Wolfgang Weniger

Am Huckup (1)

 

„Tach Schorse.“

„Tach Hänschen.“

„Siehste, nun hamse unseren Huckup schon wieder bepinselt.“

„Ach was, bei mir wurde die ganze Hauswand vollgeschmiert.“

„Schorse, du hast doch gar kein Haus, also solls dir egal sein.“

„Egal, bist du noch ganz bei Troste?  Der Schaden wird meiner Miete zugeschlagen. Wenn

ich  die  nur erwischen  würde.  Graffiti,  wenn ich das schon höre.  So ein hochtrabendes

Wort für so eine hinterlistige Gemeinheit - und wer das auch alles sein könnte.“

„Hamse nicht auch mal sogar den Sohnemann vom Hildesheimer Politiker erwischt?  

Und jener Hildesheimer Politiker ist jetzt Minister in Hannover."

„Wegen der Schmierereien, Hänschen?“ 

„Nee nee, Schorse,  halt mich nicht für blöde,  aber die Strafen sollten  wenigstens höher

sein, zur Abschreckung.“

„Hänschen, so ist das nun mal, für uns tun se nichts.  

Bist nur Wähler, Esel, Steuerzahler, wirst auf vier oder fünf Jahre einfach entmündigt, bis

zur nächsten Stimmabgabe, ansonsten sei schön brav und halts Maul.“

 

„Übrigens Schorse,  woran erkennt man unsere Volksvertreter?   Weißte nicht?  Dann sag

ichs dir: Bauch, Brille, Halbglatze und schlechtsitzender Anzug.“

„Kuck mal in den Spiegel, Hänschen.“

„Wie jetzt…  du meinst, jeder verdient die Vertreter,  die er hat?  Na ja,  schön verdienen

tun se ja.“

„Hänschen, du wirst doppelsinnig.“

„Nee,  ich sehe nur,  wie mein Geld immer weniger wird und die ihre Diäten ungeniert re-

gelmäßig nach oben setzen.   Nun soll aber,  habe ich längst im Radio gehört, demnächst

nicht mehr durch Handzeichen,  sondern  durch  Hammelsprung  abgestimmt werden.“

„Diätenerhöhung durch Hammelsprung?   Hänschen,  da musst du was falsch  verstanden

haben.“

„Schorse,  jedenfalls könnse  sich die Diäten selbst genehmigen und der Bundespräsident

brauch nicht mal zu unterschreiben,  ist doch merkwürdig.   Wobei der doch sowieso alles

blind unterschreibt, habe ich selbst im Fernsehen gesehen. Sitzt da in seinem Bratenrock,

Füllfeder in der Hand, kuckt ganz wichtig und schüttelt Hände.“

„Bist du vielleicht dösig. Die ganzen Verträge haben doch vorher seine Sekretäre geprüft.

Hmm,  obwohl, das könnte er nun tatsächlich selber, ist ja Anwalt mit Doktortitel - hmm,

aber da soll ihm… genau, da soll ihm ja seine erste Frau zur Hand gegangen sein.“

„Schorse, manchmal wirst du mir unheimlich.“

„Ist doch wahr. Wozu ist er eigentlich da? Und dann immer diese Auslandsreisen. Für das

und jenes wird sich entschuldigt,  Geld versprochen für Entwicklungshilfe und Wiedergut-

machung und das Ausland lacht trotzdem über uns.

Hach! Onkel Herbert war da schon ein anderer Kerl. Hat tatsächlich bei seinen Moskaube-

suchen,  bevor es zur Sache ging,  erstmal  immer die eigenen Genossen zu Arschlöchern

erklärt und mit seiner Pfeife im Maul geschimpft und geschimpft.“

„Genützt hat ihm das aber auch nichts, Schorse.“

„Weil er Choleriker war – nur die Politik der ruhigen Hand  bringt  dich  weiter,  siehste ja

bei seinem politischen Enkel.  Der hat in Moskau seine Sätze immer mit ‚mein lieber Wla-

dimir’  begonnen und erst seine Zigarre geraucht,  wenn alles im Kasten war.  Nun hat er

gut Lachen und kann ganz ruhig seine Gaswölkchen in die Luft blasen.“

 

„Seinem früheren Kompagnon von der Nachbarpartei geht’s aber auch nicht schlecht.“

„Du meinst Fischers Fritze?   Der, welcher die Sache mit den Pässen verzapft hat?  Hoho,

Reise nach Jerusalem - und gelandet sind se hier bei uns.“

                                                               -1-

                                                              

„Heiliger Josef,  vom Straßenkämpfer zum Berater eines Weltkonzerns. Und das ohne Be-

ruf. Haste da noch Töne?“

 

„Berater in einem Weltkonzern.   Hänschen, du musst deine  Tageszeitung schon genauer

lesen, nicht nur immer die Sportseite und Todesanzeigen.“

 

„Sieh mal einer an.  Ich bin doch kein Hahnejökel.  Die Brüder wissen,  wo Bartels seinen

Most holt. Uns Vorschriften machen wollen und sich selbst nicht dran halten.

Sodbrennen, wenn ich morgens nur die Zeitung lese.  Gleich auf der ersten Seite: Renten

sind nicht mehr sicher.  Dabei zeigt das Fernsehen rundum vergnügte Gesichter.

Konfiefchen, Offiziersschnittchen und die Gewissheit, dass ihr Angespartes nur durch eine

Weltwirtschaftskrise futsch wäre…also wirklich.  Anscheinend vertreten sich unsere Volks-

vertreter hauptsächlich selber.  Aber andere  sind  ja  auch  nicht  bange.  Sogar Gewerk-

schaftsführer verschwinden schon mal ganz figelinsch in die Wirtschaft.“

 

„Menschenskinder, das sind man nur selbstfürsorgende Einzelfälle.  So Hänschen, ich seh

schon meinen Bus. Muss schleunigst nach Hause, weil noch der Fernsehfritze kommt.

Konnte doch gestern im Fernsehen nur die Hälfte  verstehen,  wegen  irgendwelcher Stö-

rungen. Der Bildschirm fing ganz plötzlich bedenklich an zu flimmern und dann kam auch

noch so eine seltsame Durchsage, auf die ich mir keinen Reim machen konnte:

„Achtung, Achtung, hier spricht der Präsident, offen, ehrlich und transparent –prrrrtt-  ich

glaube, mein Scheißhaus brennt.“

 

Dann war das Bild ganz weg.   Verdammich nochmal Hänschen,  hab wohl  nen Sprung in

der Satellitenschüssel.“

 

„Aha, jetzt gehen die Lichter aus. Na, denn man tau Schorse, tschüss.“

„Tschüss Hänschen.“

 

 

 

Hildesheim, 31.01.2012

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