Helmut Wurm

Sokrates und das Gespräch über richtige Unterrichtsformen

Die neuen Unterrichts-Methoden sind nun schon über 1 Jahrzehnt in der großflächigen wissenschaftlichen und praktischen Erprobung und nun könnte es an der Zeit sein, eine Bilanz zu ziehen. Deswegen hat ein anerkannter Professor für Schulpädagogik, der für seine neutrale Haltung allen Forschungsfragen gegenüber bekannt ist, zu einem Bilanz-Symposium über den Erfolg und die Hoffnungen, aber auch über die Enttäuschungen bezüglich der neuen Medien geladen.

Eine Reihe anderer Schul-Pädagogen sind gekommen, allerdings meistens solche, die eine bestimmte Methoden-Richtung vertreten. Man sieht es ihren Gesichtern schon an, dass sie nicht so offen und neutral wie der Einladende sind, sondern sich jeweils für bestimmte Positionen entschieden haben und diese auch verteidigen wollen.

Denn das ist ja das Erstaunliche und auch Bedrückende an solchen wissenschaftlichen Rundgesprächen, dass eben nicht alle Wissenschaftler neutral, offen und tolerant in solchen Symposien auftreten, sondern dass so mancher Fachprofessor meint, er allein habe Wahrheit gefunden und müsse diese verteidigen…

Zu diesem Symposium ist auch Sokrates als Gast geladen worden und interessiert gekommen. Er merkt schon die Spannung, die mit dem Thema „Richtige, optimale Unterrichtsmethode“ schon immer verbunden ist. Ob es diesmal wieder zu einem besonders konfrontationsreichen Symposium kommen wird, an dessen Ende weniger ein Ergebnis als die Feststellung unterschiedlicher Theorien, Ideologien und Utopien stehen wird?   

Sokrates erinnert sich noch mit Bedrückung an ein früheres Symposium, wo ein sehr anerkannter, in seiner Meinung ausgewogener Wissenschaftler, der auch international bekannt und als Mensch ein ausgewogener und bescheidener Mann war, von seinen Wissenschafts-Kollegen sehr hart und unfair kritisiert wurde. Im Grunde waren diese Kollegen von verschiedenen anderen Universitäten in Deutschland neidisch auf diesen Mann mit seinem Ansehen und weil dessen neutrale und ausgewogene Position schon besetzt war, versuchten sie andere, engere, einseitigere wissenschaftliche Positionen zu besetzen und diesen anerkannten Professor mit ihren Thesen, Bemerkungen und Behauptungen zu schaden und zu verletzen, wo sie nur konnten. In der Wissenschaft „menschelt“ es eben wie im übrigen Leben, nur auf einem höheren und teilweise auf einem übleren Niveau…

Der einladende Schulpädagogik-Professor eröffnet die Tagung, stellt noch einmal das Thema, nämlich eine Erfahrungsbilanz über die Erfolge oder Misserfolge der bisherigen „Neue-Unterrichtsmethoden-Jahre“ vor und bittet die anderen Referenten der Reihe nach um ihre Beiträge. Es sollen hier nicht deren Ausführungen genau wiedergegeben werden, sie werden nur skizziert. Denn es kam, wie schon anfangs zu vermuten war: Eine offene Diskussion kam nicht zustande, sondern nachdem alle Referenten ihre Beiträge gehalten hatten, lief sich alles in gegenseitigen Vorwürfen über die jeweilige Inkompetenz der anderen fest. Wichtig ist hier nur, wie Sokrates versucht hat, den festgefahrenen „Meinungs-Knoten“ erfolgreich zu lösen.

Der erste Referent ist ein konservativer Pädagoge, der ausführte, dass nach dem statistischen Ergebnis der letzten Jahrzehnte die Schüler nachweisbar am meisten bei strengem, Lehrer-zentrierten, vortragenden Unterricht gelernt hätten. Man könne sich drehen und wenden, die Unterrichtsergebnisse seien einfach höher gewesen als später bei den verschiedenen modernen und teilweise sehr fantastischen Unterrichtsformen.

Man könne weiterhin jeden Schüler dazu erziehen, sich zu konzentrieren, aufzupassen  und zu behalten. Diese Fähigkeiten nützten für das ganze spätere Leben. Und deshalb seien die traditionellen früheren Unterrichtsmethoden für das ganze Leben der Schüler von Nutzen, auch wenn sie nicht immer positiv empfunden und beurteilt würden. Aber nachher hätten die Schüler den Wert dieser konservativen Unterrichtsformen wohl zu schätzen gewusst.

