Engelbert Blabsreiter

Der Euro und die Wespen

 

Ich sitze in den frühen Morgenstunden auf der Terrasse eines Cafés. Die noch ziemlich tief stehende Sonne scheint mir in den Rücken und ich fühle wie die wohlig warmen Sonnenstrahlen meinen Nacken wärmen.
Die teilweise noch  vorhandenen Nebelbänke über dem Stadtkanal lösen sich schnell im Licht der Sonne auf und mein erster Urlaubstag scheint perfekt zu beginnen.
Meine Frau sitzt mir seitlich gegenüber und bestellt gerade ein Frühstück für zwei Personen. Der mit  italienischem Dialekt sprechende Kellner lächelt freundlich und bewegt sich anmutig in Richtung Küche.
Eine ruhige und friedliche Stimmung herrscht auf der Terrasse des Cafés und ich beobachte unmerklich die Personen die sich um unseren Tisch herum eingefunden haben, oder schon vorhanden waren.
Zwei junge Frauen, von denen eine offensichtlich hier ihren Geburtstag feiert. Vier ältere Damen mit osteuropäischem Dialekt die sich mit einem Glas Prosecco zu prosten, und ihre Männer wohl bereits an einem anderen Ort zurückgelassen haben.
Ein junges Paar, dass sich beim Frühstücken etwas unsicher beobachtet und offensichtlich noch kein Vertrauen zueinander gefunden hat.
Kein hektisches Treiben oder störendes Gespräch in unserer Umgebung.
Einfach schön, bequem und ruhig frühstücken, ohne von einem bevorstehenden Termin oder irgendwelchen Problemen getrieben zu werden denke ich.

Nachdem der Kellner das Frühstück gebracht hat, machen wir uns genüsslich über die Gaumenfreuden her und versuchen den Moment zu genießen, als plötzlich eine einsame Wespe ihren Erkundungsflug über den Frühstückstisch durchführt.
Offensichtlich findet sie Gefallen am Inhalt der Früchteschalen und den Marmeladen die auf dem Tisch stehen, schlägt sogleich einen Haken und setzt zum Sturzflug auf unser Frühstück an.
Eine Feinschmeckerin denke ich, sonst wäre sie nicht gleich im Orangensaftglas meiner Frau gelandet wo sie mit extatischen Bewegungen im Kreis ruderte. Meine Frau reagierte sofort und  entfernte die Wespe mit einem Messer aus dem Glas um sie dann etwas unsanft auf den Boden zu befördern.
Hoffentlich holt die Wespe nicht gleich die ganze Verwandtschaft denke ich mir und schon ein paar Augenblicke später schwebt eine kleine Armada von gelbschwarzen Brummern auf unserem Frühstückstisch ein und macht sich geschäftig über unser Frühstück her.
 
Irgendwie erinnert sich mein geistiges Auge an einen älteren Arbeitskollegen und ich sehe wie er vor mir steht und mit erhobenen Zeigefinger warnte.... „Bert, streite dich nicht mit Wespen, denn die waren schon vor uns auf der Erde und wir haben uns an ihren Tisch gedrängt „ Im Moment habe ich aber eher das gegenteilige Gefühl.
Als der Kellner das geschäftige Treiben auf unserem Tisch erkennt eilt er sogleich mit einigen Cent- Stücken zu unserem Tisch und verteilt diese auf der Tischplatte.
Unsere verdutzten Blicke beantwortet er lächelnd mit… „Wespen mögen keine Kupferstückchen“.  Irgendwie erinnert er mich an eine Werbung: „Isch abe keine Auto!“.

