Konrad Johann

Die Rumpelstilzchenlüge

 


 


 

Die Rumpelstilzchenlüge


 

Es ist bekannt, daß Märchen frei erfundene Geschichten sind. Ausgedacht,hauptsächlich für Kinder, Träumer und leichtgläubige Menschen. Doch einige, wenige dieser Märchen sind wahre Begebenheiten, manchmal ein klein wenig verändert oder etwas dazu gesponnen. Sie verdanken ihre Entstehung mündlichen Überlieferungen und so ist es nicht verwunderlich, daß sie hin und wieder von der ursprünglichen Erzählung abweichen. Manchmal aber sind sie dermaßen verfälscht wiedergegeben, daß man um ein verständnisloses Kopfschütteln nicht herum kommt.

Mir ist aufgefallen,daß das Märchen Rumpelstilzchen etliche Ungereimtheiten aufweist und so habe ich mich dazu entschlossen, mich näher mit der Problematik zu befassen. Dazu waren zahlreiche Recherchen und Nachforschungen nötig, die sich aber schließlich als nützlich erwiesen und so konnte ich , wenn ich das mit aller Bescheidenheit sagen darf, etwas Licht in das Dunkel des sogenannten Rumpelstilzchenmärchens bringen. Aber der Reihe nach.

Hier erst einmal eine Kurzfassung dieses Märchens, wie wir es von den Brüdern Grimm her kennen.

Ein armer Müller prahlt vor dem König damit, daß seine Tochter aus Stroh Gold spinnen könne, mit der Absicht, sie an den König zu verheiraten. Daraufhin sperrt der König sie in eine Kammer voller Stroh ein. Das arme Mädchen sitzt weinend vor dem Spinnrad und ist verzweifelt. Plötzlich taucht ein kleines Männchen auf und sagt, er könne ihr helfen. Dafür möchte er aber die Kette von ihr haben.Sie willigt ein und aus dem Stroh wird Gold.In der Nacht da drauf das gleiche Schauspiel, aber diesmal muß sie ihren Ring hergeben. Der gierige König verspricht der Müllerstochter, sie zur Frau zu nehmen, wenn sie ein drittes Mal Stroh zu Gold spinnen würde. Wieder erscheint geheimnisvolle Zwerg und bietet seine Hilfe an, doch nun soll der Lohn der erstgeborene Kind der Müllerstochter sein. In ihrer Not willigt sie abermals ein und wird die Frau des Königs. Dann, als das erste Kind geboren wird, erscheint das Männchen, um das versprochene Baby zu holen. Die Mutter bricht in Tränen aus und will ihr Kind nicht hergeben. Daraufhin gibt das Männchen der Königin drei Tage Zeit, seinen Namen zu erraten. Wenn ihr das gelänge, dürfe sie ihr Kind behalten, wenn nicht, gehöre das Kind ihm. Am ersten und zweiten Tag nennt die Königin alle erdenklichen Namen, doch der richtige ist nicht dabei. Am dritten Tag erfährt sie von ihrem Boten, er habe ein kleines Männchen gesehen, das um ein Feuer hüpfte und dabei sang :

Heute back ich, morgen brau ich,

übermorgen hole ich der Königin ihr Kind .

Oh wie gut,daß niemand weiß,

daß ich Rumpelstilzchen heiß!“


 

Als dann der Zwerg erscheint, um das Kind zu holen, nennt sie ihn beim Namen, nämlich : Rumpelstilzchen. Daraufhin reißt sich das Männchen vor Wut in Stücke.

Soweit das Märchen,- wie gesagt, das M ä r c h e n.

Bei meinen Ermittlungen habe ich allerdings etwas ganz anderes herausgefunden. Um der Wahrheit gerecht zu werden, habe ich keine Kosten und Mühen gescheut um endlich Klarheit zu bringen und um ein für allemal die Rumpelstilzchenlüge aus der Welt zu schaffen. Ich hoffe, daß man es verstehen wird,wenn ich nicht alle Quellen preisgeben werde, durch die ich einen Einblick erhielt in geheime Aufzeichnungen, Schriftstücken und anderen authentischem Beweismaterial. Hin und wieder mußten ein paar Gastgeschenke, manchmal auch ein paar Euros mithelfen.

Und hier nun wie es wirklich war.

