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Das Musikill , oder wie das Theater seine Zuschauer frißt
TEIL 2
VIII.
Das Licht im Saal erlischt . Es herrscht atemlose Stille . Gelegentlich wird sie unterbrochen von Husten , Räuspern und dem Gegacker von Hühnern . Ein Mann in den vorderen Reihen , der ungeschickt an einem viel zu großen Bissen von seinem HÜHNER-EGON Snack würgt und ganz blau im Gesicht dabei wird , verärgert den einen oder anderen in dem vor Spannung knisternde Theater und erntet mehr als nur tadelnde Blicke . Natürlich rührt sich keine Hand dem Vielfraß zu helfen .
Der Kapellmeister wiederum , auf das Äußerste gespannt und bereit den Stock zu schwingen , zuckt zusammen und dreht sich verängstigt zum Publikum um . Er , der er fest an die Existenz von gräßlichen Monstern , zur nächtlichen Schlafenszeit , unter seinem Bett glaubt ( die es tatsächlich auch gibt und die danach gieren den Kapellmeister endlich in einem Stück zu verschlingen , jedoch noch von einem uralten Bannfluch , ausgesprochen von einer den männlichen Mitgliedern der Familie des Kapellmeister , aus einem Spleen heraus , wohlgesonnen Hexenmeisterin , zurück gehalten werden ) , entdeckt aber nichts weiter Bedrohliches und gibt seinen Musikern im Orchestergraben das Zeichen zum Einsatz . Über eine schmissige Kurzversion von Ravels Bolero , kommt das Orchester zu einem sehr angejazzten Arrangement von Carmina Burana , das wiederum geschickt abgelöst wird von einem , ausschließlich den Oboen vorbehaltenen , alle künstlerischen Freiheiten auslotenden , Re-Mix des Tatort-Jingles .
Währenddessen krabbeln alle möglichen Variationen der französischen Marianne unter dem Vorhang hervor . Ohhs und Aahhs rufen diese burlesken Gestalten unter dem Publikum hervor . Große Mariannen und kleine Mariannen . Dicke , dünne , spindeldürre , Einbeinige mit Krücken , Bucklige mit drei Busen , olàlà !!! Mariannen im Rollstuhl , ohne Luft in den Reifen . Extrem fettleibige Mariannen . Mariannen als Siamesische Zwillinge , am Unterleib zusammengewachsen . Der Generalintendant in seiner Loge schnalzt mit der Zunge , lächelt süffisant und freut sich der Normativen Kraft des Faktischen .
Mariannen stehen da mit blonden kurzen Haaren , mit brünetten Hochsteckfrisuren , Rastalocken , gegeelten Bubiköpfen oder Dauerwelle , Typ Hausfrau 50ger Jahre . Mal mit üppigen Vorbau , mal ohne , aber alle , ausnahmslos alle mit respektablen Nippeln . Auf dies Auswahlkriterium hatte der Generalintendant sein ganz persönliches Hauptaugenmerk gerichtet , während den vielen Auditions in den schummrigen Table Dance Bars , wo ein fetthaariges , bierseliges Publikum über die Kandidatinnen abgestimmt hatte .
Alle Mariannen sind in einem einheitlichen , die rechte Brustseite unbedeckt lassenden , hautengen Stretch - Kampfdress gekleidet , der mit Portraits von berühmten Kämpfern der World Wrestling League bedruckt ist . Nur ein paar Mausklicks waren dafür von Nöten gewesen und schon hatte man die herrlichsten Motive aus dem Online-Shop der World Wrestling League , für schmales Geld , herunterladen und zum Bedrucken der Textilien nutzen können .
In den Händen halten die Mariannen Kinderschwerter aus Gummi und blankgeputzte Blechmusketen , die um die Ecke schiessen können . Die Köpfe der Mariannen bedecken äußerst lustige Schlumpfmützen. Selbstverständlich bepflastert mit den Werbestickern von HÜHNER-EGON . Nach einigen unbeholfenen , sehr unkoordiniert ablaufenden , tapsigen Balletteinlagen , fängt jede einzelne von ihnen , nach dem Grundmotiv der Marseillaise , Walgesänge an zu intonieren .
Kaum begonnen , schon beenden , den jäh wird ihr Gesang von einem lautstark ausgetragenen Streit hinter der Bühne unterbrochen . Deutlich hört man Geschrei von mehreren Personen . Deftige Kraftausdrücke werden ausgetauscht , dann hört man Schläge klatschen und Männer keuchen .
Plötzlich fliegt ein Anzugträger durch den Vorhang und rutscht bewußtlos über die Bühne . Durch die Bremskraft des Bühnenbodens wird nach und nach seine Bewegungsenergie absorbiert . Schließlich , die Arme weit vom Körper abgespreizt , kippt er , wie in Zeitlupe , über den Bühnenrand in den Orchestergraben .
