Andreas Rüdig

Der Urknall

Die Urknall-Theorie ist ein Erklärungsversuch, der beschreiben soll, wie das Weltall und damit die Erde entstanden ist. Innerhalb eines Augenblicks breitete sich der Raum aus und es entstand die Materie. Dies soll vor rund 5 Milliarden Jahren geschehen sein.

Doch was war vor 6,75 Milliarden oder 7,89 Milliarden Jahren? Gab es da nichts? Rein gar nichts? Oder gab es da eine Welt, damit ein materielles Universum, das sich rückwärts entwickelte, also (beispielsweise) schon vor 137 Billionen und 219,751 Billiarden Jahren vorhanden war, sich rückwärts entwickelte und so der Enkel die Geburt seines Opas, dessen Großvater und dessen Oma erlebte? War diese Welt quasi wie ein rückwärts laufender Film? Oder was war da? Ich würde es gerne wissen. Ich denke mal, es würde die Wissenschaft schon Riesenschritte voranbringen, wenn ich es herausfinden könnte. Doch wie? Ich habe in der Zeitung von einer Zeitmaschine gelesen. Sie ist eine neue Erfindung, billig in der Anschaffung, leicht zu handhaben und absolut sicher. Die Zeitmaschine ist unkaputtbar. Diese Nichtzerstörbarkeit soll garantieren, daß der Zeitreisende auf jeden Fall in die Gegenwart zurückkommt.

Wie die Zeitmaschine funktioniert? Eine Sache habe ich auf jeden Fall verstanden. Nämlich, daß der Mensch am Anfangspunkt in seine molekularen und atomaren Einzelteile zerlegt und am Zielort dann wieder zusammengesetzt wird. Die Maschine ist dabei in der Lage, die Zeit zu verstofflichen, einen Zielzeitpunkt in Vergangenheit und Zukunft zu bestimmen, die Zeit wieder zu entstofflichen und bei dieser Wanderung auf dem Zeitstrahl auch in ihre Moleküle zerlegte Lebewesen mitzunehmen. Die Zeit als Lichtstrahl? Ich glaube, diese Idee habe ich schon einmal bei Einstein gehört. Hat er nicht behauptet, man würde in die Vergangenheit reisen, wenn man schneller als die Lichtgeschwindigkeit ist? Oder? Ja? Nein? Keine Ahnung.

Ich weiß auch schon, wer die Zeitreise unternehmen wird. Ich habe meinen Freund Gruffl dafür auserkoren Der hat damit schon Erfahrung. Er kommt sowieso aus einer anderen Welt. Zumindest wirkt er immer so. Das Gesicht sieht uralt aus, die Kleidung abgewetzt. Sein Haar ist schlohweiß, die Gang schlurfend, der Körper gebeugt. Selbst wenn man ihn in Höchstform erlebt, würde man nicht glauben, daß er schon mehrere Zeitreisen miterlebt hat. Oder ist er vielleicht nur deswegen so, weil das Wissen der Welt, Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, auf ihm lastet? Ihn belastet? Keine Ahnung. Ich muß ihn anrufen. Jetzt. Und sofort. Ich muß ihn fragen, ob er die Zeitreise für mich macht.

Hallo! Wer ist da? Il professore? Schön, mal wieder Ihre Stimme zu hören, so lange, wie Sie schon nicht mehr angerufen haben. Was kann ich für Sie tun? Eine Zeitreise unternehmen? Nein, was Sie nicht sagen! So eine Überraschung. Und wohin soll mich die Reise diesmal führen? Was – zum Zeitpunkt des Urknalls? Ach so, wußte ich es doch, da war noch was. Ich soll noch weiter in die Vergangenheit reisen, in die Zeit vor dem Urknall und sehen, wie es damals war? Na, wenn es sonst nichts weiter ist. Werde ich hinterher auch wieder in die Gedächtnisentrümpelungskammer gesteckt? Ja? Na, dann....

Gedächtnisentrümpelungskammer! Wie pietätlos der Mann von dieser Wundermaschine der modernen Medizin spricht. Diese Erinnerungsspeichermaschine wird es mir ermöglichen, seine Erlebnisse abzuspeichern und so der Nachwelt zu bewahren. So werden auch zukünftige Generationen wissen, was früher war.

