Klaus Eulitz

Der Hut und der Teufel

Der Hut und der Teufel

 

 

Das Blut rann Pedro am Kinn runter, sammelte sich einen Moment, um dann von der Kinnspitze auf sein weißes Hemd zu tropfen." Das kann doch nicht wahr sein!", schrie er sein Spiegelbild an. Das einzig halbwegs saubere Hemd, das er besaß! Jetzt sah es aus, als hätte er sich den Arm abgetrennt und nicht beim Rasieren geschnitten. Also mußte er nun doch in seiner Zimmermannskluft zum Grab seiner Frau. Ist auch egal, Alma wird es nicht mehr stören. Jetzt war sie schon seit 21 Jahren tot und sie fehlte ihm immer noch jeden Tag. Seit dem Tod seiner Frau zog er sich immer mehr von den anderen zurück. Er konnte es nicht mehr ertragen. Er ertrug die Menschen nicht, ihre Stimmen, ihre Fragen, allein schon die Gegenwart anderer Menschen verursachte bei ihm Unwohlsein. Es war, als wenn er sich schämte, Freude zu empfinden, weil sie nicht mehr da war und es mit ihm teilen konnte. Also lebte er seitdem allein in seinem Haus und arbeitete auf dem Hof oder im Stall, als Zimmermann. Er fertigte für die Bewohner des Dorfes Schränke, Tische oder was auch immer gebraucht wurde, an. Seine Arbeit die er machte, war hervorragend. Nur er selbst war unausstehlich. Fast immer mürrisch. Wenn man mit ihm sprach, kam meist nur irgendein Gebrabbel, man wurde sogleich zur Tür geleitet und noch ehe man etwas sagen konnte, knallte schon die Tür ins Schloß.
Seinen großen, schwarzen Hut ins Gesicht gezogen, den er immer trug und der ihn manchmal vor den Blicken anderer schützte, ging er übers Feld zum Grab. Es war Frühling und die Sonne vertrieb die alten Schatten, samt Schnee und allem Kalten. Die Blumen überzeugten sich selbst davon, das die Sonne es ernst meinte. Sie wuchsen um die Wette, so als ob jede die Erste sein wollte, die die Sonne begrüßen wollte.
Angefangene Arbeiten blieben liegen, die Gedanken erlebten den Himmel und sprengten den Rahmen. Kein Sinn, sie zu einer Idee zu formen.
Heute war Markttag und die Stadt „Elvas" war bunt gemischt. Pedro ging, nachdem er am Grab seiner Frau war, forschen Schrittes über den Markt. Er spielte mit dem Gedanken, sich etwas zu kaufen, vielleicht, um sich etwas zu gönnen. Aber keinen Hund, der lag nur rum und machte Dreck. Er zog den Hut wieder tiefer ins Gesicht und lugte nur unter dem Rand mißtrauisch in die Gegend. Er wollte mit niemandem reden oder angesprochen werden und doch spürte er, das sich sein Leben heute ändern sollte. Erst wollte er wieder nach Hause gehen, aber dann zogen ihn der Duft und der Lärm magisch an.
Es zog ihn in die Ecke des Marktes, in der sich die Tiere gegenseitig im Wege standen. Dieses bunte Treiben verwirrte ihn zunächst etwas, war er doch bisher nur die Einsamkeit gewöhnt. Auch hier war Frühling. Es war bunt, laut und schön. Da ergriff auch ihn dieses Gefühl und trug ihn hinauf zu der Schönheit dieses bunten Treibens.Ziegen, Hunde, Pferde und Vögel schnatterten wild durcheinander. Sogar ein Kamel war da. Ein richtiges Kamel, welches ihn fröhlich ansah und ihm die Zunge rausstreckte. Alles deutete auf ein Lachen hin und irgendwie empfand er es als Befreiung, von all den Jahren der Einsamkeit und Härte, auch gegen sich selbst.