Er bekomme, so sagte er abschließend, auch immer wieder von verschiedenen Seiten die positive Rückmeldung, dass dieser Stil richtig sei.

Der zweite Referent verwies darauf, dass der Lehrer-konzentrierte Unterricht durch den Stoff-konzentrierten Mitschreibe-Unterricht ersetzt werden müsse. Hierbei sei der Inhalt einer Unterrichtsstunde/der Lernstoff das Wesentliche, worauf sich die Schüler konzentrieren müssten. Da die Schüler aber nicht alles behalten könnten, was sie im Unterricht hörten oder läsen, müssten sie deswegen im Unterricht mitzuschreiben und Notizen zu machen lernen. Aus diesen Notizen müssten dann kontinuierlich zu Hause Ausarbeiten angefertigt und in Fachmappen eingeheftet werden, sodass jeder Schüler für jedes Fach am Jahresende eine dicke Stoffmappe mit dem Jahresstoff, selbst erstellt, zur Verfügung habe.

Notizen machen, mitschreiben und das Notierte dann zu Hause auszuarbeiten sei die effektivste und in der Vergangenheit üblichste Lernmethode in den höheren Klassen und auf den Universitäten gewesen. Mit dieser Methode seien die Wissenschaftler der Vergangenheit ausgebildet worden. Hier hätten sie die zentralen Kompetenzen erlernt, nämlich aufpassen, notieren und selbstständig ausarbeiten. Das müsse in der Zukunft als Kompetenz weiter geübt werden.  

Er bekomme auch immer wieder, so fügte er abschließend hinzu, von verschiedenen Seiten die positive Rückmeldung, dass dieser Stil richtig sei.

Der dritte Referent vertrat eine entgegengesetzte Position und verwies geradezu jammernd auf die armen Schülergenerationen, die in ihrer seelischen Entwicklung, in ihrer Lernfreude und in ihrer Kreativität durch die rüden Unterrichtsmethoden der früheren Zeiten sehr beeinträchtigt worden wären. Das könne man nicht mehr dulden, die Jugend von heute müsse sich weniger Wissen, sondern mehr Emanzipation, mehr Flexibilität und mehr Kompetenzen erwerben. Und das sei nur mit ganz anderen und teilweise neuen Unterrichtsmethoden möglich und vereinbar.

Wie wenig angelerntes Wissen nütze, erkenne man an der immer kürzer werdenden Halbwertszeit von in der Schule Gelerntem. „Wissen, wie man Wissen erwirbt“, das sei das Ziel einer modernen Schule und moderner Unterrichtsmethoden.

Er bekomme auch immer wieder, so sagte er abschließend, von verschiedenen Seiten die positive Rückmeldung, dass dieser Stil richtig sei.

Der vierte Referent verwies fast pathetisch darauf, dass die Lernfreude geweckt und erhalten werden müsse, denn in unserer Zeit sei das ganze leben ein Lernprozess, es gelte eben „long-life-learnig“. Die Lernfreude sei das eigentliche Ziel der Schule und die Unterrichtsmethoden müssten sich daran ausschließlich orientieren. Der Erwerb von Wissen und Kompetenzen müsse dahinter zurück treten.

Aber so schlecht wären die Lernergebnisse bei einer Orientierung nur auf „Lernen mit Freude“ gar nicht, denn bekanntlich lerne man alles leichter und schneller und behalte besser, wenn man mit Freude etwas tue.

Er bekomme auch immer wieder, so sagte er abschließend, von verschiedenen Seiten die positive Rückmeldung, dass dieser Stil richtig sei.

Der fünfte Referent stellte eindringlich dar, dass jeder Schüler eine eigenständige Lern-Persönlichkeit sei und dass deswegen für jeden Schüler individuell angepasste Unterrichtsmethoden verwendet werden müssen, um einen optimalen Unterrichts-erfolg zu ermöglichen. Das sei zugleich für die Lehrer eine Herausforderung an ihre Beobachtungsgabe und Phantasie, denn der normale Unterricht sei doch eine Unter-forderung für die meisten Lehrer und deswegen kämen bei so vielen Lehrern nach längerer Berufszeit Frust und Desinteresse an ihrem Beruf auf. Im Grunde müsse der gesamte Klassenverband in Kleingruppen und Einzellernende aufgelöst werden. Dann erst könne sich der wahre Lehrer zeigen und entfalten.