Bei dem Knall namens Ur
kam es für mich zum Schwur
je näher ich ihm kam
wurd´ mir immer wieder warm
die Welt ist nicht so wie heute
es gab auch keine Leute
die man um Hilfe bitten kann
denn die Dinos steh`n zum Essen an
in der Erdgeschichte
war`n sie nur die Bösewichte
was war der Fall
vor dem großen Knall?
Gab es Geister, Gnome, Feen?
Engel in Wolkenseen?
Wollen wir es wissen,
müssen wir die Zeitreisesegel hissen

Die Geschichte des Lebens ist ja bekannt. Hoffe ich zumindest. Schließlich hat ja jeder schon mal von den Dinosauriern gehört. Natürlich hat auch jeder schon mal davon gehört, daß die Erde früher ganz anders ausgesehen hat als heute. Es gab keine Häuser, Autos und Straßen. Dafür mehr Wälder, Felder und Kühe. Und vor uns Lebewesen, was gab es da? Eine kahle, unwirtliche Welt, in der sich das Erdenmaterial darauf vorbereitete, uns aufzunehmen. Vulkane spukten ihre Lava aus. Die Ursuppe war ein stinkendes und brodelndes Gemisch, das nichts mit einem klaren Gebirgsbach gemein hatte. Wenn ich da an die Blasen denke, die dort damals an die Oberfläche kamen, wird mit heute noch übel – sie rochen nach schwefeligem Kuhdung und waren dementsprechend nicht für unsere Atemorgane geeignet, weil lebensfeindlich und gefährlich. Je näher ich dem Urknall gekommen bin, desto mehr beruhigte sich auch dies – ich erlebte, wie zwei riesige Hände aus superlangen Armen aus der Erde herausschossen, den Mond einfingen und ihn als Erdtrabanten etablierten. Gleich einem Sandkorn in einer verschlossenen Auster, der später zur Perle wird, rotierte die Erde ganz schnell und nahm dabei ihre heutige kugelförmige Form an, ohne dabei ihren heißen Eisenkern zu verlieren. Und so 1 – 2 Sekunden nach dem Urknall sah ich in ein erstauntes Gesicht.

Die Gespenster
schaun hier durch die Fenster
gibt es nichts zum Necken
geh`n sie zu den Hecken
dort gibt es Blüten
die sich nicht hüten
ihnen ist nicht bange
die Gespenster bleiben nicht lange
was sollen sie auch tun?
Sie werden nicht länger ruhn´,
bis sie jemanden erschrecken
und so zum Leben erwecken
erst wenn die Menschen kreischen
und sich vor Angst zerfleischen
sieht man die Gespenster lachen:
„Wir machen tolle Sachen!“

Je weiter ich mich auf der Reise in die Vergangenheit vom Nullpunkt, äh, Entschuldigung, vom Urknall entfernte, desto weiter breitete sich das Universum aus. Würde man sich auf einem Zeitstrahl in Richtung Gegenwart bewegen, könnte man den Eindruck gewinnen, das frühe Universum hätte sich bis zu einem bestimmten Punkt verdichtet, wäre für einen kurzen Augenblick reine, pure Energie und dann explodiert. Das würde bedeuten, daß sich momentan Geschichte in umgedrehter Reihenfolge wiederholt. Wo sich früher Häuser und Gebäude zusammenzogen und verdichten, weiten sie sich heute aus. Nur so als Beispiel. Das Ende des frühen Universums ist uns heute also bekannt; um seinen Beginn kennenzulernen, werde ich eine weitere Zeitreise unternehmen müssen. Doch halt. So ganz identisch, wie Sie, liebe Leser, nun meinen waren die beiden Universen nicht. Universum I ist kein Spiegelbild von Universum II. So gab es früher beispielsweise keine Dinosaurier; ich habe zumindest keine entdeckt. Die Lebewesen waren irgendwie anders.

Der Volksglaube meint mit Gespenstern meist nichtkörperliche, häufig mit übernatürlichen Fähigkeiten und menschenlichen Eigenschaften versehene Wesen. Gespenster spuken, rufen zumindest einen Spuk hervor. Gespenster erscheinen zur Geisterstunde um Mitternacht. Sie erscheinen in nebelhaft durchsichtiger, angedeutete Gestalt und mit einem weißen Gewand, das an ein Bettlaken erinnert.

