Christa Astl

Wettersturz





Banale Dinge können, aufmerksam betrachtet, jeden Tag zu einem Ereignis machen.
 
Freitag, 11.5. – ein heißer Tag, wie er im Sommer sein sollte. Ich packe den Rucksack, fahre, nur um etwas kühlen Fahrtwind zu bekommen, mit dem Rad zum Bahnhof, die Wartezeit bis zur Einfahrt des Zuges verbringe ich auf einer schattigen Bank. - -
Meine Endstation, - die Hitze wird durch den neuen Asphalt noch zurückgeworfen, nach fünfzig Metern schon steht mir der Schweiß auf der Stirn. Die Bahnunterführung ist angenehm kühl, doch dann bin ich schonungslos der Sonne, die vom blitzblauen Himmel lacht, ausgeliefert. Ich hoffe auf den leichten Wind, der normalerweise Punkt ein Uhr eingeschaltet wird, - nicht so heute, es ist schon halb zwei!
Auch auf der Innbrücke nur leichte Luftbewegung, ich gehe in Gedanken die Strecke voraus, auf der Suche nach Schatten. Vorerst führt der Weg durchs Dorf, in manchen Kleingärten wird gearbeitet, andere liegen in Mittagsruhe. An der Kirche gehe ich vorbei, den Friedhofsbesuch unterlasse ich heute, möchte so bald wie möglich meinen schweren Rucksack, der heute zu allem Überfluss noch überall drückt, loswerden.
Die Wiesen, die ich nun durchquere, liegen müde in schattenloser Hitze, goldgelbe Hahnenfußblüten unterstreichen diese gefühlsmäßig noch. Die weißen Bälle der Löwenzahnballons warten, wie ich, auf die frische Brise, die Hitze ist drückend. Sogar die Pferde stehen gelangweilt und müde in ihrer Koppel.
Trotz allem habe ich heute einen guten Schritt, sodass ich bald die Brücke über die Autobahn erreiche. Der Aufstieg zur Brücke – unter Bäumen, leider ist das junge Laub noch zu klein um Schatten zu spenden, doch ich hab mich mittlerweile an die Hitze gewöhnt. Der Schweiß, der mir über Gesicht und Rücken rinnt, scheint dazu beizutragen. Die anschließenden fünf Minuten durch den Wald bringen keine Erleichterung, denn es geht bergauf. Und dann noch einmal unter sengender Sonne an Gärten vorbei, deren Mauern, Sträucher und Zäune die Hitze auf der Straße stehen lassen. Bei einem kurzen Tratsch mit einem Nachbarn weiche ich in den Schatten seines Hauses aus.
Endlich – der Schlüssel steckt im Schloss, angenehme Kühle umflutet mich im Haus. Erst mal öffne ich alle Türen und Fenster, um die abgestandene Luft durch neue, frische zu ersetzen, und es zieht.
Eine Tasse Kaffee habe ich mir wohl verdient? Mit ihr pendle ich zwischen heißer Terrasse und kühlem Wohnzimmer, bis ich mich entschließe, den Liegestuhl unter den Baum zu stellen. Zum Arbeiten ist es jetzt viel zu heiß.
Buch, Schreibblock, Bleistift und Kuli, Lesebrille, Sonnenbrille, nicht zu vergessen die Taschentücher als Hilfe gegen die Pollen, suche ich die schattenspendende Grauweide auf. Die Brille auf der Nase, das Buch in der Hand, das allmählich auf den Bauch rutscht, gerate ich bald ins Träumen, Wirklichkeit und Traum winden sich ineinander, ab und zu schrecke ich durch das Geschrei am Wasser spielender Kinder auf, sende den Blick noch leicht verträumt in den weiten Himmel, versuche die Wolkenformen zu deuten, gleite noch einmal in jenseitige Welten.
Ich bin schon mitten im Schatten, als ich endgültig aufwache. Die Sonne hat nicht geschlafen, die Zeit ist vergangen, auch mein Holzplatz hinter dem Haus liegt schon im Kühlen. Ich ziehe mich um, hole Arbeitshandschuhe, Baumschere, Säge, und mache mich ans Werk. Die Uhr zeigt 19 Uhr. Andere machen Feierabend, der Nachbarbalkon leert sich, der Fernsehabend hat begonnen.
Einige Tage vorher habe ich einen Strauch, der vom Schnee ziemlich auseinander gedrückt worden war, abgeschnitten. Ich schneide jetzt die dünnen Laubäste weg, lege sie auf einen Haufen um sie irgendwann zu häckseln. Die dicken Äste beginne ich zu schneiden, uns sofort komme ich wieder ins Schwitzen, ist es wirklich noch so heiß? Nach einer Stunde lasse ich es sein, die Hälfte der Arbeit habe ich, der Rest kommt morgen dran.
Gemütliches Abendessen auf meiner Terrasse, Käse, Brot, ein Glas Rotwein, ich feiere den Abend. Um 21:30 Uhr ist es zu dunkel zum Lesen und ich begebe mich ins Haus.
Der Himmel ist auch um Mitternacht noch sternenklar, die angesagte Kaltfront wird wohl nicht so schnell kommen. Beruhigt gehe ich ins Bett.
Um fünf Uhr weckt mich der Morgengesang der Amseln, ich öffne den Vorhang einen Spalt, - grauer Wolkenhimmel ist schon zu erkennen. Einen Sonnenaufgang in den Bergen erlebe ich nicht, so schlafe ich noch eine Runde. Als ich um acht Uhr doch endlich aufstehe, ist es immer noch grau, und dann erkenne ich dass es bereits in der Nacht geregnet haben muss, das Terrassenholz ist nass. Ein gutes Frühstück stärkt mich für den Tag. ich überlege, was ich je nach Wetter machen könnte; soll ich Brot backen? Als erstes müsste ich einkaufen. Draußen ist es schwül, als ich die Schuhe anhabe und den Schirm eingepackt, beginnt es zu regnen, nicht stark, aber in einer Viertelstunde bis zum Geschäft würde ich doch nass, denn nun kommt auch Wind auf.
Ich knete inzwischen den Brotteig. Der Regen wird stärker, schwächer, stärker, der Wind wir stärker, stärker, stärker, er saust und braust ums Haus. Das Thermometer zeigt elf Grad, ab Abend vorher um 22 Uhr waren es noch zweiundzwanzig!
Der Wind erreicht fast Sturmstärke, rüttelt an allem, was er nicht mitnehmen kann, peitscht den Regen an die Scheiben, - und die hätte ich heute putzen wollen – er zerzaust mir die Haare, als ich kurz den Kopf hinaus strecke. Da kann ich Schuhe und Einkaufsrucksack verräumen, bei diesem nassen Wetter geht keine Katze, der ich mich im Moment sehr ähnlich fühle, hinaus.
Die Fenster und Türen bleiben geschlossen, ich zehre von der gestrigen Hitze, die sich als angenehme Wärme in meinem Haus niedergelassen hat. Die Eisheiligen dürfen sich draußen austoben!
 
 
ChA 12.05.12

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.05.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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