Siegfried Meyersieck

Fabel von der Sonnenblume

SonneRote Rose

In einem wundervollen Garten einst eine Sonnenblume stand.
Der Garten war voll der schönsten Pflanzen und Blumen.
Aber sie, die Sonnenblume, war so wunderschön anzusehen, gerade gewachsen, herrliche Blätter an ihrem kraftvollen Stiel
und mit einer Blüte versehen, die jeden, der sie erblickte, sofort in ihren Bann zog.
Jedermann wollte sie anschauen, berühren und ihren Duft einatmen.
Keine der anderen Blumen konnte da mithalten.

Die Sonnenblume wusste um ihre Schönheit und war sehr arrogant...
und so wollte sie keine andere Blume in ihrer Nähe dulden, denn sie wollte allein alle Beachtung ihrer Verehrer haben.

Eines Tages flüsterte sie einem Bewunderer zu, sie zu pflücken, sie zu hegen und zu pflegen, damit sie immer in seiner Nähe bleiben und er fortan nur noch sie sehen solle.
So geheißen tat er… und nahm sie mit nach Hause.



Eines Tages gingen die beiden, Sonnenblume mit ihrem Verehrer, spazieren.
So kamen sie in einen wundervollen Park, in dem es viele andere Pflanzen und Blumen gab.
Die Sonnenblume nörgelte aber nur an allen Blumen herum.
Sie konnte es nicht ertragen, dass ihr Verehrer auch die anderen Blumen sehen konnte, denn sie fürchtete,
dass er eine andere Blume denn sie selbst hübsch finden könne.
Aber er versicherte ihr, dass er nur Augen für sie habe.
Doch sie glaubte ihm nicht.
So befahl sie ihm, nicht mehr das Haus zu verlassen, damit er keine anderen Blumen mehr betrachten konnte.

So verging die Zeit.
Obwohl ihr Verehrer sie weiterhin pflegte und goss, veränderte sich die Sonnenblume.
Ihre Blätter wurden schlaff und runzelig, ihr einst kraftvoller Stiel wurde weich und krümmte sich,
und auch ihre Blüte verlor nach und nach an Farbe und Ausdruck.
Das machte die Sonnenblume trübseelig.

So verunsichert ging sie eines Tages allein in jenen Park, um sich mit den anderen Blumen zu vergleichen.
Obwohl sie nicht mehr so frisch war, übertraf sie dennoch die meisten Blumen an Schönheit.

Und so sprach sie zu einigen von ihnen:
„Seht her ihr Blumen, schaut mich an… ich bin viel größer als ihr, meine Blüte ist von weitem zu sehen
und meine Farbe leuchtet so intensiv, dass ihr neben mir verblasst“.

Die anderen Blumen schauten sie an, mit einem mitfühlendem Blick und antworteten ihr im Chor:
„Ja, Sonnenblume,… du bist gewiss viel größer als wir, und deine Schönheit übertrifft die unsere bei weitem…
daran soll es gar keinen Zweifel geben.
Aber sieh mal, du armes Ding… weist du denn gar nicht, welches Schicksal dich ereilen mag in nicht allzu ferner Zukunft?
Merkst du nicht, wie du dich schon veränderst?
Du bist entwurzelt, rausgerissen aus der Erde, die deine natürliche Heimat war – dort, wo du noch lange hättest deine Schönheit bewahren können.
Dein Tod ist schon bestimmt.
Von Tag zu Tag wirst du immer mehr deiner Schönheit einbüßen, bis du nur noch alt und vertrocknet bist,
und niemand dich mehr beachten wird.
Aber wir werden dann noch immer hier sein… verblühen, um im nächsten Jahr wieder in voller Pracht zu erstrahlen“.

Diese Worte trafen die Sonnenblume in Herz und sie fing leise an zu weinen.
Und mit jeder Träne, jedem Tropfen Flüssigkeit, den sie vergoss, verdorrte sie ein wenig mehr… bis sie schließlich in jenem Park, umgeben von Hunderten Blumen in voller Blüte, verstarb.
Und somit wurde zu ihrem Grab, was sie am meisten vermeiden wollte – ein Pfleckchen Erde, bedeckt mit unzähligen, wunderschönen Blumen,
denen allein in Zukunft die bewundernden Blicke der Spaziergänger zuteil werden sollten – denn die Sonnenblume sah niemand mehr.


SonneVerwelkte Rose

Und die Moral von der Geschicht?
Verlasse nie den Ort an dem du glücklich bist, denn nur dort kannst du deine Schönheit voll entfalten und bewahren.

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Siegfried Meyersieck).
Der Beitrag wurde von Siegfried Meyersieck auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.09.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Siegfried Meyersieck als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Spuren am Horizont: Kleine Geschichten vom Meer von Hermann Schuh



Aus einem verlängerten Segelurlaub wurden 13 Jahre eines intensiven Lebens auf See und den unausbleiblichen Abenteuern auf den Weiten der Meere. Die „Kleinen Geschichten vom Meer“ sind keine Reiseberichte im üblichen Sinn, sie sind mit dem Wunsch geschrieben, ein paar Spuren am Horizont zu hinterlassen und so des Lesers Fernweh ein wenig zu lindern.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Fabeln" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Siegfried Meyersieck

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Freunde auf Umwegen von Uli Garschagen (Fabeln)
Die Unterschrift von Ingrid Drewing (Wahre Geschichten)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen