Florence Siwak

Die Besucherin


 
Hannelore biss genüsslich in das gut belegte Brötchen.
Das war das Schöne an diesen Besuchen. Man gönnte sich was. Mal Schwarzwälder Schinken, ungarische Salami, guten Käse.
Und dazu einen starken Kaffee. Sie blies in den Becher und nickte anerkennend. Diesmal war er so richtig heiß.

Seltsam, immer wenn sie Robert und Anne besuchte, war das Wetter prachtvoll, das Essen schmeckte besonders gut,
der Kaffee war heiß. Einfach perfekt.
Sie erinnerte sich: bei den Giesebrechts, bei denen  sie immer donnerstags war, hatte es die letzten drei Male geregnet,
so dass sie diese Besuche abkürzen musste.

Klaus – ja bei Klaus hatte sie auch nie Probleme. Sie nickte beifällig, als sie sich daran erinnerte, wie die Sonnenstrahlen ihren
Blumenstrauß geradezu vergoldet hatten.
Heute hatte sie für Anne rosa Röschen und für Robert blauen Enzian gewählt; sehr passend. Trank er doch gern mal einen Enzian.

Naja, es wurde langsam ziemlich teuer für sie; die Blumen waren nicht gerade billig, aber die armen Lieben hatten ja sonst niemanden und das
gönnte sie sich einfach.
Sie gluckste leise in sich hinein.

Dann stutzte sie. Erbost blickte sie zur Seite.  Leise grüßend setzte sich eine elegant gekleidete Frau neben sie.
Ohne sich vorzustellen, dachte sie indigniert. Kein Benehmen.
„Schönes Wetter heute“ begann sie. Schließlich gehörte sich eine gewisse Konversation, wenn man schon dieselben Leute besuchte.
„Ja, herrlich.“ Kurz war die Antwort; Hannelore war sie zu kurz. Sie runzelte die Stirn.
Der  Strauß der „Neuen“ war um einiges größer. Schön, dachte sie bei sich; aber sie hatte nur einen mitgebracht – für beide.

Nach einigen Minuten verlegenen Schweigens verabschiedete sich Hannelore mit wenigen gesetzten, aber spitzen Worten.

Sie überlegte, wer die Dame wohl sein könnte. War sie verwandt mit Anne und Robert? Oder nur befreundet? Sie hätte schließlich
ein paar erklärende Worte abgeben können. Naja, wer nicht will,…

Ob ich noch zu den Giesebrechts gehe? dachte sie. Ist zwar nicht Donnerstag, aber sie sollte sich in nächster Zeit etwas mehr um sie kümmern.
Sie würden nicht mehr lange dort bleiben. Ihre Zeit war bald um.

Hannelore seufzte. Sie würde sich jemand Neues suchen müssen. Die drei Besuchstage in der Woche waren fest eingeplant.


Nur – es durften keine „neu zugezogenen“ sein; die würde sie nicht bis zum Ende betreuen können. 25 Jahre war wohl die Verweildauer
– auf deutschen Friedhöfen.
Oder? Sie würde sich erkundigen müssen. Und schon ging  sie zielstrebig in Richtung Friedhofsverwaltung.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.04.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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