Konrad Folkmann

Jahresrückblick 2011. Ich und eine Gemeinschaft.


Jahresrückblick 2011
Ich und eine Gemeinschaft
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  Um die Jahreswende 2010/2011 war ich beim ZEGG, einer Gemeinschaft in der Mark Brandenburg gewesen. Das war sehr gut für mich, aber gleichzeitig war mir klar, dass ich dort nie gleichberechtigtes Mitglied werden kann, sondern nur ein Gast am Rande. Ich war nämlich im Jahre 2010 ziemlich oft im ZEGG gewesen, und da ist mir das klar geworden. So habe ich mir vorgenommen, dort manchmal Gast zu sein, um auch das Leben in Köln zu bereichern. Ich kann nämlich sehr gut eine lebendige Gemeinschaft beobachten und mich an ihr erfreuen. Aber gleichzeitig war der Wunsch da, als gleichberechtigtes und wertvolles Mitglied in eine Gemeinschaft hineinzuwachsen, aber das ist im ZEGG für mich nicht möglich.

   Der Glaube an Gott und Jesus Christus ist auch sehr wichtig für mich, ich möchte gerne eine gesunde Spiritualität leben. So bin ich jeden Sonntag in die katholische Messe in die Kirche St. Anna in Köln-Ehrenfeld und jeden Monat ins Taize-Gebet in Klettenberg gegangen, und gehe auch heute noch dahin. Für mich ist ein Mittelpunkt in einer Gemeinschaft und meinem Leben wichtig, und das ist für mich der Glaube an Jesus Christus und Gott. Der regelmäßige Gottesdienst als erlebte Mitte ist bedeutend für mich. Diese christliche Spiritualität gibt mir die Kraft, das Leben positiv zu sehen und es zu bewältigen. Aber auch in der katholischen Kirche finde ich nicht die Gemeinschaft, an der ich gleichberechtigt teilhaben kann. Ich kann hier nur das Leben beobachten und die Nähe zu Gott spüren. In der Kirchengemeinde St. Anna sind überwiegend Familien mit Kindern, ich liebe es, deren Lebendigkeit zu erleben, aber ich gehöre dort nicht richtig dazu.

   Mein Leben ist nicht vorstellbar ohne meine Wochenendtouren mit dem Zug durch harmonische Landschaften und zu schönen kleinen Städtchen. Auch Kleinstädte bilden Gemeinschaften mit mehr oder weniger Gästen und Besuchern. Ich liebe idyllische Städtchen mit Bewohnern, die herzlich miteinander umgehen und einer historischen Kulisse. So gefällt es mir etwa in Lennep gut, einer bergischen Altstadt mit schönen Schieferhäusern, herzlichem Umgang der Bewohner auf der Straße und den kleinen Läden, dem Blumenhändler auf dem Kopfsteinpflaster und dem schönen Buchladen. Oder es gefällt mir in Unkel am Rhein gut, einem gemütlichen kleinen Städtchen mit einigen Fachwerkhäusern, einer schönen Rheinpromenade mit Bänken mit Blick aufs Siebengebirge und einem Straßencafe mit lächelnder und herzlicher Bedienung. Zu diesen und einigen anderen Orten bin ich immer wieder gefahren, um das Leben zu beobachten und die Seele baumeln zu lassen. Ich erlebe dort die lebendige kleinstädtische Lebensgemeinschaft und erfreue mich daran. Aber gleichzeitig ist mir klar, dass ich dort nur Beobachter und Gast bin, und nicht zu der Gemeinschaft dazugehöre. Da entsteht natürlich die Sehnsucht, zu einer vertrauten Gemeinschaft dazuzugehören.

   So schaue ich mich an einigen Kontaktstellen um, um persönliche Verbindungen zu knüpfen. So habe ich durch eine Bekannte eine sogenannte Anlaufstelle für Psychiatrieerfahrene gefunden, die sich in Köln-Mülheim befindet. Dort gehe ich so manchen Montag hin, um in einem offenen Treff mit den Menschen zu reden. Oft habe ich mich dort nicht wohlgefühlt, weil sie zu oft über Krankheit und Medikamentenabsetzung reden. Sie sind sehr gegen Psychopharmaka und wollen sie am liebsten gleich absetzen. Ich nehme regelmäßig Psychopharmaka, die mir der Arzt verschreibt. Aber die brauche ich, sie bekommen mir gut, und ich denke ansonsten kaum darüber nach. Ich kann gut mit den Medikamenten leben, und rede ansonsten kaum darüber und denke auch nicht darüber nach. An manchen Montagen war es dort aber sehr schön und gemütlich.

