Rüdiger Nazar

wie man es für sich auslegt...

Etliche Wochen...nein Monate...
stand ich mit der deutschen Botschaft in Algier in Kontakt.
Algerien interessierte mich...und besonders ein Vorhaben...das ich mir schon lange in den Kopf gesetzt hatte.
Eine Tour...mit einer Karawane...der Tuareg...durch die Wüste.
Die Botschaft in Algier verstand meine Bitte nicht...briefliche Absagen waren die Folge.
Eines Tages hielt ich es nicht mehr aus...packte meine sieben Sachen...alles was man so für eine Reise braucht...meinen Rucksack mit sämtlichen Utensilien die man so zum Leben und Überleben in der Wildnis braucht.
Als ich in Algier landete...schlug mir eine unbarmherzige Hitze entgegen. Ein geschäftiges Treiben auf dem Flughafen...kunterbuntes Volk aus allen Ländern und Religionen...es war atemberaubend schön.
Die Hauptstadt von Algerien war...man kann es kaum in Worte beschreiben...einfach phantastisch.
Ich zog durch viele Strassen...große von Prunk und Geschäftsleben bevölkerte...und durch kleine...ganz kleine...teilweise Sandwege...wo Armut und Entbehrung herrschte.
Ich hatte schon etwas Geld mit...und kaufte Brot...Ziegenkäse und Oliven. Ein Festschmaus.
Mit den Sprachen hier hatte ich schon einige Probleme...teilweise französisch...Songhai...arabisch...englisch und
tamaschek. Aber mit englisch und ein bischen französisch kam ich hier verhältnismäßig gut über die Runden.
Nach einigem Suchen fand ich hier auch ein sehr preiswertes Fremdenzimmer...wo ich vielleicht einige Tage bleiben wollte. Es war Markttag. Hier bekam man alles was das Herz begehrte...aber wirklich alles.
Es war nun Mittag...die Sonne brannte wie eine übergeschnappte Heizsonne im Badezimmer. Ich mußte mir einen schattigen Platz suchen.  In einer kleinen Seitenstrasse  schnallte ich meinen Rucksack ab...setzte mich an einer Häuserwand einfach auf den Boden....einheimische beäugelten mich.
Es war so furchtbar heiß und der Durst schnürte mir die Kehle zu. Ein junger Mann kam auf mich zu...blieb vor mir stehen und sprach mich auf französisch an. Äh...kannst du vielleicht auch englisch...fragte ich ihn...mein Französisch ist nicht so gut. Ja sagte er...kein Problem...ich spreche auch deutsch wenn es dir lieber ist. Ich war total überrascht. Er wollte wissen...ob ich Tourist bin...oder was ich hier sonst machen würde.
Ich erzählte ihm von meinem Traum...einmal durch die Wüste mit einer Karawane...auch wenn nur für ein paar Tage oder eine Woche oder so. Er lachte laut los. Denkst du...du würdest dieses schaffen. Ich nickte.
Ich bin ein Targi sagte er...und mein Stamm hat  Quartier vor Algier. Targi ist Singular von Tuareg...männlich...soviel wußte ich..und Targia...weiblich. Komm`doch einfach mit...ich stelle dich meinem Vater vor.
Ich war der Ohnmacht vor Freude nahe...und schnürte meinen Rucksack.
Es war ein langer Fussmarsch...Algier ist groß. Gegen späten Nachmittag kamen wir an eine Hüttensiedlung.
Wir sind vom Stamm der Hoggar-Tassili....unsere Sprache ist außer arabisch  hauptsächlich Tamaschek...mein Vater spricht auch französisch. Und woher kannst du so gut deutsch ?...fragte ich. Ich habe in Deutschland studiert...
Rechtswissenschaften....sagte er mit einem Lächeln.
Sein Vater saß vor der Hütte und trank Tee. Als er uns kommen sah...erhob er sich...umarmte seinen Sohn und sah mich an. Ein Gast Vater...sagter dieser...ich habe ihn in der Stadt getroffen...er kommt aus Deutschland.
Der Mann nickte und wies mir einen Platz zum Sitzen.