Erst langsam und verhalten ließ er ein Kichern hören. Aber nach und nach ergriff das Lachen doch Besitz von ihm. Endlich konnte er seinen Gefühlen einen Ausdruck verleihen, welcher ihn erlöste. Er lachte. Lachte lauthals und doch reichten seine Laute nicht aus, um sich mit seinen Gefühlen decken zu können und so traten Tränen in seine Augen. „Seht doch! Seht, das Kamel! Es lacht!"
Sogar die Ohren von Pedro wackelten ein bißschen vor Lachen und seine Hände wußten nicht, wohin. „Ich sterbe vor lachen!" Nach und nach füllte sich der gesamte Markt mit Lachen. Viele wußten nicht, woher das Lachen kam, aber das war egal. Es fehlte nicht an Herzlichkeit. Mittlerweile nahm das Lachen eine solche Intensität an, das selbst die Tiere nicht anders konnten, als mit zu lachen. Eine Ziege verlor vor lauter Lachen sogar etwas Milch, aber niemand bemerkte es. Nur ein kleiner Teufel, der ruhig in seinem Käfig saß und sich ein bisschen am Schwanz kratzte, lachte nicht mit. Er sah eher teilnahmslos aus. Wer weiß, wie lange er schon in diesem Käfig saß. Dennoch ließ er keine Anzeichen von Gereiztheit erkennen. Er saß nur da, mit seinen gelben Haaren an den Ohren, seinem langen Schwanz und wenn er den Mund öffnete, sah man seine riesigen, gelben Fangzähne. Obwohl er noch sehr jung war, sah er dennoch wie ein richtiger Teufel aus. Seine Körperhaltung war betont kraftvoll. Er glich einem, der sich seiner Kraft bewußt war und sie nicht ständig offen zeigen mußte. Er wartete ab und wußte, das er damit recht hatte. Auch Pedro spürte das und hörte abrupt auf zu lachen. Nur die Tränen liefen noch als Zeugen der gemeinsamen Heiterkeit an seinem Kinn herunter und verschwanden dann.
Er ging auf den Teufel zu und beobachtete ihn, wie er so da saß und nichts tat, sich um nichts kümmerte, zielgerichtet wartete. „ Mein armer Teufel. Was ist mit dir? Willst du mit mir kommen?" Pedro vergaß sich ganz und gar. Er rückte immer näher an den Teufel heran. Die Schnur, die als Absperrung diente, drückte Pedro ganz herunter, um über sie steigen zu können. Als er dem Teufel schon ganz nahe war, erklang plötzlich eine mächtige Stimme, die in einem riesigen Körper wohnte und ihn erreichte. „Entschuldigen sie, kann ich ihnen helfen? Haben sie die Absperrung nicht gesehen?" Pedro wußte, das dies eine Zurechtweisung war. Wenn er die Schnur nicht gesehen hätte, hätte er sie dann runterdrücken können? Aber er war guter Dinge, wollte keinen Streit und sagte „Nein, hab ich nicht gesehen. Es tut mir leid, mein Herr. Sagen sie bitte, wie heißt denn der Teufel? Es ist doch einer, oder?" „Sie haben ganz recht, mein Herr. Es ist ein Teufel, ein noch sehr junger!" Nun mußte der Mann am Stand, den alle Yoyo nannten, sehr vorsichtig sein. Er wußte, das wenn er versuchen wollte dem Herrn den Teufel aufzuschwatzen, dieser das Interesse verlieren würde. Also mußte er versuchen, eine gleichgültige Miene aufzusetzen, aber auch nicht zu sehr, denn das würde den Kaufpreis senken. Er mußte vorsichtig vorgehen. „Nein, er hat noch keinen Namen. Sie sehen ja, es ist noch sehr jung und noch nicht gut erzogen. Er macht allerlei Unsinn. Man muß sich mit ihm beschäftigen, aber wer hat schon so viel Zeit? Hab ich recht, mein Herr? Na, sag ich doch. Sonst ist er ganz brauchbar und macht alles was sie verlangen." „Wo haben sie ihn her?", fiel ihm Pedro ins Wort. Einen Teufel zu haben, ist ja nicht ganz alltäglich. Warum wollen sie ihn denn verkaufen?"