Im Jahre 1752 heiratete der Adelige Fürst, Nikolaus Freiherr von Rumpelstilzchen, die Näherin Anna Kolberg. Der Freiherr war äußerst vermögend und besaß außer einer riesigen Villa, große Ländereien, eine nicht unerhebliche Anzahl edler Vollblutpferde und was es sonst noch so gab an wertvollem Besitz. Anna, seine Frau, kam aus ärmlichen Verhältnissen. Ihre Armut glich sie allerdings durch eine außergewöhnliche Schönheit und durch ein mitleidsvolles, barmherziges Wesen wieder aus. Letzteres sehr zum Ärger ihres Mannes. Dieser glänzte nur durch äußeren Reichtum, sein Herz war kalt wie Stein. Ein Jahr nach der Hochzeit bekam seine Gemahlin Zwillinge.

Man gewährte mir einen Blick in das Kirchenbuch von damals. Dort fand ich folgenden Eintrag:

Es thut erscheinen heutigen Datums der hochwohlgeborene Freiherre Nikolaus von Rumpelstilzchen mit seinem Weibe, was war ihm anvertraudt, welche vormals hat geheißt, Anna Kolberg. Um daselbst mit heiliger Thaufe zu versehen zwei Knäbelein, welche von jetzo an sollen mit Namen genennt werden: Nikolaus undt Bastian.“


 

Die Brüder Nikolaus und Bastian wuchsen gemeinsam auf dem Gut ihres Vaters auf .Schon bald überragte Nikolaus seine Bruder um ein beachtliches Maß. Auch charakterlich konnten sie unterschiedlicher nicht sein. Wärend der Größere rauh, unbeherrscht und von erschreckender Gefühlskälte war, konnte der kleine Bastian keiner Fliege etwas zu leide tun. Schon mit sechzehn Jahren nahm er sich der Armen und Unterdrückten an. Zum Leidwesen seines Vaters verteilte er so oft es ging Lebensmittel und warme Kleidung an notleidende Menschen. So wurde er ziemlich schnell zum Liebling der Massen. Es gab jedoch schon zur damaligen Zeit, Neider und niederträchtige, arglistige Menschen, denen seine Beliebtheit bei der Bevölkerung ein Dorn im Auge war. Sie machten ihm das Leben mit vielerlei Schikanen und Verleumdungen schwer, erzählten Lügengeschichten und begannen ihn regelrecht zu terrorisieren. Da ihm von seinem Vater, dem Freiherrn, keine Hilfe zuteil wurde, weil dessen ganze Zuneigung seinem Sohn Nikolaus galt und auch seine Mutter aufgrund der Dominanz ihres Mannes ihrem Sohn Bastian nicht beistehen konnte, verließ dieser, kaum zwanzig Jahre alt, sein Elternhaus, um frei zu sein und um das zu tun was er für richtig hielt.Er legte seinen Adelstitel ab und nannte sich fortan nur noch Bastian Rumpelstilzchen. Leider bereitete ihm seine Wachstumsstörung dann doch große Schwierigkeiten. Hatte er zuerst geglaubt mit zunehmenden Alter würde er zur normalen Größe heranwachsen, so stellte sich diese Hoffnung als ein Wunschdenken heraus. So maß er gerade mal 100 cm. Aufgrund dessen begegnete man ihn mit Mißtrauen und Argwohn. Wieder andere ließen keine Gelegenheit aus, sich über ihn lustig zu machen. Dazu kam ihnen der Name „ Rumpelstilzchen“ gerade recht. Daß er von adeliger Herkunft war, interessierte sie nicht oder es war ihnen unbekannt. Auch wenn das Hexenzeitalter schon so gut wie vorbei war, so gab es dennoch nicht wenige, die an diesen Hokuspokus glaubten und war jemand irgendwie anders geraten, sei es auch nur äußerlich, wurde er sofort verdächtigt, schwarze Magie zu praktizieren.

Inzwischen lebte Bastian in einer einfachen Hütte im Wald, die ihm ein Holzfäller zur Verfügung gestellt hatte. Einige waren überzeugt, er hätte das „ zweite Gesicht“, und er könne Dinge voraussagen, bevor sie geschahen. Tatsächlich stieß ich bei meinen Nachforschungen auf einige, unerklärliche Begebenheiten, die im Zusammenhang mit Bastian standen. So tauchte zum Beispiel ein kleines Mädchen nach drei Tagen unversehrt wieder auf, nachdem es sich im Wald verirrt hatte. Es berichtete davon, daß ein kleines Männchen, welches um sich herum einen hellen Schein verbreitete, obwohl es finstere Nacht war, sie aus dem Wald herausgeführt hätte, um sich dann plötzlich vor ihren Augen ins Nichts aufzulösen. Eine Pilzesammlerin behauptete, auf einer Lichtung hätte sie ein zwergenähnliches Wesen beobachtet, wie es gemeinsam mit den Vögeln sang, mit einer so wundervollen Stimme, wie sie sie noch nie vorher gehört hätte. Was wirklich geschah, läßt sich nach so langer Zeit nicht mehr nachprüfen und so wird es geheimnisvoll bleiben.

