Angelika Vitanza-Lima

Bambina mia

Der Plan war aufgegangen! Ich hatte es also geschafft – na, wer sagt’s denn! Nach einer Pech-strähne, was die Liebe betrifft, hatte ich, wie so viele junge Frauen im gebärfreudigen Alter, mein Augenmerk auf einen geeigneten zukünftigen Familienvater gelenkt. Wer glaubte denn noch an die Liebe – diesen Schmus! Ich hatte mir einen Sizilianer ausgesucht. Die sollten doch schließlich sehr kinderlieb sein, und die Familie ging ihnen über alles. Also, der, den ich in der Disco aufgetrieben hatte, bzw., er mich – ist ja jetzt auch egal - gab sich doch die größte Mühe um meinetwegen, und Humor schien er auch zu haben. Ziemlich früh, nämlich nach nur wenigen Monaten, beschloss ich, dass er der Vater meiner Kinder werden sollte. Ich wünschte mir zu diesem Zeitpunkt vom Leben nämlich nichts weiter als eine „glückliche“ Familie! Nun, es konnte also losgehen! Wenn ich Schaf nur geahnt hätte, auf was ich mich da eingelassen hatte...

Seit Stunden liege ich also nun mit unserem ersten Kind in den Wehen. Ach, wäre es doch nur soweit! Ich kann es kaum mehr erwarten, ein schreiendes Bündel namens „eigenes Fleisch und Blut“ in den Armen zu halten. Außerdem bin ich froh, wenn es endlich aus meinem Bauch verschwindet! Das hält man ja im Kopf nicht aus! Das kleine Ding macht sich ganz schön breit. Von wegen „Italiener sind klein“ – hier muss es sich um einen Brocken handeln. Zu gern wüsste ich mal, weshalb ich überhaupt einen Geburtsvorbereitungskurs besucht habe. Da kann man atmen wie man will, die verfluchten Schmerzen bleiben einfach! Und mein Mann, dieser Held, verlässt andauernd den Kreißsaal, weil er seinen Lungen mal eben eine Dröhnung verpassen muss! Jedesmal, wenn er mir hilfsbereit seine Hände entgegenstreckt, würgt es mich, so sehr stinken sie nach Nikotin. Pfui Deibel! Ich hab’ mir die Geburt meines ersten Kindes wahrhaftig anders vorgestellt. Wär’ dieses unheimliche Wesen, vor dem ich allmählich Angst bekomme, doch schon draußen! So viele Stunden mit diesen verdammten Wehen! Irgendwie habe ich jetzt gar keine Lust mehr aufs Kinderkriegen. Das soll etwa schön sein? „Herr Doktor, tun sie was, holen Sie das Kind – oder ich will es nicht mehr!“ Mitleidig beugt sich der Herrgott in Weiß über mich und meint: „Geduld, Geduld, beim ersten Mal dauert es eben!“ Typisch Mann, im Sprücheklopfen sind sie gut!

Mittlerweile ist mehr als ein halber Tag um, und ich liege immer noch mit diesem Ballon von Bauch im Bett. Meine Güte, und mein Haar ist inzwischen auch fettig! Ich muss ja aussehen! Dabei wollte ich beim Eintritt unseres ersten Sprösslings in dieses Leben die hübscheste Mut-ter der Welt sein. Ach, was soll’s, ist mir jetzt auch wurscht! Nebenan liegt eine Frau in den Presswehen. Meine Güte, wie sich das anhört! Ich frage mich, ob da gerade ein Schwein geschlachtet wird. Dieses Quieken und Grunzen – hört sich nicht gerade nach menschlichen Tönen an. Ich versuche, im Stehen einer Wehe entgegenzuwirken. Mein heißblütiger Sizilianer hat wohl kalte Füße bekommen. Er hat das Weite gesucht. Schöne Bescherung! Und mir zittern die Knie bei den tierischen Lauten aus dem Nebenraum. Am liebsten würde ich auch abhauen, dem Feigling hinterher! Auweia! Tut das weh! Wie soll man da tief eiiin- und auuusatmen! Am liebsten würde ich das Kissen zerbeißen. Mensch, Mutter nebenan, hör doch mit dem Gestöhne auf! Jetzt klingt es aber auch wirklich, als ob man sie ermorden würde. Wo bleibt denn nur der Erzeuger meiner Brut? Ich bin so was von wütend!