„Aber wer sagt denn, das ich ihn verkaufen will? Ich muß ihn nur immer wieder mitnehmen. Denn wenn er alleine ist und Langeweile hat, stellt er die unmöglichsten Sachen an." „Wie wir Menschen", entgegnete Pedro etwas abwesend, während er den Teufel immer noch beobachtete.Yoyo verstummte für einen Moment, nickte sich selbst zu und fuhr in seinen Erläuterungen fort. „Vor vier Wochen kam ein alter, gebrechlicher Mann, dem man ansah, das er den Abend nicht mehr erleben würde, zu uns in die Ebene, direkt auf uns zu." „Warum?" fragte Pedro. Yoyo hob beide Hände „Der liebe Herrgott weiß, warum er zu uns kam. Jedenfalls, hatte der Alte diesen Käfig bei sich. Er sah mich auf dem Hof arbeiten, kam auf mich zu, stellte den Käfig hin und sprach mit fester Stimme": Hier, das ist mein Sohn. Paß gut auf ihn auf!" Yoyo seufzte und faltete beide Hände ineinander „ Ich schwöre ihnen, ich habe den Mann noch nie in meinem Leben gesehen. Jedenfalls, kaum hatte der Alte seine Worte gesprochen, sank er auch schon in die Erde und verschwand dort für immer. Richtig unheimlich! Nur die Schuhe blieben zurück. Es waren gute Schuhe. Hier, sehen sie!" Er zeigte Pedro die Schuhe, die sich um seine Füße kräuselten.
„Also, wollen sie den Teufel nicht verkaufen, wenn ich sie richtig verstanden habe?" fragte Pedro den Markt - Mann. Der Mann schwitzte, schaute zur Sonne und dachte: „Bald ist Mittag und ich habe diesen Vielfraß von einem Teufel immer noch am Hals." Aber ganz ruhig. Also erwiderte er so gleichmütig er konnte": Ich habe auch nicht gesagt, das ich ihn nicht verkaufen will."Pedro rückte seinen großen, schwarzen Hut zurecht. Auch er schwitzte. „Was mache ich eigentlich hier?" Er dachte über sein weiteres Vorgehen nach. Er wollte den Teufel! Wenn er schon nicht mit Menschen klar kam, dann vielleicht mit einem Teufel. Er sah sich den Teufel noch einmal genau an, der jetzt auf dem Rücken lag und sich seinen mächtigen Schwanz massierte. Die mächtige Stimme von Yoyo riß ihn aus seinen Gedanken „Hören sie! Wenn sie ihn kaufen wollen, dann sollten sie das jetzt tun. Wissen sie, er ist mir schon richtig ans Herz gewachsen. Aber ich sehe auch, das er es bei ihnen sehr gut haben wird. Sie haben sicher mehr Zeit für ihn, als ich."Pedro machte eine tiefe Verbeugung und bedankte sich für das Vertrauen.Also, gut," sagte Pedro, der plötzlich Hunger hatte und eigentlich nur noch nach Hause wollte."An wieviel dachten sie denn, für den Teufel? Immerhin haben sie ihn ja unter seltsamen Umständen zugespielt bekommen!" Eine kleine Gruppe von Leuten hörte diese Verhandlung nun neugierig mit an. „ 50000 Pesetas!" presste Yoyo mit, sich nach Schatten sehnenden Augen, hervor.Eine tiefe Ruhe legte sich über diese Ecke des Marktes. Selbst die Tiere schauten