Sylvia Knitel

Wenn die Einsamkeit dich frisst

Irgend etwas schien in der Wohnung zu sein, aber was? Alex rang mit sich. Sie wollte wissen, was es war, aber Angst kroch in ihr empor.

Jetzt sei mal keine Memme und schau nach!!!Was kann es denn verdammt nochmal sein?

Zögernd ging sie auf die Glastüre zu. Ihr Körper war angespannt. Mit zitternder Hand griff sie nach der Türklinke. Langsam drückte sie sie herunter und schob die Tür vorsichtig auf.

Mist, verdammter!!! Warum muss die jetzt auch noch quietschen? Scheiß Altbau und seine verfluchten Holztüren.

Alex fluchte in Gedanken und streckte ihren Kopf durch den Spalt. Nichts zu sehen. Das Neonlicht strahlte von der Straße herein und erleuchtete das Zimmer, aber die Schatten fraßen sich in den Ecken und Winkeln fest.
Sie hielt die Luft an und lauschte. Sie spürte, wie ihr Puls schneller schlug, hörte das Pochen hinter ihren Schläfen und ihren rasenden Herzschlag. Sie unterdrückte das Atmen, es war ihr schon ganz mulmig und das Gefühl lenkte sie kurzfristig ab. Zögernd glitt ihre Hand Richtung Lichtschalter.

Langsam, nicht zu schnell.

Sie knipste das Licht an. Das Klicken dröhnte regelrecht in ihren Ohren. Beruhigt trat Alex in das Zimmer ein, da sie nichts sah. Sie fühlte den flauschigen Teppich unter ihren Füßen und dachte daran, dass sich die Investition gelohnt hatte. Man konnte sich auch darauf legen und herum rollen, was sie gerne tat. Das Zimmer roch noch nach dem Duft des Teppichs. Schwer, synthetisch. Sie mochte den Geruch des Neuen.

Neuwagengeruch....

Alex verlor sich in Gedanken, als ihre Blicke über die Umzugskartons glitten und sie seufzen ließen. Sie schaute in jede Ecke und fand rein gar nichts. Alles war wie gewohnt, nicht einmal eine lumpige Maus ließ sich sehen. Sie holte tief Luft und blies sie Richtung ihres Ponys aus, dass er durcheinander geriet.
Sie schaltete das Licht aus und ging zurück in ihr Schlafzimmer, zu ihrem französischen Bett.

Man schläft himmlisch darin, wenn man schlafen kann.

Alex kroch unter ihre Bettdecke und zückte ein Buch. Jetzt, nach so einem Adrenalinstoß, konnte sie nicht schlafen - unmöglich.
Sie kuschelte sich in ihre Decke und genoss den Kissenhaufen, auf dem ihr Kopf ruhte.
Die Lider hatte sie etwas zusammengekniffen, damit ihre müden Augen die Buchstaben schärfer sehen konnten. Ihre Augen flogen über die Zeilen und verschlangen sie förmlich. Die Fingerspitzen befeuchtete sie mit ihren Lippen, bevor sie umblätterte. So verlor sie sich in der Geschichte.
Lange blieb es still ...
Bis …
Da war es wieder, das Geräusch. Es begann im Flur und schien näher zu kommen. Stück, für Stück, für Stück. Sie kroch unter die Decke. Sie wollte nicht hinsehen, aber sie musste. Sie musste es sehen, sie konnte nicht anders. Ihre Augen waren kurz über der Bettdecke, weit aufgerissen, die Brauen hochgezogen und ihre Hände gruben sich in die Decke, umklammerten sie - suchten Halt.
Es kam näher, es war schon kurz vor ihrer Tür, als das Geräusch wieder aufhörte. Gespannt starrte Alex zur Tür, konnte nicht wegsehen, nicht atmen, nicht denken. Ihre Blicke waren festgefroren. Sie hafteten an der großen, weißen Tür, die anscheinend immer näher kam. Und die Tür kam näher, genauso wie die Wände.
Dann kamen SIE.
Dunkle Schatten krochen unter der Türe durch, auf sie zu. Lange Finger griffen nach ihr. Nach ihrem Hals, nach ihrem Leben. Alex merkte, wie ihr das Blut in den Adern gefror.
Sie griffen nach ihr, drückten sie in ihr Bett, bissen sich fest. Der Schrei in Alex's Hals - erstarb. Sie wollte schreien, aber konnte nicht. Ihre Haut barst, platze auf. Sie schaute zu, wie die Stücke heraus gerissen wurden und ihr rosa Fleisch zum Vorschein kam. Ihre Muskeln sah sie zucken. Ihr Blut ergoss sich über die blütenreine Bettwäsche und färbten sie rot. Ihr Gesicht war nicht länger schön, es war schmerzverzerrt, ihr Körper wand sich unter den Qualen. Die Schatten hielten sie fest. Ihre Atemzüge wurden ruhiger, der Herzschlag verlangsamte sich.
Unvorhergesehen erklangen dutzende Stimmen, die wiederum wie eine klangen und Sie sprachen:
„Du hast uns gerufen, Alexandra. Warum hast du uns mit deiner Angst gerufen? Du hattest Angst vor dem Alleinsein und WIR haben dir Gesellschaft geleistet. Hast du unsere Gesellschaft genossen? War es so schön für dich, so wie für uns? Dein Leben brodelt in uns, gibt uns Kraft zu existieren. Es pulsiert, du solltest es spüren, welche Energie wir JETZT durch dich besitzen. WIR danken dir, Alexandra, für dein Leben, dein Blut - dein Fleisch.“

Alex lag in einem purpurrotem Meer des Schmerzes und der letzte Atemzug drang über ihre Lippen.
Und mit einem angsterfüllten und wissenden Blick glitt sie in das Reich der Toten, der Vergessenen.


©SylviaK.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.09.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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