Sherin Pojar

Missverständnisse

 

FIRST CHAPTER

 

Sie saß allein an einem Bartisch, der Drink vor ihr auf dem Tisch war unberührt. Sie hatte die Augen geschlossen und schien niemanden um sich herum war zu nehmen. Für einen kleinen Moment wünschte ich mir dieses Gefühl ebenfall spüren zu können. Ich schloss die Augen, ließ die ruhigen Klänge der Barmusik auf mich wirken, doch es wollte mir einfach nicht gelingen der Welt zu entrücken. Stattdessen spulten meine Gedanken rückwärts. Trugen mich an Orte und Plätze, die ich nicht sehen wollte, weil sich zu erinnern weh tat. Vor ein paar Wochen hatte ich mich furchtbar mit meinem Freund gestritten, seitdem hatte
ich jeglichen Kontakt vermieden. Doch mehr noch als der Streit selber, versetzte mir die Tatsache, dass es ihn scheinbar überhaupt nicht kümmerte, einen tiefen Stich.

Und dann statt mich endlich zu erlösen und einmal vollkommen frei zu sein, trugen mich meine Gedanken noch weiter zurück. Ich erinnerte mich an Worte, die gesagt, an Versprechen die gemacht aber und niemals gehalten worden waren, daran wie es sich jedesmal angefühlt hatte enttäuscht zu werden. Doch vor allem erinnerte ich mich an meinen vollkommen erfolglosen Kampf den Mann, dem einst mein Herz gehört hatte, von etwas zu überzeugen, an das ich mittlerweile selbst nicht mehr
glauben konnte. Schließlich gab ich den Versuch auf und schlug die Augen auf. In diesem Moment sah ich wie sie direkt zu mir hinüber schaute. Ihre Augen hatten die Farbe des Meeres, ihr Mund lächelte und sie schien vollkommen gelöst und zufrieden mit sich und der Welt. Ich versuchte ein Lächeln, doch es verunglückte wohl eher zu einer armseligen Grimasse. Aus den
Augenwinkeln bemerkte ich einen jungen Mann, der gerade zur Tür herein kam. Er war in den Mittzwanzigern, hatte schwarzes Haar, einen gut gebauten kräftigen und muskulösen Körper, seine Gesichtzüge waren scharfkantig, dennoch wirkte er beinah ein wenig schüchtern. Er trug eine enge Jeans und unter seiner Lederjacke blitzte ein schwarzes aber legeres Hemd hervor. Ich konnte nicht anders als ihn fasziniert anzuschauen, so dass ich nicht bemerkte wie die Frau am anderen Tich meinem Blick folgte.
Der junge Mann blickte sich ein wenig unschlüssig im Raum um. Da er allein gekommen war und sich nicht gleich an die Bar setzte, hatte er wohl eine Verabredung, soviel reimte ich mir zusammen. Aus seinem Outfit zu schließen war er entweder immer so gut gekleidet wenn er mit Freunden unterwegs war oder es handelte sich bei seiner Verabredung um eine Dame. Als sein
Blick auf die Frau mit der ich noch vor wenigen Minuten Blickkontakt gehabt hatte fiel, setzte er sich schließlich in Bewegung. Nach in paar Schritten blieb er jedoch wieder stehen. Die Frau mit den meerblauen Augen legte gerade einen Schein neben ihren noch nicht angerührten Drink, der übrigens das selbe enthielt wie in meinem Glas und ging wenige Sekunden später an dem jungen Mann vorbei in Richtung Tür. Nun , mit ihr war er also scheinbar nicht verabredet gewesen. Als mir dieser Gedanke durch den Kopf schoss, lief sie gerade an meinem Tisch vorbei und als sich unsere Augen trafen zwinkerte sie mir zu. Da wurde mir klar, dass sie außer mir die einzige Frau in der kleinen Bar gewesen war, die allein hier war. Doch noch bevor ich mir weiter darüber Gedanken machen konnte, stand dieser gutaussehende junge Mann plötzlich vor mir und lächelte mich an. Sein Lächeln war einfach umwerfend, charmant, herzlich,
entwaffnend und er schien darauf zu warten, dass ich etwas sagte.


„Ähm hallo“, war schließlich alles was ich hervorbrachte.
„Hey, ich bin Mark“, stellte er sich mir vor. „Ist der gut?“, fragte er und deutete auf mein Glas.
„Der Whiskey? Denke schon.“ Als ich diese paar Worte zu Stande gebracht hatte, legte er
seine Jacke auf den Stuhl zwischen uns und setzte sich.
„Ich bin so froh, dass du gekommen bist und ich jetzt nicht allein hier sitzen muss. Mein Kumpel meinte es würde mir gut tun, solch ein Date, meine ich. Und dann hat er mir von dir erzählt und am Ende bin ich tatsächlich ein wenig neugierig geworden und hab mich von ihm hierzu überreden lassen.“ Bei diesen Worten wurde sein Lächeln noch ein Stück herzlicher, und obwohl ich wohl begriff, dass das ganze ein Missverständnis war, sagte ich einfach gar nichts.
„Er hat wirklich nicht gelogen, du siehst umwerfend aus.“ Ich lächelte schüchtern. Ich hatte mir eigentlich keine große Mühe gegeben, mich fein zu machen, meine Kleidung war gewöhnlich, mein Haar war bis auf die wenigen Wellen, die noch von meiner letzten Dauerwelle übrig waren nichtssagend und ich hatte mich geradeeinmal dazu aufraffen können,
ein wenig Lidschatten und Wimperntusche aufzutragen. Wahrscheinlich wollte er einfach nur höflich sein.
„Aber erzähl mir doch mal, nachdem ich soviel über dich gehört habe, was hat man dir über mich erzählt“
„Nichts“ antwortete ich wahrheitsgemäß und mit einem leichten Anflug von schlechtem Gewissen.
„Nichts?, fragte er ein wenig verblüfft
„Naja alles was ich weiß ist dein Name.“

Dann began er mir alles über sich zuerzählen. Ich erfuhr, dass er Taucher war. Er war während seines Archeologiestudiums bei der Marine ausgebildet worden und hatte vor einiger Zeit zusammen mit seinem besten Freund Bill und Initiator dieses Blinddates eine Tauchschule eröffnet. Er erzählte mir von versunkenen Wracks, die sie für die Wissenschaft erkundeten, von den Schätzen die er da unten fand. Es waren immer nur Kleinigkeiten, aber es faszinierte mich, dass er von alten Medaillions und Tonscherben berichtete als wären sie die wertvollsten Kostbarkeiten die existierten. Er erzählte mir auch was der eigentliche Grund für dieses Treffen war. Sein Freund hatte ihn eines Tages beiseite genommen, ihm ernst ins Gesicht geschaut und gemeint. Junge du kannst nicht für immer nur für die Kostbarkeiten der See leben. Irgendwo da draußen gibt es eine Frau die dich braucht und genauso kostbar ist wie deine Schätze. Bei diesen Worten sah er mir in die Augen, als ob für einen kleinen Augenblick ich er wäre und er Bill. Er schien die Worte seines Freundes nicht ernst zu nehmen, doch als er mich wieder anlächelte befand ich im Stillen, dass dieser Bill wer immer er auch sein möge vollkommen recht hatte. Dieser Mann war dazu geschaffen jemanden glücklich zu machen und gleichzeitig einer Vielzahl von anderen Frauen das Herz zu brechen. In diesem Augenblick wollte ich nur eines: Wissen, auf welcher Seite dieser Geichung ich am Ende stehen würde.


Bill war gerade dabei sich das letzte Footballspiel nochmals in der Wiederholung anzuschauen als es an der Tür kingelte. Er erwartete eigentlich niemanden. Seine liebe Frau schlummerte schon in ihrem gemeinsamen Bett, Mark war mit Cindy unterwegs und amüsierte sich hoffentlich mal ein wenig. Es hatte ihn Monate gekostet diesen Sturkopf überhaupt dazu zu überreden, und er wusste, dass Cindy ihn dazu bringen konnte, alle seine Meeresschätze und die Firma einmal zu vergessen.
Doch als er die Tür aufmachte und Cindy dort stehensah, fragte er sich ob Mark jemals Augen im Kopf gehabt hatte oder ob er einfach zu stur war. Vollkommen perplex wurde er von der resoluten Cindy ins Wohnzimmer geschoben und auf der Couch
plaziert, schließlich nachdem sie in aller Seelenruhe ihren Mantel abgelegt hatte, setzte auch sie sich endlich.
„Ok erzählst du mir was dieser Trottel gemacht hat, dass du hier so früh auftauchst? Er ist doch nicht etwa nicht aufgetaucht, oder? Er hatte es mir hoch und heilig versprochen, dass er gehen würde. Was für ein Trottel!“
Während Bill weiter über Mark lamentierte, hatte Cindy ihr breitestes Lächeln aufgesetzt. Schießlich sagte sie mit ihrer tiefen, verführerischen Stimme nichts weiter als:
„Er ist da gewesen. Nur bin ich gegangen.“
„Wie bitte, aber warum denn das?“, fragte Bill der nun vollkommen verwirrt war. „Aber ich hatte dir doch ein Photo von ihm gezeigt und du hast gemeint, er wäre genau dein Typ?“
„Oh, dass war er auch, und glaub mir er hat sich heute Abend alle Mühe gegeben den Kerl auf dem Photo vollständig wie einen Looser aussehen zu lassen. Aber ich bin gegangen bevor wir auch nur ein Wort gewechselt hätten.“
„Und warum das bitte?“
„Wegen ihr“, sagte Cindy schlicht und schloß die Augen.
Diese junge Frau war ihr auf dem ganzen Heimweg nicht aus dem Kopf gegangen. Als sie nach ihren kleinen Ausflug in die Freiheit der Gedanken, die Augen wieder geöffnet hatte, war ihr Blick auf sie gefallen. Warum konnte sie nicht sagen. Sie hatte dunkles natürlich blondes Haar was ihr in Wellen um ihr Gesicht fiel, ihre Gesichtszüge selbst waren weich, nur die Gesichtszüge um ihren Mund wirkten ein wenig hart, als ob sie selten die Gelegenheit hatte zu lächeln. Auch ohne Make-up
wirkte ihre Haut schön und ebenmäßig und ihre Augen wurden von schwarzem Lidschatten betont. An diesem Abend trug sie eine Jeans und ein einfaches Oberteil, dass aber obwohl so einfach ihre Figur genau an den richtigen Stellen betonte. Während die junge Frau ihre Augen geschlossen hielt, spiegelten sich die widersprüchlisten Empfindungen auf ihrem Gesicht wieder. Ihre Gesichtszüge drückten eine Sehnsucht und gleichzeitig eine Traurigkeit aus, die nicht allein von der Musik stammen konnten, der sie lauschte und ihre Hände fuhren sanft am Rand ihres Whiskeyglases entlang. Als sie schließlich ihre Augen wieder öffnete, leuchteten Cindy zwei smaragdgrüne Augen entgegen, die durch den schwarzen Kajal der die umrandete, wirkten
als würden sie ein unschätzbares Geheimniss hüten. In diesem Augenblick fiel der Blick der jungen Frau auf Mark, der gerade zur Tür hereingekommen war. Cindy folgte ihrem Blick nur kurz und konzentrierte sich dann wieder auf die Frau. Ihre Augen, welche in diesem Moment komplett auf Mark ruhten, schienen mit einem mal strahlend und lebendig. In diesem Moment fasste Cindy einen Entschluss. Sie erhob sich von ihrem Platz, legte einen Schein neben ihren Whiskey, welcher als Erkennungsdrink mit Mark ausgemacht war, und begab sich in Richtung Tür. Als sie an dem Tisch der jungen Frau vorbeikam, zwinkerte sie ihr zu und verließ die Bar nicht ohne einige Bicke der anwesenden Herrschaften auf sich ruhend zu wissen.
Vielleicht war es Zufall gewesen, dass diese junge Frau an diesem Abend außer Cindy die einzige Frau in der Bar gewesen war, die ohne Begleitung erschienen war und einen Whiskey bestellte. Mit Cindys Hilfe hatten sie und Mark nun eine Chance erhalten. Ob die beiden sie jedoch nutzen würden, war ihre Entscheidung.