Einen materiell-empirischen Beweis für die Existenz von Gespenster gibt es nicht. Naturwissenschaftler erkennen Gespenster daher nicht an. Aus historischer Sicht werden Geistererscheinungen als subjektive, unabsichtliche Fehldeutung von noch nicht bekannten Naturphänomenen beschrieben. Aus psychologischer Sicht sind Gespenster Phänomene, die nur in der Einbildung der Wahrnehmenden vorhanden sind. Mediziner beschreiben Gespenster als „die Folge falscher Verarbeitung von Sinnesreizen im Gehirn“, manchmal auch als Halluzinationen. „Die Vorstellung der Existenz einer Geisterwelt darf als prähistorisch angesehen werden. Frühe naturreligiöse Deutungsmuster und Mythologien setzen sie voraus. Zu dieser Welt dieser Naturgeister treten im weiteren Sinne dann auch Vorstellungen von Totengeistern oder anderen Gespenstern,“ habe ich mal in einem schlauen Buch gelesen.

Experimentiergeister veranlassen die Geister verstorbener Menschen durch geheimnisvolle Kräfte dazu, anderen Menschen an unterschiedlichen Orten zu erscheinen. Krisengeister erscheinen Verwandten, wenn den Angehörigen, zu denen sie gehören, ein furchtbares Ereignis mit Todesfolge droht. „Post-mortem“ Geister erscheinen erst nach dem Tode eines Menschen und ähneln ihm sehr. Die Folge: Sie lösen bei der Person, der sie erscheinen, einen tiefen Schock aus. „Echte“ Geister tauchen am häufigsten bei Menschen auf, zu denen sie keine Verbindung haben. Sie können lange Zeit, etwa Jahrhunderte nach dem Tod erscheinen, sind aber in der Regel ortsgebunden. „Astralgeister“ werden auch Stern- oder Luftgeistger genannt. In den altorienaltorientalischen Religionen waren sie die Geister der als beseelt gedachten Gestirne. In der Geisterkunde / Dämonologie des Mittelalters sind Astralgeister sowohl gefallene Engel wie auch die Seelen von Verstorbenen, als auch aus Fenster entstandene Geister, die zwischen Erde, Himmel und Hölle schweben und keinem der Reiche angehören.

Der Spiritismus geht davon aus, daß die Seelen der Verstorbenen zu Geistern werden, im Jenseits existieren und im Diensseits in Erscheinung treten. Solche Totengeister treten nicht nur zufällig und unvorhersehbar (etwa als Botschafter) auf. Sie können den Spiritisten zufolge auch angeblich von sogenannten Medien durch Materialisation herausbeschworen werden. In der Erwartung ihrer Zuhörer über überlegenes Wissen zu vergangenen oder zukünftigen Ereignissen.

Lokale Gespenstererscheinungen gelten als die Bindung einer „unerlösten“ Seele an einen bestimmten Ort. Auch eine rituell nicht korrekt vollzogene Bestattung kann Totengeister herausbeschwören.

Gespenster schweben schwerelos. Sie durchdringen Wände und Personen. Manche Gespenster können Geräusche machen, sprechen, sichtbar oder unsichtbar machen oder verschiedene äußere Formen annehmen. Tauchen sie auf, lösen Gespenster oft Grabeskälte aus.

Glauben Sie nicht alles, was Ihnen erzählt wird – nur das, was ich Ihnen erzähle, ist richtig. Ich habe es selbst erlebt und kann daher aus eigener Anschauung berichten.

Das Vorurknalluniversum ist eine Mischung aus realer, materieller und geistiger Welt. Es konnte damals durchaus vorkommen, daß man von einem Schritt auf den anderen von einer Welt in die andere wechselte. Und es unter Umständen noch nicht einmal mitbekam, so real, wie die geistige Welt wirkte. Der irritierende Effekt dabei: Körper und Geist konnten – getrennt voneinander – in verschiedenen Welten existieren, zumindest kurzzeitig. „Hilfe! Wo bin ich?“ fragte der Geist dann ganz laut. Und irritierte damit seine Umwelt.Wie soll man auch begreifen, daß da jemand spricht, wenn man die dazugehörige Person nicht sieht, weil sie unsichtbar ist? Bei einigen Leuten brauchte der Groschen lange, bis sie merkten, daß da ein Geist von seinem Körper getrennt ist und ihn sucht...

Eines Tages habe ich dann ein Gespräch mit meinem Mentor aus der Vorurknallwelt geführt.

