Theresa Lippok

Rot auf grün

Gleich geht es los. Gleich, gleich bin ich dran. Ich in meinem grünen Kleid. Grün wie die Hoffnung. Grün passt. Mein Kopf platzt fast vor Gedanken. Eine Parade von Fragen und möglichen Situationen zieht durch mich hindurch. Ich stehe in der Garderobe und versuche nicht zu weinen. Wenn ich das Make Up ruiniere, ist alles aus! Ich schleiche mich raus und schaue heimlich zur Bühne. Es sind noch 4 Sänger vor mir, dann bin ich dran. Wer sitzt im Publikum? Egal, nur eins ist wichtig. Er darf nicht da sein! Wenn er da ist, schaffe ich das nicht!
Wieso gerade jetzt? Wieso fällt mir das hier so schwer? Dies soll doch einer der schönsten Tage meines Lebens werden, doch es passt nicht! Nicht jetzt! Es darf nicht noch einmal passieren. Manchmal weiß ich genau was geschah und dass es unverzeihlich war. Manchmal denke ich es war ein böser Traum. Nur darf das nicht diese Chance zerstören. Ich muss mich konzentrieren aber meine Gedanken sind weder bei meinem Song noch bei meiner Choreographie. Ich kann nur noch an das Geschehene denken. Bitte sei heute nicht da!
Ich höre die Sängerin, die jetzt auf der Bühne steht. Wieder das Gefühl von damals in mir, nur nicht so stark. Wieso bin ich nur so eifersüchtig? Obwohl ich jetzt eine andere Stimme höre, sehe ich das Mädchen von damals klar vor mir. Ich sehe, wie die beiden da standen und so wunderbar harmonierten. Er und sie. Das konnte ich nicht ertragen. Du durftest keine andere „Sie“ an deiner Seite haben.
Das Lied ist zu ende. Der nächste Sänger betritt die Bühne. Die Sängerin kommt nach hinten. Ich lächele sie an und lobe sie. Wie falsch ich doch bin. Mein Lächeln gleicht den Blüten einer Rose, als ob sie damit ihre Dornen verbergen will. Doch meine Blüten sind grün. Grün passt. Er ist der einzige, der die Dornen gefunden hatte. Und dennoch mochtest du mich. Bis es geschah.
Der Manager betritt den Raum um mit einigen Sängern noch etwas zu klären. Ich sehe wie er die Sängerin lobt, sehe zur Bühne und sehe auf mein Kleid. Grün passt nicht mehr.
Nur noch ein Sänger vor mir. Ich versuche meinen Text durch zu gehen, doch meine Gedanken lassen es nicht zu. Ein Lied über Hoffnung muss ich singen. Ja, Hoffnung hatte ich mal. Hoffnung auf eine großartige Zukunft. Hoffnung auf ein Leben mit ihm. Doch er wollte nur sie. Sie. Wieso sie? Sie war so dumm. Sie vertraute mir. Sie hielt mich für eine Freundin. Sie ging mit mir alleine weg. Wie dumm sie doch war. Und ich trug grün. Grün passte.
Nun ist der letzte Sänger vor mir fast fertig. Ich spüre, wie ein Funken Hoffnung auf eine gute Show in mir erwacht. Mein Solo! Tatsächlich kann ich mich doch noch auf meinen Text konzentrieren. Der Manager nähert sich mir, die Sängerin steht neben ihm. Er meint, sie war so gut, dass sie jetzt ein Duett mit mir singen soll. Das Duett was wir mal geprobt haben. Ich lächele und nicke und versuche nicht zu schreien. Wir sind dran. Ich fühle mich wie damals. Der Manager soll keine andere Sängerin gut finden! Plötzlich sieht er aus wie du.
Wir stehen auf der Bühne. Die Musik beginnt. Sie fängt an zu singen und klingt dabei so schön. Zu schön. Wie damals. Ich steige ein und versuche auch schön zu klingen. Doch meine Konzentration ist weg. Ich sehe sie neben mir stehen, doch welche sie? Ich höre zwei Stimmen. Ich sehe sie beide. Ich will das nicht! Geht weg! Ich greife den Mikrophonständer und schlage zu. Nun höre ich Schreie. Erst ihre, dann viele, doch das interessiert mich nicht. Ich schlage weiter auf sie ein. Ich spüre ihr Blut auf meinem Körper. Rot auf grün. Geht weg! Alle! Ich will doch nur bei ihm sein! Ich will doch nur die einzige sein, die zählt!
Es passiert genau wie damals. Wie dumm ihr doch wart mir zu vertrauen.
Ich sehe ins Publikum, ich sehe zum Manager und ich sehe auf mein Kleid. Rote Flecken auf grün. Grün passt nie wieder.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.05.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Wie herbstlich wird die Dämmerung,
wie gläsern ihrer Lüfte Kühle,
die Schatten liegen auf dem ›Grün‹
und rufen leis’ »Auf Wiederseh’n!«

Der Sommer sagt: »Adieu, macht’s gut,
ich komme wieder nächstes Jahr!«
Entflammt noch einmal mit aller Macht
den ganzen Horizont mit seinen bunten Farben!

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