Es war mittlerweile fast zwei Uhr nachts. Ich hatte im Verlaufe des Abends einfach alles um mich herum vergessen, und so überraschte die Kellnerin mich mit der Nachricht, dass sie das Lokal gleich schließen würden. Als Mark die Rechnung bezahlte und mir in die Jacke half, streiften seine Hände für einen kurzen Augenblick meinen Arm. In diesem Moment spürte ich eine Wärme, die tief aus meinem Inneren kam und mich durchfuhr. Doch noch im selben Augnblick meldete sich mein schlechtes Gewissen. Wer immer sein Date gewesen war, ob sie diese junge Frau mit den blauen Augen gewesen war, ob sie überhaupt gekommen war oder nicht, es war nicht richtig gewesen ihm in dem Glauben zu belassen, dass ich sein Date war. Zwar hatte ich ihn während unseres gesamten Gespräches nie belogen und wenn eine Geschichte, die ich ihm erzählte ihn verwunderte, hatte er es nie gezeigt, dennoch fühlte ich mich in diesem Moment wie eine Lügnerin.
Als wir beide schließlich in der lauen Spätsommernacht vor dem Lokal standen, versuchte ich mich davon zu überzeugen, dass ich mit meiner Unaufrichtigkeit schon keinen Schaden anrichten würde.
„Also, Cindy, ich hatte heute den besten Abend seit ewiger Zeit und...“,plötzlich schien Mark um Worte verlegen. Mir blieb ebenfalls jeder Ton im Halse stecken, hatte er mich doch an diesem Abend zum ersten Mal mit meinem vermeintlichen Namen angesprochen.
„Cindy ehrlich ich würde das gerne wiederholen.“, brachte Mark schließlich hervor. Bei diesen Worten trafen sich unsere Blicke und ich bemerkte in welch tiefes Blau ich da eintauchte.
„Jannet“, war schließlich alles was ich mir abringen konnte zu sagen. Marks umwerfendes Lächeln verschwand in diesem einen Augenblick und ich bereute sofort überhaupt etwas gesagt zu haben. Doch es gab nun kein Zurück mehr.
„Ich heiße Jannet.“
Für einen kurzen Moment verengten sich seine Augen, und seine Augenbrauen hoben sich leicht, dann war sein Lächeln zurück. Ich fühlte mich schrecklich, ich wollte nur noch fort von hier, von diesem Lächeln und diesen Augen bevor ich noch mehr Dummheiten anstellte. Doch als ich mich umdrehte und gerade den ersten Schritt tun wollte, hielt er meinen Arm plötzlich so fest wie in einem Schraubstock. Als er merkte wie sich mein Gesichtsausdruck für einen kurzen Moment schmerzhaft verzerrte, lockerte er den Griff, ließ aber nicht los.
„Es war trotzdem schön dich kennenzulernen, Jannet.“, sagte er mit seiner weichen, tiefen Stimme und sah mich dabei ernst an.
Ich lächelte wohl, denn plötzlich ließ er meinen Arm loß. „Danke, Mark. Für den Abend, meine ich“, brachte ich mit immer noch leicht zittriger Stimme hervor.
„Soll ich dich noch nach Hause bringen, Jannet?“
„Nein, ich muss nur ein paar Block laufen. Es ist wirklich nicht weit.“
Ich konnte seinem Gesichtsausdruck entnehmen, dass ihm meine Antwort missfiel, ob nun weil er mich gerne begleitet hätte oder weil er der Meinung war, dass eine Frau nachts alleine nach Hause laufen zu lassen, unverantwortlich war, konnte ich nicht sagen. Als ich ihm jedoch nochmal versicherte, dass ich es wirklich nicht weit hatte und mich schließlich zum gehen wandte, hatte er wieder sein Lächeln aufgelegt. Ich sah es weil ich mich nocheinmal umdrehte als er mir ein Gute Nacht nachrief.
„Danke Mark, und gute Nacht.“, antwortete ich mit einem Lächeln auf dem Gesicht und lief schließlich die Gasse entlang meinen Weg nach Hause ohne nocheinmal zurückzublicken.


„Ihr Name ist Jannet, Bill. Eigentlich war alles nur ein Missverständnis, ich meine, dass ich sie überhaupt kennengelernt habe. Ich dachte sie wäre diese Cindy und machte mir einfach nicht die Mühe sie zu Begin des Gespräches nach ihrem Namen zu fragen. Aber, Gott, Bill, wenn du sie gesehen hättest...“
Mark, der gerade dabei gewesen war sein Tauchanzug zu reinigen, schien plötzlich den Anzug und das Wasser vollkommen vergessen zu haben. Bis er die Näße an seinem Bein spürte. Mit einem Fluch zerriss er seine Tagträumereien und stellte den Wasserhahn ab. Bill lachte.
„Und hast du dir ihre Nummer geben lassen, klingt ja fast so als hätte sie dich umgehauen mein Freund.“
Doch Mark schüttelte nur mit dem Kopf. „Ich habe ihre Nummer nicht, ich weiß nicht wo sie wohnt ,alles was ich weiß ist ihr Name.“
Ein Stammkunde schaltete sich in ihr Gepräch ein. „Also Mark, sei mal ehrlich hast du dich nicht veräppelt gefühlt, als du gemerkt hast, dass die gar nicht dein Date war? Also ich wär glaub ich ziemlich ungehalten gewesen, schließlich hätte mein Date ja auch irgendeine scharfe Blondinne sein können?“ In diesem Moment warf Bill ihm einen bösen Blick zu und er verstummte sofort, er hatte ja auch keine Ahnung wie nah er mit seinen Worten an die Wahrheit herangekommen war. Doch Mark zuckte nur mit den Schultern. „Klar war ich für einen Moment sauer, aber was konnte sie schon dafür, dass ich sie am Anfang einfach nicht zu Wort habe kommen lassen. Außerdem ist es doch im Grunde genommen egal ob ihr Name nun Cindy oder weiß der Teufel wie ist. Ich habe mich mit ihr unterhalten, ich habe mit ihr gelacht und ich wollte sie wiedersehen. Ob sie nun Cindy oder Jannet heißt.“
„Junge du hast ja recht,“ sagte Bill, „aber wie willst du sie denn nun wiedersehen wenn du nichts außer dem Namen von ihr weißt?“ Doch darauf hatte Mark auch keine Antwort.


Von diesem Tag an schien Mark kaum zu bremsen was abendliche Aktivitäten anging. Immer wieder fragte er seinen Freund ob er nicht Lust hätte mit ihm etwas trinken zu gehen. Wenn niemand Zeit zu haben schien, lud er sogar manchmal Kunden ein mit ihm am Abend noch auf einen Drink hier oder dahin zu gehen. Bill hatte den Verdacht, dass Mark hoffte Jannet in einer
dieser Bars wiederzubegegnen. Doch mit jedem Tag der ohne Erfolg verging, zog sich Mark wieder ein Stück weiter in seine eigene persönliche Schatzkammer zurück. Schließlich hatte Bill es satt und er bat Cindy nocheinmal mit Mark auszugehen. Um diesmal jedoch jeder Verwechslung oder anderen Missverständnissen vorzubeugen, stellte er die beiden einander vor. Und so saßen die beiden etwa drei Monate nach ihrem sabbotierten Blinddate gemeinsam in einer Bar. Mark verstand sich gut mit Cindy, und Bill hatte nicht untertrieben als er ihre Schönheit gepriesen hatte. Ihre Art mit Menschen umzugehen war unbeschwert und locker, wodurch Mark bald auftaute.


Nachdem ich Mark getroffen hatte, glaubte ich meine Welt müsse sich verändern. Die Begegnung mit ihm erschien mir so unglaublich, so einzigartig, dass ich nicht glauben konnte, dass mein Leben danach in den selben Bahnen weiter laufen sollte. Doch das tat es. Mit unglaublicher Präzession und Sicherheit. An ein paar Abenden versuchte ich auszubrechen, versuchte, dass was ich an diesem Abend erlebt hatte, wiederzufinden, doch wo ich auch hinging ich fand es nicht. Und irgendwann gab ich schließlich auf. Ich versuchte mir einzureden, dass alles nur ein Traum gewesen war, etwas was so unwirklich ist, dass es einfach niemals zum täglichen Leben gehören konnte. Ich machte mir klar, dass ich womöglich zu streng gegenüber meinem Freund gewesen war und nachdem er mir versicherte, dass er mich liebte, verzieh ich ihm schließlich und redete mir ein, dass ich alles hatte was ich wollte.

An diesem Abend ähnelte meine Stimmung auf unheimliche Weise dem Abend als ich Mark zum ersten Mal getroffen hatte. Ich beschloss in eine Bar zu gehen, mir einen Drink zu genehmigen und mir so irgendwie klar zu machen, dass das mit Mark nie wirklich geschehen war. Doch als ich die Bar betrat dauerte es keine drei Sekunden bis meine Stimmung ins völlige
Ggenteil schlug. Ich bewegte mich zielstrebig auf ihn zu, doch er erblickte mich bevor ich auch nur ein paar Schritte getan hatte. Ich konnte nicht sagen was für ein Gesichtsausdruck er vor meinem Erscheinen gezeigt hatte, den er hatte den Rücken zu mir gedreht, doch als seine Augen die meinen trafen, lächelte er und zwar so entwaffnend, dass ich nicht einmal mehr
bemerkte wie ich die letzten Schritte zurücklegte. Als ich schließlich an seinem Tisch angekommen war, versanken meine Augen entgültig in seinen. Er half mir aus dem Mantel und bot mir einen Stuhl direkt neben sich an.
„Jannet.“, sagte er schießlich wie zur Begrüßung, doch seine Stimme hatte eine Spur von Unsicherheit.
„Mark. Was für eine Überraschung.“ Seine direkte Nähe ließ mein Herz ein Quäntchen höher schlagen. Mehr konnten wir nicht sagen. Doch das brauchten wir auch nicht, denn das Sprechen übernahm für uns eine kecke Blondinne deren kommen ich überhaupt nicht wahrgenommen hatte.
„Mark, willst du mir nicht sagen, wie deine Bekannte heißt?“ Mit dieser Frage riß sie uns beide voneinander loß. Wir hoben beide geichzeitig den Blick und als ich sah wer da gesprochen hatte, fühlte ich für einen Moment gar nichts. Mark gegenüber saß plötzlich die junge Frau mit den meeresblauen Augen. Mark fand als erster seine Sprache wieder. „Ähm Jannet, das ist Cindy, Cindy dass ist Jannet.“ Mir wurde auf einmal sehr kalt als ich ihr ausgestreckte Hand zur Begrüßung entgegennahm. Cindy hingegen schien überhaupt nicht verlegen und führte ihr vorher scheinbar unterbrochenenes Gespräch mit Mark sogleich fort.
Die beiden schienen sehr vertraut miteinander. Ich konnte mir diese Vertrautheit nur damit erklären, dass sie sich schon eine Weile trafen, oder kannten. Plötzlich fühlte ich mich vollkommen fehl am Platz. Wie hatte ich nur so dumm sein können. Als mir am Morgen nachdem ich ihn getroffen hatte aufgegangen war, dass er weder meine Adresse noch meine Telefonummer kannte und ich ebensowenig seine, hatte ich mir gesagt, dass es so wohl das beste war, aber daran nie wirklich geglaubt. Ich hatte gehofft dass es nicht nur eine dieser leeren Floskeln gewesen war als er meinte, dass er diesen Abend gerne wiederholen würde. Auch wenn er da noch nicht gewusst hatte, dass ich nicht Cindy war. Jede Nacht hatte ich noch eine keine Weile wach
gelegen, eine kleine Weile in der ich es nicht schaffte mich selbst zu belügen. In dieser Zeit hatte ich mir vorgestellt, dass er
irgendwann eines Tages vor mir stehen würde, mit seinem Lächeln und mein Leben verändern würde.
Doch heute Abend hatte ich die Realität direkt vor Augen. Sein Leben war an diesem Abend nicht stehengeblieben, es war weitergelaufen und Cindy hatte nun letzdenlich doch den Platz beansprucht, der ihr eigentlich von Anfang an zugestanden hatte. Mein Leben würde sich nicht verändern. Als mir das klar wurde, stand ich auf, murmelte etwas, dass klingeln sollte wie ich hätte eine Verabredung vergessen und befand mich schließlich vor der Tür des Lokals. Wieder an der frischen Luft atmete ich ersteinmal tief durch. Ich war so damit beschäftigt wieder Luft zum Atmen zu bekommen, dass ich nicht bemerkte, dass Mark mir gefolgt war.
„Jannet?“, fragte er. Besorgnis schien in seiner Stimme zu liegen.
Ich drehte mich zu ihm um. Im Glauben mich wieder einigermaßen im Griff zu haben, versuchte ich sogar ein Lächeln, doch es glückte mir wohl nicht vollständig, wie ich Marks Gesichtsausdruck entnehmen konnte.
„Das ist also Cindy.“, brachte ich schließlich nicht sehr wortgewand hervor.
„Ja.“, antwortete Mark. Nichts weiter. Einfach nur eine Zustimmung.
„Sie ist sehr hübsch.“ Daraufhin sagte Mark gar nichts. Er schien nicht so recht zu wissen was er aus dieser Situation machen sollte. Schließlich fasste ich mir ein Herz, bevor meines noch weiteren Schaden nehmen konnte und wiederholte meine vorhin gemurmelten Worte mit mehr Sicherheit. Mark schien gar nicht darauf zu reagieren, doch als ich mich von ihm wegdrehte um zu gehen, fasste er wie schon bei unserer ersten Begegnung meinen Arm und hielt
mich zurück.
„Jannet, wie kann ich dich erreichen?“
Ich hatte seine Worte gehört, doch ich blieb stumm. Schließlich ließ er meinen Arm los und ohne ein weiteres Wort zu sagen, ging ich. Erst nachdem er wieder hineingegangen war, wurde ich mir des kleinen Stückchens eines Bierdeckels in meiner Jackentasche bewusst, mit nicht viel mehr drauf als einer Telefonnummer. Ich blickte nocheinmal zurück. Ich verstand nichts mehr.