Sagen Sie mal, Mr. Spuck...

ja, mein außerirdischer Freund....

nachurknallirdischer Freund, bitte, nachurknallirdischer!

Oh, ja, Entschuldigung, Was gibt es denn?

Ich habe da eine Frage auf dem Herzen.

Oh, das tut mir aber Leid, daß du krank bist. Da bin ich aber nicht zuständig für. Da mußt du zu einem Herzchirurgen und die operieren lassen.

Banause!

Wieso?

Du weißt doch, daß ich Dir eine Frage stellen wollte.

Dann tue das doch! Mach doch nicht alles so kompliziert.

Also gut. Was ist die geistige Welt als Bestandteil dieses Planeten.

Mein lieber Gruffl, du weißt genau, daß beide Welten sehr real sind. Zumindest für uns. (Anmerkung des Autors: Das Wissen um die geistigen Welten ist heute weitestgehend verlorengegangen. Diese geistigen Welten werden heute der Phantastik und der Science- Fiction zugerechnet. Völlig zu Unrecht, wie wir bald schon sehen.)

Doch woraus besteht die geistige Welt?

Aus Äther?

Aus Äther? Dem Äther, das wir für die Narkose brauchen?

Nein, natürlich nicht. Wenn wir das Äther benutzen würden, bekämen wir ja überhaupt nicht mit, wo wir sind und was wir machen. Das Wort „Äther“ meint hier eine nichtmaterielle Gegenständlichkeit, die quasi genauso real wie irreal ist.
Verstehe ich nicht.

Was ist daran so unverständlich? Es ist der alte Gegensatz zwischen Gut und Böse, Schwarz und Weiß, Ying und Yang, Mann und Frau, Kind und Greis.

Ja, und?

Diese unsere geistige Welt besteht aus Kraft, Energie und materiell gewordenen Gefühlen. Ihre Stofflichkeit ist eine andere Materialität als nach dem Urknall.

Kann sich der eine Stoff denn in einen anderen Stoff verwandeln?

Ja, aber natürlich. Das geht von einer Sekunde auf die andere.

Und von physikalisch-biologisch-medizinische Hilfe?

Selbstredend.

Und auch für einzelne Körperteile?

Selbstverfreilich.


An dieser Stelle sei eine persönliche Bemerkung erlaubt. Ich hatte immer den Eindruck, die ätherische geistige Welt sei so eine Art durchlässige Parallelwelt. Wenn ich mich für ein „ja“ entscheide, beschreibt die geistige Welt, was passiert, wenn ich mich für das „Nein“ entschieden hätte. Welche Welt für das „vielleicht“, „möglicherweise“ und „jain“ zuständig ist, will mir Herr Spuck bei einem unserer nächsten Treffen erzählen.


Das Wort Wichtel ist der Diminutiv, die Verkleinerungsform von Wicht. Wichtel werden auch Wichtelmann oder Wichtelmännchen genannt. Sie sind kleine Phanatasiegeschöpfe, die vor allem in den nordischen Sagen Gutes tun. Dem kleinen, hilfreichen Hausgeist wird nachgesagt, er sei zu Scherzen geneigt.

In der modernen Fantasy-Literatur sind Wichtel demgegenüber böse Geister. Sie hecken Übles aus und dienen Hexen. In der Literatur fällt den Heinzelmännchen die Rolle der guten Geister zu.

„Wichtel sind wichtig,“ behauptete Mr. Spuck eines Tages. Den Grund dafür konnte er mir auch schnell nennen. Sie sind arbeitseifrige, dienstbare Geister, die in jedem Haushalt unentbehrlich sind.

Wie – Sklaverei? Ausbeutung? Unterjochung?

Aber nein!

Was denn dann?

Gehen Sie einfach mal davon aus, daß die Sonnensysteme damals ganz anders aufgebaut waren als heute. Die Gestirne waren viel enger zusammen als heute. Und durch die geistige Welt war Reisen viel einfacher als in unseren Tagen. Man brauchte sich nur zu wünschen: „Ich wäre jetzt gerne in...“. Und schon umhüllte mich der Äther der geistigen Welt und brauchte mich an den gewünschten Ort.

Moment mal, Guffl, jetzt widersprichst du dir aber. Eben hast du noch erzählt, die geistige Welt wäre so eine Art philosophischer Zustand. Und jetzt ist die geistige Welt ein Verkehrssystem.