Die in der Schule gemachte Erfahrung, dass jeder Mensch ein Individuum sei, nütze den Schülern im späteren Leben. Denn dort entwickele sich ja auch jeder irgendwie anders und individuell.

Er bekomme auch immer wieder, so fügte er abschließend hinzu, von verschiedenen Seiten die positive Rückmeldung, dass dieser Stil richtig sei.

Der sechste Referent versuchte selbstbewusst-lächelnd die bisherigen Referenten zu übertrumpfen. Er erklärte, dass das wichtigste Unterrichtsziel die Selbstständigkeit der Schüler sein müsse. Das sei die entscheidend-wesentliche Kompetenz  für das spätere Leben. Wer in der Schule selbstständig zu sein gelernt habe, der finde sich später in allen  Lebenssituationen zurecht, der könne sich überall helfen. Diesem Kompetenzziel sei das ganze Unterrichtswesen unterzuordnen.

Der Unterricht müsse so gestaltet werden, dass der Lehrer ganz zurück träte, dass er nur noch Aufsichtsperson und Berater sei. Den Schülern müssten Unterrichtsthemen, Unterrichtsmaterialien, Tests jeglicher Art einschließlich der Lösungen und Hinweise auf Lernformen zur Verfügung gestellt werden und dann müsste das Lernen und der Unterricht ganz den Schülern überlassen sein. Diese müssten selber entscheiden, in welcher Reihenfolge sie die Themen behandeln, mit welchen Lernformen sie diese Themen bearbeiten, welche Tests und wann sie sich gegenseitig als Ergebniskontrolle stellten und welche Erfolgs-Beurteilungen sie sich zusprächen. Der böse Erfolgsdruck, bestimmte Lernziele in einer bestimmten Zeit zu erreichen, sei völlig abgeschafft. Es ginge nur darum, dass die Schüler irgendwann ein Lernziel erreichten, und das sei ja bekanntlich auch von der individuellen Lernreife abhängig.

Die Lehrer führten bei diesem Unterricht mit dem Ziel Selbstständigkeit nur Aufsicht, stellten zusätzliche Unterrichtsmaterialien auf Anfrage bereit,  gäben Ratschläge und Hilfen. Da ansonsten keine weiteren Arbeiten mehr anfielen, kämen solche Schulen mit weniger Lehrern aus. Dieses Unterrichtssystem wäre also die ideale Lösung, den Lehrermangel zu beheben.

Er bekomme auch immer wieder von verschiedenen Seiten die positive Rückmeldung, dass dieser Stil richtig sei, so sagte er stolz abschließend.

Der siebte Referent

Der achte Referent …

So stellte jeder der gekommenen Fachleute für Schul-Pädagogik seine Ansicht von der richtigen bzw. optimalen Unterrichtsform vor - entschieden, überzeugt, festgefügt in seiner Meinung, bereit alles andere als falsch zu klassifizieren.  

Der Leiter dieses Symposiums versucht anschließend, die dargestellten Unterrichts-formen in ihren Grundmustern mit Vor- und Nachteilen vereinfacht zusammen zu stellen, um danach eine Diskussion und eine Bilanz zu versuchen.   

Diese Zusammenstellung von Hauptunterrichts- und Methodenformen sieht so aus.

1. Lehrervortrag

Vorteile: Bei guter Vorbereitung des Lehrers ist das eine gute und komprimierte Darstellung von Lernstoff. Die Schüler müssen konzentriert zuhören und das Gehörte mitschreiben oder nachlesen und dann lernen. Die Konzentration und das Gedächtnis werden durch diese Unterrichtsmethode gefördert. Bei dieser Methode wird, eine gute Lehrervorbereitung vorausgesetzt, das meiste Wissen an die Schüler vermittelt.

Nachteile: Diese Unterrichtsform ist für die Schüler und auch für den Lehrer ziemlich anstrengend. Wer mit dem Zuhören Schwierigkeiten hat, ist schnell überfordert. Die Eigeninitiative und Kreativität der Schüler werden nicht gefördert. Die Darstellung des Stoffes ist stark Lehrer-geprägt.

2. Lehrer-Erzählung

Vorteile: Ein erzählerisch begabter Lehrer kann auf diesem Wege die Aufmerksamkeit und das Interesse der Schüler auf das Thema ziehen und das Vorstellungsvermögen der Schüler fördern. Der Unterricht wird zu einem Erlebnis, der Schüler kann sich in die Thematik einfühlen.