interessiert und hörten auf zu schnattern. Pedro überlegte.und sagte „Gut!" Yoyo atmete erleichtert auf und überlegte schon in dieser Sekunde, was er sich alles von dem Geld kaufen würde. „Also, gut," unterbrach Pedro die Überlegungen des Anderen „Ich gebe ihnen 3000 Peseten." Yoyo sackte ein wenig in sich zusammen „Was? 3000 Peseten? Die frißt er täglich allein auf! Was meinen sie denn, was der so alles an einem Tag frißt? Also, 4000 sind schon das Mindeste und dann verdiene ich schon nichts mehr!" Pedro lachte „Hören sie! Ich geb ihnen 10000 und dann verdienen sie auch 10000 Peseten. Also, mein Herr. Was sagen sie?"Yoyo schaute hilfesuchend in die Runde. Er überlegte. Behalte ich den Teufel, frißt er mir die Haare und wer weiß, was sonst noch vom Kopf. Scheinbar hatte er in dem Herrn mit dem großen, schwarzen Hut keinen Dummkopf zum Gegenüber. Er mußte wohl klein beigeben, aber so einfach wollte er es dem Herrn auch nicht machen.„15 000 Peseten!" Er schrie Pedro schon fast an. Ruhig und mit einem Lächeln im Gesicht sagte Pedro": 11000 und nicht einen mehr!"Mittlerweile kamen die Frauen mit dem Mittagessen für ihre Männer. Auch Yoyo bekam seine Mahlzeit und bot wie es sich gehörte, Pedro an, mit ihm zu essen. Da aber nur ein Besteck zur Hand war, sagte Yoyo." Sie sind mein Gast. Essen sie zuerst!"Pedro ließ sich nicht lange bitten. Er nahm das Besteck, fing an zu essen und dachte nach. Dabei vergaß er ganz den Mann vom Stand, der schon hungrig und zappelnd neben ihm saß, aber es blieb für Yoyo nichts übrig. „Gut," sagte yoyo völlig genervt. Er wollte den Mann und den Teufel jetzt einfach nur noch los werden. „ 11 000 Peseten und sie nehmen ihn mit. Dann kann ich mir wenigstens ein Mittagessen kaufen."Pedro nahm den Käfig gab dem Mann das Geld und sprach fast verschwörerisch, indem er sich etwas zu Yoyo beugte „Das mit dem Mittagessen tut mir leid, aber seien sie froh, ich wollte ihnen nur 6ooo Peseten geben. Also, vielen Dank und auf Wiedersehen." Pedro verschwand in der Menge, die immer noch da stand und zusah.
Yoyo war froh, aber auch verärgert und schrie die Leute an „Was glotzt ihr denn so? Haut ab! Los doch! Nun geht endlich. Die Show ist vorbei!" Da sagte einer der Männer aus der Gruppe „Schrei doch nicht so herum. Du bist doch selbst dran schuld! Warum erzählst du auch so einen Unsinn, von einem alten Mann der in der Erde verschwand?"
Mehrere Stimmen ließen nun ihren Meinungen freien Lauf. Da schrie Yoyo „Aber es ist die Wahrheit, das mit dem Alten! So wahr ich hier stehe und 11ooo Peseten in der Hand halte!" Die Anderen hatten kein Interesse mehr und gingen, jeder für sich, ihren eigenen Beschäftigungen nach. Nun stand er allein da und zählte erst einmal das Geld, welches ihm Pedro als Bündel in die Hand gelegt hatte."Aber das kann doch nicht wahr sein! Das gibt es doch nicht! So ein Schweinehund. Hier seht! Es sind nur 6ooo Peseten."Aber es war keiner mehr da, dem er es hätte zeigen können. So eine Blamage, für ihn, der es gewohnt war, das er immer die Anderen übers Ohr haute und sie dann auch noch auslachte, weil sie nicht aufpassten.