Als Mark Bill von dieser Geschichte erzählte, beratschlagten die beiden Freunde was Man(n) aus diesem Verhalten schließen sollte. Mark verstand Jannets Verhalten einfach nicht. Bevor Cindy auftauchte, war Jannet so fröhlich, lächelte. Er könnte schwören, dass er etwas zwischen Ihnen gespürt hatte, doch dass sie dann so schnell wieder verschwunden war, ohne ihm noch eines Blickes zu würdigen, dass sie ihm verweigert hatte ihre Nummer zu geben, als er sie gefragt hatte. Es passte alles einfach nicht zusammen. Bill versuchte ihn aufzuheitern. Es würde sich schon alles klären wenn sie ihn anrufen würde, schließlich hatte er ihr ja diesmal zumindestens seine Numer gegeben. Doch Mark war nicht überzeugt davon, dass Jannet anrufen würde, als sie da draußen stand schien sie um Fassung bemüht, ihre Stimme hatte einen Hauch von Kälte und gleichzeitig Respekt als sie von Cindy redete. Sie ist hübsch, hatte sie gesagt. Hatte sie auch nur eine Ahnung wie verdammt gut sie sebst an diesem Abend ausgesehen hatte? Sie hatte eine enge Jeans getragen, darüber trug sie ein schwarzes Top und auf Grund der Kälte eine weiße Stoffjacke darüber. Sie hatte es wie bei ihrer ersten Begegnung geschafft einfach aber elegant zu wirken. Auf ihrem Gesicht trug sie nur einen Hauch vonMake-up und wie schon bei ihrem ersten Date hatte sie ihre Augen mit einem schwarzen Kajal betont. Als Mark zu Bill meinte, dass er befürchete Jannet könnte die Anwesenheit von Cindy missverstanden haben, lachte dieser nur. Wie hätten die beiden Männer auch wissen sollen, dass Mark mit dieser Vermutung voll ins Schwarze getroffen hatte.


Nach dem Abend als sie Mark mit Cindy in der Bar getroffen hatte, versuchte Jannet alles um das ganze Thema soweit wie möglich von sich zu schieben. Dennoch hatte sie das kleine Stück Pappe mit Marks Telefonnummer in ein kleines Erinnerungskästchen gelegt statt es wegzuwerfen. Die Welt drehte sich indess weiter, doch für Jannet änderte sich nichts.
Ihr Freund war immer noch derselbe. Sobald sie außer Sichtweite war, war sie für ihn nichts mehr als ein Name und eine Bezeichnung. Er gab sich zwar große Mühe, doch Jannet konnte immer weniger verbergen wie einsam sie sich fühlte. Um ihr eine Freude zu machen, schenkte er ihr schießlich sehr verspätet als Geburstagsgeschenk einen Gutschein für eine Tauchstunde. Es war nett gemeint, doch Jannet hatte seit dem sie jung war eine gewisse Abneigung dagegen entwickelt vollständig unter Wasser zu sein. Scheinbar jedoch hatte er das vergessen. Ihm zu Liebe, freute sie sich jedoch, und stimmte zu als er den Termin mit einer in der Nähe angesiedelten etablierten Tauchschule ausmachte.


Es war im Frühjahr des nächsten Jahres als ich eines Samstagabends, nachdem ich mich in der Vorwoche wieder einmal heftig mit meinem Freund gestritten hatte, beschloss gemeinsam mit einer Freundin auszugehen. An diesem Abend hatte ich vor mich einmal vollständig fallen zu lassen, für diesen einen Abend wollte ich frei sein, wollte ich meinen Freund und alle Schwierigkeiten vergessen. Für diesen einen Abend war ich solo. Es war 10 Uhr abends als wir die erste Bar betraten und nachdem wir schon einiges getrunken hatten, landeten wir schießlich wieder in meiner Stammkneipe. Ich bestellte wie immer einen Whiskey, doch ich hatte das Glas kaum ausgetrunken als meine Freundin verkündete sie würde nach Hause gehen. Ich bot an mit ihr zu gehen, doch sie bestand darauf dass ich bliebe. Also blieb ich. Im Verlaufe der nächsten halben Stunde
leerte sich die Bar und ich wurde von zwei Männern auf einen Drink eingeladen, die ich beide Male ablehnte. Als die Bar schloss, wollte ich eigentlich schon nach Hause gehen, als ich hörte wie zwei junge Männer von einer Party in der Nähe redeten.
An diesem Abend hätte ich jeden Mann haben können, wurde mir klar, als ich um 3 Uhr nachts auf der Tanzfläche stand und alle männlichen Blicke auf mich gerichtet fühlte. Ich fühlte mich losgelöst, vollkommen frei und unbeschwert. Dennoch konnte und wollte ich niemanden etwas vormachen, ich sprach mit den Männern, die mit mir tanzten kaum ein Wort, lehnte jeden Drink den ich angeboten bekam ab. Gegen halb fünf Uhr morgens, ich tanzte gerade mit einem jungen Mann, spürte ich plötzlich zwei sehr intensive Augenpaare auf mir ruhen. Ich blickte mich verstollen um, doch konnte ich nur einen Schatten sehen der gerade die Tanzfläche umrundete. Einen Augenblick später wurde ich mitten im Tanzschritt am Arm festgehalten und durch meinen eigenen Schwung in die Arme eines anderen Mannes getrieben. Ich stand mit dem Rücken zu ihm, so dass ich sein Gesicht nicht sah. Er bewegte sich langsam rythmisch zur Musik und ich passte meine eigenen Bewegungen seinen an. Der Abstand zwischen unseren Körpern verringerte sich immer mehr und ich spürte seine Hände leicht auf meinen Hüften liegen. Und obwohl ich normalerweise derartige Annäherungen von vornherein unterbinde, konnte ich nicht verhindern, dass mir bei
seinen Berührungen ein leichter wohliger Schauer über den Rücken lief. Doch als er mich schließlich bat mit ihm von der Tanzfläche zu kommen und mich auf einen Drink einlud, tat ich was ich immer tat. Ich hob die linke Hand, an der ich immer wenn ich ausging einen Ring ansteckte und deutete auf ihn. Diese Geste hieß so viel wie: Nein danke, Junge, aber ich bin vergeben. Zwar implizierte der Ring eine Verlobung aber im Grunde genommen war es keine wirkliche Lüge, eher eine Übertreibung der Tatsachen. Im Normalfall tanzten die Männern dann noch ein Weilchen weiter, bevor sie sich einen neuen Tanzpartner suchten oder tatsächlich die Bar ansteuerten.
Diesmal jedoch war es anders. Ich spürte wie sein Körper sich versteifte, wie er plötzlich mitten in der Bewegung innehielt. Noch bevor ich Zeit hatte mir über sein seltsames Verhalten Gedanken zu machen, packte er meinen Arm und drehte meinen Oberkörper so, dass ich gezwungen war ihn anzusehen. Er lächelte nicht, und er hatte sich einen Bart stehen lassen, die Haare waren wohl auch etwas länger als ich sie in Erinnerung hatte, doch seine Augen hätte ich immer wiedererkannt.
„Mark.“, meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Ich war geschockt,ihn hier zu sehen und verwirrt über das Kribben in meinem Magen. Ich rettete mich in ein Lächeln, doch seine Gesichtszüge blieben unbewegt. Statt eines Lächelns waren seine Augen leicht verengt, seine Augenbrauen angehoben.
„So ist das also.“
Ich laß die Worte mehr von seinen Lippen als das ich sie verstand, den seine tiefe Stimme gliederte sich gut in den Bass der Musik ein. Er sagte nichts weiter nur diesen einen Satz. Hätte ich in diesem Moment etwas gesagt, das Missverständnis aufgeklärt, es wäre vielleicht alles anders gekommen. Doch ich blieb stumm, starrte ihn einfach nur an. Dieses Mal war er es der sich zum Gehen wandte, dieses Mal ich es die seine Hand nahm und ihn festhielt. Er drehte den Kopf, sodass seine Augen die meinen direkt durchbohrten. In diesem Moment legte der DJ ein sehr langsames Stück auf und ich began mich leicht im Takt der Musik zu bewegen, während meine beringte Hand immer noch seine Hand festhielt. Als er nach einigen Takten immer noch keine Anstalten machte sich zu bewegen, sondern mich immer noch finster anstarrte, nahm ich auch noch seine zweite Hand, trat nah an ihn heran und legte seine beiden Hände auf meine Taillie. Mit meinen Händen umschlang ich seinen Oberkörper und legte meinen Kopf leicht an seine Brust während ich immer noch meinen Körper im Takt der Musik bewegte. In diesem Augenblick wurde mir bewusst, dass dies alles bald enden würde, das es nur ein Traum in mitten der kalten Realität war.
Dieser Augenblick der so perfekt war und doch nicht sein durfte und Tränen traten mir in die Augen und benetzten sein Shirt. Vielleicht hatte er das Wasser auf seinem Shirt gespürt,vielleicht war es auch einfach nur diese Verbindung die zwischen uns zu bestehen schien, aber er nahm seine Hand von meiner Taillie, schob sie unter mein Kinn und zwang mich ihn anzusehen. Plötzlich erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht, dieses umwerfende und atemberaubende Lächeln und sein Gesicht näherte sich dem meinem. Ich schloss die Augen und spürte wie seine Lippen meine Haut genau an den Stellen berührten wo die Tränen sie benetzt hatten. Schließlich verklang der letzte Klang der Musik und der DJ legte ein floteres Stück auf. Ich bemerkte wie er sich von mir löste und als ich schließlich die Augen wieder öffnete war er verschwunden.


„Bill, hast du mir nicht zugehört, sie ist vergeben, sogar verlobt.“, Mark schrie beinah ins Telefon. Eigentlich hatte er gar nicht darüber reden wollen, mit niemanden. Er hatte einfach nur abtauchen wollen, hinunter ins Meer und die Welt da oben vergessen. Doch Bill hatte gemeint, dass er heute die Taucherausrüstung brauchen würde, Ein paar Schüler würden vorbeikommen und er wollte Cindy einlernen, die die beiden Freunde seit kurzem in der Taucherschule als Lehererin
unterstützte.
„ Mark ich versteh dich nicht, wenn du glaubst keine Chance gegen diesen Typen zu haben, dann vergess diese Frau und versuch es mit einer anderen. Cindy ist übrigens immer noch interessiert.“
Daraufhin hatte Mark nichts mehr zu sagen. Er wusste, dass er kindisch, ja vollkommen überzogen reagierte. Er war ein gut aussehender Mann, wenn er wollte konnte er andere Frauen für sich gewinnen. Doch wenn er eines aus dem letzten Jahr gelernt hatte, dann das alles zwischenmenschliche manchmal unendlich kompliziert sein konnte und er sehnte sich mittlerweile beinah die Einfachheit seines früheren Leben zurück. Vielleicht sollte er auch Cindys Angebot annhemen. Sie war eine tolle
Frau, gut aussehend, klug und sie liebte das Meer ebenso wie er. Es wäre einfach und unkompliziert mit ihr.
„ Junge wenn du einen Rat von einem Freund annehmen kannst: Such dir eine andere Frau, hab ein wenig Spaß mit ihr und vergiss diese Jannet. Du kannst auch gleich damit anfangen, komm her und lern du Cindy ein. Dann kannst du heute noch in dein geliebtes Wasser und verbringst einfach ein bisschen Zeit mit ihr.“
Als er an diesem Nachmittag mit Cindy gemeinsam zu einem alten Wrack abtauchte, schwor er sich, dass was auch immer er für Jannet empfand aufhören würde. Nachdem er sich diesen Gedanken oft genug selbst vorgesagt hatte, fühlte er sich leicht und unbeschwert. Und als er sah wie begeistert Cindy ihm einige kleinere alte Münzen vor die Augen hielt, damit er beurteilen konnte was sie da gefunden hatte und ihre Gesichtsausdruck die gleiche Begeisterung zeigte, die auch er empfand, war er sich
sicher die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Zur gleichen Zeit telefonierte Jannet mit ihrem Freund. Er entschuldigte sich für ihren Streit meinte jedoch, dass es für ihn einfach unmöglich wäre derzeit mehr Zeit mit ihr zu verbringen. Jannet seufzte und sagte ihm, dass sie ihn liebe.


