotel fahren? Was erwartete mich dort? Und noch viel wichtiger: Durfte ich Jon wiedersehen? Fragen über Fragen, die mich zermürbten und sichtlich nervöser werden ließen.

Mit einem Hotelangestellten betrat ich das Gebäude, dessen Lobby mich überwältigt von all dem Luxus staunen ließ. Einige Minuten später wurde ich aus der Obhut meines Begleiters entlassen in eine Ungewissheit, durch die ich alsbald zu platzen drohte....

Teil 2:


Die Beine übereinander geschlagen, wartete ich nervös auf einer der pastellgelben Couchen, die sich perfekt in das moderne Ambiente der Hotellounge einfügten. Gedämpftes Licht und Musik in angenehmer Lautstärke taten ihr Übriges – eine gemütliche Wohlfühlatmosphäre. Doch auf mich wirkte alles hier sehr neu, sehr aufregend – ja, und auch seltsam irgendwie. Ich fühlte mich wie in einem meiner Träume und erwartete eigentlich jeden Moment die Melodie von 'Who says you can't go home', die aus meinem Handy drang und mich sanft aus meinem bittersüßen Schlaf holte.

Und dann geschah etwas, das so gar nicht real sein konnte. Ich nahm ein ruhiges, liebevolles „Hi“ hinter mir wahr mit einer Stimme, die mir mehr als vertraut war. Erschrocken drehte ich mich um und erblickte Jon, der bloß einfach so dastand und mich wieder einmal an diesem Abend mit seinem Lächeln verzauberte.

Mit angehaltenem Atem starrte ich ihn an. Völlig hilflos stotterte ich ein „Hi“ und bemerkte, wie ich im selben Moment schon rot wurde. Meine Wangen glühten. Langsam stand ich auf und Jon begrüßte mich mit einer etwas zurückhaltenden Umarmung. „Das ist doch Wahnsinn“, dachte ich. „Ich muss träumen“. Ich schloss die Augen und atmete sein süßlich-herbes Parfum ein.

Ich war noch völlig hingerissen von seinem Duft, als Jon sich in einen Cocktailsessel schräg gegenüber der Couch fallen ließ. Ich setzte mich ebenfalls, da ich fürchtete, meine Beine könnten mich vor Nervosität nicht länger tragen.

Jon betrachtete mich eine Weile und sagte dann: „Ich weiß ja noch gar nicht, wie du heißt. Verrätst du mir deinen Namen?“ Ich schluckte schwer und antwortete mit Mühe: „Ich heiße Andrea.“ Ein kurzes Lächeln huschte über seine Lippen. Ich beobachtete jede seiner noch so winzigen Bewegungen. Als er zwei Cocktails bei dem gerade vorbeilaufenden Kellner bestellte, entspannte ich mich schlagartig etwas.

Er musterte mich eine kurze Zeit lang, dann scheinbar bemerkte er meinen fragenden Blick. Er lachte und sagte: „Du hast wahrscheinlich keine Ahnung, warum du hier bist.“ Und er hatte Recht, ich war völlig verwirrt. „Du hattest vorhin ein unbeschreiblich tolles Funkeln in den Augen, deshalb musste ich dich unbedingt kennen lernen“ , erklärte er mir mit sanfter Stimme.
Ich schluckte abermals schwer. Ich musste mich verhört haben. Mein Englisch ist gut, dennoch konnte er DAS doch nicht wirklich gesagt haben – oder doch?

Jon grinste, als er meine fassungslose Miene erblickte. Er legte seinen Kopf leicht schräg und sah mir direkt in die Augen. Eine angenehme Gänsehaut erfasste meinen Körper und die kleinen Härchen in meinem Nacken stellten sich auf.
Zum Glück wurden in diesem Moment die Cocktails gebracht, ein Frozen-Mango-Daiquiri für mich und Jon genehmigte sich einen klassischen Manhattan. Er nahm einen kleinen Schluck und plauderte munter los. Ob ich in dieser Stadt lebe, wie alt ich bin, was ich arbeite und womit ich meine Freizeit verbringe. Die Konversation mit ihm fiel mir von Minute zu Minute leichter und ich wurde lockerer.

Jon lächelte oft, das gefiel mir. Ich liebte sein Lächeln, es war herzlich, liebevoll und sanft. Und auch ab und an ein wenig spitzbübisch.
 