Pedro war mit seinem Teufel schon fast zu Hause. Der Weg war nicht weit und mit seinem Fuhrwerk, welches zwei tüchtige Pferde zogen, ging es zügig voran. Er grübelte. Was sollte er eigentlich mit einem Teufel anfangen? Schön, nun war er nicht mehr allein. Aber ein Teufel? Mein Gott, wenn das mal gut ging. Aber ein bisschen Hilfe konnte er schon gebrauchen. Mit diesem Gedanken kamen sie auch schon zu Hause an und nachdem die Pferde versorgt waren und das Fuhrwerk in den Schuppen gestellt waren, gab Pedro dem Teufel erst einmal etwas zu Essen. „Hallelujah!" Entfuhr es ihm, als er sah was für Mengen der Teufel verdrücken konnte und offensichtlich immer noch Hunger hatte. Nach dem Essen schien erst einmal Ruhe einzukehren. Pedro war müde. Der Tag war anstrengend und ein bisschen schlafen konnte nicht schaden. Gerade als er es sich auf der Couch bequem machen wollte, traf ihn ein Holzscheit am Kopf „Aua!" Schrie Pedro in Richtung Teufel und rieb sich die Beule, die sich anfühlte, als wollte sie beim Kürbis- Wettbewerb mit machen. Aber noch ehe er sich aufrappeln konnte, trafen ihn auch schon weitere Geschosse.Nur mit Mühe fand er Schutz hinter dem Tisch, sah den Teufel, der auf einem Haufen Holzscheite saß und ihn ansah. „ So ein Mistkerl!" dachte Pedro „da hab ich mir meinen Feind direkt ins Haus geholt. Ich muß versuchen, ihn zu meinem Freund zu machen. Er entsann sich der Worte, von diesem Markt - Trottel, das der Teufel noch nicht gut erzogen sei und beschäftigt werden müßte. Ansonsten würde er allerlei Unsinn anstellen, wenn er sich langweile.
Also, dachte Pedro, Beschäftigung kann er haben! Er nahm den Teufel mit nach draußen und zeigte ihm einen riesigen Haufen unbehauener Stämme, die Axt und wie beides zu handhaben sei. Der Teufel schien kräftig und willig bei der Arbeit zu sein. Pedro war froh und rieb sich die Stellen, an denen er von den Holzscheiten getroffen wurde." Ich muß mir noch einen Namen für ihn ausdenken, damit ich ihn rufen kann. Vielleicht Major? Ich probier es gleich einmal." Pedro ging um das Haus, konnte den Teufel aber nirgends entdecken. Statt dessen sah er einen haushohen Haufen Holzscheite. „Mein Gott, das ging aber schnell! Aber wo ist der Teufel?" Also ging er wieder um das Haus und nun dem Gejaule nach, welches vom Felde her zu ihm drang. Er ahnte nichts Gutes.Da sah er auch schon Major, wie er, die Axt über seinem Kopf schwingend, immer wieder versuchte, den Hund des Nachbarn zu treffen, wobei dieser auch schon ein Stück seines Schwanzes eingebüßt hatte. Mit vor Angst geweiteten Augen, rannte der Hund vor dem Teufel um sein Leben. Noch ehe Pedro den Teufel rufen konnte, erfüllte ein langes, immer leiser werdendes Winseln den Platz, auf dem Pedro stand. Major hieb mit der Axt und einem Lachen im Gesicht, immer wieder auf den Hund ein. „Teufel noch mal. Major! Komm her!" Schrie Pedro mit heiserer Stimme. Ihm war glatt die Spucke weggeblieben. Tatsächlich drehte sich Major zu ihm um, erblickte ihn und kam dann Axt schwingend, auf ihn zugerannt. Pedro schwitzte und fror zugleich. Alles in ihm war auf Wegrennen programmiert. Dann sah er die Reste vom Hund und dachte: „Der ist weggerannt, bevor er so aussah." Aber selbst wenn er wollte, er konnte sich nicht bewegen. Er war wie gelähmt und ... es war sowieso schon zu spät. Major war bei ihm und versuchte, den Hut, mit der Axt von Pedros Kopf zu schlagen. Anscheinend wollte er ihn unbedingt haben, um sich darunter zu verstecken. Pedro sah ihm fest in die Augen und sah, das er noch