SECOND CHAPTER


Es war ein sehr warmer Herbsttag als wir unseren geplanten Tauchgang antreten sollten. Wir waren zu spät dran, doch anstatt meinen Fähigkeiten am Steuer zu vertrauen, mahnte mein Freund mich lieber noch ein wenig langsamer zu fahren. Als wir schließlich zwei Stunden später als geplant an den Klippen von Hagmond ankamen, begrüßte ein junger und ausgesprochen sportlich aussehende Mann namens Bill uns herzlich. Mark und Cindy, die uns heute einweisen würden, wären gerade noch auf einem Tauchgang, so Bill aber er würde einfach schon einmal die Einweisung übernehmen.
Zum Glück bemerkte niemand von den beiden, dass ich bei der Erwähnung von Marks Namen noch eine Spur blasser wurde, als ich es ohnehin schon seit dem frühen Morgen war. Bill und mein Freund waren damit beschäftigt die richtigen Neoprenanzüge für alle herauszusuchen, niemand achtete auf mich. Es musste ein Zufall sein, versuchte ich mir einzureden.
Lange hatte ich damit zugebracht Mark zu vergessen, aber wie hätte ich jemals das Gefühl vergessen sollen, dass mich jedesmal überkommen hatte wenn er mir nahe gekommen war. Die Erwähnung von Marks Namen in einer Taucherschule und in Anwesenheit meines Freundes war wohl der ungünstigste Zeitpunkt für mich sich den Erinnerungen hinzugeben.
Nachdem wir uns schließlich in die hautengen Schwimmanzüge hineingepresst hatten, wobei mir bewusst wurde wie sehr sich die Figur meines Freundes im letzten Jahr verändert hatte ohne, dass ich es überhaupt wahrgenommen hatte, machte Bill sich daran uns die Taucherausrüstung zu erklären.

„So ich denke mal das habt ihr beide alles verstanden, ist ja auch nicht allzu kompliziert. Aber bevor ich euch jetzt ins Wasser lassen kann, das allerwichtigste. Ihr müsst unsere spezielle Tauchersprache kennen, denn nur so können wir uns da unten mit euch verständigen.“
Er began uns die einfachen Zeichen zu erklären und wir versuchten sie uns in unser Gedächtnis zu brennen.
„ Also dann habt ihr beide euch das alles gemerkt? Denkt dran, diese Zeichen sind da unten unsere einzige Kommunikationsmöglichkeit wenn also irgendetwas passieren sollte, sei es, dass ihr einen Hai sichtet,“ bei diesen Worten schaute er uns beide ganz ernst an, und ich wurde wohl nochmal eine Spur blasser als ich soundso schon war „nagut lassen wir den Frauen zuliebe die Scherze mal beseite, also sei es, dass etwas mit eurer Anzeige nicht stimmt, ihr auftauchen müsst oder ihr die Orientierung verliert, dürft ihr auf gar keinen Fall in Panik geraten und irgendetwas auf eigene Faust versuchen. Wendet euch an euren jeweiligen Coach und benutzt die Zeichen, die wir eben besprochen haben. Wenn ihr das tut kann nichts schief gehen. Achja und bleibt immer in der Nähe der Boje beziehungsweise eures Coaches. Da unten kann es schon mal starke Strömungen geben und wenn ihr da rein geratet, dann könnten selbst einige Liter Sauerstoff auf dem Rücken euch nicht mehr retten, verstanden? So und jetzt zu euren Coaches. Der Herr wird mit Mark tauchen und die Dame, wie war dein Name doch gleich...?“
„Jannet.“, brachte ich mühsam hervor, meine Panik war in den letzten Stunde seitdem Bill uns begonnen hatte zu unterweisen um mindestens das Doppelte angewachsen.
„Ok Jannet du tauchst mit Cindy...“
„Sie taucht mit mir.“, die Stimme die plötzlich wie aus dem nichts hinter uns ertönte, glich einem Donnern und ließ absolut keinen Widerspruch zu. Wir drehten uns gleichzeitig um, und dass war mein Glück, denn sonst hätte mein Freund, so schlecht er mich auch sonst kannte, wohl bemerkt was in diesem Moment in mir vorging. Erschrocken schaute ich in Marks Gesicht. Er lächelte auch heute nicht doch da sein Neoprenanzug seine muskulöse Statur betonte, wäre er auch ohne seine zu Schlitzen verengten Augen für jeden gefährlich genug erschienen um seine Anweisungen nicht in Frage zu stellen. Doch mein Freund schien seinen Gesichtsausdruck entweder nicht zu bemerken oder es kümmerte ihn einfach nicht.
„Und warum wenn ich fragen darf, meinen sie bestimmen zu können dass ich von einer Frau unterrichtet werde?“, fragte er und verlieh seinem Tonfall dabei einen Anflug von Herablassung.
„Wenn sie ihre Freundin nur halb so gut kennen würden, wie sie sollten, würden sie wissen oder hätten es spätestens hier bemerkt, dass sie Angst vorm Tauchen hat.“ Richtig ich hatte Mark damals davon erzählt. Doch das war mehr als ein Jahr her. Mein Freund hingegen schien meine panische Angst tatsächlich bisher nicht wahrgenommen zu haben, denn er schaute mich einen Moment verdutzt an, was Mark mit einem leichten Grinsen quittierte, dass jedoch nur ich und Bill sahen. In etwas milderen Tonfall fuhr er fort: „Cindy ist eine gute Lehrerin keine Sorge, sie wird ihnen alles genauso gut beibringen wie ich es könnte, aber ich kümmer mich lieber selbst um ihre Freundin.“ Dabei schaute er Bill an, der schließlich zustimmend nickte: „Sehen sie Sir wenn ihre Freundin da unten Panik bekommt, ist es am besten wenn sie vom erfahrensten unserer Taucher gecoacht wird. Sie wollen sie ja schließlich heil wiederbekommen.“ Bei diesen Worten zwinkerte er mir zu. Meinem Freund schien das einzuleuchten und als Cindy schließlich neben Mark auftauchte schien er all seine Bedenken gegen weibliche Tauchleherer mit einem Mal abgelegt zu haben.


Als wir schließlich mit dem Wagen runter zu der Stelle fuhren an der wir ins Wasser gehen würden, fühlte ich wie sich mein Puls mit jedem Meter den wir fuhren beschleunigte. Nur konnte ich mittlerweile nicht mehr sagen ob die Ursache dafür meine Panik vor dem Tauchen oder Marks Nähe war. Mark hingegen schien sich sehr gut unter Kontrolle zu haben, in keinem Moment verlor er etwas von seinem Professionellen auftreten. Er behandelte uns wie jeden anderen Schüler, freundlich, bestimmt und eine Spur distanziert.
Mit Cindy hingegen verständigte er sich praktisch ohne Worte. Es lag eine Vertrautheit zwischen den beiden, die mich vermuten ließ, dass sie nicht nur geschäftlich ein gutes Team waren. Der Gedanke versetzte mir einen Stich.


„Cindy du und dein Schüler, ihr geht als erste runter, nehmt die Linie westlich von uns. Ok?“ Cindy war ganz Profi, doch ich konnte sehen, dass sie kurz eine Augenbraue hob, dann aber mit den Achseln zuckte.
„Bist du bereit?“, fragte Cindy schließlich meinen Freund während sie beide auf zwei größeren Felsen saßen, die vom Wasser umspült wurden.
„Bereit wenn du es bist.“, antwortete mein Freund und obwohl seine Worte eigentlich vollkommen normal waren, versetzte er ihnen mit seiner Stimme und seinem dazugehörigen Grinsen etwas anzügliches. Sein öffentliches Fehlverhalten tat weh und machten mich für einen kurzen Augenblick wütend. Meine Gesichtszüge mussten mir wohl für diesen kurzen Moment entglitten sein, denn als die beiden schließlich unter Wasser waren, trat Mark hinter mich.
„Idiot.“, mehr sagte er nicht, doch dieses eine Wort war mir direkt aus der Seele gesprochen.
Ich drehte mich zu ihm um, und sah für einen Augenblick regelrechten Hass in seinem Gesicht auflodern. Doch schon im nächsten Augenblick hatte er sich wieder unter Kontrolle.
„Also erklärst du mir was du hier tust, wenn du doch Angst hast zu tauchen.“, seine Stimme hatte wieder den Klang makelloser Professionalität angenommen.
„Ein Geschenk.“, war alles was ich auf seine Frage erwiderte und schaute dabei zu Boden, vielleicht weil ich nicht wollte, dass er sah was ich in diesem Moment dachte.
„Nagut, dann machen wir beide mal das beste draus.“, sagte er und ließ zum ersten mal an diesem Tag sein wundervolles Lächeln aufblitzen. „Du erinnerst dich noch an alle Zeichen, die dir Bill beigebracht hat?“, fragte er ernst. Ich nickte. „Gut, also wir machen es so, wenn wir ins Wasser gehen nehme ich deine Hand. Atme so ruhig wie möglich, versuch dich langsam an deine Umgebung zu gewöhnen, wir werden gemeinam erst ein wenig im flachen Wasser Kreise ziehen, damit du Zeit hast dich einzugewöhnen. Wenn du bereit bist tiefer zu gehen, gibst du mir das OK Zeichen. Wenn du Panik bekommen solltest, drückst
du meine Hand, alles klar?“ Er hatte mich bei seiner ganzen Rede nicht einmal angeschaut. Stattdessen machte er sich an unseren beiden Atemflaschen zu schaffen. Dennoch nickte ich. Als er fertig war, setzte er sich neben mich und sah mich an. „Jannet“, seine Stimme klang mit einem mal sehr sanft und ich musste mich plötzlich an unsere erste Begegnung erinnern während er mir direkt in die Augen schaute und meine Hand nahm „Du brauchst keine Angst zu haben, ok? Ich pass auf dich auf.“ In seinen Augen glaubte ich den Ozean vor mir wiederzuerkennen und ich hatte plötzlich ein wenig weniger Angst vor dem was mich erwarten würde. Mit seiner freien Hand bedeutete er mir Taucherbrille und Mundstück zu richten. Schließlich ließen
wir uns ins Wasser gleiten.
Im ersten Moment hatte ich Probleme mit dem Atmen. Ich meinte ich müsste die Luft anhalten, doch als ich sah, wie Marks Brustkorb sich gleichmäßig hob und senkte, probierte ich vorsichtig Luft zu holen. Als ich bemerkte, dass ich tatsächlich nicht ertrinken würde wenn ich unter Wasser atmete und mich ein wenig an meine Umgebung gewöhnt hatte, gab ich Mark das OK, tiefer zu gehen. Auf unserem Weg nach unten kreuzten eine Vielzahl von Fischen und anderen Meerestieren unseren Weg und jedesmal ließ mir Mark ein wenig Zeit um mir meiner Umgebung bewusst zu werden. Ich erkannte erstaunt, dass das Meer
tatsächlich eine Schatztruhe war wie Mark behauptete. Hier gab es so vieles, dass ich noch nie zuvor in meinem Leben mit eigenen Augen gesehen hatte. Selbst die Farben schienen hier unten vollkommen anders zu wirken.
Ich hatte keine Ahnung wie lange wir schon so Hand in Hand durchs Meer geschwommen waren, aber als ich schließlich unter mir ein paar Holzbretter sah, bedeutete mir Mark, dass wir kurz auftauchen würden. Ich hatte schon davon gehört, dass das auftauchen schwieriger sei als das abtauchen, weil die Gefahr bestand dass der Taucher zu schnell nach oben stieg. Die dabei zu schnell wechselnden Druckverhältnisse konnten einen das Leben kosten. Doch Mark war ein geübter Taucher, er wusste wie
schnell er nach oben schwimmen durfte und hielt zwischendurch auch ein paar Mal an damit es für mich als Neuling einfacher sein würde, meinen Körper an die Druckunterschiede anzupassen. Als wir schließlich die Wasseroberfläche erreicht hatten und Mundstücke und Taucherbrille für einen Moment absetzten, lächelte mich Mark an. „Und wie findet du es?“, seine Frage war die eines kleinen Jungen der seinem Freund eine neue Entdeckung zeigte und nun die Bestätigung erwartete, dass es eine besonders einmalige Entdeckung war. Seine kindliche Freude und Begeisterung ließen mich ebenfalls lächeln.
„Es ist atemberaubend, Mark. Ich weiß ehrlich gesagt nicht einmal ob dieses Wort auch nur im mindesten beschreibt wie es da unten tatsächlich ist.“ Wie zur Bestätigung meiner Worte nickte Mark und meinte dann etwas ernster: „Da unten liegt ein Wrack vom Ende des 19. Jahrhunderts. Es ist wohl während eines Sturmes gesunken, als es gerade Waren und ein paar Passagiere transportierte. Ich habe es vor ein paar Monaten erst entdeckt. Es gibt eine Öffnung durch die man ins Innere gelangen kann, aber sei bitte extrem vorsichtig, sie ist sehr scharfkantig.“ Dabei fiel sein Blick auf die Taucherflasche und ich verstand sofort. Sollte ich mir an dieser Kante meinen Atemschlauch aufschneiden, war ich geliefert. Bilder vom Ertrinken stiegen in meinen Kopf ich erbleichte. Doch Mark nahm meine Hand, die andere schob er unter mein Kinn und zwang mich so ihm ins Gesicht zu sehen. „Hey nur keine Sorge, ich lass es ganz gewiss nicht dazu kommen.“, sagte er mit einer Zärtlichkeit in der Stimme, die mir leichte Gänsehaut verursachte.
Schließlich hatte ich mich wieder weit genug beruhigt und nachdem wir Mundstücke und Taucherbrille wieder aufgesetzt hatten, tauchten wir erneut ab in die Schatztruhe des Ozeans.

