Andreas Rüdig

Gynozentrismus

Frau Professor Dr. Müller-Meyer, Sie sind die führende Soziologin, Sozialwissenschaftlerin, die sich universitär, damit wissenschaftlich mit dem Feminismus beschäftigt.

Nein, eigentlich ist das nicht so ganz richtig. Ich beschäftige mit dem dem Gynozentrismus.

Äh, ah ja. Und was verbirgt sich hinter diesem Begriff?

Der Gynozentrismus fällt unter dem Geschlechterbegriff, genauer gesagt unter die Rollenverteilung. Der Gynozentrismus stellt die Frau in den Mittelpunkt. Was den gesellschaftlichen Umgang anbelangt, soll die Frau den Mittelpunkt des religiösen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens einnehmen.

Und warum?

Das liegt an den typisch weiblichen Qualitäten. Wie sagt es Mrs. Oliver bei Agatha Christie so schön? Die weibliche Intuition würden jeden Kriminalfall wesentlich schneller lösen. Frauen haben bestimmte geschlechtsspezifische Eigenschaften, die die Entwicklung der Menschheit in ihrer Gesamtheit voranbringen, zumindest aber positiv beeinflussen.

Welche können das sein?

Wir Frauen sind einfühlsam und besitzen eine emotionale Intelligenz.

Emotionale Intelligenz? Die gibt es auch? Ich kannte bislang nur die rationale, also verstandesmäßige Intelligenz. Können Sie mir Beispiele für die emotionale Intelligenz geben?

Aber natürlich kann ich das! Bei der rationalen Intelligenz geht es um überprüfbare Techniken wie kaufmännisches Wissen, die Beherrschung von Bürotätigkeiten, pädagogische oder Krankenpflegetechniken. Bei der emotionalen Intelligenz sind andere Faktoren gefragt. Das Einführungsvermögen hatte ich ja schon genannt. Mitgefühlt, Höflichkeit, Gastfreundschaft, Pünktlichkeit, die Fähigkeit, Vertrauen herzustellen, Verläßlichkeit, Zuverlässigkeit, Geselligkeit, aber auch Diskretion und Fleiß gehören dazu. Die Herren der Schöpfung meinen, man könnte Geschäfte nur in der Sauna oder in der Kneipe tätigen. Was meinen Sie? Wo tätigen wir Frauen unsere Geschäfte?

Beim Windelnwechseln?

Quatsch! Sie Banause! Nichts eignet sich besser dazu als der Kochkurs und der Kaffeeklatsch. Zuerst tauscht man sich über Rezepte aus. Wenn man herausgekriegt hat, wie die Gegenüber gestrickt ist, kann frau auch besser Verhandlungen führen.

Ist Ihnen etwas aufgefallen, Frau Professor Doktor? Den letzten Satz haben Sie komplett in der weiblichen Form gesagt.

Wundert Sie das? Ich bin ja auch eine glühende Anhängerin des Matriarchats.

Oh. Das überrascht mit jetzt aber. Sie sind in dieser Hinsicht noch gar nicht öffentlich in Erscheinung getreten.

Ich habe ja auch lange Zeit gebracht, um zu dieser Grundüberzeugung zu gelangen. Mir geht es bei dieser Haltung auch weniger um politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Zwänge. Bei mir geht es um die ethische Grundhaltung.
Inwiefern?

Die Dominanz der Frauen ist insbesondere im privaten Leben ja offensichtlich. Wir können kochen, putzen und Wäsche waschen. Ohne uns würden die Männer völlig verlottern. Sie würden in Dreckslöchern wohnen und ihre Freizeit in der Kneipe und im Fußballstadion verplempern.
Und was im Privathaushalt gilt, zählt im Gemein- wie Staatswesen genauso. Warum ist der Staat überschuldet? Weil Männer nicht wissen, wie man das Geld zusammenhält. Warum sind unsere Kinder unterbelichtet? Männer wissen nur, wie man(n) Kinder macht. Männer wissen aber nicht, wie man Kinder erzieht. Warum sind die Parlamente die saubersten und reinsten Orte bei uns im Lande? Weil es viele Parlamentarierinnen gibt! Wie labern nicht nur; sie schrubben und putzen auch.

Habe da die Gebäudereiniger und Putzmittelhersteller nicht eine starke Lobby?

(böser Blick der Prof. Dr.) Manche Frauen mögen käuflich sein. Insgesamt sind wir aber unbestechlich. Sonst noch Fragen?

Ja.

Nämlich.

Was halten Sie von der feministischen Theologie?

Ich bin ihre Erfinderin.

Erzähle sie doch! Wie kommt das?

Eigentlich ist das nur unser Gemeindepfarrer Schuld. Seine Predigten waren immer so langweilig – ich bin regelmäßig geistig eingeschlafen. Irgendwann wollte ich dann wissen, warum das so ist. Also habe ich angefangen, zuzuhören. Ich habe festgestellt, daß er immer nur von sich, also in der männlichen Form redete. Als ich ihn fragte, warum das so sei, antwortete er, er habe das so in der Schule gelernt. 99 Weiber und 1 Kerl und die ganze Gruppe ist männlich. Ich habe dann angefangen, seine Predigten so umzuschreiben, wie eine Frau sie halten würde, also in die weibliche Form übertragen. Als ich sie in der Gemeinde vortrug, waren sie ein voller Erfolg. Die Frauen waren total begeistert. Sie wollten eine Fortsetzung hören. Aus dieser Fortsetzungsreihe wurde dann eine eigene, frauenorientierte, also feministische Theologie.