nicht dran war. Er mußte lachen bei diesen Gedanken und war froh, das Major ihn in Ruhe ließ. Um den Hund war es sowieso nicht schade. Der war alt und Pedro erinnerte sich, wie er einmal in seiner Werkstatt über diesen Köter gestolpert war, mit dem Kopf gegen den Amboß krachte und als er versuchte sich mit der Hand abzufangen, mit dieser in eine Säge griff. Die Narbe war heute noch zu sehen. Nein, schade war es nicht, aber Pedro wußte, das wenn er jetzt nicht die Richtung vorgeben würde, dieses Konsequenzen nach sich ziehen würde, deren Ausmaße er sich nicht vorzustellen vermag. Also rief er Major und ging ins Haus. Ihm mußte schnell etwas einfallen und während er noch grübelte, sah er wie Major seine geliebten Bilder und Bücher aus dem Fenster schmiß und sich anschickte, diese mit Streichhölzern zu entzünden."Major! Komm mit!" Pedro war entschlossen. Er hatte die Wahl: Entweder Amboß oder Hammer. Er wollte der Hammer sein. „Siehst du diesen Haufen, mit der Heugabel darin? Dieser Haufen muß auf die andere Seite geschafft werden und wenn du damit fertig bist, wieder zurück! Verstanden? Und zwar solange, bis ich „Halt" sage!" Willig nahm der Teufel die Heugabel und schippte den Haufen, der fast bis zum Himmel reichte, auf die andere Seite und zurück. Immer wieder. Ab und an gab Pedro ihm zu essen, aber dann ging es weiter. „Gott sei Dank, kam mir noch dieser rettende Gedanke," dachte Pedro.
Drei oder vier Jahre später, Major war immens gewachsen und wenn er beschäftigt war auch friedlich und sogar hilfreich. Der Acker war noch nie so oft und gründlich bearbeitet worden und das Haus wurde einige Male abgerissen, um dann wieder etwas größer aufgebaut zu werden. So gab es hunderte von Arbeiten, welche der Teufel in dieser Zeit bereitwillig erledigte, vorausgesetzt, er hatte genügend zu Essen. Wenn nicht, wurde er launisch, was immer daran zu sehen war, das es irgendwo brannte oder sich wieder einmal einige Tiere qualvoll in ihrem eigenen Blut wälzten und mit abgerissenen Gliedern versuchten, sich nach Hause zu schleppen. Einmal kam ein Wanderzirkus in diese Ebene und Pedro arbeitete gerade an einem Tisch, welcher für den Bürgermeister bestimmt war. Er konnte seine kleine, scharfe Säge und etliche Meißel nicht finden, die er zur Bearbeitung für den Tisch benötigte, als ein kleiner Junge schreiend in seine Werkstatt gestürmt kam. „Mein Herr, sie müssen unbedingt sofort kommen! Etwas Schreckliches ist passiert. !" Pedro trat mit dem Jungen ins Freie und ein eisiger Schauer bemächtigte sich seiner. Es gab kein Geräusch auf dem Hof. Wo war Major? „Was ist denn passiert?"Versuchte er den Jungen zu fragen, als sie schon auf dem Weg zum Dorf waren. Aber der Junge stammelte nur immer wieder mit tränenerstickter Stimme": Mein Vater, meine Mutter und überall das viele Blut ... und dann diese Bestie!" Also rannten sie dahin, wo einmal der Wanderzirkus gestanden hatte. Was Pedro dann sah, ließ ihn erschauern. Er hatte so etwas schon einmal gesehen. Damals im Krieg. Überall Zerstörung und Blut.Da wo einst das riesige, schöne Zirkuszelt gestanden hatte, waren jetzt nur noch in den Himmel gerichtete Zeltstangen, welche sich durch die Leiber von etlichen Menschen bohrten, zu sehen. Was Pedro sofort auffiel war, das auf jeder Stange immer erst ein Mensch, dann etwas Buntes, wie ein Ball oder ein buntes Tuch und dann wieder ein Mensch usw., aufgespießt waren.Wenn man wollte, sah es aus, als stünden riesige Schaschlikspieße mitten in der Ebene.Die Menschen, die noch lebten