Hans Witteborg

Hahn und Hund



Viele Wege führen nach Rom. Die meisten jedoch an dem kleinen Dorf vorbei,
das nicht nur noch im Tiefschlaf sondern auch in unserem schönen Lande liegt.
Die Sonne hatte es sich gerade überlegt aufzugehen und lugt spitzbübisch über die Horizont-Decke. Ihre Strahlen trafen auf den Gockel, der erschrocken erst das eine Auge öffnete um sofort mit dem zweiten zu blinzeln. „Ei verbübsch“ dachte er – er kam wie unschwer zu erraten aus Sachsen- „ich bin heute ein bißchen spät“. Flugs flog er auf den großen Misthaufen, holte tief Luft und begann lauthals zu krähen. Sein Kikerikiii.. war so durchdringend, daß die Kühe im Stall erschreckt aufsprangen, die Pferde vor lauter Unmut schnauften. Der Hofhund Harro aber bellte verärgert den Hahn an: „was machst du alter Mistkratzer für einen Radau, du hast wohl nicht mehr alle Zähne im Kamm!“ „Ich,“ so sagte der Hahn stolz, habe soeben die Sonne herbeigerufen, damit der Tag beginnen kann. Ihr seht, ich bin das wichtigste Geschöpf auf diesem Hof, denn ein Tag, der nicht beginnt, der kann auch nicht enden. Ihr Faulpelze müßtet also ewig arbeiten und hättet keine Pause. Das beeindruckte die Tiere des Bauernhofes und die Hühner, die ihre Stangen verlassen hatten marschierten in Reihe an dem Hahn vorbei wobei sie ihre Ehrfurcht dadurch erwiesen, daß
sie im Vorbeigehen einen ordentlichen Knicks fertig brachten. Der Hahn aber krähte noch ein paar Mal provozierend, denn er war mächtig stolz durch eine so ausgefeilte Argumentation den Mitbewohnern den Wind aus den Segeln genommen zu haben.
Tagsüber passierte nichts Außergewöhnliches mehr, so daß der Mond die Sonne zu Bett schickte und nun seinerseits mit vollem Silberlicht die Bewachung des Dorfes übernahm.
die Bewachung? Gab es da nicht den Kettenhund Harro? Na, und ob! Der stand vor seiner Hütte und heulte gar grauslich in Richtung des Mondes. Das Heulen hätte selbst einem Wolfsrudel alle Ehre gemacht. Anhaltend, durchdringend.
Die Bewohner des Hofes schreckten aus ihrem Schlaf. Empört meldete sich der Hahn und schrie mit heiserer Stimme den Hund an: „was fällt dir ein, du stinkiges Flohfell uns eine derartige Arie vorzusingen, weißt du nicht, daß wir morgen alle ausgeschlafen sein müssen!“
Der Hund aber erwiderte voller Stolz: „ Ich habe soeben den Mond geweckt, damit er uns den Abend sendet, denn du hattest recht, alter Mistkratzer, ohne Beendigung des Tages müssten alle weiter arbeiten... bis zur Erschöpfung. Ich aber, der die Nacht herbei rief ersparte euch dieses elende Schicksal. Alle verneigten sich vor derartiger Weisheit und ließen den Hund fernerhin gewähren.
Einige Zeit verging, da fiel es der Bäuerin ein, eine Hühnersuppe zu kochen. Und da der Hahn nicht weiter nütze schien... du weißt schon.
auch der Hund hatte seine Zähne verloren und jappste nur noch vor sich hin. Da nahm der Bauer sein Gewehr und...na du weißt schon.
Tage und Nächte wechselten sich jedoch weiterhin ab ohne jedes Zutun von Hahn oder Hund.
Das aber beweist, daß man die Anmaßung von Schreihälsen nicht ernst nehmen soll. Ihre Arroganz steht in keinem Verhältnis zu dem Nutzen, den sie bringt. Das Dorf aber könnte auch das Deinige sein!

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.01.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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