Einige Stunden später saßen wir zuammen auf einem rießigen Felsgestein, dass am Rande der Klippen ins Meer hineinragte. Unsere Atemflaschen hatten wir am Treffpunkt zurückgelassen, doch Mark wollte mir unbedingt noch eine Höhle zeigen und nun saßen wir an einer vom Treffpunkt zwar nicht sehr weit entfernten doch nicht einsehbaren Stelle. Langsam und vorsichtig ließ ich immer wieder das Medallion durch meine Finger gleiten, dass ich im Wrack des Schiffes gefunden hatte. Ich hatte es
in den Korb zu den anderen Fundsachen legen wollen, die Mark gesammelt hatte, doch er bedeutete mir es mitzunehmen.
Die Photos, die es vielleicht einmal enthalten hatte, waren zwar schon lange verblichen, aber auf der Rückseite existierte eine Gravur, die mein Herz auf ungeahnte Weise berührte. „Missunderstandings are not the end, but the beginning.“ Als ich Mark die Gravur vorlaß, entgleiste kurz sein Gesichtsausdruck um dann wieder einem Lächeln Platz zu machen.
„Du kannst es behalten wenn du willst.“
„Aber gehört es nicht dem Staat oder der Regierung?“, fragte ich mit ein wenig Besorgnis in der Stimme. Ich wollte niemandes Eigentum stehlen und schon gar nicht wollte ich Mark in irgendwelche Schwierigkeiten bringen. Doch er lachte nur.
„Keine Sorge, Jannet, dem Finder gehört ein kleiner Anteil eines jeden Schatzes und mit dem kann er tun und lassen was er will.“ der Ernst in seiner Stimme bewies, dass er alles was er da unten fand, selbst dieses kleine unscheinbare Medallion als kostbaren Schatz betrachtete.
„Wenn du willst, schenk ich es dir.“, sagte er. Es klang beinah wie eine Bitte. Ich sagte nichts, stattdessen schaute ich wieder auf die Gravur. Ich ließ jede unserer Begegnung, einfach alles nocheinmal Revue passieren. Dass ich Mark überhaupt kennengelernt hatte, war ein Missverständnis gewesen und es hätte ein Anfang seien können. Doch als ich später Cindy und
Mark so vertraut miteinander erlebt hatte... Und dann bei unserem letzten Treffen, bedeutete ein weiteres Missverständnis schließlich das Ende. Eines, das ich bis heute nicht aus der Welt geschafft hatte.
„Mark, ich...,“ ich stockte kurz „ich wollte dir noch sagen. Ich bin nicht verlobt.“ Er schaute mich kurz an, seine Gesichtzüge verrieten leichtes Erstaunen, doch dann verschloss sich seine Miene.
„Mh, aber dieser Kerl da, der mit Cindy, getaucht ist, er ist dein Freund?, es war eigentlich kaum eine Frage, mehr eine Feststellung.
Ich nickte, doch dann schüttelte ich den Kopf. Mark schien mit dieser Antwort nichts anfangen zu können, denn er schaute mich fragend an.
„Er bezeichnet sich vielleicht als mein Freund, aber er verhält sich nicht so. Er ist nie da wenn ich ihn brauche und wenn ich da bin, hat er eigentlich nie Zeit für mich. Wir streiten uns ständig und man kann sich eigentlich nie auf ihn verlassen. Er … er ist so egozentrisch und ich fühle mich selbst in seiner Nähe vollkommen allein gelassen.“ Ihre Stimme war während ihres kurzen Monologes immer wütender geworden, doch bei den letzten Worten lag eine tiefe Traurigkeit darin.
„Liebst du ihn denn?“
Wieder nickte ich und schüttelte dann den Kopf. Wieder wartete Mark bis ich zu einer Erklärung ansetzte.
„Ich versuche es, aber wenn ich wohl ganz ehrlich wäre, dann ist es keine Liebe, zumindestens verglichen mit dem Gefühl, dass ich mit diesem Wort verbinde.“
„Wenn dir das alles klar ist, warum bleibst du dann bei ihm?“, seine Stimme hatte nichts anklagendes es war einfach nur eine Frage.
Ich seufzte: „Wahrscheinlich weil ich glaube, dass das alles ist was ich überhaupt bekommen kann. Vielleicht habe ich einfach nicht mehr verdient.“
„Unsinn.“ er sprach dieses eine Wort mit einer Heftigkeit, dass es mir die Sprache verschlug. „Du kannst viel mehr bekommen als das, als ihn. Er ist ein Schwachkopf, weil er nicht erkennt wieviel Glück er hat. Er behandelt dich schlecht und in meinen Augen disqualifiziert ihn das für jede Art von Zuneigung und Aufopferung deinerseits.“
Eine Weile schwiegen wir, dann fragte ich ihn vorsichtig nach Cindy aus. Er erzählte mir, dass sie während der Arbeit ein ausgezeichnetes Team waren, perfekt aufeinander eingespielt, und auch privat funktioniere dieses Team hervorragend. Als er das sagte wendete ich meinen Blick ab, in der Hoffnung dass er meine Traurigkeit und die einzelne Träne, die mir die Wange hinunerlief nicht sehen konnte. Ich verfluchte mich selber. Hatte ich es nicht schon gewusst, warum hatte ich mich nicht besser
unter Kontrolle?
„Freundschaftlich“, er sprach dieses eine Wort sanft, beinah zärtlich und mit einem Lächeln in der Stimme. Überrascht drehte ich meinen Kopf zu ihm, sodass ich in seine Augen sehen konnte, die mich verschmitzt anlächelten. „Ich wusste doch, dass du es missverstanden hast, damals in der Bar.“, sagte er während der sanfte Klang seiner Stimme meine Seele streichelte. Er strich mir eine mittlerweile wieder getrocknete Strähne aus dem Gesicht, dann beugte er sich zu mir hinüber und berührte mit seinen Lippen die Stelle meiner Haut an der die Träne entlanggelaufen war. Ich hielt den Atem an. Er sah mir direkt in die Augen, und während ich diesmal ein Ertrinken erlebte, dass überhaupt nicht angsteinflössend war, fanden seine Lippen die meinen. Als nach Stunden die Sonne langsam hinter dem Horizont verschwand brachen wir schließlich auf. Ich versprach Mark bald wiederzukommen. Wir würden zusammen sein, wir würden glücklich sein, dass schworen wir uns.


Als ich wenige Tage später endlich die Gelegenheit fand meinen Freund meine Gefühle zu erklären bat ich ihn am Abend zu mir zu kommen. Ich kochte eine Kleinigkeit weil ich wusste, dass er wohl den ganzen Tag noch nichts gegessen haben würde. Als es schließlich an der Tür klingelte, stand er mit einer Rose in der Hand vor mir. Ich rang mir ein kleines Lächeln ab, denn ich hatte ein schlechtes Gewissen. Wir hatten mehr als zwei Jahre unseres Lebens miteinander verbracht und er schien keine Ahnung zu haben, dass ich mich die meiste Zeit sehr einsam gefühlt hatte. Als wir am Küchentisch saßen und ich das Essen servierte, fand ich schließlich meine Sprache. Er hatte wie immer den Kopf in eine Zeitung gesteckt und schien gerade interessiert einen Artikel zu lesen. Als ich seinen Namen aussprach, blickte er zu mir hoch und schaute mich fragend an. Ich began mit dem Versuch ihm zu erklären wie allein ich mich fühlte. Ich wollte ihm gerade von Mark erzählen als er plötzlich sagte:
„Schatz ich bin froh, dass du das ansprichst. Ich wusste ich hätte mich mehr um dich kümmern sollen, und es tut mir wirklich leid.“ Sein Gesichtsausdruck schien echte Reue auszudrücken. Als ich gerade etwas erwidern wollte, fuhr er fort.
„Übrigens erinnerst du dich noch an die Tauchschule wo wir letztens waren. Dieser Tauchlehrer, wie hieß er doch gleich, ach ja richtig, Mark. Naja dieser Typ scheint zwar eine große Klappe gehabt zu haben aber viel dahinter kann nicht gewesen sein. Hier, der Artikel ist mir heute in die Hände gefallen, ein Kollege dem ich davon erzählt hatte, hat mich darauf aufmerksam gemacht. Der Typ ist wohl zu schnell aufgetaucht und... ach ließ selbst. “ Er reichte mir die Zeitung, während er das Thema wechselte, doch ich hörte nicht mehr zu. Da stand es schwarz auf dem Hintergrund von Recyclingpapier. Ein bekannter und beliebter Tauchlehrer der etablierten Tauchschule Bill&Mark, hatte vor zwei Tagen bei einem Tauchunfall lebensgefährliche Verletzungen davon getragen. Bei Redaktionsschluss hätten noch keine näheren Informationen über den Zustand des
Mannes vorgelegen. Ich ließ mich von ihm entschuldigen, stand vom Tisch auf und ging geradewegs in mein Zimmer. Den Grund warum ich meinen Freund hierherbestellt hatte, hatte ich mittlerweile vollkommen vergessen. Ich nahm mein Handy und
suchte die Schatulle in der ich Marks Telefonnummer aufbewahrte. Ich wählte sie so schnell, dass ich immer wieder Fehler machte und von vorne anfangen musste. Als ich schließlich auf den Telefonhörer drückte zitterte meine Hand so stark, dass ich auch dafür mehrere Versuche brauchte. Schließlich klingelte es. Ich wartete wohl beinah fünf Minuten, doch niemand antwortete. Als ich schließlich das Handy beiseite legte wurde mir schwarz vor Augen. Bevor ich ohnmächtig wurde, sagte ich mir immer wieder, dass das alles ein Alptraum war und ich in Kürze daraus wieder aufmachen musste. Dann verlor ich das Bewusstsein. Mein Freund musste mich so vorgefunden haben und reagierte schnell. Vor lauter Besorgnis rief er einen Arzt,
der auch kurze Zeit später vorbeikam. Ich war mittlerweile wieder wach, als der Arzt meinen Puls fühlte und noch ein paar weitere Untersuchungen machte. Schließlich bat er meinen Freund nach draußen zu gehen. Dann fragte er mich was geschehen sei, er hörte aufmerksam zu, fragte mich wann ich das letzte Mal etwas getrunken und gegessen hätte. Ich beantwortete alle seine Fragen stoisch, ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Schließlich nahm er mir etwas Blut ab, zu
Untersuchungszwecken wie er mir mitteilte, dann ging er nach draußen. Ich tastete nach meinem Handy, dass irgendjemand auf den Nachtisch gelegt haben musste. Wieder und wieder wählte ich die Wahlwiederholung. So verbrachte ich den restlichen Tag. Mark nahm nicht einmal ab.