(der dazugehörige Zeitungsartikel)

Prof. Dr. Evelyn Müller-Meyer ist ein feministisch orientierter Vamp. Sie verführt und vernascht Männer, um sie von den Rechten der Frau zu überzeugen. Dreimal war sie bislang verheiratet. Dreimal überlebten ihre Ehegatten sie nicht. „Rückblickend muß ich sagen, daß sie alle drei Schwächlinge und Weicheier waren. Die Hausarbeit wollten sie nicht erledigen. Mit sexuell befriedigen schon gar nicht. Sie waren am Ende so gestreßt, daß sie vor Entkräftung gestorben sind.

Dies führte dazu, daß sie begann, sich unter sozialwissenschaftlichen Gesichtspunkten und aus sexualkundlichem Interesse heraus mit dem Phänomen „Mann“ zu beschäftigen. Sie habe schnell festgestellt, daß der universitäre Gynozentrismus „falsch und absurd“ gewesen sei. Hier sei es lediglich darum gegangen, gleiche Lebensbedingungen für Mann und Frau zu schaffen. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ sei beispielsweise ein Schlagwort gewesen. „Was für ein Quatsch,“ ruft die Professorin im Laufe ihres Vortrages häufiger aus. „Wir Frauen sind besser als gleich. Es gilt, die Herrschaft der Weiber einzuführen! Dafür sind wir doch da!“

Ein heftiger Streit mit dem örtlichen Gemeindepfarrer führte dann dazu, daß Müller-Meyer die feministische Theologie begründete. „Wenn der Mann predigte, onanierte er geistig. Er redete darüber, wie er sich die Welt selbst vorstellte und benutzte die Bibel dazu als Vorbild. Ich habe das Buch der Bücher neu übersetzt. Aus Gott wurde so eine Göttin. Und Jesus – nein, den konnte ich natürlich auch nicht einen Mann sein lassen. Ich taufte ihn folgerichtig in `Jesa´um. Diese Entscheidung war ganz einfach. Sie wissen ja, daß bei Vornamen der Endbuchstabe `a´ eine Frau symbolisiert.“ Daß ihre „Christa“ - Kirche völlig (natürlich nur von Frauen) überlaufen ist, braucht hier wohl nicht extra erwähnt zu werden.

Ein Kommentar zum Gynozentrismus

Der Vorrang des Weiblichen ist problematisch. Wird das patriarchale System einfach nur umgekehrt und das Matriarchat unüberlegt eingeführt, herrscht wieder ein Geschlecht unkontrolliert über das andere. Nur dieses mal unter umgekehrten Vorzeigen. Eigenschaften des Charakters, Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten sind nicht geschlechtsimmanent, also nicht biologisch gegeben und unveränderlich. „Eine eventuelle Notwendigkeit, das Geschlechterverhältnis auszugleichen, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Frauen und Männern zu schaffen oder neu entstehende negative Stereotypen zu verhindern, wird im Gynozentrismus vernachlässigt. Der Gynozentrismus bewegt sich kaum aus der Opferrolle heraus,“ heißt es dazu in der Fachliteratur.

Daß Frauen nicht nur Opfer, sondern auch Täter sein können, wird im Gynozentrismus leider viel zu leicht übersehen. Die feministisch orientierte sanmarinesische Diktatorin Ana Mari Victoria Sanctus y Callboy trieb ihr Heimatland in den Ruin. Aufgrund der erfolgten Diskriminierung durch die Frauen wanderten viele Männer des komplett von Italien umgebenen europäischen Zwergstaates aus (gesellschafts-)politischen Gründen aus. Da dementsprechend auch keine Kinder mehr geboren wurden (zumindest keine auf natürlichem Wege gezeugten) kam es zu genetischen Verwerfungen. So peu-a-peu, also ganz allmählich, degenerierte auch die Wirtschaft. Anfangs florierten Bereiche wie Pediküre, Maniküre, Massage / Sauna und Kosmetik. Doch all´ die Bereiche, die als männertypisch galten, also beispielsweise die Bereiche Elektrik, Elektronik, IT und Telekommunikation, also alles ingenieurskundliche Fachrichtungen, brachen in sich zusammen. Es fehlte schlichtweg jemand, der Ahnung vom Fach hatte. „Wir mußten zuerst das Rad neu erfinden und dann die Frauen ausbilden, die das Rad dann auch bauen konnten,“ blickt Petronella Garcia, die ehemalige Bildungs-, Wissenschafts-, und Forschungsministerin von San Marino, auf die weibliche Schreckensherrschaft in ihrem Land zurück. „Erst als der letzte Fernseher nicht mehr flimmerte und das letzte Auto nicht mehr fuhr, bemerkten wir, was wir eigentlich angerichtet hatten. In dieser Situation waren wir Frauen gezwungen, die Männer zurückzuholen und uns mit ihnen zu arrangieren. So schwer es uns auch gefallen ist – zum Nutzen des Landes haben wir uns überwunden, sind über unsere eigenen Schatten gesprungen und haben wieder Männer in San Marino angesiedelt.“
Wollen wir das auch bei uns? „Nein,“ kann ich da nur ausrufen. „Weiber aller Länder, vereinigt euch und vergeßt den Weiberkram ganz schnell.“

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.08.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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