Stimmt. Auf den ersten Blick widerspricht es sich. Aber wie schon gesagt: Es geht um den Gegensatz von Gut und Schlecht. Die Leute waren damals richtig gut darin, Grenzen zu überwinden. Waren sie das Leben in der einen Realität satt, sind sie eben in die andere Realität gewechselt.

Haben Sie schon einmal einen Wichtel gesehen? Nein? Ich habe meinen ersten Wichtel während meiner Reise in die Vorurknallzeit gesehen.

Wie die Wichtel aussehen, wollen Sie wissen? Nun, das will ich Ihnen sagen. Dabei ist die Frage gar nicht so einfach zu beantworten. Aber ich werde es versuchen.

Der Kopf ist mandelförmig. Die abfallende Seite geht nach vorne. Dort befindet sich der Mund. Wichtel haben standardmäßig 3 Barthaare auf jeder Seite des Mundes. Augen brauchen sie eigentlich nicht. Sie haben nämlich einen weinroten Band, der um ihren Kopf führt und osmotisch alle Lichtstrahlen aus der Umgebung aufnimmt. Einige Wichtel waren aber clever. Sie wollten menschlicher aussehen und haben sich daher Augenattrappen auf die Stirn geklebt. Die Spitzohren der Wichtel sind riesengroß und frei beweglich. Die Wichtel haben vorne und hinten je eine röhrenförmige Nase. Auf diese Art und Weise können sie die Welt um sich herum wahrnehmen.

Am genialsten sind aber ihre Füße. Sie besitzen zwei davon, wie wir Menschen. Die Füße sind nicht nur Laufwerkzeuge. Bei Bedarf können die Wichtel viele kleine Rollen ausfahren und sich so gleitend durch ihre Umwelt bewegen.

Eine Sache kann man den Wichteln nicht absprechen: Sie sind neugierig ohne Ende. Was meinen Sie wohl, warum die Wichtel ihren Heimatplaneten Aughtermughty verlassen haben und zu uns auf die Erde gekommen sind? Hilfsbereit wie sie sind, gab es auf Aughtermughty niemanden mehr, der ihrer Hilfe bedurft hätte; also mußten neue Welten erschlossen werden, denen man die Hilfe aufdrängen konnte.

Und die Bewohner unseres Vorgängerplaneten nahmen dieses Hilfsangebot natürlich gerne an. Warum auch nicht? Wie waren der vielen Arbeit überdrüssig und wollten das Leben genießen. Zuerst wurden die Wichtel im Haushalt gebraucht. Still und heimlich erledigten sie die Einkäufe, kochten und servierten die Mahlzeiten. Sie putzten, kümmerten sich um die Wäsche und erledigten auch kleinere Reparaturen. „Ich glaub, ich bin im Paradies.“ So dachten bald viele Vorurknallerdenbewohner. Und merkten nicht, daß die Wichtel bald die Kontrolle über ihren Lebensraum übernahmen. Die Wichtel schrieben die Bücher und Zeitungen, die unsere Vorgänger lasen. Die Wichtel erstellten die Radio- und Fernsehprogramme, Theateraufführungen, Musikkonzerte und Kunstausstellungen. Sie kümmerten sich um die Gärten, organisierten die Grillpartys und stellten für den Nachmittag Liegestühle, Getränke und Zigarren (für die Herren) / Konfekt (für die Damen) bereit.

In der christlichen Bibel gibt es die Geschichte, wie Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben wurden. Was hier der Baum der Erkenntnis, wer Adam und wer Eva war und wer wo rein biß, ist leider nicht überliefert. Die Zeit der Vertreibung aus dem Paradies war nur kurz vor dem Urknall. Ob die Wichtel spürten, daß ihre Zeit abgelaufen war? Ob unsere Vorfahren spürten, wie dekadent sie geworden waren und gegen die Wichtel aufbegehrten? Oder umgekehrt: Wollten unsere Vorfahren immer mehr verwöhnt werden und überforderten die Wichtel damit? Keine Ahnung. Gesicherte diesbezügliche Überlieferungen gibt es nicht. Eine Sache ist aber durch meine Zeitreisen gesichert. In der Zeit vor dem Urknall wurde mit dem Gegensatz Materie-Antimaterie experimentiert. Offensichtlich sollte es nicht nur die geistige Welt, sondern auch ein materielles Paralleluniversum geben. Wer des Müßiggangs überdrüssig war und – beispielsweise – härteste Sklavenarbeit verrichten wollten, hätte o leicht in ein Paralleluniversum wechseln können.