Meine Suche nach der Rumpelstilzchenwahrheit schien hier zu enden. Nachdem ich alle in Frage kommenden Archive und Aufzeichnungen in mehreren Orten durchgestöbert hatte und keine neuen Erkenntnisse sammeln konnte,spielte ich mit dem Gedanken, mein Vorhaben aufzugeben und die Geschichte auf sich beruhen zu lassen. Aber wenn man sich in etwas verbissen hatt, muß man hartnäckig sein und manchmal findet man dann einen Verbündeten. Bei mir hieß er Z u f a l l.

Eines Nachmittags bekam ich einen Anruf.

Sie sind doch der Schriftsteller, der sich mit dem Märchen Rumpelstilzchen beschäftigt. Ich glaube, ich hätte da etwas für Sie, das Sie interessieren wird.“

Wer sind Sie und woher wissen Sie das?“ fragte ich zurück.

Mein Name tut nichts zur Sache,“ erwiderte der unbekannte Anrufer, „ schreiben Sie sich die Adresse, die ich Ihnen jetzt nenne auf und begeben sie sich dort hin.“

Ich notierte mir die Stadt, Straße und Hausnummer und bevor ich weitere Fragen stellen konnte, hatte der Fremde aufgelegt.

Einen Tag später stand ich vor einem reetgedeckten Strohdachhaus in einem kleinen Ort in Norddeutschland. Das Namensschild an der Tür war alt, die Buchstaben verblaßt und schwer zu entziffern, doch glaubte ich E.v Rumpe erkennen zu können. Alles weitere war unleserlich. Eine Klingel gab es nicht und so klopfte ich, erst einmal zaghaft, an die Tür. Erst nach mehrmaligem Klopfen hatte ich Erfolg. Die Tür wurde einen Spalt breit geöffnet, von innen mit einer Kette gesichert.

Was wünschen Sie,?“ fragte jemand, zweifellos eine ältere Dame, wie ich unschwer am Tonfall und der Lautstärke erkennen konnte.

Ich hätte Sie gerne einmal gesprochen,“ erwiderte ich.

In welcher Angelegenheit?“ kam es von innen zurück.

Das ist nicht so einfach zu erklären, wollen Sie mich nicht hereinlassen?“

Nein, lassen Sie mich in Ruhe, vermutlich sind Sie ein Vertreter und wollen mir etwas andrehen, was ich sowieso nicht gebrauchen kann. Auf Wiedersehen!“

Schon schloß sich die Tür langsam wieder. In letzter Sekunde hatte ich die rettende Idee, oder besser gesagt, ich hoffte daß sie es wäre.

Bastian Rumpelstilzchen!“ rief ich, bevor die Tür endgültig ins Schloß fiel.

Erst einmal passierte gar nichts, dann, nach einer Weile verriet mir ein klirrendes Metallgeräuch, daß die Kette entriegelt wurde. Ich hatte es geschafft. Die Tür ging auf und die Frau, welche ich schon vorher als ältere Dame identifiziert hatte,bat mich herein.Sie musterte mich kurz und forderte mich dann auf, ihr ins Wohnzimmer zu folgen.Nun saß ich einer Frau von etwa 90 bis 95 Jahren gegenüber, die jedoch keinesfalls einen gebrechlichen Eindruck machte, im Gegenteil, sie hatte lebhafte Augen und für ihr Alter eine überraschend glatte Haut.Sie reichte mir die Hand,

Ich bin Elisabeth von Rumpelstilzchen und wer sind Sie?“ Ohne Umschweife teilte ich ihr mit, daß ich Schriftsteller wäre und der Anlaß meines Besuches bei ihr sei,das Rätsel zu lösen was sich um die Person Rumpelstilzchen rangt und das Geheimnis seiner wahren Identität aufzuklären. Die alte Frau schien darüber erfreut zu sein, denn wie ließe sich sonst ihr leichtes Lächeln erklären. Doch dann wurde sie wieder todernst und ich glaubte ein unüberhörbares Mißtrauen ihren Worten zu entnehmen.

