Maren stand am Gartenzaun hinter dem Haus und spähte auf den verschneiten Acker.
Sie fror ein wenig in ihrem Pullover. Lange stand sie dort und sah bis zum Waldrand hinüber.
„Maren, was tust du hier ohne Jacke und Mütze?“, fragte ihre Mutter entsetzt.
„Ich will den Weihnachtsmann sehen!“
„Den Weihnachtsmann? Jetzt schon? Der Nikolaus war gerade erst da.“
„Aber es hat geschneit! Der Weihnachtsmann kommt mit seinem Schlitten und holt die Wunschzettel“,
erklärte Maren.
„Das mag sein“, antwortete die Mutter. „Ob er am Tag kommt oder vielleicht bei Mondschein, wenn du schläfst, das weiß man nicht.“
„Ich warte eben jeden Tag“, rief Maren, „ich will ihn sehen und ihm zuwinken!“
„Zieh dich wenigstens warm an, damit du nicht krank wirst und den Weihnachtsmann deswegen verpasst“, mahnte die Mutter.
Maren stand oft am Zaun, solange Schnee lag.
Den Weihnachtsmann sah sie nicht.
Am folgenden Samstag nahm die Mutter Maren mit in die Stadt. Sie gingen in mehrere Geschäfte und dann in das große Kaufhaus. Dort herrschte ein schreckliches Gedränge. Maren klammerte sich an die Hand ihrer Mutter aus Angst, sie im Gewühl zu verlieren.
In der Abteilung, wo es Bücher zu kaufen gab, war das Gedränge noch viel größer. Kinder mit ihren Müttern, Vätern oder Omas strebten dorthin.
Auf einem erhöhten Gestell saß der Weihnachtsmann. Er hielt ein Mikrophon in der Hand und fragte einzelne Kinder nach ihren Namen und ihren Wünschen. Zwischendrin rief er immer wieder „Ho..Ho..Hoooo.“
Maren drängelte näher heran. „Warum sitzt der Weihnachtsmann denn hier, Mama?“
„Es liegt doch kein Schnee mehr, da kann er nicht auf seinem Schlitten fahren“, versuchte die Mutter eine Erklärung. Maren leuchtete das ein.
Sie beobachtete den Weihnachtsmann aus nächster Nähe. Er schien nicht so alt zu sein, wie sie sich ihn vorstellte. Einen dicken weißen Bart hatte er trotzdem und einen roten Mantel mit Kapuze.
Doch, was war das? An einem Ohr löste sich der Bart und stand vom Gesicht ab. Außerdem schwitzte der Weihnachtsmann gewaltig. Ein wenig Farbe lief über sein Gesicht.
Maren zerrte an der Hand der Mutter. „Komm weg, das ist nicht der Weihnachtsmann!“ flüsterte sie vernehmlich.
Einige Leute lachten und sahen sie seltsam an.
Maren und ihre Mutter gingen in die Haushaltsabteilung, Mama brauchte eine große Pfanne. Hier herrschte fast so etwas wie Stille und Leere. Nur undeutlich ließ sich das „Ho..Ho..Hooo“ des falschen Weihnachtsmannes noch vernehmen. Maren war enttäuscht. Wie konnte jemand die Kinder so betrügen!
Sie war froh, als die Mutter ihr vorschlug, sich neben einem Stand mit Kochtöpfen auf einen Hocker zu setzen. Dort konnte sie ausruhen, bis Mama wiederkam. Maren konnte sie so überall entdecken, denn die Borde mit den Töpfen und Pfannen waren nicht hoch.
Maren guckte sich um. Ein Stück weiter saß ein alter Mann auf eben solch einem Hocker und wartete sicherlich wie sie auf jemanden. Sie beobachtete, wie eine Frau lebhaft mit einem Verkäufer redete und auf verschiedene Töpfe zeigte.
Den alten Mann schaute sich Maren genauer an. Er hatte einen dichten grauen Bart und graue Haare. Er trug eine grüne Lodenjacke, auf seinen Knien lag ein brauner Hut.
Der Mann sah nett aus.
Maren starrte ihn lange an.
Dann stand sie auf und ging auf ihn zu.
„Na, meine Kleine, du wartest auch“, sagte der Mann freundlich.
„Bist du der Weihnachtsmann?“, fragte Maren begierig, „der da hinten ist nicht echt, der tut nur so.“
„Hm. Alt genug bin ich immerhin“, lächelte der Mann.
„Und dein Bart ist echt. Er geht nicht am Ohr ab.“
„Ja, mein Bart ist echt“, lachte der Mann und zupfte kräftig daran.
„Lieber Weihnachtsmann, ich wünsche mir so sehr die Puppe mit den langen Haaren und dem blauen Kleid“,
brachte Maren erleichtert ihren Wunsch vor. „Mehr brauch ich nicht.“
Der Mann nickte zustimmend mit dem Kopf.
„Da kommt schon deine Mutter!“
„Tschüss, lieber Weihnachtsmann!“, rief Maren zum Abschied.
Im Bus schmiegte sie sich an die Mutter: „Ich hab den Weihnachtsmann ganz doll lieb.
Mama, bringt er mir, was ich so gerne haben möchte?“
© I. Beddies
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.12.2011.
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