Es gibt es untrügliches Zeichen dafür, daß es diese materielle Gegenwelten heute auch noch gibt, nämlich die Gewitter. Da sind Sie erstaunt, nicht wahr? Ich kann mich hier aber auf unsere Meteorologen berufen. Insbesondere bei heftigen Gewittern tun sich bei den Blitzen häufig kleine Spalten auf. Bei einer meiner Zeitreisen habe ich es einmal gewagt, durch eine solche Spalte zu schlüpfen. Das Ergebnis war überraschend. In dieser Parallelwelt waren die Wichtel die Faulpelze und unserer Vorfahren die Arbeitssklaven. Jawohl, Sklaven waren sie, unterjocht und gepeinigt. Ich vermute mal, daß sich dieses Wissen tief in unser Unterbewußtsein eingebrannt hat und das Wissen um die geistige Welt und die materielle Parallelwelt deswegen verlorengegangen sind. Wer von den Herren möchte schon daran erinnert werden, daß einem das Leben auch übel mitspielen kann?

Daß die Wichtel nach neuen Opfer für ihre aufdringliche Hilfsbereitschaft suchten, wissen wir ja. Wie sind sie aber gerade auf unsere Vorurknallvorfahren gekommen?

Nun, es hat mit ihrer Mythologie, ihrem Verständnis der Welt und des Universums zu tun.

Inwiefern?

Naja, es ist etwas schwierig zu erklären.

Warum ist es schwierig?

Es spielen okkulte und spiritistische Praktiken eine Rolle, aber auch weltanschaulich-politische Ideologien, die heute als unpassend und nicht mehr zeitgemäß angesehen werden.

Sie machen mich neugierig, Mann. Schießen Sie los...

...aber ich habe doch weder Pistole noch Revolver...

...und erzählen Sie!

Na gut.


„Vor Gott sind alle Menschen gleich,“ formuliert es das Christentum. Auch die Theosophie hat die „Bruderschaft der Menschheit ohne Unterschied der Rasse“ (wohlgemerkt: Hier ist nicht von der Schwesternschaft die Rede!). Ob eine Höherentwicklung der Menschheit durch die Verschmelzung der Rassen möglich ist, wie in der theosophischen Ideologie propagiert, sei einmal dahingestellt. In der Gnostik geht es eher darum, durch Vergeistigung und Erkenntnis in höhere Sphären aufzusteigen.

Warum erzählen Sie mir das? Gibt es eine geheime Botschaft, die ich nicht sehe und dementsprechend auch nicht verstehe?

Nein, nichts dergleichen. Ausgangspunkt der Wichtel war einfach die Frage: Wie können wir unser Wissen erweitern, damit anderen Wesen besser helfen und so zu noch besseren Wichteln werden?

Aber warum dann das Gelaber?

Die Antwort ist ganz einfach: Sie sollen das geistige Umfeld verstehen, in dem die Wichtel aktiv geworden sind.

Gut. Fahren Sie fort.

Wie bitte? Ich soll von hier wegziehen? Ich bin doch mit meinem Vortrag noch gar nicht fertig. Und außerdem: Was habe ich denn falsch gemacht?

Sie haben mich mißverstanden. Sie sollen mit Ihrem Vortrag weitermachen, Sie Esel!

Ia. Ia. Ia.

Wie bitte?

Sie sagten doch gerade, ich sei ein Esel. Da habe ich wie ein Esel gewiehert.

…. (hier hier benutzten Schimpfworte sind nicht wiedergabe- und zitierfähig.) (Der Zeitreisende schluckt, errötet kurz vor Verlegenheit, macht dann aber unbeirrt weiter)

Also gut. Dann kehre ich jetzt zu meinem Vortrag zurück. Als die Wichtig zu unserem Vorgängerplaneten aus der Zeit vor dem Urknall kamen, herrschte hier eine besondere Situation vor. Damit Sie diese Situation verstehen können, muß ich Ihnen den Vorgängerplaneten ein wenig beschreiben. Die Planetenoberfläche war damals ein unwirtlicher Ort, so richtig freudlos und trist. Das lag eindeutig an den Lebensumständen. Der Boden war karg und felsig. Er konnte die Lebewesen kaum ernähren. Es war oft kalt und regnerisch; die Sonne schien nur selten und war dann hinter einem Dunstschleier versteckt. Die Menschen von heute würden dort kaum Urlaub machen wollen.