   Aber oft wird man an solchen Stellen weitervermittelt zu Gruppen, die dann doch zu einem passen. So war das auch bei mir, denn ich fand in dieser Anlaufstelle ein Flugblatt über eine kleine Kirchengemeinde in Köln, die zwar aus dem homosexuellen Umfeld kommt, aber als christliche Kirche offen für alle ist. Da mir ja der Glaube an Jesus Christus und Gott wichtig ist, dachte ich, „schau dir das doch mal an“. So bin ich in deren Trödelcafe gegangen, wo es preiswert kalte und warme Getränke und Second-Hand-Bücher gibt. Dies ist der soziale Mittelpunkt der kleinen Gemeinde, ich habe dort einige Menschen getroffen, und mich sehr wohl gefühlt. Dort kommen sowohl Kunden, als auch Mitarbeitende vom Cafe und Gemeindemitglieder und –freunde zusammen. Es kommt zu herzlichen Begegnungen und zu Gesprächen in diesem Cafe und ich kann daran teilhaben und mit einer interessanten Mischung von Menschen reden.

   Es finden dort aber auch Veranstaltungen der Gemeinde statt, so zum Beispiel die sogenannte Echtzeit mit vorheriger Andacht, die mittwochs abends alle zwei Wochen stattfindet. In der Echtzeit wird mit echten Menschen über echte Themen geredet, meist über religiöse Themen und Themen des Glaubens. Angeleitet werden die Gespräche von dem Gemeindeleiter, der sehr nett ist und auch Neue wie mich auf eine unkomplizierte Art dort eingebunden hat. So habe ich gleich das Gefühl gehabt, dort eingebunden und Teil der Gemeinschaft zu sein. Auch die Diskussionen mit den unterschiedlichen Leuten sind sehr interessant, es sind immer ansprechende Themen. So bin ich schließlich regelmäßig dort hingegangen.

   Diese Kirchengemeinde bietet auch sonntägliche Gottesdienste an, und die finden im sogenannten Haifischbecken in einem Filmhaus statt. Der Raum wirkt eher wie eine unterirdische Katakombe, aber die Gottesdienste sind authentisch, lebendig und immer überraschend unterschiedlich. Ich fühle mich von diesen Gottesdiensten sehr angesprochen, sodass ich jetzt jeden Sonntag dorthin gehe. Auch hier spüre ich die authentische und oft herzliche Begegnung der Menschen, sodass ich mich in der Gemeinde zu Hause fühle.

   In letzter Zeit gehe ich nach der Arbeit des Öfteren in das täglich geöffnete Trödelcafe um mit Leuten in und um diese Gemeinde besser in Kontakt zu kommen. Auch zu anderen Veranstaltungen gehe ich ins Trödelcafe. So will ich allmählich immer weiter in diese Gemeinschaft von Menschen hineinwachsen und dort gleichberechtigtes Mitglied zu werden. Ich fühle mich dort so wohl und ich habe das Gefühl, in dieser Gemeinde, die von Gott zusammengehalten wird, eine Heimat gefunden zu haben. Ich lerne dort viel über mich selber und entwickele mich gut in einer menschlichen Weise weiter.

   Ich werde wohl auch weiterhin Wochenendtouren zu idyllischen Orten machen, weil es für mich wichtig ist, die Schönheit intensiv zu erleben. Auch das ZEGG hat weiterhin seinen Reiz für mich. Ich bin gerne Beobachter und lerne dadurch. Aber gleichzeitig wachse ich in die kleine Kirchengemeinde als wertvolles Mitglied hinein und bin da nicht nur Gast, sondern auch gleichberechtigter Teil des Ganzen.


Konrad Folkmann, 08.12.11
 

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