und versuchten sich zu befreien, rutschten bei diesem Versuch immer tiefer am Spieß herunter, was von himmelschreienden Schmerzensrufen und grotesken Bewegungen begleitet wurde.Pedro mußte kotzen und übergab sich genau über den Jungen, der gerade versuchte, sich mit seinen mickrigen Händen in den harten Sand einzugraben. Hier konnte er nichts mehr tun. Er mußte den Teufel unbedingt finden! Als er in die ehemalige Arena ging, sah er wie der Teufel auf einen Elefanten reitend, einen Löwen an dessen Hinterbeinen haltend, wie ein Hammerwerfer über seinen Kopf schwang und mit einem absurden Lachen und unglaublicher Wucht zu Boden warf. Es knallte, als der Kopf des Löwen auf den Boden aufschlug und zerbrach. Überall lagen Tierkadaver herum. Eine Antilope, oder besser, die Reste einer Antilope waren in dem aufgerissenen Bauch eines Eisbären versteckt, dessen Beine abgesägt worden waren. Mittlerweile hatte der Teufel seine Position verlassen und versuchte nun, den Rüssel des Elefanten aus diesem zu reißen. Es knirschte entsetzlich und da, wo eben noch der Rüssel hing, klaffte nun ein riesiges Loch im Schädel des Elefanten, der langsam zu Boden sank und seine Schmerzensschreie in Richtung Himmel schickte. „M a j o r! Hierher !!!"Schrie Pedro und ging mit festen Schritten und versagenden Herzen auf den Teufel zu. Major wartete und Pedro schrie ihn an": Was ....? Was zum Teufel soll das hier? Was hast du getan? Sieh dich doch mal um!" Pedro kamen zum ersten Mal ernsthafte Zweifel an seiner damaligen Entscheidung, sich den Teufel zu kaufen. Gut, schön war es bisher auch nicht. Die abgeschlachteten Tiere und so, das konnte man immer auf streunende Wölfe schieben. Aber das hier ging nun wirklich weit über das Maß des Zumutbaren hinaus. Major sah ihn an und wartete. „Also gut," dachte Pedro, „erst einmal weg von hier und nach Hause." Auf dem weg nach Hause, versuchte Major immer wieder, sich den Hut von Pedro zu greifen, bis er ihm diesen auch total entnervt gab. Es sah aus, als würde sich der Teufel verstecken wollen..
Die Wochen und Monate verstrichen und Pedro achtete jetzt noch genauer darauf, das der Teufel immer genügend zu Essen bekam, immer genug zu Arbeiten hatte und das er diesen versteckte, wenn einer aus dem Dorf kam, um nachzusehen, ob er nicht doch diese Bestie beherbergte, von der der Junge sagte, das diese mit Pedro nach Hause gegangen sei. So ein Rotzlöffel! So was Undankbares! Immerhin lebte er noch. Aber nein, zum Dank dafür, wird man auch noch angeklagt.
Der Frühling zog ins Land und eines Tages beschloß Pedro, nun doch wieder mal auf dem Markt zu gehen. Vielleicht konnte er den Teufel ja doch wieder verkaufen. Es war doch ziemlich anstrengend, jemanden immer wieder zu beschäftigen, wenn eigentlich alle Arbeit schon getan war. So gab er Major eine Aufgabe, mit der dieser auf jeden Fall bis zum Abend beschäftigt sein würde und machte sich mit einem unruhigen Kribbeln im Magen am frühen Morgen auf dem Weg zum Dorf auf, wo der Markt stattfand. Also hatte er den ganzen Tag Zeit, wollte aber schon am frühen Nachmittag wieder zu Hause sein. So lief er, sich immer weiter von seinem in der Sonne glänzenden Haus entfernend los. Das bunte Markttreiben vertrieb ihm seine ängstlichen Gedanken und als er noch einen alten Schulfreund traf, war von alledem nichts mehr zu spüren. Pedro glaubte seinen Augen nicht trauen zu können."Das gibt es doch nicht. So einen langen Bart habe ich ja noch nie gesehen. Komm, laß dich drücken lieber Freund." „Eigene Zucht!" Erwiderte