Johannes Schlögl

Eine „andere" Paradiesgeschichte

Kagensky
Eine "andere" Paradiesgeschichte


Damals, als der Teufel gerade dabei war, sein glühend heißes Reich zu schaffen, der Tod die Sense im Urfeuer schmiedete und die Zeit noch nicht das Leben peitschte, lebte ein junger fröhlicher Mann in einem wunderbaren riesigen Garten voller Apfelbäume. Apfelbäume, die in dieser Urzeit nur an einem bestimmten Platz auf der Erde wuchsen und dort gar prächtig gediehen. Unter ihrem immergrünen Blätterdach hingen die verschiedensten Apfelsorten und sie glänzten in den wunderschönen Farben des Regenbogens. Und dieser junge Mann, nennen wir ihn Kagensky, labte sich gar köstlich daran. Tag aus und Tag ein gaben sie ihm Nahrung, waren ihm Speis und Trank zugleich.

Eines Tages entdeckte er unter den tausenden und abertausenden von Apfelbäumen einen Baum, der beinahe in den Himmel ragte. In seiner Krone, die sich über hundert Meter vom Erdboden befand, kräuselte der Wind nur mehr wenige Blätter. Es waren deren drei. Dieser Baum musste der Vater aller Bäume sein, dachte Kagensky. Neugierig blinzelte er in die luftige Höhe. Die Sonne blendete ihn, denn sie stand als hell leuchtende Scheibe direkt über diesem Vater aller Apfelbäume. Als sich die Augen von Kagensky an das Gegenlicht gewöhnt hatten, sah er eine riesige Kugel zwischen den drei Blättern hängen. Es war ein Apfel von fast einem(!) Meter Durchmesser. Den muss ich haben, dachte Kagensky. Vielleicht war es aber auch nur sein Instinkt und nicht der Gedanke, welcher ihn dazu veranlasste, neben dem Baum auszuharren, bis der Apfel herunterfiel. Und da es damals noch keine Zeit gab, brauchte er nicht allzu lange zu warten. Eben, als er sich ein paar Äpfel von anderen Bäumen holen wollte, Kagensky besaß einen vorzüglichen Appetit, stürzte der gigantische Apfel vom Baum und schlug einen riesigen Krater ins Erdreich neben dem Vater aller Apfelbäume. Dabei zermatschte er völlig. Langsam trat aus dem zerquetschten Apfel ein goldener Saft aus der in der Sonne funkelte und das Erdloch füllte. Für Kagensky gab es nun kein Halten mehr. Instinktiv bildete er mit seinen Händen eine Schale, schöpfte aus dem Krater und trank diese goldene Flüssigkeit bis sein Durst gelöscht war. Der Saft schmeckte etwas ungewöhnlich herb, aber Kagensky vermutete, es müsse so sein. Einen Augenblick später wurde ihm recht eigenartig zumute. Er begann fröhlich zu werden, zu tanzen. Er sprang herum wie ein Affe und gab gar merkwürdige Laute von sich. La! La! La! Als die Wirkung nachzulassen begann, torkelte er wiederum zu diesem Krater voll herrlichem goldglänzenden Apfelsaftes und sprang hinein. Kagensky trank und trank, soff in seinen Wanst hinein, bis nichts mehr ging. Absolut nichts mehr! Rein gar nichts! Vor seinen Augen begann sich alles zu drehen. Er versuchte zu singen. "L! L! L!" Die Zunge versagte ihm den Dienst. Und dann, plötzlich, wie aus heiterem Himmel, wurde er träge und faul. Vor allem aber müde, so dass er gähnen musste. So etwas hatte Kagensky noch nie erlebt. Bevor er instinktiv darüber nachdenken konnte, war er eingeschlafen.

Es war dies das erste Mal in seinem Leben und es geschah, als die Sonne noch hoch über dem Vater aller Apfelbäume thronte. Kagensky hatte einen langen und traumlosen Schlaf.

Das Erwachen war schrecklich! Nichts schien mehr auf seinem gewohnten Platz zu sein. Über Nacht hatten sich alle Blätter von ihren Ästen getrennt. Milliardenfach lagen sie umher, vergilbten und starben unter den Peitschenhieben der Zeit, die in dieser allerersten Nacht geboren ward. Es war kalt geworden. Frostiger Wind strich zwischen den Bäumen hindurch, streifte Kagenskys nackten Körper. Er lag immer noch in der großen Erdmulde. Doch von dem goldenen Saft war nichts mehr vorhanden. Der Erdboden hatte den Rest, welchen Kagensky übriggelassen hatte, aufgesogen.

Im Osten hing die Sonne als Morgenröte über einem fremden schneebedeckten Gebirge.

Sie war gewandert!

Weg vom Vater aller Apfelbäume. Kagensky fröstelte und er hatte schreckliche Kopfschmerzen. Mühsam kletterte er aus der Erdmulde, frühstückte einige auf dem Boden liegende angefaulte Äpfel und machte sich auf die lange Reise in die Erkenntnis.

Einige Jahre später traf er eine Frau, gründete mit ihr eine Familie. Nachdem ihm seine Frau lesen und schreiben beigebracht hatte, legte er sich einen Vornamen zu.

Von da an hieß er "ADAM Kagensky".



(Anm.: Der Name Kagensky in dieser Geschichte ist frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und ist nicht beabsichtigt. Der Autor)

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.10.2001. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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