Sind Sie sind etwa einer von diesen Schreiberlingen, die aus dem Märchen Rumpelstilzchen Kapital schlagen wollen? Dann verlassen Sie sofort mein Haus!“

Ich teilte ihr kurz und knapp mit, was ich bisher herausgefunden hatte und schwor ihr, daß ich sie wirklich nur mit ehrlichen Absichten aufgesucht hätte, weil den Brüdern Grimm bei ihrer Geschichte ein Fehler unterlaufen sei, den ich beabsichtige zu korrigieren.

Wollen Sie wirklich die g a n z e Wahrheit wissen?“ Der lauernde Unterton in ihrer Frage war nicht zu überhören.

Natürlich,“ beeilte ich mich zu sagen, „ Liebe Frau Rumpelstilzchen, warum hätte ich Sie sonst wohl aufgesucht?“

Sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück und schien mich nicht mehr wahr zu nehmen.

Dann begann sie zu erzählen:

Einer meiner Ur-Ahnen war Nikolaus von Rumpelstilzchen. Bastian war sein Bruder. Alles was damals geschah, wurde von Mund zu Mund weitergegeben, von Generation zu Generation, bis in die heutige Zeit und Sie, mein junger Freund sind der erste Mensch, welcher nicht zu den Rumpelstilzchens gehört, um einer unwissenden, falsch informierten Menschheit zu erzählen, wie es wirklich war, damit unser Name, verunglimpft durch dieses entstellte Märchen, wieder reingewaschen wird.

Wie Sie wissen,verzichtete Bastian auf seinen Adelstitel und nannte sich nur noch Bastian Rumpelstilzchen,ohne „von“. Eine Tagesreise entfernt von seiner Hütte im Wald, überragte eine Burg das Land, weithin sichtbar wegen ihrer hohen Wehrmauern und Beobachtungstürmen. Der Burgherr, ein stattlicher Mannn von 35 Jahren war immer noch Junggeselle. Vom Stande her ein Herzog, mit großem Einfluß auf die Geschicke des Landes und mit ebensoviel Mitspracherecht im Bereich politischer Entscheidungen. Der Burgherr suchte seit langem eine Gemahlin. Da er sehr eitel war, sollte sie in erster Linie von äußerer Schönheit sein. Die Tochter eines Müllers von großer Anmut und sehr schön anzusehen, sah darin die Chance ihres Lebens und erschlich sich, mit gechickter, weiblicher Rafinesse, die Gunst des Herzogs.

Es dauerte nicht lange und die beiden wurden ein Paar und heirateten. Wenn sie auch in den meisten Dingen einer Meinung waren, so unterschieden sie sich doch in einer wichtigen Angelegenheit grundlegend: Er wollte möglichst viele Kinder haben. Sie wiederum konnte Kinder absolut nicht ausstehen. Die Natur jedoch schreibt ihre eigenen Gesetze und so kam es, daß die Burgherrin, ob sie wollte oder nicht, schon bald die Mutter eines Mädchens wurde. Dem Baby wurde alles andere als aufrichtige Mutterliebe zu Teil. Im Gegenteil, sie haßte ihr Kind über alle Maßen, und verwünschte den Tag seiner Geburt. Bastian, dem geheime Dinge durch seine unerklärliche Fähigkeit offenbar waren, erfuhr davon. Er gelangte unbemerkt in die Gemächer der herzlosen Mutter und überredete sie, ihm ihr Kind zu überlassen.

Sie willigte sofort ein und war froh, das ungeliebte Baby los zu sein!“

Meine Erzählerin, Elisabeth von Rumpelstilzchen, schwieg einen Moment lang und ich befürchtete schon, sie wäre am Ende angelangt, doch dann fuhr sie fort:

Der kleine Basti, klein natürlich nur was die Körpergröße betraf, verließ die Burg mit dem geretteten Kind und brachte es zu einem Kloster, wo es von den Mönchen in Obhut genommen wurde und nach gottesfürchtigen Maßstäben erzogen wurde.

Weitere lobenswerte Taten, von denen manche als Wunder galten, wurden meinem Ur-Ahn-Onkel nachgesagt, die man aber heute nicht mehr nachprüfen könnte und ebensowenig glauben würde. Abschließend möchte ich noch eines sagen.