Einige Targia kamen aus  der Hütte und brachten Tee und Gebäck. So ziemlich alle Anwesenden waren blau gekleidet...ein wunderschönes Indigoblau...das in der Sonne leuchtete.Die Männer trugen schwarze Hosen...der Saum dieser war entweder gelb oder weiß bestickt. Die langen Übergewänder waren auch meistens in blau und hießen...tekatkat. Grundsätzlich trugen alle Männer einen Gesichtsschleier...den Tagelmust oder Eshesh.
Jetzt wußte ich endlich...warum man die Tuareg...das blaue Volk nannte. Blau war die Hauptfarbe für Kleidung und Schmuck.Während wir Tagella aßen...das Brot der Tuareg...hatten wir ein anregendes Gespräch...und auch mein Wunsch und Vorhaben kam zum Thema.
Ich fragte so beiläufig den Sohn...warum denn die Männer diesen Gesichtsschleier tragen würden.
Er lächelte mich an. Damit wir nicht  die Kel Eru durch den Mund oder Nase einatmen...die Geister der Toten.
Ach so sagte ich...so als wäre das gehörte ganz normal und selbstverständlich.
Wir haben hier sehr viele gute...aber auch böse Geister ereiferte er sich weiter...die Kel Essuf...und ich fragte mich insgeheim..ob er...der gebildete von der Uni...dieses wirklich glaubte.
Dann sprach sein Vater in der algerischen Tuaregsprache ...zu seinem Sohn...der für mich alles übersetzte.
Vater sagt...wenn du möchtest...wir ziehen morgen früh los...eine Karawane durch die  Sahara...ein Salztransport...
nach der Wüstenoase Tammanrasset...die im Süden liegt. Ich glaubte das gehörte nicht...und meine Freude blieb dem Clanchef nicht verborgen...er lachte laut los. Hoffentlich hatte er mich nicht veräppelt und meinte es wirklich ernst. Er meinte es so. Der andere Morgen kam...die Kamele wurden bepackt...diese armen Tiere dachte ich...so eine Last. Die Frauen...Targia...blieben im Dorf.
Was sagte der Sohn zu mir...der übrigens  Adl el Sufo hieß ? Wenn du beim Gastgeber drei angebotene Tassen Tee trinkst...stehst du unter dem Schutz der Tuareg. Wieso und warum dieses so war...wußte ich nicht...aber ich trank vor dem Aufbruch schnell drei Tassen Tee...sicher ist sicher.
Der lange Troß zog los...die Karawane schlängelte sich durch den Wüstensand. Warum man Kamele "Wüstenschiffe" nannte...wurde mir erst jetzt so richtig bewußt.  Bei jedem Schritt schaukelten sie so stark hin und her...das man bald Seekrank wurde.
Das Oberhaupt ritt voran...stolz in seinem blauem Umhang...der leicht wehte...er sah majestätisch aus.
Tagsüber war es brütend heiß...so das ab und zu eine Rast eingelegt wurde. Dann legte man sich im Schatten der Kamele etwas zur Ruhe. Gegen Abend wurden dann die mitgebrachten Lederzelte aufgebaut...die hauptsächlich aus Schafs-und Ziegenfelle bestanden. Man merkte das die Hitze beachtlich abnahm...und gegen Mitternach war es so Kalt...das man sich in Felle und Decken hüllen mußte. Was für ein krasser Unterschied.
Tee wurde am Lagerfeuer getrunken...der mit Kardamom oder Nelken  besetzt war. Ein eigenartiger Geschmack an den man sich erst gewöhnen mußte. Mir persönlich war der Tee mit Nelken lieber...er hatte eine leicht betäubende Wirkung im Halse. Nachts war es absolut ruhig...ab und zu schnaufte ein Kamel durch die Nüstern.
Allerlei Kleinlebewesen krochen und schlängelten sich durch den kühlen Wüstensand. Ich schlief vor Erschöpfung so tief...man hätte mich aus dem Zelt tragen können...ohne daß ich erwachte.
Am nächsten Morgen ging es weiter...und so verlief Tag um Tag...Nacht um Nacht...es war einfach schön und spannend....bis ein verhängnisvoller Tag anbrach.
