Helena Ugrenovic

Wer darf richten und rechten?

...So long everybody, mama don’t be sad for me....this is not the place, i’m supposed to be....now, i am finally free...what i’m searched, is not here on earth...

Andres war nicht wirklich anders. Ausser, dass er mehr Locken hatte und diese irgendwie auf seinem Kopf zu einer anständigen Frisur dressieren musste. Was ihn jeden Morgen immer mehr verärgerte. Er war ein Programmier-Crack, der jedes Problem lösen konnte, einen ellenlangen Code auf ein verständliches, einfaches Minimum reduzieren konnte und auf alles eine Antwort wusste. Etwas unterschied ihn von seinen männlichen Altersgenossen. Er war uns weiblicher Belegschaft der sympathischste und lustigste von allen und wir stellten uns oft die Frage, warum in Gottes Namen, ausgerechnet er, keine Freundin hatte. Es waren seine Augen und sein Blick, die wir nicht deuten konnten, aus denen eine tiefe Traurigkeit sprach, von der wir nicht wussten, woher sie kam und warum er diese hatte. Denn da waren sein lustiges Wesen, sein Humor und seine Scherze, die nicht mit dieser Traurigkeit im Einklang standen.

Irgendwann eines Tages im Herbst, war Andres nicht mehr da. Zwei Tage Paris, alles Geld verpulvert, so richtig abgefeiert und damit etwas getan, das Aussenstehende ihm nicht zugetraut hätten. Noch etwas anderes haben wir Aussenstehenden ihm nicht zugetraut. Den Kopfschuss und das jähe Ende, das er sich selber gesetzt hatte. 24 Jahre alt, wäre Andres in diesem Herbst geworden.

Fragen, Weinen, Hysterie, der Tod plötzlich bei uns, mit uns und so greifbar nah. Die Fragen, ohne Antworten darauf zu erhalten, zermürbten uns am meisten. Warum? Warum das? Weshalb? Hatten wir etwas Falsches gesagt? Warum hatten wir nichts bemerkt? Waren wir so blind, haben wir Zeichen übersehen, diese abgewertet und ihn nicht ernst genommen?
Hat er sich niemandem anvertraut? Hätten wir ihm helfen können? Davon abhalten? Man findet doch für jedes Problem eine anständige Lösung, kann darüber reden, Hilfe holen, sich heilen lassen. Später gesellten sich Wut und Ärger zur Traurigkeit und Hilflosigkeit dazu. So ein Feigling, haut einfach ab, lässt uns alleine zurück mit unseren Gedanken, unserem Schmerz. Ein Wechselbad der Gefühle, dem wir, die ihn kannten, die ihn gern hatten, ausgesetzt waren.

Nein. Man findet eben nicht für jedes Problem eine Lösung. Man kann nicht immer Ratschläge erteilen oder jemanden „heilen“, auch wenn man das so gerne täte. Man kann den Lauf der Dinge oder eines Schicksals, nicht immer ändern, in dieses eingreifen oder beeinflussen.
Man kann nicht immer Held sein.

Seit der Mensch existiert, lässt ihn eine Eigenschaft nicht ruhen. Er forscht, er will ändern und verändern, er will steuern und lenken. Es fällt ihm schwer, zu akzeptieren. Verbotenes reizt ihn, Geheimnisvolles zieht ihn magisch an. So ist ein junger Mensch, der eigentlich fröhlich sein, lachen und unbeschwert durchs Leben tanzen müsste und der sich so intensiv mit dem Tod befasst, ein gefundenes Fressen für uns, die wir uns nicht mit denselben trüben und zerstörerischen Gedanken plagen. Kann doch nicht sein, Jugend bedeutet Leben. Leben löscht man nicht so einfach aus.

Wir können spekulieren, Fragen stellen, Hilfe anbieten, zaghafte Versuche starten, von Optimismus getrieben sein und den höchsten Einsatz bringen. Was wir aber weder wissen noch nachvollziehen können, sind die Gedanken des anderen. Das Leid des anderen. Was uns auch schwer fällt, ist, Akzeptanz aufzubringen für den anderen, wie auch immer er sich entscheidet, seine Probleme zu lösen.

So wie bei Andres, der sich mit 24 Jahren eine Kugel in den Kopf gejagt und damit seine Probleme gelöst hat. Wir unterstützen es nicht, begreifen auch heute noch nicht. Aber wir haben gelernt, es irgendwie zu akzeptieren. Weil es für ihn persönlich das Richtige war. Weil es nicht einfach nur eine Kurzschlussreaktion war, sondern ein lange gärender Prozess, der durch das Erlebte, sein Leben, seinen Schmerz, seine Seele und seine Psyche beeinflusst hat.

Wir hätten den Tag aufschieben können. Wir hätten ihn aber nicht verhindern können.

Das zu akzeptieren, ist die grösste aller Schwierigkeiten.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.02.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Bücher unserer Autoren:

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Heike und die Elfe von Ingrid Hanßen



Da ich der Meinung bin, dass die Kinder heute viel zu wenig lesen ( sehe ich bei meinen 11 und 13 ), habe ich mir Gedanken gemacht, was man machen könnte um dieses zu ändern.

Es ist nämlich nicht so, dass die Kinder lesen grundsätzlich "doof" finden, sondern, dass die bisherigen Bücher ihnen zu langweilig sind. Es ist ihnen in der Regel zu wenig Abwechslung und Aktion drin und ihnen fehlt heute leider die Ausdauer für einen reinen "trockenen" Lesestoff.

Daher habe ich mir überlegt, wie ein Buch aussehen könnte, das gleichzeitig unterhält, spannend ist, Wissen vermittelt und mit dem die Kinder sich beschäftigen können.

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