Na so was, die mörderischen Laute von nebenan sind plötzlich verstummt. Oh, was höre ich da? Ein dünnes krächzendes Babystimmchen. Wie süß! Und plötzlich kann die tierische Frau von nebenan lachen. Ach, wie ich sie beneide! Und ich häng hier und krall mich am Laken fest. Gottseidank, da kommt ja der „ideale“ Vater! Kreidebleich ist er und fragt ängstlich, ob nebenan alles klar ist. „Jou, kannst dich wieder hinhocken und mir deine „helfende“ Hand reichen!“ Schon wieder packt mich so eine verdammte Schmerzwelle, jetzt habe ich aber kaum noch Luft. Läge ich nicht barfuß im Bett, so würde es mir jetzt die Schuhe ausziehen. Endlich, der Herrgott in Weiß lässt sich auch noch einmal blicken! Und die Hebamme, die auch noch zu allem Überfluss Frau Storch heißt, schüttelt nach Begutachtung meines Innenlebens wieder einmal bedauernswert ihr Haupt. Ich könnt’ sie! „Ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr – hääälft mir!“ War ich das, die da so geschrieen hat? Das hörte sich doch gerade so an wie die Frau von nebenan. Ein Blick meines Mannes, der äußerste Peinlichkeit ausdrückt, bestätigt mir meine Vermutung. Gott, jetzt quieke ich auch schon wie ein Schwein, das abgestochen wird! Aber was soll’s! Ich habe soeben festgestellt, dass ich in dem Moment, wo ich sozusagen die Sau rauslasse, den Schmerz nicht aushalten muss. Ich brülle ihn mir einfach aus dem Leib. Ist ja auch nicht gerade nett von diesem Kind, mich so hängen zu las-sen.

Endlich – es geschieht etwas! Der weiße Riese entschließt sich zu einer Saugglockengeburt. Ist mir alles egal – bloß raus damit! Und jetzt darf ich pressen, was das Zeug hält! Und wie ich presse! Mein Göttergatte übrigens auch! Ich bin gerade bei der ungefähr sechsten Presswehe, trotzdem bekomme ich deutlich mit, wie der übereifrige Möchtegernvater neben mir mitpresst. Na, wenn der so weiter macht, sehe ich Schwarz für seine Hose. Das fehlte mir gerade noch! Jesses, ich muss trotz meiner Höllenqual lachen, was die letzte Presswehe zunichte macht, aber was soll’s! Jetzt kommt es mir auf eine mehr oder weniger auch nicht mehr an. Einen werdenden Vater erlebt man ja schließlich auch nicht alle Tage. Herrgott – bewahre! Weiter geht’s – Frau Storch ist ganz schön emsig. Sie will bestimmt gleich Feier-abend machen. „Tiiief einatmen – und eiiins, zweiii, dreiii, vier, fünf, sechs, siiieben – pres-sen, pressen, pressen....!“ Ich sehe nur noch Sternchen, aber nichts geht mehr! Ein matschen-des Geräusch und ich spüre, wie sie mein Kind ins Leben hinaussaugen. Armes Würmchen, tut mir leid, aber ehrlich gesagt, ich hab’ dich lieber draußen als drinnen....

War das eine Schwergeburt! Ich kann’s nicht fassen! Vor mir liegt ein blutverschmiertes ordentliches Bündel Mensch und schaut mich aus riesigen blauen Augen an. Meine Güte, das soll in meinem Bauch gewesen sein? Der frischgebackene Herr Papa steht neben mir und weiß nicht, ob er lachen oder weinen soll. Vorsichtshalber tut er mal beides. Damit kann er ja nichts falsch machen. Nee, nee, nee, ist das komisch, ein Kind zu kriegen! Ich bin doch jetzt tatsächlich Mutter einer prächtigen Tochter! Was für ein Gefühl! Ich habe ein Mädchen geboren – ach, ich könnt’ jetzt glatt noch eins kriegen... oder auch nicht!


© Angelika Vitanza-Lima – 2001-11-02

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