Wir packten unsere Sachen zusammen...das Lager wurde abgebrochen. Ich zog mein Gewand wieder an...und zog es zurecht...fasste an meinen Hosengürtel ...und stutzte... mein Messer war weg. Ich suchte meine Schlafstelle ab...ratlos...hin und her...und das fiel natürlich auf. Was ist fragte  Adl el Sufo...was ist los ? Ich finde mein Messer nicht...mein Wolfsmesser ist weg. Er suchte mit...nichts zu finden. Auch dem Sippenchef blieb unsere Suche nicht unbemerkt. Er  schrie einige Worte ...und sogleich machten sich alle Anwesenden auf die Suche...mir war es absolut peinlich. Als sich ein Targi...der an der Suche beteiligt war...bückte...fiel ihm das Messer...mein Messer aus dem Gewand. Mit weitaufgerissenen Augen stand er da...in der Hoffnung...keiner würde es bemerken.
Aber das Karawanenoberhaupt hatten diesen Vorfall bemerkt.
Wie versteinert stand er da...bevor er in einem Wortschwall explodierte. Einge Anwesenden zogen den Dieb in die Kreismitte...und dieser fiel auf die Knie.
Gott sei Dank...hat man mein Messer gefunden sagte ich...ich hänge nämlich daran. Der Stammesälteste schüttelte den Kopf ...drehte sich um und ging. Nach kurzer Zeit kam er wieder...ein langes...prächtiges Schwert in den Händen...und überreichte es mir.
Oh nein sagte ich...das ist doch nicht nötig...so viel ist das Messer auch wieder nicht wert.
Adl el Sufo sah mich ernst an. Nein...du verstehst nicht. Vater sagt...nein unsere Gesetzt sagt...der Dieb muß bestraft werden....nach der Scharia. Was war denn das ? Scharia ?  Um Himmels Willen...das Gesetzt des Islam. 
Dem Dieb die Hand ab. Ich wurde kreidebleich. Nein...das kann und will ich nicht...Schweiß rann meiner Stirn entlang. Der Chef rief einige scharfe Worte...und der schuldige wurde in die Knie gezwungen...sein rechter Arm an einer Astgabelung angebunden...so das die Hand vorne über hing.
Mir wurde das Schwert in die Hand gedrückt...mit den Worten...der geschädigte führt die Strafe aus..."ein Schlag" und die Tat ist getilgt....so will es das Gesetzt.
Mach' es..sagte Adl el Sufo sehr leise und mahnend...sonst blüht dem Dieb vielleicht noch viel schlimmeres.
Ich stand ratlos da...das Schwert wurde mir immer schwerer...und der Griff schien in meiner Hand zu glühen...meine Gedanken überschlugen sich....dann holte ich weit aus...und schlug zu.
Der Dieb schrie laut auf als das Metall auf seinem Handgelenk klatschte und er riss erschrocken die Augen weit auf.
Erschrocken sah er mich an...Tränen in den Augen...und zitterte am ganzen Körper.
Seine Hand war noch  da.
Langsam...und sehr bedrohlich...kam der  Sippenchef auf mich zu...seine schwarzen Augen durchbohrten mich wie Dolche.
Adl el Sufo übernahm das Wort. Vater sagt...du hast unser Gesetz mißachtet...das ist nicht gut.
Ich rang total überfordert nach Luft und antwortete...Nein...habe ich nicht. Euer Gesetz sagt..."mit einem Schlag" ist seine Schuld getilgt.  Ich gab ihm den Schlag...von Hand abhauen ...war nicht die Rede...oder ?
Während ich das Schwert herabsausen ließ...hatte ich nämlich mein Handgelenkt leicht gedreht...so das die flache Metallklinge auf das Handgelenk des schuldigen krachte. Naja...vielleicht hatte er sein Gelenk jetzt gebrochen...aber er hatte seine Hand noch.
Der Vater von Adl el Sufo sah mich an...und ich meinte ...ein Lächeln um seine Augenwinkel zu entdecken...als er sagte...auf französisch..."Ihr Europäer"ihr verdammten Europäer...ihr seit so schwach und mitfühlend.
Er drehte sich um und schrie...wir ziehen weiter !

                        
                                                                                               Rüdiger Nazar
                                                                                            melvin6@gmx.de
                                                                                             30.October 2011








 

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