Alfred Hermanni

Bekifft in Deutschland- Weder Tag noch Stunde

 

 

von Alfred Hermanni 28.01.2012 Alle Rechte vorbehalten

 

Es war ein ganz normaler Tag in einer ganz normalen deutschen Großstadt. Nichts was auch nur annähernd einen Hinweis auf die Geschehnisse gäbe, die noch folgen sollten.

Heute hatte ich sehr früh Feierabend und wollte die Gelegenheit nutzen, um mir eine neue Nadel für meinen Schallplattenspieler zu kaufen. Ich hatte zwar vor kurzem einen CD- Player günstig erstanden, aber für meine ca. zweitausend Schallplatten brauchte ich nun einmal einen Schallplattenspieler und der benötigt eben auch ab und zu eine neue Nadel. CD- Player gab es erst seit kurzer Zeit im Handel und dementsprechend wenig Tonträger. Teuer waren sie auch noch und auf meine Platten wollte ich ohnehin nicht verzichten. Von vielen der Bands aus meiner Sammlung würde es wahrscheinlich auch keine CD’s geben. Wenn ich manchen meiner Freunde die Namen der Bands nannte, schüttelten sie den Kopf und bekannten sich der Unwissenheit. Wer kannte denn schon Krokodil, Eloy oder Steamhammer...? Alfred fiel mir ein, mein früherer Kumpel Alfred. Mit ihm hab ich diese Musik oft gehört, ich glaube Steamhammer hat ihm immer besonders gut gefallen. Und Genesis. Ja, Alfred, der hat mir schon damals alle möglichen futuristischen Spinnereien erzählt.

Ich erinnere mich noch gut als er mir vor fünf oder sechs Jahren etwas von Laserstrahlen die Schallplatten ablesen erzählt hat, von gelesener Musik und 3-D Fernseher, von Telefon ohne Kabel bis künstlicher Intelligenz und vieles was kommen sollte. Irgendwie war er ein Spinner, aber irgendwie schien er recht zu haben. Kybernetische Räume hat er prophezeit, in denen sich Menschen aufhalten und ihrem Spieltrieb nachkommen. Computer die sich die Weltherrschaft aneignen und fremde Wesen aus dem Weltall, die klammheimlich Geschäfte mir den Amerikanern machen, so ein Blödsinn. Angeblich gäbe es eine Pyramide in einem Krater auf dem Mars, hat er behauptet. Er war halt ein Utopist.

 

Aus der Küche hörte ich den Kessel pfeifen, ich nahm ihn vom Herd und setzte mir einen Tee auf, den ich genüsslich trank.

Anschließend genehmigte ich mir einen kleinen Joint, zog mir die Jacke an, überprüfte meine Geldbörse und machte mich auf den Weg in die Stadt.

Der Weg zur Haltestelle nahm kein Ende und als ich endlich ankam war die Straßenbahn schon weg. Also musste ich fast zwanzig Minuten warten und angetörnt wie ich war, nahm die Zeit kein Ende. Gefühlte zwei Stunden später kam endlich die Bahn und nach weiteren gefühlten zwei Stunden war ich endlich in der Stadtmitte.

 

Zum Laden waren es nur noch ein paar Minuten Fußweg, als ich eine kleine Menschentraube vor einem Hochhaus stehen sah.

Sie schauten alle nach oben, ich gesellte mich zu ihnen und blickte hinauf.

Zuerst sah ich nichts, aber dann hörte ich einen Hund winseln. Das war kein Winseln, das war ein Jaulen und kam aus den oberen Etagen.

Ein Passant neben mir stieß einen kurzen, aber lauten Pfiff aus und der Hund blickte über die Balkonbrüstung zu uns hinunter.

Es war die fünfte Etage in der er sich befand und nun lautstark bellte.

Er hatte die Pfoten auf dem Geländer und rannte nun seitwärts hin und her.

Sein Bellen wurde heiser und er fing nun an fast wie ein Wolf zu heulen.

Mit einem Sprung landete er auf einem Tisch der auf dem Balkon stand und jaulte gen Himmel.

Jetzt konnte ich erkennen, das es ein kräftig aussehender Hund war. Ich war mir nicht sicher, aber ich glaubte es sei ein Boxer.

Mittlerweile hatten sich ein paar Passanten mehr eingefunden, so dass einige sogar schon auf der Straße standen..

Der Typ neben mir stieß wieder einen schrillen Pfiff aus und der Hund verstummte.

Wieder ein Pfiff und ich traute meinen Augen nicht.

Der Hund sprang.

 

Das gibt’s doch nicht, war mein erster Gedanke als der Hund auf mich zustürzte.

Vor Schreck wie gelähmt stand ich dort wie versteinert, völlig stoned und sah einen fliegenden Hund. Es war tatsächlich ein Boxer. Einen Sekundenbruchteil später nötigte mich mein Fluchtreflex endlich zu einer Bewegung. Aber da war der Hund schon da und prallte einer jungen Frau direkt neben mir auf den Kopf. Mit einem hässlichen Knirschen brach ein Knochen. Es war wohl das Genick der jungen Frau, die schon tot war bevor sie auf dem Gehweg fiel. In Panik stob die Gruppe auseinander, einige liefen sogar auf die Straße.

Da hab ich aber noch mal Glück gehabt, dachte ich. Aber es war noch nicht vorbei. Das grässliche Quietschen von blockierenden Autoreifen und das Geräusch eines schweren Aufpralls folgten. Übertönten all das entsetzliche Geschrei und Gekreische das kurz vorher noch meine Gehörgänge belästigte.

Ich drehte mich um und sah, dass es zwei Männer waren die von einem Auto erfasst wurden und nun reglos auf dem Boden lagen. Es war einfach schrecklich, ich fühlte mich wie in einem falschen Film. Ich wollte doch nur zum Plattenladen und mir eine Nadel kaufen und nun dieses Horrorszenario.

Und es hörte nicht auf. Ein älterer Herr, der wie ich all das mitbekam, regte sich so sehr darüber auf, dass er Atemnot bekam, sich an die Brust griff und plötzlich zusammenbrach. Herzinfarkt. Mit starren Augen blickte er nach oben und rührte sich nicht.

Niemand rührte sich mehr. Wir standen alle wie erstarrt und blickten auf vier reglose Gestalten. Alle tot, nur der Hund nicht, der lebte noch.

Ich hatte all das noch gar nicht richtig realisiert, als eine ältere Frau neben mir nur einen Satz sagte: „Darum wache, denn du weißt weder Tag noch Stunde.“

 

Ende

 

Liebe Leser, man könnte meinen ich hätte mir diese Geschichte völlig aus den Fingern gesogen, habe ich aber nicht!

Es war Ende der siebziger oder Anfang der achtziger Jahre als ich in einem Artikel in der Westfälischen Rundschau über einen solchen Vorfall las. In Buenos Aires passierte ein solches Unglück. Auslöser war ein Hund der auf einem Balkon bellte, den Rest konntet ihr gerade in nur leicht veränderter Form lesen.

 

 


 

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