Teil 3:

Es war weit nach Mitternacht, als wir die Bar gemeinsam verließen und in Richtung Lobby schlenderten. Seine Hände steckten in den Hosentaschen seiner engen Blue Jeans und gelegentlich klimperten die silbernen Anhänger seiner beiden Halsketten, die über den V-Ausschnitt seines schwarzen T-Shirts hingen.

Als wir im Eingangsbereich des Hotels stehen blieben, erwartete ich mit Widerwillen und plötzlichen Bauchschmerzen den Abschied von Jon. Mein Blick wanderte gen Boden. Ein flüchtiges Lächeln legte sich auf meine Lippen. Ich rief mir die vergangenen Stunden noch einmal ins Gedächtnis und wusste, dass ich eigentlich der glücklichste Mensch aller Zeiten sein müsste, doch das Gegenteil war der Fall. Ich war todunglücklich, wollte nicht mehr von seiner Seite weichen. Ich fühlte mich ohnmächtig, kraftlos, hilflos.
Doch ehe ich weiter darüber nachdenken konnte, hörte ich Jon meinen Namen sagen. Verwirrt hob ich meinen Kopf und blickte ihn an. Dann beugte er sich zu mir vor, seine Lippen befanden sich ganz nah an meinem Ohr und er sagte mit leiser Stimme:“ Wenn du möchtest, kann ich dir MEINE Suite zeigen“ , und bezog sich damit auf meine verstohlene Bemerkung, dass ich noch nie in einer Hotelsuite war und gerne einmal eine solche sehen würde.

Und wie schon öfter an diesem Abend sah ich ihn verdattert an. Sein Blick verriet, dass er auf eine einwilligende Antwort hoffte. Und ein Nein hätte ich mir ewig vorgeworfen, dessen war ich mir sicher. Und doch zögerte ich einen Augenblick. War es richtig, ihn in sein Zimmer zu begleiten? Vielleicht gehe ich damit zu weit. Doch wie sollte ich das wissen, wenn ich das Angebot nicht annehmen würde? Naja, wahrscheinlich würde er mich anschließend raus werfen und keinen Gedanken mehr an mich verschwenden. Warum sollte er auch? Es gibt vermutlich nur wenige weibliche Wesen, die hier so vor ihm stehen und seine Einladung ausschlagen würden.
Ich sah seine saphirblauen Augen und konnte nicht widerstehen. Er schien erfreut über meine Entscheidung und wir steuerten die Aufzüge an.


Kaum, dass wir die Suite betreten hatten, war es auch schon wieder vorbei mit meiner im Laufe des Abends eingetretenen Besonnenheit.

Jon ging vorweg und sorgte für ein angenehm indirektes Licht. Direkt vor mir tat sich die beleuchtete Großstadt auf und schindete erst einmal gewaltigen Eindruck bei mir. Langsamen Schrittes näherte ich mich den großen Fenstern, um den Ausblick zu genießen. Jon ließ sich indes auf der Armlehne eines in helles Leder gefassten Sessels nieder. Ich spürte, dass er mich beobachtete, doch ich getraute mich nicht, ihn anzusehen. Es war still, von der Hauptstraße vor dem Hotel war nichts zu hören.

„Was möchtest du tun?“, hörte ich ihn plötzlich sagen. Ich drehte mich zu ihm um. Diese Frage hatte ich nicht erwartet und ich wusste auch keine Antwort darauf. „Ich weiß nicht“, entgegnete ich und wusste doch ganz genau, was ich wollte. Nervös ließ ich meinen Blick durch das große, modern eingerichtete Zimmer gleiten. Dann sah ich ihn an, sah seine etwas wilde, blonde Löwenmähne, diese tiefblauen Augen und hörte mich unversehens sagen:“Ich würde dich gerne küssen.“ Im selben Moment schon blieben mir die Worte im Munde stecken. Hatte ich das wirklich gesagt? Ich wäre in der Sekunde am liebsten im Erdboden versunken. Meine Wangen glühten wieder.

Jon stand auf und ging langsam auf mich zu. Ich konnte meine Augen nicht von ihm abwenden, ich war starr vor Schreck. Erst als er unmittelbar vor mir stehen blieb, senkte ich äußerst verlegen meinen Blick.



(...Fortsetzung folgt...)

Das Konzert fand tatsächlich so statt wie beschrieben. Alles weitere in meiner Geschichte nach Konzertende ist frei erfunden und soll niemandem Schaden zufügen.Andrea Zirbes, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.07.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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