Nachteile: Nicht alle Lehrer sind Erzähler-Naturen. Die Schüler gewöhnen sich daran, nur noch bei Spannung und anschaulichen Schilderungen aufmerksam zu sein. Und nicht jeder Stoff kann erzählerisch spannend aufgearbeitet und transformiert werden.

3. Unterrichtsgespräch

Vorteile: Es entsteht ein Wechselgespräch zwischen Lehrer und Schülern und auch phasenweise nur zwischen Schülern. Dieses Wechselgespräch kann von geschickten Lehrern gelenkt werden und sich auch spontan-situativ entwickeln. Alle Anwesenden hören die Argumente des/der anderen in der Klasse. So ist eine Meinungsvielfalt gut erfahrbar.

Nachteile: Schüchterne Schüler nehmen weniger an solchen Unterrichtsgesprächen teil wie selbstbewusste Schüler, für die Unterrichtsgespräche eine Möglichkeit zur Selbstdarstellung sein können. Das Festhalten der Ergebnisse darf nicht vergessen werden und kann Schwierigkeiten machen. Nicht jedes Thema ist für ein effektives Unterrichtsgespräch geeignet.

4. Arbeitsaufgaben (für Einzelarbeit)

Vorteile: Die Schüler arbeiten alleine, jeder kann für sich das Tempo, die Reihenfolge der Arbeitsaufgaben und die Qualitätsstufen seiner Antworten bestimmen. Der Lehrer kann sich auf eine Beratungsfunktion zurück ziehen. Die Atmosphäre in  der Klasse wird beruhigt. Bei konzentriertem Arbeiten der Schüler wird viel erreicht. Es wird auf diese Weise auf eine richtige Bearbeitung der Hausaufgaben vorbereitet. Jeder Schüler ist auf sich alleine gestellt und muss seine Ergebnisse selber finden.

Nachteile: Die Qualität dieser Unterrichtsmethode hängt von der Qualität der Fragen ab. Lehrer können es sich leicht machen, indem sie sich einfach auf die Arbeitsfragen unter den Kapiteln der Schulbücher verlassen. Die Schüler sind auf sich alleine gestellt und können durch kurze Gespräche keine Lösungs-Impulse bekommen

5. Gruppenarbeit

Vorteile: Die Schüler arbeiten in Gruppen verschiedener Größe selbstständig und besprechen sich untereinander. Einer kann dem anderen dabei Lösungsimpulse geben, das Ergebnis ist eine Gruppenleistung. Schwächere Schüler können durch stärkere Schüler gefördert werden. Das gemeinschaftliche Arbeiten (Teamwork) wird erlernt und gestärkt. Bei konzentriertem Arbeiten ist das Leistungsergebnis hoch.

Nachteile: Bequeme Schüler können sich auf die Ergebnisse der fleißiger Schüler innerhalb der Arbeitsgruppe verlassen, faule Schüler werden also in der Gruppe mitgeschleppt. Das fördert die negative Arbeitshaltung in dieser Richtrung veranlagter Schüler. Die Einzelleistungen der Gruppenmitglieder sind schwer feststellbar.  

6. Arbeitsteiliger Unterricht (Aufteilung eines Themas in Einzelthemen und Weitergabe an die Schüler)

Vorteile: Die Schüler können wählen, in welchen Formen sie die Einzelthemen bearbeiten möchten (Gruppenarbeit, Einzelarbeit, Texterstellung, Recherche, Referat, Visualisierung usw.) und wie sie dann die Einzelergebnisse präsentieren möchten (Plakate, Ergebniswand, Rundgespräch usw.) Jeder Schüler kann seine Interessen- und Begabungsschwerpunkte einbringen.

Nachteile: Zeit- und materialaufwendig, anderer Unterrichtsstoff kann liegen bleiben. Die Einzelleistungen der Schüler sind schwer erkennbar.

7. Umwandlung von bestimmten Darstellungen in andere Darstellungs-Formen (Visualisierungen, Vertextlichungen, akustische Darstellungen)

Vorteile: Durch das Umwandeln in verschiedene Darstellungsformen, vor allem von Texten in Visualisierungen, prägen sich Inhalte und Zusammenhänge besser ein. Die verschiedenen Veranlagungen in der Wahrnehmung bei den Schülern werden dadurch berücksichtigt (Lese-Schüler, Hör-Schüler, Bild-Schüler).