Gespannt beobachten wir die Cent- Stücke und tatsächlich…. die Wespen sind irgendwie irritiert und fliegen etwas ratlos und ängstlich um unseren Frühstückstisch. Nur eine Wespe drängt sich energisch auf den Deckel der Schale für den Honig. Der Duft aus der Schale ist wohl zu verführerisch für sie. Als ich dann eines der Cent- Stücke auf den Deckel der Honigschale lege, weicht sie sofort entsetzt zurück und krabbelt nur noch an der Seite der Schale herum.
Der Deckel ist für sie offensichtlich jetzt tabu.
Irgendwie kann ich es gar nicht glauben, als dann eine zweite Wespe auf der Kupfermünze landet und auf das glänzende Kupferstück einzustechen versucht, oder verrichtet sie ihr Geschäft darauf?  
Sie hat irgendetwas zwischen den Mundzangen und krabbelt wie wild auf dem 5 Cent-Stück herum. Es sieht fast aus als wäre sie angewidert und würde sich auf dem Kupferstück übergeben.
Für einen kurzen Moment sind fast alle anderen Wespen von unserem Tisch geflüchtet und wir frühstücken genüsslich weiter.
Aber irgendwie……irgendwie lassen mich die Reaktionen der Wespen stutzig werden. War die heftige Reaktion auf dem Honigglas vom Duft des Honigs getrieben, oder lag es eventuell an dem 5 Cent- Stück selbst?
Ich nehme das 5 Cent- Stück vom Honigglas und begutachte es genauer.
Es ist ein glänzendes griechisches 5 Cent-Stück, blank poliert und ohne irgendwelche Besonderheiten.
Ob es wohl Zufall ist, denke ich wenn eine bayerische Wespe auf unserem Frühstückstisch ausgerechnet auf ein griechisches 5 Cent Stück kotzt und ihre Notdurft verrichtet?
Oder ist es vielleicht eine generelle Abneigung gegen den Euro?
Sofort untersuche ich die anderen Cent-Stücke auf ihre Herkunft und stelle verdutzt fest, dass es sich ausschließlich um italienische und spanische Cent-Stücke handelt.
Jetzt ist mir plötzlich nicht mehr wohl in der Haut…..
Wie hoch ist wohl wissenschaftlich betrachtet die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine bayerische Wespe auf einem griechischen 5 Cent-Stück von einem italienischen Kellner auf meinem Frühstückstisch übergibt?
500000:1 Mindestens……!
 
Da stellt sich doch dann gleich die Frage ob Wespen über die Finanzsituation in Europa informiert sind und Griechenland als schlimmster Schuldner  bei ihnen identifiziert ist?
 
Ob Wespen wissen, dass unser Deutschland mit 2000 Milliarden Euro bei unbekannten Gläubigern verschuldet ist und die Zins und Zinseszinsbelastung in absehbarer Zeit nicht mehr bezahlbar sein wird ?
Wie wäre wohl die Reaktion der Wespen wenn nur deutsche Cent-Stücke auf dem Tisch liegen würden?
Wissen Wespen, dass 50% der Gläubiger unserer Staatschulden in irgendwelchen Ländern außerhalb Europas sitzen?
 
Unser statistisches Bundesamt ermittelt jährlich wie viele Huf und Hasentiere in Deutschland geschlachtet werden und wie groß die Heideflächen in Bayern sind, aber das deutsche Volk weiß nicht wer die Gläubiger sind, für die 2000 Milliarden Euro die wir uns geliehen haben.
Und in welche Abhängigkeiten wir uns damit begeben!
 
Zahle ich vielleicht meine Einkommensteuer für den winzigen Anteil am Zinseszins an einen wohlhabenden Gläubiger der mein Geld eigentlich gar nicht braucht?
Und kauft der sich damit vielleicht einen amerikanischen Hummer Geländewagen, verpestet die Umwelt und vernichtet damit meine Bemühungen zum Umweltschutz ?
 
Oder finanziere ich mit meiner Steuer etwa einen kleinen Anteil an einem italienischen Luxusschlitten für einen saudischen Scheich mit dem dann dessen Frau nicht einmal fahren darf?
Oder ein Rennkamel aus irgendeinem anderen Staat mit dessen Erlös der Züchter dann vielleicht den Inhalt eines Sprengstoffgürtels bezahlt?
 
Was würde wohl an der Börse passieren wenn man dort erfahren würde, dass in Bayern eine Wespe angewidert auf einen griechischen Cent von einem italienischen Kellner gekotzt hat?
 
Ob Moodys und Standard & Poors Griechenland dann in den XXS Ramschtopf eingruppieren würden und Italien der Mittäterschschaft bei unerlaubten Finanztransaktionen beschuldigt würde?
 
Nicht auszudenken was wäre, wenn ein amerikanischer Cent auf dem Tisch gelegen hätte….
 
Cent? Vielleicht haben sich die Wespen auch nur geirrt und dachten es ist ein amerikanischer Cent?

 
Jetzt ist mein Kaffee kalt und der Butter warm….
Aber die Wespen sind jedenfalls weg…..jetzt….. endlich Urlaub !
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Ich habe dem Kellner ein gutes Trinkgeld gegeben wegen dem Tipp mit den Kupfermünzen.
 
Vom Leser verlange ich für den Tipp mit den Kupfermünzen natürlich nichts 
 
Höchstens, dass alle griechischen Cent für die Welthungerhilfe gespendet werden, wobei man davon ausgehen kann, dass das Geld dann nicht in einem Sprengstoffgürtel, Luxusschlitten oder einer Luxusjacht landet.
Bitte liebe Leute spendet zumindest ein paar Kupfermünzen an die Welthungerhilfe
Solange man dafür noch etwas zum Essen kaufen kann…..
Bis auf ein paar Münzen für die Wespen ;-) 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.08.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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