Juergen Bambach

Der Gladiator


Er war auf der Suche nach einem warmen Plätzchen, um sich etwas aufzuwärmen. Letzte Nacht, um die Null Grad, draußen in einer Pappschachtel zu schlafen war nicht gerade angenehm. Da kam doch dieser geschniegelte Typ, im schwarzen Anzug mit teurem Mantel, geradewegs auf ihn zu und fragte, ob er nicht Lust auf ein gepflegtes Frühstück hätte. Eh er sich versah, stand er in dieser feudalen Hotelhalle an einem Bistrotisch und schlang gerade das vierte Brötchen in sich hinein, als der geschniegelte Type wieder zurückkam, diesmal ohne Mantel und Jacket.
„So meine Damen und Herren! Auf, auf bitte folgen sie mir in den kleinen Saal.“
Er war so in sein Frühstück vertieft, dass ihm die kleine Menschenansammlung hinter ihm gar nicht aufgefallen war.
Ehe er sich versah, stand er mit zwei Tussis und zwei Typen in dem Büro des „Geschniegelten“ Dieser sagte, „Wer es schafft, einen von euch vor die Tür zu befördern, ist drin!“ Sleipner dachte nicht lange nach, das Gesetz der Strasse und sein eigener Überlebenswille führten ihn.
Er wusste zwar nicht, was es hieß „Drin“ zu sein, aber nach diesem „üppigen“ Frühstück konnte es nur satt und warm heißen! Eine halbe Drehung um seine eigene Achse brachte ihn direkt vor seinen Nebenmann. Diesem drückte er seine Arme auf die Brust und ließ sich gleichzeitig nach vorne fallen, im Hinfallen, brachte er sein linkes Bein, sozusagen als Stolperstange, hinter die Füße des Anderen. Der junge Mann war völlig überrascht und knallte mit dem Hinterkopf hart auf den Boden. Behende, wie eine Katze, war Sleipner wieder auf den Füßen, packte den jungen Mann am Kragen und schleifte ihn hinter sich herziehend aus der Tür. Der „Geschniegelte“ bekam ein ganz rotes Gesicht und schrie: „Sie sind Drin!“
Sleipner wusste erst gar nicht wie ihm geschah.
Am nächsten Morgen bekam er frische Klamotten, konnte sich rasieren und zog dann in seine neue Bleibe ein. Er schlief mit den anderen fünf Insassen in einem sauberen Raum, es gab sogar eine gemeinsame Küche.
Den „Geschniegelten“ sah er nur noch kurz. Dieser entließ ihn mit den Worten: „Junge, ich hoffe Sie setzten sich gegen die Anderen durch!“
Ja durchsetzen konnte er sich schon immer, aber was nutzte ihm das. Zuerst wurde sein Job auf der Bank wegrationalisiert. Dann ließ sich seine Frau von ihm scheiden, weil sie ein Verhältnis mit seinem Arbeitskollegen angefangen hatte, der von der Bank übernommen worden war. Als er diesen dann krankenhausreif schlug, kam er für ein halbes Jahr in den Kahn, weil er nicht die 30 Tagessätze a 50€ Schmerzensgeld, zu denen ihn der Richter verdonnert hatte, zahlten konnte.
Da er vorbestraft war, fand er in der Zeit der allgemeinen Arbeitslosigkeit, keinen neuen Job mehr und war gezwungen auf der Strasse zu leben.
Der nächste Zwischenfall trug sich am Morgen im gemeinsamen Badezimmer zu. Sleipner saß gerade auf der Toilette als der andere Typ an der Tür pöbelte und etwas von „endlich Fertigwerden“ prabbelte. Sleipner war mit einem Satz an der Türe, riss diese auf, der Andere, schaute ganz verdutzt, als er Sleipner halb nackt vor sich sah. Doch eh er etwas sagen konnte, hob Sleipner sein Knie an und ließ es in die Weichteile des anderen sausen. Das Gesicht des Anderen bekam einen teigigen Ausdruck, er verdrehte die Augen und fiel einfach um. Erst jetzt fiel Sleipner die Kamera auf, die direkt über dem Badezimmerspiegel installiert war. „Mist“, dachte er, „Jetzt haben sie mich erwischt und ich fliege wieder raus!“ Er hatte den Gedanken noch nicht ganz zu Ende gedacht, als die Tür ihrer Behausung aufsprang und der „Geschniegelte“ herein kam, im Schlepptau einen Kameramann und zwei Sanitäter mit einer Bahre, welche sich in das enge Badezimmer drängten und den anderen Typ auf die Bahre legten und wegtrugen.
Der „Geschniegelte“ hielt Sleipner ein Mikro unter die Nase und fragte: „Wie fühlen Sie sich jetzt?“ Sleipner antwortete barsch, „wenn Sie sich nicht schleunigst von hier verziehen, damit ich meine Hosen anziehen kann, stecke ich Ihnen ihr verdammtes Mikro in ihren Arsch!“
Der „Geschniegelte“ wich einen Schritt zurück, drehte sich zur Kamera und sagte: „Meine Damen und Herren, so spricht der Mann von der Strasse – Bravo!“

