Hans Witteborg

Brandgefahr




Es hatte den ganzen Sommer über eine heiße Sonne die Erde erhitzt, kein Regen war gefallen. Somit hatten die Menschen die höchste Stufe für Waldbrandgefahr ausgerufen. Immer und immer wieder wurden Warnungen ausgesprochen und das Krisengerede nahm und nahm kein Ende. Die Gerüchte über eine bevorstehende Katastrophe hatten auch die Waldbewohner erfaßt,
nicht, daß sie lesen konnten oder Radio hörten, nein, ihnen sagten andere Sinne, daß etwas wohl nicht in Ordnung war, weil die Menschen so nervös herum hampelten.
Diese Nervosität hatte sogar die kleinsten Bewohner, die Insekten und Käfer angesteckt, sie duckten sich weg, weil sie erstens nicht gefragt wurden und zweitens sowieso niemand auf sie gehört hätte. Nicht einmal die fleißigen Ameisen, die für das Wohl aller Waldbewohner schufteten und einen immensen Beitrag zum Nutzen der Allgemeinheit ablieferten wurden von
den Tieren höherer Art ins Vertrauen gezogen, ja man war so dreist ihnen die Lüge aufzutischen alles bliebe beim alten und die Wirbeltiere hätten sowieso alles im Griff.
Natürlich stimmte das nicht, denn z. B. waren in einem südlichen Waldzipfel eine Kolonie Wildkaninchen munter am Werke, höhlten die Erde aus und fraßen die zarten Wurzel der Bäume und Pflanzen an, so daß diese abstarben und mit der Zeit pulverstrocken herum lagen, somit eine extreme Gefahr für die Entzündung eines Waldbrandes darstellten. Angebotenen Hilfe aber lehnten sie ab. Stolz oder Verblendung? Wer vermochte dies zu sagen.
Im mittleren Waldabschnitt, der eigentlich nicht in akutester Gefahr befand, weil hier Eichen und Buchen noch gut belaubt standen, hatte man jedoch Bedenken für die Zukunft geäußert und das Parlament der Tiere einberufen.
Das teilte sich in mehrere Fraktionen auf. Der Regierungspartei, die derzeit die Mehrheit vertrat, wurde von der klugen alten Eule geleitet. Die hatte man etwa wegen ihrer Klugheit gewählt, sondern wegen ihrer abwägenden Haltung, was den Anschein der Unentschlossenheit vermittelte. Ihr zur Seite stand ein alter Rabe, der etwas flügellahm war und aus diesem Grunde Zeit hatte, sich um die Finanzen zu kümmern, was bedeutete im Tierreich immer ausreichend Futterplätze zu erkunden. Mit in der Regierung, die aus einer Koalition bestand, war der Chef einer kleinen Partei, der wie seine Partei selbst ein Winzling war: es war ein Zaunkönig, der diese Rolle als Partner nur spielen konnte, weil er sich immer die höchste Fichte des Waldes ausgesucht hatte und von dort aus verkündete er sei der aller Größte. Als weitere Mitglieder der Regierungspartei sah man sanftmütige Rehe, den stolzen Hirsch, den Habicht, der Eule als Berater zugeteilt war und deren Vertrauter war. Es erübrigt sich die anderen Parteimitglieder aufzuzählen, denn sie hielten sich wie immer im Hintergrund und traten selten hervor. Zu erwähnen sei noch, daß Füchse, Waschbären, Tauben und Eichhörnchen der Opposition angehörten und wie in jeder tierischen Parlamentsgemeinschaft gab es Wildsäue, die auf beiden Seiten reichlich vertreten waren aber ihre eigenen Ziele verfolgten und durch Kirrung angefüttert wurden, um nur dort Schaden anzurichten, wo dies von den Mächtigen der Menschheit in deren Sinne zu erledigen war.

Seit einigen Tagen kreiste über dieser Gemeinschaft ein Weißkopfadler, der sich wohl verflogen hatte, dies aber natürlich nicht zugab, erhaben wie er sich stets darstellte. Dafür mischte er sich dauernd in die Beschlüsse der heimischen Tierwelt ein, gab Ratschläge, die keiner hören wollte, denn die Perspektive dieses Vogels war eine gänzlich andere und er liebte es den Tieren Angst zu machen zumal er im Stillen hoffte der Brand würde ausbrechen, damit seine vielen Verwandten, die Geier, sich hinterher an den Resten bedienen könnten.
Soweit die Szene, die sich uns in diesem Abschnitt des Waldes darstellte.
Nördlich und westlich sah die Angelegenheit ähnlich aus. Auch hier fürchteten die Tiere den Ausbruch einer Katastrophe im südlichen Zipfel. Die Regierungen arbeiteten eng zusammen, konferierten jeden Tag und immer kamen neue Ideen auf den Waldboden. Man mahnte die Eule, ihre Führungsqualitäten auszuspielen, tat sie dies jedoch meldeten sich eitle Pfauen aus den anderen Waldteilen und verurteilten dies aufs schärfste. Leidliche Kompromisse kamen zu stande, die aber von allen Parlamenten abgesegnet werden mußten. In der Waldmitte kämpfte man um Mehrheiten, die die Regierungspartei trotz Zustimmung der Opposition erreichen wollte.

Aber es gab Abweichler, die mit dem Kompromiß nicht einverstanden waren.
So betonte der stolze Hirsch immer wieder, er würde seinen Standpunkt nicht ändern und gegen seine eigene Partei stimmen. Man warf ihm Verrat vor, wenngleich er sich von vornherein nicht mit seiner Meinung versteckt hatte, die jedem Abgeordneten auch vom Tiergrundrecht zugestanden wurde.
Der Habicht, wir erinnern uns, Berater der Eule aber vergaß alle Zurückhaltung
und schrie den Hirsch mit schriller Stimme an: „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen und deine Scheiße nicht mehr hören!“ (ich entschuldige mich für die Ausdrucksweise... ich bin nur der Berichterstatter, zürnt mir also nicht)

Ich, der ich dachte, ich könnte euch von Wesen berichten, die klüger und anständiger als die Menschen sind, verließ enttäuscht meinen Beobachtungsposten. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es in den Parteien der Menschen, die unser Volk vertreten sollten, derartige Flachpfeifen gibt, weshalb ich mich wieder der Berichterstattung im harmonischen Berlin zuwende!

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.10.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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