Das Erdmaterial – ich benutze das Wort mal in Ermangelung eines besseren – war damals so durchlöchert wie Schweizer Käse. Es gab viele Hohlräume im Boden. Die meisten dieser Hohlräume nahmen viel Platz ein, waren großzügig angelegt und eigneten sich schon allein deswegen ausgezeichnet für die Ansiedlung von Menschen. „Wie – man kann doch nicht unter der Erde leben,“werden Sie nun sagen. „Doch, man kann!“ kann ich dem nur entgegenhalten. Ein raffiniertes Beleuchtungssystem sorgte dafür, daß es immer genügend unterirdisches Licht gab – ein ausgeklügeltes Spiegelsystem und versteckte Sonnenkollektoren sorgten beispielsweise für Lichtzufuhr. Ein Dämmsystem sorgte dafür, daß einerseits nie Wasser in die Höhlen sickerte und trotzdem immer genügend frisches Trinkwasser zur Verfügung stand. Hier konnten sie unsere menschlichen Vorgänger aus der Vorurknallzeit ansiedeln.

Und wofür ist das wichtig?

Das ist sehr wichtig, wie wir noch sehen werden. Im Laufe der Zeit entwickelten sich nämlich zwei Vorurknallzeitmenschenrassen heraus. Die Oberplanetaren waren – unter körperlichen Gesichtspunkten – hartgesottene Menschen. Ihre Körper waren knochig und sehnig. Sie hatten wirklich kein Gramm Fett zu viel. Die Haut war grau und wind- und wetterabweisend. Von ihrem Wesen her waren die Vorfahren eher zupackend, praktisch und pragmatisch veranlagt.

Die Innerplanetaren waren da ganz anders. Körperlich eher kleinwüchsig, neigten sie zu ausgeprägter Fettleibigkeit. „Kugelrund und kerngesund“ lautete ihr Wahlspruch. Unter den Innerplanetaren gab es viele Schöngeister und Feinschmecker. Das Ingenieurswesen war viel weiter entwickelt als heute. Wie sonst hätte man sonst wohl unter der Planetenoberfläche überleben können?

Es kam, wie es kommen mußte. Irgendwann entwickelten die Innerplanetaren ein überdimensioniertes Selbstbewußtsein. Sie hielten sich für etwas besseres als die Oberplanetaren. Und diese wollten sich das Standesdünkel der Unterirdischen natürlich nicht bieten lassen. Die Oberirdischen sahen sich als Beschützer der Unterirdischen.

Es kam zu ersten Reibereien, zuerst verbal, dann handgreiflich. Lichtquellen wurden versiegt, Kornkammern konfisziert. In dieser Situation griffen die Wichtel ein.

Wie hatten die denn überhaupt davon erfahren?

Durch Radio Eriwan.

Durch Radio E – ich dachte, das wäre erst zu unserer Zeit erfunden worden.

Nein, nein, das gab es damals schon. Als die Uqu...

Die Uqu? Wer ist das denn?

Die Uqu lebten damals auf dem Mond. Sie trieben Handel mit vielen Planeten. Und erzählten natürlich überall, was zu Hause los ist. So verbreitete sich die Nachricht von den heimatlichen Unruhen in Windeseile durch das ganze Universum. Und kam dann natürlich auch auf den Wichtelmännerplaneten. „Dort müssen wir hin,“ rief Wurgel, der große, weise Mann seine Mitwichtel auf. „Wenn wir uns weiterentwickeln und was dazulernen möchten, müssen wir auf diesen Planeten.“

Wer fett ist, ist faul und bequem. Nach diesem Motto nahmen die Wichtel zuerst Kontakt zu den Unterirdischen an. Die Wichtel boten ihnen an, sie komplett zu betreuen und sie vor den Oberirdischen zu beschützen.

Wer seid ihr?

Wir sind Wichtel.

Wichtel?

Wichtel.

Was ist das, ein Wichtel?

Wichtelmänner sind helfende Hände, gute Geister, brave Brüder, frische Freunde, arbeitssame Asketen, willige Wächter..