Nachteile: Zeit- und materialaufwendig, anderer Unterrichtsstoff kann weniger bearbeitet werden.

8. Schüler sind Lehrer (einzelne Schüler oder eine Schülergruppe halten Unterricht)  

Vorteile: Schüler können sich oft besser als Lehrer auf Schüler einzustellen und Lerninhalte erklären/darstellen. Schüler lernen, dass Unterrichten schwierig ist. 

Nachteile: Der Lehrer muss bei schlechtem "Schülerunterricht" den Lerninhalt noch einmal behandeln.

9. Schüler helfen bei Test-Erstellungen und Leistungs-Beurteilungen

Vorteile: Schüler fragen teilweise anders als Lehrer. Durch Mitschüler gegebene Beurteilungen werden leichter akzeptiert. Die Schüler erkennen, wie schwer gerechte Beurteilungen sind. Der Lehrer kann eine Entlastung erfahren, weil er keine Tests entwerfen und diese korrigieren muss.

Nachteile: Der Lehrer kann nicht immer Entlastungen erfahren, wenn er alle Schüler-Beurteilungen nachprüfen muss. Es können sich Meinungsverschiedenheiten über Schüler-Beurteilungen zu Konflikten innerhalb der Klasse/Lerngruppe entwickeln. Ungerechte Beurteilungen müssen vom Lehrer völlig neu untersucht und korrigiert werden.

10. Kürzen und Strukturieren von Texten

Vorteile: Die Schüler müssen lernen, das Wesentliche des Inhaltes zu erkennen. Die verschiedenen Möglichkeiten der Strukturierung (Unterstreichen, farbiges Markieren, Merkworte aufschreiben, Mind-Map erstellen) wird geübt.

Nachteile: Schwächere Schüler sind überfordert, selbst das Wesentlicher, den roten Faden zu erkennen. Sie benötigen immer wieder Lehrerhilfe.

11. Üben von freiem Sprechen

Vorteile: Das Üben von völlig freiem Vortrag oder von Vortrag mit einer Notizhilfe ist eine wichtige Hilfe für viele Berufe, gerade für solche, die mit Umgang mit Menschen zu tun haben. Durch freieres Sprechen steigert sich das Selbstgefühl bei Schülern.

Nachteile: Manche Schüler sind bezüglich des Redens vor anderen so gehemmt, dass es leicht zu einer völligen Rede-Blockade kommen kann. Es muss bei diesen dann auf andere Formen der Darstellung von Lerninhalten ausgewichen werden. 

12. Übungen im Mitschreiben und Stoffmappen-Anlegen

Vorteile: Übungen im Mitschreiben, im Notizen-machen und im Umsetzen der Notizen zu Stoffmappen erleichtern das Behalten, das Schreiben von Protokollen, das Notieren bei späteren Fortbildungen bzw. im Studium und das Anfertigen von Stoffmappen zu verschiedenen Zwecken. Das sollte mit Hand geübt werden.

Nachteile: Schüler schreiben unterschiedlich schnell je nach individueller Begabung.

Einheitliche Fortschritte sind nur schwer zu erreichen. Der moderne PC und das Internet  sind für viele Schüler ein Alibi gegen das Schreiben von längeren Notizen mit Hand.

13 ….

14 …

Es folgen in dieser Zusammenstellung des Symposium-Leiters noch weitere Unterrichtsformen/ Methodenformen, deren Einzelheiten hier übergangen werden können.

Aber der geplante Versuch, anhand dieser Auflistung in einem offenen Gespräch zu Empfehlungen zu gelangen, wann die eine bzw. die andere Unterrichtsform besonders empfehlenswert ist, scheitert völlig. Denn die wissenschaftlichen Gäste haben sich meistenteils auf bestimmte einzelne oder auf ein Bündel von bestimmten Unterrichts-formen/Unterrichtsmethoden derart festgelegt, dass sie andere Konzepte mehr oder minder entschieden ablehnen.

Dadurch droht das Ziel des Symposiums, nämlich eine neutrale Bilanz des Nutzens dieser verschiedenen Unterrichts- und Methodenformen formulieren zu können, zu scheitern. 

Da steht Sokrates auf und erzählt den Teilnehmern das Gleichnis vom Nutzen und von der Wertschätzung unterschiedlicher Kostformen und Unterrichtsmethoden.

