Ulla Meyer-Gohr

R O T

 

Die Lampe leuchtete rot über der Tür im Fernsehstudio auf.

                                                     SENDUNG " kultur heute "

stand auf einem Schild an der Studiotür.
Sechs erlesene Kunstkritiker erschienen auf dem Monitor und bildeten einen Halbkreis. Ihnen gegenüber saß der Maler, Ralph Zinke, um den die Diskussion ging.  Über ihm sein Bild, die Frau im Grünen.

      " Herr Zinke wie kamen sie zur Malerei, " näselte Prof. Dr. Dr. Bernd Maschnik ins Mikrophon. Trotzdem gab seine Stimme einen gewichtigen Unterton.

      " Schwer zusagen," Zinke schüttelte den Kopf. Dabei tanzte sein kleiner, grauer Schnauzbart auf und ab. Die dunklen, forschenden Augen blickten kein bisschen eingeschüchtert zu den Kunstmächtigen," irgendwann saß ich in der Natur und es reizte mich diesen Augenblick fest zu halten. Gottlob, steckte in meiner Tasche ein kleiner Bleistift und ein Stück Papier, sodass ich eine gute Gedächnisstütze mit nach Hause nehmen konnte. Es war der erste Entwurf aus dem später das erste Bild entstehen sollte. Ich verfüge über ein fotografisches Auge, was ich bis dahin noch nicht wahr genommen hatte." Zinke schwieg nachdenklich.

      " In diesem Moment wurde Ralph Zinke von der Muse geküsst !" gluckste Herr Friedrich Biber fröhlich und schüttelte seine Schulter lange, blonde Lockenpracht dekorativ nach hinten.

      " Hmm, hmm, hmm, " brummte Joachim von Dobermann ( Gestalter des Feuilleton der Tageszeitung ) strich sich über das Kinn und schien das Gesprochene nochmals Revue passieren zu lassen. Dann sah er mit einem bedeutungsvollen Blick durch die Respekt einflössende, dunkle Hornbrille, " man kann hier von einem Naturtalent sprechen, welches kaum einer Führung bedurfte. Eben ein Autodidakt. Sonderbare Wege geht die Kunst, um sich in der Darstellung immer wieder neu zu erfinden. Bei Zinke reichte sein Umfeld, um Eindrücke zu sammeln. Das ist sein aussagekräftiges Geheimnis. Das Erlebte in die Kunst mit ein zu beziehen, damit sie diese sprechende Faszination zum Ausdruck bringt."

      " Ein typisches Beispiel, dieses beeindruckenden Könnens, ist das Bild, die Frau im Grünen. Welches Herr Zinke, uns, freundlicherweise für die Diskussion, zur Verfügung stellte," flötete Henriette Martens dazwischen und sah mit verzücktem Augenaufschlag zu dem Bild über Ralph Zinke.
Zinke erwiderte das Ganze schweigend mit einem Anflug von Röte im Gesicht. Die Beweihräucherungen berührten ihn unangenehm. Inzwischen setzte sich Herr Dr. Theodor Moppel ins Licht. Schob seine Leibesfülle in eine bequeme Position und ließ seine Hände mehrmals durch die Luft kreisen als dirigierte er ein ganzes Orchester. 

      " Es ist schwierig ein Talent in einer Diskussion voll und ganz zu erfassen. Verfügt es doch über unzählige Facetten, die oft in einem Gespräch zu kurz oder überhaupt nicht erwähnt werden."
Bei dem Körpervolumen war man über die schwache Fistelstimme, dieser präsenten Persönlichkeit, überrascht.

      " Was wollen sie damit andeuten, Herr Dr. Moppel ?" tönte es wie aus einem Munde der fünf Kunstkritiker. Der erlesene Kunstkreis fühlte sich auf den Schlips getreten.

      " Meine Herren, ich bitte sie ! - Es ist nicht meine Absicht Kritik über ihr allgemeines Urteilsvermögen zu fällen !" versuchte Moppel zu beschwichtigen, " wir versuchen doch alle nur ein Stück Zinke dem Puplikum näher zu bringen. Das ist doch der Sinn dieser Diskussion und kein Streitgespräch, was beim Zuschauer nur Verunsicherung und Verwirrung auslöst!"

      " Sehen sie doch einmal dieses Rot, welches Zinke für die Blumen im Wiesengrund auswählte. Fast könnte man von einem Leuchten sprechen. Dieses Leuchten zieht sich über das ganze Bild ohne das Grün aufzuheben. Im Gegenteil das Grün bekommt dadurch eine besondere Aussagekraft. Das Bild scheint zu schweben. -  Richtig geheimnisvoll !" rief Henriette Martens plötzlich dazwischen. Moppel war ihr sehr dankbar, wurde doch das kleine Mißverständnis der Gesprächsrunde einfach vergessen. Andächtig betrachtete der erlesene Kreis Zinkes Darstellung. Die Fernsehkamera machte  einen Schwenk über die Köpfe der andächtig dreinschauenden Kunstpäpste hinweg, um die Andacht besser einzufangen. Zinke versuchte schon seit geraumer Zeit sich in die Diskussion einzubringen, aber alle Bemühungen blieben vergebens.

      " Darf ich ----------------," wieder ging sein Wort im Redeschwall der Kunstmacht unter.
Herr Eberhard Knittel hatte bis hierher geschwiegen und sein Beitrag schien sogar auszubleiben. Er träumte wortlos in das Bild hinein, dabei spitze er den Mund, als habe er, der Frau im Grünen unter vier Augen, etwas Wichtiges mit zuteilen. Inzwischen hatte der Stellenwert des Rotes einen göttliche Dimension erhalten. Jetzt wurde es Ralph Zinke zu bunt. Er räusperte sich und seine Stimme erreichte einen nicht zu überhörenden Tenor. Endlich kam er zu Worte.

      " Meine Herren, - ich kann das Gesagte hier im Studio nicht so stehen lassen," er holte tief Luft und seine Stimme gewann an Festigkeit," es lässt sich ganz einfach erklären, wie das Rot in dieses Bild kam."
Der erlesene Kreis schwieg  verdutzt. Zinke fuhr fort," ich packte meine Malutensilien zusammen. Auf dem Tisch lag noch eine einzige Farbtube mit einem Rest roter Farbe. Eigentlich wollte  ich sie entsorgen, doch dann fand ich es eine Verschwendung diesen Rest einfach fort zu werfen. Also verarbeitete ich das Rot in dieses Bild hinein, so gut es eben ging, --- OHNE   ERLEUCHTUNG, ---  einfach so !"

    
   

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.05.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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