Die nächsten Wochen stellte sich mein Leben auf den Kopf. Ich hatte immer noch nichts von Mark gehört, doch stattdessen hatte sich der Arzt der mich untersucht hatte, gemeldet. Als er mir mitteilte, dass man in meinem Blut erhöhte Mengen des hCG Hormons gefunden hatte, wusste ich was es bedeutete. Er sagte mir ich solle mich in den nächsten Wochen noch etwas ausruhen, doch ich bräuchte mir keine Sorgen machen. Ich dankte ihm und legte auf. Danach schloss ich mich in meinem Zimmer ein und fragte mich was noch alles geschehen würde.
Ich erhielt die Antwort drei Tage später. Mein Freund teilte mir mit, dass er ein Angebot seines Chefs erhalten habe für eine Weile in Frankreich zu arbeiten. Die Weile von der er sprach umfasste 3 ganze Jahre. Er meinte, dass er es nicht verantworten könne mich die ganze Zeit alleine hier zu lassen und dass er sich wünschte, dass ich mitkäme. Ich sagte ihm nicht, dass ich mich immer alleine fühlte, ob er nun da war oder nicht.
Zwei Wochen überlegte ich was ich tun sollte. Ich versuchte Mark noch ein paar Mal zu erreichen, doch er hob niemals ab. Ich war schwanger, der Mann den ich liebte wahrscheinlich tot und wurde von meinem Freund gebeten mit ihm aus meiner Heimat fortzugehen. Ich wusste ich würde mich entscheiden müssen und ich wusste, dass es im Grunde genommen nur eine Entscheidung gab, doch ich konnte nicht anders.
Verzweifelt wie ich war, fuhr ich Samstagmorgens mit dem Auto hinaus zur Tauchschule. Ichwollte mich selbst überzeugen, wollte mit Bill oder Cindy reden, von ihnen persönlich gesagt bekommen, dass es wahr war. Doch als ich ankam, waren Türen und Fenster geschlossen. Einzig und allein ein Zettel war an der Tür zurückgelassen worden. „Auf unbegrenzte Zeit geschlossen.“, stand da. Wenn es nicht wahr war, wenn es nicht passiert war, warum sollten sie den Laden dann auf unbestimmte Zeit schließen? Meine Beine versagten mir, also setzte ich mich an die Tür gelehnt vor den Laden, den Blick auf das Meer gerichtet. Ich weiß nicht wie lange ich so dagesessen habe, aber mit einem Mal hörte ich jemanden neben mir etwas sagen. „Sie werden kein Glück haben, egal wie lange sie warten. Es wird niemand kommen. Schrecklich was da passiert ist, der Mann war doch so jung. Aber Unfälle passieren nunmal, da kann keiner was dafür. Auf jeden Fall rate ich ihnen nach Hause zu gehen. Wer weiß ob diese Tauchschule überhaupt je wieder aufmacht.“
Doch statt zu tun was die alte Frau neben mir sagte, blickte ich auf und fragte: „Wissen sie was passiert ist?“ Einen Moment schien sie zu überlegen, dann antwortete sie.
„Naja ich war nicht persönlich hier, mein Mann hat mir nur davon erzählt. Er ist Stammkunde von den beiden Männern gewesen, müssen sie wissen. Er meinte, die beiden wären an diesem Morgen zu einem Frack getaucht. Sie hatten wohl noch jemanden bei sich, der ist dann aus irgendeinem Grund in Panik geraten. Einer der beiden Männer ist ihm wohl hinterher und ist dabei zu schnell aufgetaucht. Sie haben es zwar geschafft ihn ans Ufer zu bringen, aber als der Krankenwagen kam, hat der junge Mann wohl nicht mehr geatmet. Seitdem hat keiner mehr Einen von ihnen gesehen. Nur die junge Frau war hier und hat den Zettel
angebracht.“
„Wissen sie wie der Mann geheißen hat?“, ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Sie waren beide unten gewesen, es konnte immer noch Bill gewesen sein, der...
„Naja die Namen der beiden Taucher, waren Bill und Mark aber welcher von ihnen welcher gewesen war, daran erinner ich mich nicht. Ich habe ein schlechtes Namensgedächtnis müssen sie wissen. Aber mein Mann hat zu mir gesagt: Es ist schade, dass du ihn nie gesehen hast, Claire, du hättest seine blauen Augen gemocht. Das hat er gesagt, ja.“ Sie machte eine kleine Pause. „Sie müssen wissen junge Frau schon als ich noch ein junges Ding war, gefielen mir immer besonders die Männer
mit blauen Augen. Mein Mann hat nun braune und damit ärgert er mich immer gerne ein wenig.“ Sie lächelte bei diesen Worten.
„Nunja, wie auch immer, ich muss weiter. Warten sie nicht zu lange, es wird wohl niemand mehr kommen. Zumindestens heute, was morgen ist, wer kann das schon wissen.“ Mit diesen Worten ging die alte Frau weiter, das Klopfen ihres Stockes hallte noch eine Weile in meinen Ohren. Es war also wahr, alles war wahr, der Unfall war geschehen, und Mark war nicht mehr hier. Wir hatten uns geschworen zusammensein und wäre das Kind in meinem Leib nicht gewesen...In diesem Augenblick hatte der Gedanke an den Tod etwas sehr tröstliches.
Doch ich war schwanger, es war also nicht nur mein Leben über das ich entschied und nun nachdem ich die Wahrheit kannte, nachdem ich mich davon überzeugt hatte, dass es in diesem Leben für mich und Mark kein Happy End mehr geben würde, machte ich mich auf den Weg nach Hause zu meinem Freund. Vielleicht war ein neues Land kein allzu schlechter Anfang für einen Neuanfang, dachte ich während mir den ganzen Weg über Tränen über die Wangen liefen.


9 Monate später schenkte ich einem gesunden Jungen das Leben. Obwohl ich wusste, dass es vergehen würde, liebte ich seine tiefen blauen Augen vom ersten Moment an. Vielleicht waren es seine Augen, vielleicht auch nur ein Zufall, aber mein Mann befand dass Markus ein sehr schöner Name für unseren Sohn wäre. Ich stimmte ihm zu. Und auch wenn ich in der Öffentlichkeit meinen Sohn immer bei seinem vollen Namen rief, wenn ich allein mit dem Jungen war, dessen Augen zu meiner Überraschung auch nach einem vollem Jahr einen blauen Schimmer behielten, nannte ich ihn zärtlich Mark.
Nach drei Jahren in Frankreich kehrten wir schließlich zurück nach Hause und mieteten uns ein kleines Häuschen in der Nähe des Ozeans. Kurz zuvor hatte ich deshalb einen langen und heftigen Streit mit meinem Ehemann. Ich nannte ihm tausende von Gründen, warum ich nicht nahe am Wasser leben wollte, doch den wahren Grund nannte ich ihm nie. Dass es mir in der Seele weh tat, jeden Morgen nach dem Aufstehen auf das Meer hinaus zu sehen, dessen Farbe mich so sehr an seine Augen erinnerte. Doch schließlich gewann er unseren Disput mit einem Argument dem ich nur schwerlich etwas entgegen setzen würde, wie er ganz genau wusste. Markus würde es gefallen am Meer aufzuwachsen, er könnte jeden Tag an den Strand gehen, schwimmen und tauchen. Ich erschrak bei dem Gedanken daran, doch als ich meinem Sohn am nächsten Tag ernst fragte, ob ihm eine solche Vorstellung gefiel, strahlte sein Gesicht und sein Lächeln entwertete all meine guten und weniger
guten Argumente.
Als mein Sohn seinen vierten Geburtstag feierte, rief mein Mann ihn über das Telefon an und wünschte ihm ein Happy Birthday. Halbherzig entschuldigte er sich bei mir, dass er erst ein paar Tage später von seiner Geschäftsreise zurück kommen würde. Das gleiche geschah an unserem Hochzeitstag, ein paar Monate später. Ich hatte mich und Markus fein zurecht gemacht, denn wir wollten in einem sehr feinen Restaurant essen gehen, doch mein Mann klingelte durch und sagte wir sollen schon mal ohne ihn anfangen, er würde später nachkommen. Als es schließlich schon beinah 10.00 abends war und Mark auf dem Stuhl neben mir eingeschlafen war, bezahlte ich die Rechnung und fuhr mit ihm zurück nach Hause. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, sah ich dass das Bett neben mir nicht benutzt worden war. Mein Mann war nicht einmal nach Hause gekommen. Von da an, verbrachte ich immer öfter ganze Tage allein mit Mark. Wenn ich meinen Mann darauf ansprach, meinte er nur, dass er eben viel Zeit für seinen Beruf aufbringen müsse, er müsse schließlich uns alle drei durchfüttern.

Damals in Frankreich, nach der Geburt von Mark hatte ich geglaubt dass mein Mann sich ändern konnte. Er war sehr fürsorglich und obwohl er auch auch damals viel arbeitete, nahm er sich doch immer ein wenig Zeit für seine kleine Familie. In dieser Zeit hatte ich gemeint, dass er vielleicht doch ehrlich war, wenn er mir sagte dass er mich und seinen kleinen Sohn über alles liebte. Selbst jetzt wollte ich immer noch an seine Ehrlichkeit glauben, doch mit jedem Tag den ich alleine einschlief schwand mein Glaube und meine Verzweiflung über die Einsamkeit wuchs. In diesen Nächten legte ich mich manchmal zu Mark oder ging hinunter zum Ozean um den inneren Aufruhr und den schlimmsten Schmerz zu besänftigen.
Ich liebte meinen Sohn über alles, doch ich fragte mich ängstlich wie lange ich dieses Leben noch für ihn allein leben könnte.


7 Jahre nachdem wir aus Frankreich zurückgekehrt waren, beschloss ich mit meinem mittlerweile fast jugendlichen Sohn einen Ausflug zu machen. Ein paar Jahre zuvor hatten die Städtebunde der Küste Geld zusammengelegt und an der Küste entlang einen Wander- und Fahrradweg anlegen lassen. Dieser Weg verband nun über 30 Städte und Dörfer der Küste miteinander und seine Wegstrecke betrug insgesamt über 200km. Ich beschloss mit meinem Sohn für eine Woche entlang dieser Route zu reisen. Ich wollte ihm die weiter entfernt gelegenen Dörfer zeigen und bei dieser Gelegenheit ein paar sehr alte Freunde aus
Jugendtagen, die ebenfalls nicht weit von dieser Küstenstraße entfernt wohnten besuchen. Ich hatte meinen Mann eigentlich fragen wollen ob er Lust hätte uns zu begleiten, doch als ich ihm von meinem Plan erzählte sagte er: „Soso eine Woche auf dem Rad durch langweiliges Küstengebiet radeln?“, sein Tonfall wurde dabei von einer Spur Spott begleitet. „Na dann wünsche ich dir und dem Bengel viel Spaß dabei.“ Was er nicht sagte war, dass er im Grunde genommen mehr als froh war seinen Sohn und seine Frau loszuwerden. Ich hatte schon seit vielen Jahren immer wieder vermutet, dass er Affairen hatte, doch die Jahre hatten mich abgestumpft und ich hatte gelernt nicht mehr über derartigen Dingen zu verzweifeln und nahm sie nur noch zur Kenntnis. Es war reiner Überlebensinstinkt, der mich dazu trieb. Womit ich mich jedoch nicht abffinden konnte, war dass er seinen Sohn seit Jahren vernachlässigte. Sein letztes Weihnachtsgeschenk für ihn war ein Kartenspiel für fünfjährige gewesen. Markus hatte sich natürlich dennoch bei seinem Vater bedankt doch als er schließlich bat auf sein Zimmer zu gehen und die Treppen nach oben stieg, konnte ich noch einen kurzen Blick auf eine Träne die gerade seine Wange herunterlief erhaschen. An diesem Weihnachtsabend hatte ich einen so heftigen Streit mit meinem Mann, dass ich zum ersten Mal froh war keine Nachbarn zu haben. Das Veilchen, dass er mir dabei verpasste, versteckte ich drei Tage lang hinter einer Sonnenbrille. Und auch diemal konnte ich meine Wut nicht verbergen. Doch er ignorierte mich. Als ich jedoch began ihm die schlimmsten Schimpfwörter, die ich mir ausdenken konnte, an den Kopf zuwerfen, wurde es ihm zufiel und er schlug zu.
Am nächsten Tag brach ich gemeinsam mit Mark zu unserer Radtour auf. Mein Mann ließen wir zurück. Ich glaube, dass wir beide darüber am Ende nicht allzu unglücklich waren.

Unser Tagesrythmus wurde von nun an von der Natur bestimmt. Es war Sommer und die Tage waren heiß. Jeden Tag radelten wir einige Kilometer, um die Mittagszeit ließ ich Mark im Ozean schwimmen gehen, damit er sich ein wenig abkühlte. Gegen Abend erwartete uns entweder ein festliches Mahl bei einem alten Freund oder aber ein herzlicher Empfang in einem kleinen
gemütlichen Hotel. Wir waren schon vier Tage unterwegs und hatten beinah 100km zurückgelegt als wir eines Mittags an eine kleine Bucht kamen. Wie immer ließ ich Mark schwimmen gehen. Der Junge liebte es im Wasser seine Bahnen zu ziehen und zu tauchen. Während mein Sohn sich vergnügte, spazierte ich ein wenig im nahe gelegenen Wäldchen. Nach etwa zwei Stunden befand ich, dass es Zeit war aufzubrechen und ging langsam zur Bucht zurück. Als ich den Ozean in Sichtweite hatte, rief ich nach Mark. Unten am Wasser standen zwei Gestalten, die sich auf meinen Ruf hin beide gleichzeitig zu mir umdrehten.


