Einschlafhilfe

 
Seit ich in einem denkmalgeschützten Haus in der Innenstadt wohne, leide ich unter Schlaflosigkeit. Unausgeschlafen zu sein, kann ich mir aber in meinem Beruf – ich bin Chirurg – nicht leisten. Ich werde nervöser und unleidlicher von Tag zu Tag und meine Hände fangen an zu zittern.

Nachts knarren die Dielen, ächzen die Balken, klappern die Fenster. Ich höre Stimmen. Ein Heulen und Wispern ist in den Räumen. Die Geräusche rauben mir den Schlaf.  So geht es nicht weiter.

Ich ziehe um in die Gartenstadt. Die neue Wohnung ist modern, bestens isoliert. Nicht das leiseste Geräusch dringt von außen nach innen. Doch besser schlafen kann ich deswegen nicht.
Nachts horche ich, ob die Dielen knarren, die Balken ächzen oder die Fenster klappern. Die Stille erdrückt mich. Sie sirrt und summt in den Ohren.

Da fällt mir Betty ein. Sie ist meine letzte Hoffnung. Sie hat mir schon vor Jahren angeboten, Tisch und Bett mit ihr zu teilen, doch wollte ich meine Unabhängigkeit nicht aufgeben.

„Claro“, sagt Betty am Telefon und überspringt großzügig meine fast zweijährige Funkstille.

„Mein Angebot gilt noch. Du kannst ja erst mal ein paar Nächte zur Probe schlafen. Alles Weitere wird sich ergeben.“
 
„Neben Betty schlafe ich wie ein Murmeltier. So tief, so fest, so ruhig wie seit Monaten nicht mehr. Jeden Morgen würde ich verschlafen, wenn Betty mich nicht weckte. Allerdings ohne Frühstück. Das muss ich mir selber zubereiten. Ich blühe auf, fühle mich wie neu geboren. Mein Entschluss steht fest. Ich bleibe.
 
Als ich den Betty mitteile, sagt sie zwar, ohne zu zögern: „Das darfst du gerne“, legt dann aber doch eine lange Pause ein, bevor sie mir eröffnet:
“Wenn du meine Bedingungen akzeptierst …“  
 
„Und die wären?“, frage ich erschrocken, denn ich habe mit keinerlei Widerständen gerechnet.
 
„Die Miete teilen wir, aber du bist der Großverdiener. Du übernimmst die Nebenkosten. Bedienung ist nicht. Du kochst, du bügelst, und Fensterputzen übernimmst du auch. Außerdem wird an meiner Einrichtung nichts verändert. Deine Fachbücher darfst du natürlich mitbringen, wenn es nicht zu viele sind.“
 
„Ist das nicht eine etwas einseitige …?“, wage ich einzuwenden.
 
Betty schneidet mir das Wort ab. „Die Hauptlast trage ich. Ich muss nicht nur dich, sondern auch noch dein Schnarchen ertragen. Entscheide dich: Willst du oder willst du nicht?“
 
Ich will. Selig schlafe ich an Bettys Seite ein.

03.02.2006
 

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