Von dem Zeitpunkt an begann Sleipner über sein neues Heim nachzudenken. Tatsächlich, überall hingen Kameras, die ihn und seine Kollegen 24 Stunden am Tag beobachteten. Erst dachte er, er sei in einer modernen Besserungsanstalt. Die einzige Tür, eine Art Schleuse wurde immer sorgfältig verschlossen. Dann aber fiel ihm ein, dass seine kleinen „Unbeherrschtheiten“ nicht bestraft wurden, im Gegenteil sie schienen dem „Geschniegelten“ so gar zu gefallen.

Bisher war es selbstverständlich, dass er sich an den täglich anfallenden Arbeiten, wie Essenkochen, waschen usw. beteiligte. Doch dann fing er an, immer wenn er eigentlich dran gewesen wäre mit Spülen, der blonden Tussi einfach zu befehlen, sie solle statt seiner abspülen. Das erste Mal motzte sie rum und knurrte etwas in der Art wie, „Machs dir doch selber du Wichser“ Darauf hin schleifte Sleipner sie an den Haaren ins Schlafzimmer und zeigte ihr, sozusagen vor laufender Kamera, dass er es ernst meinte.
Dieser „Sonderauftritt“ brachte Sleipner abends sogar eine Flasche Jack Daniels ein, die der „Geschniegelte“ ihm eigenhändig überreichte.
Sleipner hatte sich nun eine gewisse Position innerhalb ihrer kleinen Gemeinschaft erkämpft. Die beiden Tussen, wagten es jedenfalls nicht mehr, sich gegen ihn aufzulehnen. Nur der andere Typ, ein stummer, athletisch gebauter Mann, dessen Körper über und über mit Tatoo’s verunstaltet war schaute ihn nur mit argwöhnischen Augen an.
Eines Abends geschah es dann. Sleipner hatte es sich gerade, mit von Whiskey glasigen Augen, auf der einzigen Couch im Raum bequem gemacht, als der Tattoo-Typ ihn ohne Vorwarnung mit einem langen Schraubenzieher angriff. Er bemerkte, mehr instinktiv, dass die schraubenzieherbewerte Hand des Tattoo-Typen in Richtung seiner Brust vorstieß. Es gelang Sleipner gerade noch seine rechte Schulter vor zubringen. Der scharfe Schmerz in seiner Schulter nahm ihm, für einen Moment, fast den Atem. Dann begann das Adrenalin in seinem Körper zu kreisen. Er packte die Hand des anderen, winkelte sie brutal 90 Grad nach unten ab, stieß sein rechtes Bein nach hinten in die Magengrube seines Gegner. Ein kurzer Ruck, an der ohnehin schon gebrochenen Hand, lies den Tattoo-Mann mit einer Riesenrolle neben der Couch, mit schmerzverzerrtem Gesicht, auf den Rücken krachen.
Plötzlich erklang eine Fanfare, die Wände ihres Wohncontainers wurde hochgezogen, der „Geschniegelte“ tauchte in Sleipners Blickfeld auf. Er stand vor einer riesigen Zuschauertribüne. Die Zuschauer waren außer Rand und Band, einen Moment glaubte Sleipner er stünde in einer römischen Kampfarena. Tatsächlich einige der Zuschauer standen auf ihren Plätzen und hatten wie damals die alten Römer ihre Daumen nach unten, zum Zeichen des Tötens des Delinquenten, ausgestreckt.
Der „Geschniegelte“ lief auf Sleipner los, schüttelte ihm überschwänglich die Hand. „Herzlichen Glückwunsch mein Lieber! Sie sind der Sieger in unserer BigBrother Show!“
Leise, so dass es niemand hörten konnte, sagte er zu Sleipner: „Sie werden ab sofort als Cheftrainer in unserer Gladiatorenschule BigBrother eingestellt!“

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.03.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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