THIRD CHAPTER


Zwischen uns lagen noch etwa acht Meter, doch schon von hier konnte ich ein Lächeln auf den Gesichtzügen der größeren Gestalt erkennen, die offensichtlich neben meinem Sohn stand, welches mir eine Schauer über den Rücken laufen ließ. Ich trat noch einige Schritte näher heran, als das Lächeln des Mannes plötzlich erstarb und ich schließlich nahe genug war um beim Anblick seiner Augen erschrocken zurückzuweichen. Mein Sohn schien von unserem Mienenspiel keine Notiz genommen zu haben, aufgeregt überwand er die letzten zwei Meter zwischen uns. Als er neben mir stand sprach er mit mir, sein Tonfall spiegelte die Begeisterung wieder, die ich auch in seinem Gesichtasudruck sehen konnte „Mum, kommst du mit ins Wasser? Wir könnten tauchen gehen. Mark hat mich gefragt ob ich nicht Lust dazu hätte, er ist Taucherlehrer, er kann es mir beibringen.“ Ich registrierte seine Worte, nahm sie auf, doch ich schien ihren Sinn nicht zu begreifen. Als ich den Kopf schüttelte war es eigentlich nicht als Antwort für meinen Sohn gedacht, sondern vielmehr weil alles was hier gerade geschah einfach vollkommen
absurd, ja unmöglich war. Doch mein Sohn verstand meine unbewusste Bewegung falsch. Plötzlich wurde sein Gesichtsausdruck traurig und als wenn es meine scheinbare Weigerung erklären würde sagte er: „Ja richtig, du gehst ja niemals schwimmen und jedes Mal hast du einen neuen Grund dafür.“ Sein Tonfall schien mit einem Mal voller Trotz und jugendlicher Ablehnung. Er hatte ja Recht. Wenn mein Sohn mich bat mit ihm ins Wasser zu kommen, hatte ich immer abgelehnt, ohne je einen vernünftigen Grund nennen zu können. Außer einem: Ich konnte es einfach nicht. Es war nicht die Angst vorm Ertrinken, auch nicht die Angst vor dem Ozean selbst, es war nicht einmal wirklich der Schmerz den ich fürchtete. Ich glaube der Grund
warum ich den Ozean seit elf Jahren mied, stand direkt vor mir.
Es musste ein Traum sein. Ich musste eingeschlafen sein, vielleicht lag ich am Strand und hatte nur geträumt in den Wald gegangen zu sein, vielleicht war ich aber auch immernoch in unserer letzten Unterkunft und dies alles hier warnur eine Vision. Ein Wunsch. Ein Traum. Es musste ein Traum sein, denn Mark war hier, Mark der doch eigentlich tot war, die alte Frau damals hatte es gesagt. Es war alles nur ein Traum.
Ich drehte mein Gesicht zu meinem Sohn, wollte ihm erklären, dass wir nicht tauchen konnten, weil das hier ein Traum war, weil es nicht real war. Da hörte ich wie der jemand vor mir, der wie Mark aussah … es war nur ein Traum... plötzlich scharf die Luft einsog, seine Hand unter mein Kinn legte und mich zwang ihn anzusehen. Seine Augen waren so tief blau wie ich sie in Erinnerung hatte, doch sie schauten auf einen Punkt auf meinen Gesicht und verengten sich plötzlich zu gefährlichen kleinen Schlitzen. „Wer hat das getan?“, fragte er mit einer Stimme, die mehr war als nur eine nicht ausgesprochene Drohung. Ich verstand zuerst nicht, doch dann erinnerte ich mich an meinen Streit mit meinen Mann, der nun schon ein paar Tage zurücklag.
Sein Schlag hatte noch am nächsten Tag auf meiner Wange gebrannt und ich vermutete, dass an der Stelle nun vermutlich ein hübscher Bluterguß zu sehen war. Doch ich konnte immer noch nichts sagen, wollte es nicht. Ich hatte die Befürchtung, dass
wenn ich auch nur ein Wort sagte, ich aus meinem Trum aufwachen würde. Ein Traum in dem Mark lebendig vor mir stand und indem mein Sohn an meiner statt antwortete: „Mein Vater.“, er spie die Worte mit Verachtung aus. Ich hatte nie gewusst, dass Mark seinen Vater so sehr hasste. „Er hat Mum geschlagen, weil sie gemeint hat, dass er uns vernachlässige, dass er sie betrüge und als er sie ignorierte, wurde sie wütend, da schlug er zu, einfach so.“ Ich hatte keine Ahnung gehabt, dass Markus etwas von unserem Streit mitbekommen hatte, doch das hier war ein Traum, alles war möglich.
Plötzlich wandte sich der Mann, der wie Mark aussah, an meinen Sohn, gab ihm die Autoschlüssel seines Wagens und sagte etwas zu ihm, dass ich nicht verstand. Mein Sohn schien etwas zu erwidern doch Mark lächelte ihn an und sagte wieder etwas. Wenige Augenblicke später war mein Sohn verschwunden und ich war allein mit dem Mann, dessen tief blaue Augen die Farbe des Ozeans vor mir wiederspiegelten.
„Warum?“, seine Frage war schneidend und ich dachte im ersten Moment er wolle wissen warum mich mein Mann geschlagen hat. „Warum bist du zu ihm zurück?“
Ich verstand seine Frage nicht. Wenn das hier ein Traum war, würde er dann nicht wissen warum ich es getan hatte. Er war tot, wie hätte ich bei ihm bleiben können.
„Jannet, warum, sag es mir!“, er blickte mir in die Augen und ich sah den Schmerz den er empfand. Der Anblick löste endlich meine Zunge.
„Du bist tot!“, sagte ich nur. Es war eine Feststellung, doch ich sprach sie mit soviel Überzeugung aus, wie ich noch übrig hatte. Es war alles nur ein Traum und ich würde bald aufwachen. Ich wünschte er würde mit diesen Fragen aufhören, und mich einfach in die Arme nehmen.
„Ich stehe ziemlich lebendig vor dir!“, es war kein Vorwurf, kein Frage, nur eine Feststellung.
Ich schüttelte verzweifelt mit dem Kopf, gleich würde ich aufwachen. Die nächsten Worte sprudelten regelrecht aus mir heraus.
„Nein du bist nicht hier, es ist ein Traum, es muss ein Traum sein Du kannst nicht hier sein, die alte Frau hat es mir gesagt, nachdem ich es in der Zeitung gelesen hatte. Ich hatte dich tagelang versucht zu erreichen, dann bin ich zu eurer Schule gefahren und habe das Schild gelesen, Cindy hat es angebracht. Die alte Frau...Sie hat mir gesagt es war ein Unfall. Du hast nicht mehr geatmet als der Krankenwagen euch wegbrachte.“, meine Stimme klang verzweifelt, ich spürte wie ich nach Atem rang. Ich zwang mich ruhiger zu werden.
„Verstehst du, du kannst nicht hier sein, und demzufolge muss das hier ein Traum sein.“, meine letzten Worte sprach ich mit Tränen in den Augen.
Während ich gesprochen hatte, waren in Marks Gesicht die seltsamsten Gefühle zu sehen. Da war Unverständnis, Ungläubigkeit und schließlich eine Art Begreifen auf das Schmerz folgte. Dann verschloss sich seine Miene wieder. Er sagte nichts und ich fuhr ich fort. „Ich weiß wir haben gesagt, dass wir zusammensein würden, aber ich war schwanger ich
hätte dir nicht folgen können, auch wenn ich es gewollt habe. Ich konnte doch meinen Sohn nicht töten.“ Ich sprach diese Worte mit ruhiger Verzweiflung in der Stimme.
Als Mark begriff was ich mit meinen Worten gemeint hatte, schlug er mir mit der flachen Hand ins Gesicht. Es war nur ein leichter Schlag, doch ich konnte sehen wie der Schmerz, den ich fühlte auch in seinen Augen zu sehen war.
„Ich bin nicht tot.“, sagte er mit solcher Inbrunst, dass ich ihm für einen Moment glaubte. „Aber selbst wenn ich es wäre, würde ich noch im Grabe aufstehen und dich davon abhalten, dein Leben zu beenden.“ Er starrte mich so ernst an, dass mir beinah schwindelig wurde, dann ganz plötzlich zog er mich in seine Arme und ich klammerte mich an ihn, dann sagte seine Stimme an meinem Ohr: „Es war ein Missverständnis, Jannet. Ein dummes Missverständnis.“ Er wiederholte die Worte immer und immer wieder, wie ein Mantra, minutenlang. Als er schließlich schwieg, sagte ich nur: „Ist schon ok, du brauchst nicht zu lügen. Ich träume aber das ist ok. Zumindestens bin ich in diesem Traum glücklich.“
Mark schien gerade etwas erwidern zu wollen, als Markus plötzlich neben uns stand. Er hatte drei kleine Minikapseln bei sich, die sich an einer Seite zu einem Tauchermundstück verjüngten. Mark löste sich langsam von mir und ich bemerkte einen spitzbübischen Ausdruck auf dem Gesicht meines Sohnes, doch keine Spur von Wut, dass er mich in den Armen eines anderen Mannes erwischt hatte.


Mark bestand darauf, dass wir alle gemeinsam tauchen gingen. Sein Gesichtsausdruck war seit einiger Zeit sehr nachdenklich, dennoch erklärte er meinem Sohn und mir sehr ernst alles was wir für unseren kleinen Tauchgang wissen mussten. Die Minikapseln gaben uns Luft für circa eine Stunde, und wir konnten mit ihnen etwa auf die Tiefe der Korallenriffe, die er meinem Sohn zu zeigen versprochen hatte, tauchen. Jedoch nicht weiter. Schließlich gemahnte er meinen Sohn noch immer in unserer Nähe zu bleiben. Dann nahm er wie selbstverständlich meine Hand und bedeutete uns unsere Mundstücke aufzusetzen.
Ich erlebte wie bei meinem ersten Tauchgang unter Wasser eine völlig neue und andere Welt. Die Riffs waren ein einmaliges Naturschauspiel und mein Sohn machte sich einen Spaß daraus, gemeinsam mit den Fischen zu schwimmen. Mark ließ meine Hand während der ganzen Zeit nicht los und selbst als wir schließlich wieder an Land waren, hielt er sie fest in seiner. Markus war nach unserem kleinen Tauchgang wie verwandelt, er stellte Mark pausenlos Fragen, die dieser lächelnd beantwortete. Als die Sonne unterging, sagte ich zu Markus, dass er sich nun von Mark verabschieden müsse. Meine Stimme war bei diesen
Worten zwar sehr entschieden, doch konnte ich den Schmerz dahinter nicht vollkommen unterdrücken. Doch Mark, überraschte mich und meinen Sohn, als er ohne etwas zu sagen auf unsere Fahrräder zuging, sich meines auf die Schulter lud und Markus bat, es ihm gleich zu tun. Dann stapfte er, meine Hand immer noch fest in seiner haltend los. Wenig später kamen wir bei seinem Auto an, er lud die beiden Fahrräder hinten auf die Ladefläche und bedeutete uns einzusteigen.

„Ihr beide kommt mit mir.“, sagte er nur. Es war keine Frage, es war ein Befehl, wenn auch ein sanfter. Als ich ohne Wiederspruch und nachdem ich meinem Sohn bedeutet hatte, dass es ok war schließlich in den Wagen stieg und wir losfuhren, fragte ich mich was für ein seltsamer Traum das doch war als mir schließlich die Augen zufielen.
Als ich die Augen wieder aufschlug erwartete ich beinah, allein daheim in einem Bett zu sein oder in einem fremden Bett neben Markus zu liegen, doch was ich sicherlich nicht erwartete, war Mark, der neben mir schlief einen Arm um meine Taillie gelegt. Ich musste wohl immer noch träumen, oder vielleicht war das hier sogar ein Traum in einem Traum. Und ich fragte mich welche Schmerzen mich erwarten würden wenn ich aus diesem Traum aufwachte und Mark wieder nur noch eine schemenhafte
Erinnerung war.


Als ich das nächste Mal erwachte, schien die Sonne zum Fenster hinein und ich war allein. Das war es also. Der Traum war zu Ende und ich war zurück in der Realität. Ich bereitete mich auf den Schmerz vor der kommen würde als ich aus dem Nebenraum eine leise Stimme vernahm.
„Bill ich weiß nicht was ich machen soll. Ich habe versucht es ihr zu erklären, aber sie ist felsenfest davon überzeugt, dass ich tot bin und sie nur träumt oder etwas in der Art. Bitte ihr müsst herkommen und mit ihr reden. Vielleicht begreift sie es wenn sie es von mehreren Menschen erzählt bekommt und nicht nur von mir.“
Eine Weile herrschte schweigen, dann sagte die Stimme: „Ahja, sie muss geglaubt haben, dass ich es war der bei dem Unfall vor 11 Jahren fast draufgegangen ist und nachdem eine alte Frau ihre Vermutung scheinbar bestätigte ist sie zu diesem Kerl zurück.“ Einen Moment lang schwieg die Stimme, dann fuhr sie plötzlich auf. „Niemals, Bill. Gott er betrügt sie, er schlägt sie. Niemals werde ich zulassen, dass dieser Kerl sie auch nur noch einmal in seinem gottverdammten Leben anfässt.“ Schweigen, dann sagte Mark ruhiger: „Ja, kommt so schnell wie möglich. Ihr seid meine einzige Hoffnung. Wenn ihr sie nicht überzeugen könnt... Ja das alte Ferienhaus. Und Bill? Danke!“
Dies war wirklich der seltsamste Traum den ich je hatte. Vielleicht war ich aber auch nur verrückt geworden. Vielleicht war Mark eine Illusion, ein Geist, den ich mir erschaffen hatte, damit ich dieses Leben noch ertragen konnte. Wenn das die Wahrheit war, würde man mich bald holen kommen, irgendwer würde merken, dass ich verrückt war und Markus würde mit seinem Vater alleine zurückbleiben. Seinen Vater verabscheute er, seine Mutter würde er bemitleiden. Ich schlang unter der Decke die
Arme um meinen Körper und zog die Beine nah heran. Vielleicht wäre ich damals besser mit Mark gestorben, ich hätte meinem Sohn viel Leid erspart.