Ja, ja, ich habe schon verstanden. Wann könnt ihr anfangen?

Sofort.

Warum seid ihr nur so wenige? Gibt es nicht mehr von euch? Oder seid ihr feige?

Nein, nein, mitnichten. Wir wollten nur wissen, wie bereitwillig wir hier aufgenommen werden. Wenn wir zuhause melden können, daß es hier Arbeit für uns gibt, werden noch viel mehr von uns kommen.

Genauso oder doch ähnlich lief es bei den Oberirdischen. Dort konnten sich die Wichtel als hart arbeitende, helfende Geister präsentieren. Anfangs waren die Oberplanetaren natürlich sehr skeptisch. „Da hat uns jemand Feinde und Spione auf den Hals gehetzt,“ behauptete einer der Anführer. „Das hat es doch noch nie gegeben, daß uns jemand mal hilft. SO viel Glück hatten wir ja noch nie.“

Pro forma taten einige Wichtel so, als würden sie gegen die Oberplanetaren arbeiten. Wichtel und Oberplanetare konnten aber schnell zu zusammenarbeiten. Letztendlich führte diese Hilfe aber zum Untergang der Oberplanetarischen. Wer nicht mehr hart körperlich arbeitet, verweichlicht und verweibischt – siehe Unterplanetarische. Irgendwann konnten selbst die Wichtel Oberirdische und Unterplanetarische nicht mehr voneinander unterscheiden. Was natürlich fatale Folgen hatte. Die Oberirdischen waren ihrem Lebensraum nicht mehr gewachsen. Immer mehr von ihnen fielen den harten klimatischen Lebensbedingungen und dem Aufbau der Planetenkruste zum Opfer. Was also tun? Die Oberirdischen flüchteten in Scharen in die Unterwelt.

Und schufen damit erneut Probleme. „Wir brauchen frische Luft!“ Es wurden Belüftungsröhren geschaffen. „Wir brauchen natürliches Licht!“ Also wurden mehr Spiegel eingebaut. „Wir wollen...“ - „Wir brauchen …“ - „Wir wünschen..:“ - „Wir benötigen..:“

Die Forderungen der Oberplanetarischen wurden immer mehr. „Das ist zu viel,“ rief der Anführer der Unterirdischen eines Tages aus. „Wir müssen die Oberirdischen irgendwo anders unterbringen.“ Und wo? Im Reich der Unterirdischen gab es keinen Platz mehr. Jeder Zentimeter war schon belegt. Also griffen die Wichtel zu Spitzhacke und Schaufel und wolten Schächte weiter unten im Planeten anlegen.

„Nein, das geht nicht,“ befanden die Oberirdischen. Und warum nicht? „Dann wäre ja alles auf den Kopf gestellt. Die Noch-Unterirdischen wären dann über und oberhalb von uns angebracht. Die würden dann behaupten, sie wären uns überlegen. Es würde ihnen nur zu Kopfe steigen, wenn wir zu ihren Füßen wären.“

„Und es gibt ein praktisches Problem...,“ begann einer der Unterirdischen. Doch da war alles schon zu spät. Einer der nichtsahnenden Wichtel hatte eine schwarze, verzerrt wirkende Kugel entdeckt. Als er den Arm mit der Spitzhacke hob, hörte er noch den gellenden Schrei: „Nicht draufhauen. Das ist der Mittelpunkt des Universums. Wenn das kaputtgeht...“

Doch da war es auch schon zu spät. Die Spitze der Spitzhacke trat die zerbrechliche Kugel. Sie zersprang natürlich in Tausend Stücke. Und löste einen heftigen Sturm aus. Zuletzt konnte sich der irdische Vorgängerplanet diesem Sog, diesem reißenden und anziehenden Sturm nicht mehr widersetzen. Er verschwand. Im Nichts. Und hinterließ nicht etwa ein Nichts. Auch kein Vakuum. Immer mehr Planeten wollten an die Stelle der Vorurknallerde treten. Und steuerten ihren Platz an. Doch zu Auseinandersetzungen oder Kollisionen kam es nicht mehr. Konnte es auch nicht kommen. Man war schlagartig und urplötzlich im Nichts verschwunden.

Wo sind wir?

Auf dem Weg in eine neue Welt.

Wo die Wichtel heute sind, wird nicht verraten.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 31.08.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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