Diethelm Reiner Kaminski

Nationaler Rettungsschirm

 
 
 
„Muten wir der Bevölkerung nicht allmählich etwas zu viel zu? Lohnstopp, Steuererhöhungen, immer mehr kommunale Abgaben, trübe Wirtschaftsprognosen … Die Bürger müssen ja den Eindruck gewinnen, dass sie für alle finanziellen Katastrophen, die Banken, Konzerne und nicht zuletzt die Regierung ihnen eingebrockt haben, den Kopf hinhalten müssen. Die Stimmung im Volk ist gereizt. Wenn sich nicht rasch etwas ändert, gehen uns die Leute auf die Barrikaden. Daran, dass sie uns wiederwählen, ist nach den gegenwärtigen Umfragen nicht im Traum zu denken. Höchste Zeit, dass wir gegensteuern. Wenn es nicht schon zu spät ist“, sprach die Präsidentin zu ihrem Finanzminister.

„Da mögen Sie nicht ganz unrecht haben: Die Frage ist nur, wie wir das Wohlwollen der Bürger zurückgewinnen. Steuergeschenke, das sage ich gleich, sind absolut nicht drin.“

„Wir müssen ja auch nicht gleich Löhne und Gehälter anheben und Steuern senken, es würde reichen, wenn wir einen Weg fänden, die allgemeine Stimmung anzuheben. Ohne dass zusätzliche Kosten entstehen natürlich.“

„Um die Leute fröhlicher zu stimmen, müssten Sie wohl erst noch einen Zauberkurs oder zumindest einen Rhetorikkurs belegen“, sagte der Minister.

„Das will ich nicht gehört haben“, knurrte die Präsidentin. „Außerdem war meine Natürlichkeit schon immer meine größte Stärke. Ich habe nicht an verbale Aufmöbelungen gedacht …“

„Sondern?“

„An eine Art Happy Hour für das Volk.“

„Wollen Sie es unter Alkohol setzen?“, horchte der Finanzminister auf, der sich insgeheim satte Steuereinnahmen durch erhöhten Alkoholkonsum versprach.

„Kein Alkohol. Hasch. Wir führen eine Hasch-Hour ein. Ich denke gerne an meine Studentenzeit zurück, in der ein Joint zu unserem täglichen Wohlbefinden beitrug. Und mir die schönsten Ideen eingab“, schwelgte die Präsidentin in Jugenderinnerungen.

„Zum Beispiel eines Tages Präsidentin zu werden?“

„Sie sagen es. Sie sagen es.“

„Nicht dass Ihre Klientel auf ähnliche Gedanken kommt. Das wäre ja alles potenzielle Konkurrenten. Aber im Ernst. Wie wollen Sie es bewerkstelligen, Millionen Bürger regelmäßig mit Hasch zu versorgen? Ganz zu schweigen von den rechtlichen Problemen.“

„Der erste Schritt wäre, den Konsum von Hasch und Marihuana zu legalisieren. Der zweite, genügend Flächen für den Anbau der Pflanzen bereitzustellen, ich denke da an ungenutzte militärische Übungsplätze, Naturschutzparks, Bahnböschungen sowie infolge der zahllosen Insolvenzen stillgelegte Fabriken. Ich bin sicher, dass da mehr als genug zusammenkommt.“

„Und wer soll diese gigantischen Mengen anbauen und ernten?“, wandte der Finanzminister ein.

„Wir schaffen neue Arbeitsplätze. Statt kostspieliger staatlicher Sozialleistungen Niedriglohnjobs mit kostenloser Glücksgarantie.“
„Und wie kommt der Stoff zu den Menschen?“

„Da mache ich mir keinen Kopf. Vor allem über unsere bewährten sozialen und kirchlichen Hilfsdienste, dann natürlich Arztpraxen, Krankenhäuser, Tankstellen, Kioske ... Bei der Schweine- und Vogelgrippe haben wir schließlich auch in kürzester Zeit eine landesweite Verteilung des Impfstoffes geschafft. Abholen müssen die Leut´ ihr Glück allerdings schon selbst, ins Haus tragen wir es ihnen nicht.“

„Aber werden die Kirchen nicht moralische Bedenken anmelden …?“, zweifelte der Finanzminister.

„Beim Wort „Hasch-Hour“ vielleicht, aber nicht, wenn wir unseren internen Rettungsschirm „Hush-Hour“ nennen. Stillschweigen, innere Einkehr, um dem drohenden Burnout entgegen zu wirken. Keine hektische Rush-Hour mehr. Stattdessen Seelenfriede. Dagegen kann selbst die Kirche nichts haben. Wir müssen das nur geschickt angehen und dem Volk schmackhaft machen. Rauchen Sie jetzt einen Joint mit mir? Ich finde, wir haben uns eine kleine Belohnung verdient.“
 
21.10.2011

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