der Freund, bezüglich des Bartes und schon fielen sich die Freunde in die Arme. Es war eine herzliche Begrüßung, mit allerlei Gekicher und Geklopfe auf die Schultern. Trunken vor Freude sagte Pedro": Komm! Ich kenne ein gutes Restaurant, hier in der Nähe. Wenn sich zwei Nußschalen auf dem Ozean treffen, dann ist das ein Grund zum eiern."Sie tranken und schwatzten, stellten sich Fragen und gaben Antworten. Der Schlips saß bei Beiden nicht mehr ganz so eng. Der Mond trat soeben seine Schicht an, aber für die Freunde war der Abend noch lange nicht vorüber.„Wir wollen noch meine Freundin Eva besuchen gehen." Sagte Pedro und zwinkerte seinen Freund zu. Beide schmunzelten. Fröhlich singend und einander umarmend, liefen sie in das Viertel des Dorfes, in welchem die Frauen vor den Hütten standen und so taten, als hätten sie im Garten zu tun. Die Freunde fanden die richtige Hütte, in der sich nur ein Bett befand und kicherten wie kleine Schuljungen.Am nächsten morgen dann, als die Sonne schon da stand, wo sie um diese Zeit immer stand, wachte Pedro schweißnaß auf. Er hatte kurz und schlecht geschlafen. Eigentlich wollte er gar nicht schlafen, aber das Bier, der Wein und alles Andere, machten seine Pläne und auch ihn zur Farce. Widerwillig bezahlte er die Frau, an die er sich nicht mehr erinnern konnte und trat hinaus ins Freie. Von seinem Freund fehlte jede Spur.
Den gesamten Weg nach Hause über, ging ihm der Teufel nicht mehr aus dem Kopf. Vielleicht schlief er ja noch, oder arbeitete immer noch an dem Graben, wie Pedro es befohlen hatte. So langsam müßte er sein Haus doch sehen, aber statt dessen wehten dicke Rauchschwaden zu ihm herüber. Pedro spürte eine eisige Kälte in sich aufsteigen. Nun ja, das Haus, das konnte er wieder aufbauen lassen. Das war kein Problem. Darin hatte er schon Erfahrung und das müßte schnell gehen. Aber so langsam müßten auch die Häuser von den neuen Nachbarn zu sehen sein. „ Mist! Verdammter!" Er war zornig auf sich selber. Wieso hatte er gestern nicht beizeiten „genug" gesagt? Schnell betrat er den Weg, in dem er wohnte und was er dort erblickte, ließ ihn erschauern. Vor ihm standen, bis auf den Keller runter gebrannt, sämtliche Häuser der Umgebung. Aber von Major keine Spur. Mitten in einer Ruine, sah er Major, wie er vor einem riesigen Feuer hockte. Neben ihm befand sich, eine bis zum Stiel mit Blut beschmierte Axt. Eine Säge und ein Spaten befanden sich ebenfalls in der Nähe. Beide teilweise mit Hautfetzen oder Haarbüscheln behange. Ein riesiger Spieß drehte sich quietschend und fauchend über dem Feuer und da, endlich, sah Pedro, wie sich seine gesamte Nachbarschaft am Spieß befestigt, über dem Feuer drehte und der Teufel sich eben anschickte, zum Feuer zu gehen, mit einem riesigen Messer in der Hand, um sich von einem der armen Kreaturen ein Stück abzuschneiden. „NNEEEEIIIIIIIIIINNN!!!"
Pedros Schrei schien Ewigkeiten zu durchbrechen und die Wolken flohen. Er stürzte auf den Teufel los, um ihn zu bestrafen, aber der Teufel stellte ihm ein Bein, so, das Pedro stolperte, kopfüber ins Feuer fiel und mit dem Kopf auf einen Stein schlug.

Der Teufel saß ungerührt da.

Wahrscheinlich war jetzt doch die Zeit für Pedro gekommen. Der Teufel nahm sich den Hut, den Pedro beim Sturz verloren hatte, setzte ihn sich auf den Kopf und langweilte sich ...

 

  

by Klaus Eulitz

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.09.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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