Ich schlug Markus vor den Tag in der nahegelegenen Stadt zu verbringen. Mark schien daraufhin etwas sagen zu wollen, doch bevor er sprechen konnte fiel ich ihm ins Wort und schickte Markus mit einer Ausrede aus dem Zimmer. Mark der mich den ganzen Morgen nur angesehen hatte, bisher aber nichts gesagt hatte, schlug als Markus gegangen war vor uns mit dem Wagen in die Stadt zu fahren. Schnell winkte ich ab. Wir könnten auch die Fahrräder nehmen, doch Mark, zog eine Augenbraue hoch, dann sagt er ruhig aber bestimmt: „Ich komme mit. Ich fahre euch mit meinem Wagen“ Nun steckte ich in der Klemme. Ich konnte schlecht eine Illusion ein Auto fahren lassen, aber ich wusste auch das Marks Entscheidung unumstößlich war. Also bat ich ihn mich das Auto fahren zu lassen. Er willigte ohne Diskussionen ein.
Als es schließlich Abend wurde, stand ich in der Küche und bereitete aus den frischen Zutaten die ich auf dem Markt gefunden hatte ein leckeres Essen vor, als es an der Tür klingelte. Ich bat Markus aufzumachen. Mark hatte ich seit unserer Rückkehr aus der Stadt nicht mehr gesehen. Und obwohl ich überzeugt war verrückt zu sein, schmerzte mich seine Abwesenheit.


„Also Mark, wo ist sie. Wo ist Jannet?.“ Bills Stimme hatte einen leicht genervten Klang.
Doch Mark nahm es ihm nicht übel. Sein Freund war gerade 200km weit gefahren nur um ein Missverständnis von vor 11 Jahren aufzuklären. Cindy setzte sich neben Bill auf die Couch und ermahnte ihn mit süßer Stimme:
„Wahrscheinlich ruht sie sich gerade ein wenig aus und genießt es einen Moment allein zu sein. Also sei nicht so ruppig Bill. Außerdem ist Mark auch ziemlich fertig. Da will er Urlaub machen und trifft dabei plötzlich auf die Person, die er nie vergessen konnte. Und dann ist Jannet, so hieß sie doch nicht wahr, auch noch felsenfest davon überzeugt, dass er doch eigentlich tot ist und sie träumt oder gar verrückt ist.“ Cindys erfasste die Situation mal wieder auf den Punkt.
„Meine Mutter ist nicht verrückt.“ Markus überraschte alle Anwesenden als er aus dem Türrahmen in dem er gelauscht hatte, trat. Als niemand etwas sagte wiederholte er mit fester Stimme: „Meine Mutter ist nicht verrückt.“
„Mark wer ist das denn?“, fragte Bill. Sein Tonfall klang eindeutig überfordert.
„Bill, Cindy dass ist Markus, Jannets Sohn, Markus, das sind zwei sehr gute Freunde von mir, Cindy und Bill.“
Doch statt einer Begrüßung erwiderte Cindy: „Natürlich ist deine Mutter nicht verrückt. Nur aus irgendeinem Grund glaubt sie vielleicht, dass sie es ist.“
„Weil sie glaubt das Mark tot ist richtig? Sie glaubt er ist ein Geist oder sowas.“
„Sowas in der Art.“, meinte Bill ausweichend.
„Aber warum glaubt meine Mutter überhaupt, dass du tot wärst,“, fragte Markus an Mark gewandt.
Bill bedeutete Markus sich zu ihnen zu setzen, dann began er zu erzählen.
„Vor mittlerweile 11 Jahren war deine Mutter für einen Tauchlehrgang bei uns in der Tauchschule. Ich habe sie an diesem Tag eingewiesen und Mark ist mir ihr gemeinsam getaucht. Dein Vater war auch da, er wurde an diesem Tag von Cindy hier gecoacht. Etwa drei Tage später hatten wir beide, Mark und ich einen Tauchgang, Cindy blieb diesmal oben. Wir hatten noch einen anderen Mann bei uns, einen Anfänger eigentlich. Doch er war schon oft genug mitgekommen, dass er eigentlich hätte wissen müssen, dass die Anzeige in Ordnung war.“ Er erklärte Markus kurz und in groben umrissenden den Aufbau einer Taucherflasche und welche Anzeige er meinte. „Auf jeden Fall geriet er in Panik und schwamm aufwärts. Wir waren gerade unten bei einem Wrack und als ich nach oben schaute, bemerkte ich, dass er geradewegs auf eine Stelle zuschwamm, die einen gefährlichen Sog entwickeln konnte. Wenn ein Taucher in sowas reingerät, ist es egal wie erfahren oder unerfahren
er ist, meistens kann man ihn dann nur noch ein paar Tage später tot aus dem Wasser fischen. Naja ich bemerkte also die Gefahr, aber wir waren zu weit weg um ihm ein Zeichen oder sowas zu geben. Also schwamm ich nach oben. Ich hatte allerdings die Entfernung völlig falsch eingeschätzt. Normalerweise muss ein Taucher langsam auftauchen, weil der Druckunterschied sonst ab einer gewissen Distanz zu groß wird und der Körper Zeit braucht um die Druckunterschiede
auszugleichen. Ich tauchte aber zu schnell nach oben. Als ich ohnmächtig wurde war ich glücklicherweise schon nah genug um den Jungen noch zu warnen. Alles was dannach geschah erzählt dir am besten Mark weiter.“
Bill sah Mark bei diesen Worten an und dieser nickte.
„Ich bemerkte erst das etwas nicht stimmte, als unser Begleiter stark an unserer Makierungsboje zog. Das ist bei uns eine Art Notsignal. Ich schaute nach oben und sah, das Bills Körper rasant nach unten glitt. Also tauchte ich so schnell mir möglich war nach oben, packte Bill am Arm und schwamm mit ihm an die Oberfläche, dem anderen Taucher bedeutete ich das selbe zu tun.
Wir brauchten eine ganze Weile bis wir endlich oben waren und nochmal fast eine halbe Stunde bis wir am Ufer anlangten. Als Cindy sah, dass ich Bill im Rettunsgriff an Land brachte, bestellte sie sofort den Notarzt. Als dieser aber eintraf, hatte Bills Herz schon aufgehört zu schlagen. Du musst wissen, dass zu schnelle Dekompression viele Schäden anrichtet, aber vor allem führt es zu einem sofortigen Kreislaufschock, der dann wiederrum zu Herzversagen führen kann, wenn er zu lang anhält. Wir leisteten erste Hilfe bis der Notarzt eintraf. Dann brachte man Bill ins Krankenhaus wo die Ärzte in glücklicherweise stabilisieren konnten. Aber auch ich musste behandelt werden, denn ich stand unter Schock, war ebenfalls zu schnell aufgetaucht und hatte mich anschließend vollkommen verausgabt. Ich wurde zwei Wochen lang unter Beobachtung gestellt und dannach blieb ich auch weiterhin im Krankenhaus um bei Bill zu bleiben, den man ins künstliche Koma versetzt hatte. Deine Mutter muss wohl kurz nach dem Unfall davon erfahren haben. Soweit ich verstanden habe durch einen Artikel in der Zeitung. Da wir uns sehr
nahstanden...“
„Du kannst es ruhig zugeben“ sagte Markus leichthin „dass ihr euch gern hattet meine ich. Es macht mir nichts aus.“ Doch Mark ließ sich nicht beirren.
„Da wir uns sehr nahestande machte sich deine Mutter wahrscheinlich große Sorgen. Doch da ich zu dieser Zeit selbst im Krankenhaus war, erreichte sie mich nicht. Ich erinnere mich zwar noch, dass ich später bemerkte, dass ich eine ganze Menge an Anrufen von derselben Nummer erhalten hatte, aber deine Mutter hatte mir niemals ihre Nummer gegeben.“ Er verstummte, denn er sah eine Bewegung im Schatten vor dem Wohnzimmer.

Er fragte sich wieviel sie mit angehört hatte und ob sie mittlerweile zu dem Entschluss gekommen war, dass er tatsächlich real war.


Als ich die Stille im Wohnzimmer bemerkte, trat ich aus dem Schatten meines Versteckes. Ich hatte nicht lauschen wollen, eigentlich hatte ich Markus nur fragen wollen wer zu Besuch gekommen sei, doch dann hörte ich Markus Stimme, die jemanden fragte warum ich glaube, dass Mark tot sei. Ich musste mir den Satz mehrmals vorsagen, bis ich seine Bedeutung begriff: Nicht nur ich konnte Mark sehen, auch Markus sah ihn. Demnach war er keine Illusion. Doch es gab immer noch die Möglichkeit, dass ich träumte.
Ich hörte wie eine andere tiefe, männliche Stimme meinem Sohn erzählte was tatsächlich vor 11 Jahren geschehen war und ich hörte auch was Mark anschließend erzählte. Mit jedem Wort, das gesprochen wurde, zweifelte ich immer mehr. Konnte das ein Traum sein? Warum sollte ich mich selbst überzeugen wollen, dass Mark nicht tot war. Und wachte man nicht normalerweise aus einem Traum auf, wenn man feststellte dass es einer war? Ich war verwirrt und verzweifelt. Wenn ich das hier alles nicht
träumte, bedeutete dies, dass Mark real war, er lebte, er hatte immer gelebt. Vor elf Jahren hatten wir uns geschworen, zusammen glücklich zu sein. Doch stattdessen, ging ich fort, heiratete einen anderen Mann und bekam ein Kind von ihm. Wenn es war wahr, dass Mark bei dem Unfall nicht gestorben war, hatte ich das Unglück, dass ich seither erlebt hatte, die Einsamkeit, die Sehnsucht nach ein wenig Liebe, all das hatte ich verdient, denn ich hatte mein Wort gebrochen. Ich hatte zu schnell aufgegeben, hatte mich zu schnell in die einfachste aller Lösungen geflüchtet.
Ich konnte nichts sagen. Ich bemerkte nicht einmal, dass ich weinte. Ich bemerkte auch kaum wie jemand auf mich zutrat, doch ich spürte die Hand, die sich unter mein Kinn legte und mich zwang aufzusehen. Ich sah das Gesicht und die Augen, die ich so lange vermisst hatte und die ich niemals geschafft hatte aus meinem Herzen zu verbannen. Verzweifelt und mit einer unendlichen Sehnsucht legte ich meinen Kopf an seine Schulter, schlang die Arme so fest um ihn, dass es weh tat und ließ die
Tränen, die Wut, die Einsamkeit und die Verzweiflung, die ich seit elf Jahren mühsam verborgen hatte über mich hinwegspühlen.


Es war der letzte Tag unserer Reise und die Zugtickets die in meiner Tasche steckten waren für einen Zug nach Hause in drei Stunden ausgestellt. Ich war gerade dabei aus dem Fenster auf das ruhige Wasser hinauszuschauen als mein Sohn den Kopf zur Tür hineinsteckte und meinte, dass wir bald los müssten. Ich nickte nur.
Zwei Stunden später betrat mein Sohn erneut das Zimmer, dass ich seither nicht verlasen hatte. Den ganzen Tag hatte ich versucht mein Leben in den letzten 13 Jahren zu verstehen. Als ich Mark vor so vielen Jahren kennengelernt hatte, war dies ein
Missverständnis gewesen und doch hatte an diesem Tag etwas angefangen. Weitere Missverständnisse beendeten es schließlich. Doch was auch immer diese Missverständnisse zerstört hatten, wieviele Jahre auch immer vergangen waren, kein Umstand der Welt hatte das Band, dass an diesem Abend als wir uns kennenlernten geknüpft worden war, zerstören können. Die Jahre die vergangen waren, hatten uns verändert, sie hatten alles und doch nichts geändert. Dennoch war ich immer noch eine verheiratete Frau, ich hatte ein Leben, dass ich freiwillig gewählt hatte.
Als mein Sohn mir schließlich sagte, dass wir unseren Zug verpassen würden, drehte ich mich zu ihm um. Und als ich in die tiefblauen Augen des Mannes, der ein klein wenig hinter ihm im Türrahmen stand, eintauchte, sagte ich mit ruhiger klarer Stimme und einem leichten Lächeln auf dem Gesicht:
„Ich weiß.“



































 

Hallo an alle Lesefreunde,

ich freue mich über jeglichen Kommentar zu "Missverständnisse". Die Story, die Personen, die Orte sind Fiktion, die Gefühle der Handelnden sind es nicht!
Sherin Pojar, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.09.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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