Bastian Rumpelstilzchen war ein herzensguter Mensch. Seine übersinnliche Gabe verhalf ihm dazu, Gefahren und Unglück von in Not geratenen Menschen abzuwenden. Auf äußeren Reichtum legte er keinen Wert und sein größter Wunsch war immer, daß alle Menschen glücklich sein sollten. Am wohlsten fühlte er sich in der freien Natur, unter den Tieren des Waldes, deren Sprache er verstand und die seinem Gesang lauschten. Und wenn er mit seiner glockenhellen Stimme zu singen begann,versank alles ringsum in andächtiger Stille. Dazu drehte er sich im Kreise und schwerelos wie eine Elfe schwebte er über dem Erdboden. Nur wenigen Menschen war es vergönnt dieses Schauspiel zu beobachten, doch für die wenigen, die es mit erlebten, war es ein unvergeßliches Erlebnis.“

Die alte Dame war sichtlich bewegt und fast hatte ich den Eindruck, sie fühlte sich hineinversetzt in die damalige Zeit und in das Geschehen um ihren Ur-Ahn Bastian Rumpelstilzchen. Sie ergriff meine Hand.

Möchten Sie das Lied hören, daß Bastian gesungen hat und das zu jener Zeit nur eine Handvoll Leute kannten, genannt „ Das Lied des Rumpelstilzchen“ ?“

Sehr gern,“ erwiderte ich erfreut, ahnte allerdings nicht, was mich erwartete. Und dann fing Elisabeth von Rumpelstilzchen plötzlich zu singen an, mit einer etwas brüchigen, altersbedingten Stimme, aber dennoch angenehm anzuhören.


 

Verlassen hab' ich Vater und selbst die Mutter auch,

fand eine neue Heimat,fernab, im Waldeshauch.

Ich schlaf im weichen Moose,der Himmel ist mein Dach,

am Tag leuch't mir die Sonne und Stern' und Mond bei Nacht

Nun sing' ich mit den Vögeln und tanze mit dem Wind.

Die Schloßherrin war böse,ich hab befreit ihr Kind.

Warum sollt ich mich grämen,auch wenn es jeder weiß,

werd' mich nicht dafür schämen,daß ich Rumpelstilzchen heiß.


 

Tief beeindruckt hatte ich ihrem Gesang gelauscht. Das war ihr nicht entgangen.

Wie ich sehe, hat Ihnen das Lied gefallen, das freut mich außerordentlich. Auch wenn ich mit Bastians Stimme nicht im entferntesten mithalten könnte, denke ich, er hätte nichts dagegen, daß ich sein Lied den Leuten nicht vorenthalten möchte, aber das gilt nicht für jeden. Sie sind eine von den wenigen Ausnahmen.!“

Darüber war ich natürlich sehr stolz, was ich ihr auch freimütig zu verstehen gab.

Nun war es Zeit, sich zu verabschieden. Ich bedankte mich überschwenglich bei Elisabeth von Rumpelstilzchen und dann als ich schon den Türgriff in der Hand hatte, überraschte sie mich doch noch mit einem Anliegen.

Ursprünglich hatte ich nichts dagegen, daß diese Geschichte an die Öffentlichkeit gelangt, doch nun möchte ich es nicht mehr. Sehn Sie, es würde ein riesiges Aufsehen verursachen. Die Märchenbücher müßten neu geschrieben werden, die Brüder Grimm hätten erheblich an Beliebtheit verloren und die Kinder wären arg enttäuscht und wüßten nicht wem sie glauben sollten, denn die Müllerstochter wäre dann nicht mehr gut, sondern böse. Können wir das verantworten? Lassen wir doch lieber alles so, wie

wie es geschrieben wurde.“

Die alte Dame hatte zweifellos recht.Doch dann hätte ich mir alle Mühe und alle Strapazen bei meiner Wahrheitsfindung sparen können. Das brachte mich in einen gewaltigen Gewissenskonflikt. Schließlich aber siegte die Vernunft und so beschloß ich, nichts von dem was ich herausgefunden hatte, zu veröffentlichen. Ich werde dieses Manuskript in einem Panzerschrank verschließen und niemand wird jemals die Wahrheit, die übrigends die einzig richtige Wahrheit ist, erfahren. Das würde, so meine ich, ebenfalls die Zustimmung des Bastian Rumpelstilzchen finden.

Sollten nun aber doch irgendwann, irgendjemand diese Aufzeichnungen in die Hände fallen, dem sei gesagt:Es könnte natürlich alles was ich geschrieben habe, reine Erfindung und ausgedacht sein und würde somit in die Rubrik „ Dichterische Freiheit“ fallen. Das zu beurteilen überlasse ich dem Leser.


 


 

© Konrad Johann 2011

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.02.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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