Das Gleichnis von den unterschiedlichen Kostformen und Unterrichtsformen

Ein bekannter Ernährungswissenschaftler wollte einmal durch einen längeren Test herausfinden, welche Kostform die gesündeste und zugleich schmackhafteste wäre.

Er teilte deswegen die an diesem Versuch teilnehmende Personen in verschiedene Gruppen auf und ließ jede Gruppe sich einseitig von verschiedenen, aber vollwertigen Kostformen ernähren. Am Ende eines Jahres sollten sie dann auf Gesundheit und Wohlbefinden hin untersucht werden und daraus wollte er  Empfehlungen für eine optimale Ernährung ableiten. Er plante noch, dass er  monatlich zu Kontrollgespräch zu den einzelnen Gruppen käme. Als einseitige, aber vollwertige Kostformen hatte er ausgewählt: Überwiegend frugale Kost, veganische Kost, lakto-vegetarische Kost, traditionelle Bauernkost, überwiegende Milch-Käse-Kost, überwiegend Fleisch-Kost, überwiegend Fisch-Kost und bestimmte asiatische Kosttypen.

Bereits nach 1 Monat, als er zu seinem ersten Kontrollgespräch die Gruppen besuchte, erlebte er insofern eine Überraschung, als es bei jedem dieser einseitigen Kosttypen einige Personen gab, die sich wohler fühlten als bisher und künftig bei diesem Kosttyp bleiben wollten, dass aber die Mehrheit der jeweiligen Kosttyp-Gruppe ein zunehmend quälendes Verlangen nach Abwechslung in der Ernährung bekam und sich bei ihrer jeweils einseitigen Kost, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr so wohl fühlte wie früher bei ihrer gemischten Kost.  

Bereits nach 3 Monaten wurde der Versuch insofern unterlaufen, als immer mehr der Probanden heimlich oder auch ganz offen andere Kosttypen verzehrten und dadurch Abwechslung in ihre Ernährung brachten. Der Ernährungswissenschaftler brach den Versuch daraufhin ab. Er konnte als Bilanz nur feststellen, dass eine Minderheit von Menschen, aus welchen Gründen auch immer, sich bei einseitigen Kosttypen wohler fühlt als bei gemischter Kost und daher geneigt ist, ihren einseitigen Kosttypus als besonders optimal zu loben und die anderen Kosttypen negativ zu beurteilen. Die Mehrheit der Menschen wünscht aber eine abwechslungsreiche Kost und fühlt sich dabei am wohlsten. Es sei dann nur darauf zu achten, dass die abwechslungsreiche Kost auch vollwertig sei.

So, liebe Teilnehmer an diesem Methoden-Symposium, ähnlich ist das auch bei der Frage nach der optimalsten Unterrichtsform. Eine Minderheit von Schülern lernt bei bestimmten einseitigen Unterrichtsformen am besten, die Mehrzahl lernt bei einer Methodenvielfalt, also bei regelmäßigem Methodenwechsel am besten. Dabei kann der Unterrichtsform-Wechsel von Lehrer zu Lehrer an einem Schultag oder durch einen Methoden-Wechsel bei den einzelnen Lehrern im Laufe eines Monats entstehen. Wenn eine bestimmte Unterrichtsform zu lange praktiziert wird, wirkt sie für die Mehrzahl der Schüler einseitig und langweilig und ruft den Wusch nach einer anderen Form hervor.

Jeder von Euch hat also mit seinen Ausführungen Recht, aber nur innerhalb einer offenen Methoden-Vielfalt. Deswegen ist es unnötig, eine Prioritätenliste, ein Ranking aufstellen zu wollen. Denn jede Unterrichtsmethode hat ihre Vorteile und Nachteile und wird über kurz oder lang Befürworter und Ablehner haben. Es gilt die Einsicht: Die gute Mischung macht's - wie bei Essen.    

Der Symposium-Leiter schloss daraufhin das Rundgespräch - mit einem hörbaren Seufzer der Erleichterung und mit einem dankbaren Blick zu Sokrates hinüber. Die Teilnehmer gingen anschließend ohne Zank und Streit, einige zwar mit einem leisen Gebrumme, aber alle nachdenklich, auseinander.

(Verfasst von discipulus Sokratis, der im Hintergrund dabei saß und sich an andere, selbst miterlebte pädagogische Diskussionen mit festgefahrenen Meinungen erinnerte)

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.05.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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