Die Musiker zucken zusammen , rücken verstört auseinander mit ihren Stühlen und schauen auf den Kapellmeister . Der hat schon wieder Angstwallungen und blickt fragend hoch in die Loge des Generalintendanten . Dieser wiederum stemmt sich etwas aus seiner Schubkarre hoch um besser auf die Bühne überblicken zu können . Er erkennt in dem wie eine zerbrochene Puppe daliegenden Mann , den Finanzvorstand der Theater GmbH . Ein frecher Korinthenkacker , der ihm schon lange mit seinem ständigen Gejammer um das Budget auf die Nerven gefallen ist . Dabei hatte der Generalintendant , um der angemahnten Einhaltung der Frauenquote Genüge zu tun , der Einstellung einer neuen Toilettenfrau auf Umsatzbasis zugestimmt . Aber das hatte dem Finanzvorstand auch wieder nicht gepasst . Recht geschieht ihm nun .
Der Generalintendant will gerade sein Walkie-Talkie aktivieren und den Musikern den Befehl geben dem Mann noch ein paar feste Tritte zu verabreichen , als ein anderer Mann im Blaumann eines Handwerkers auf die Bühne stolpert . Der Generalintendant lehnt sich wieder zurück . Warum nicht , denkt er , gibt seiner Allegorie vielleicht noch den nötigen Pepp und alle könnten denken , daß dieser Zwischenfall Kind seiner Genialität gewesen wäre .
Es ist ein Handwerker , der mittlerweile im Brennpunkt von mehreren Scheinwerfern steht , Desorientiert und geblendet dreht er sich im Kreise . Dann stoppt er . Er dreht sich zum Publikum und wischt sich mit dem Handrücken etwas Blut aus dem Gesicht . Die Lichtbündel folgen ihm bei jedem Schritt . Er setzt sich etwas schwerfällig an den Rand der Bühne und atmet einmal tief durch .
>> Gut !<< , sagt er ,>> Dann habe ich das wohl erstmal verpatzt . Ist ja auch egal , weil ist sowieso mein letzter Tag hier . Aber verarschen lassen brauch ich mich nun doch wirklich nicht , oder !?! Dieser Typ da ..<< er zeigt mit der Hand auf den noch bewußlosen Mann im Orchestergraben , dem gerade Mitglieder des schlecht entlohnten Musikerensembles Schuhe , Socken , Hemd und Hose stehlen , >> den Typ da , hab ich es aber mal richtig gezeigt ! Also , die Keilerei war wirklich nicht beabsichtigt , Leute , aber so geht es eben auch nicht . Bin ja sonst ganz friedlich , fragen Sie ruhig meine Freunde aus meiner Stammkneipe . Wird sich keiner finden , der das Gegenteil behaupten könnte . Ehrlich ! Wollt nur meine Kohle abholen , bin nämlich Handwerker , was Sie sich schon gedacht haben werden . Hab hier im Haus mit meiner kleinen Firma die gesamten sanitären Einrichtungen installiert – eine Schweinearbeit , kann ich Ihnen sagen .
Kleiner Abschlag und viel in Vorkasse gehen – wie üblich . Und nun wollte ich meinen Scheck ! Aber was macht der Hundsfott ? ( zeigt wieder auf den Mann ) Hält mir ein Bündel Baugutachten vor die Nase , basierend , wie er sagte , auf Einsteins Relativitätstheorie und angeblich soll durch eine angeblich unsachgemäße Installierung der Pissoirs ein Loch im Raum-Zeitkontinuum entstehen können , welches dazu führen könnte , daß die Gäste des Theaters sich selbst beim Pinkeln begegnen und über die Schuhe nässen könnten . Versicherungstechnisch einfach nicht tragbar , sagt der Bauherr .
Jedenfalls all solch ein Schnickschnack , erstellt und attestiert von , was weiss ich für welchen , öffentlich bestellten und diplomierten Wegelagerern aus der Handelskammer , weshalb mir nur noch sieben Prozent der vereinbarten Summe ausgezahlt werden könnte , im Vorgriff auf alle möglichen zukünftige Schäden bis ans Ende aller Zeiten .
Nun Ja , da hab ich ihm eben die Fresse poliert , oder was hätten Sie getan , meine Damen und Herren !?! ( der Mann der Frau , der interessiert zugehört hat auf seinem Stuhl , zollt den Leuten der Handelskammer innerlich seinen Respekt . Saubere Arbeit von echten Profis . Nur zu der Frage der labilen Persönlichkeiten von Handwerkern , müßte man sich ein griffiges Sicherheitskonzept einfallen lassen . Darüber nachdenken und erstmal einen neuen Drops lutschen )
Gut , finden Sie nicht gut , was ich gemacht habe , ist auch OK , aber irgendwann ist nun mal Schluß . Werd jetzt meine Pinkelbecken und den restlichen Kram wieder höchstpersönlich abbauen – und da sollte mir wirklich keiner in die Quere kommen !!!! ( will sich erheben , überlegt es sich aber plötzlich anders ) Mmmhh , aber wenn ich schon mal hier bin , dann kann ich Ihnen ja auch mal meine Sicht der Dinge auf dieser Welt erzählen . Nicht das Sie glauben ich will mich in den Vordergrund drängen , Nein , Nein , beileibe nicht . Aber macht ihr häßlichen Vogelscheuchen da unten euch mal Gedanken überhaupt über irgendwas ??? … Also , ich , zum Beispiel , finde , daß ….. <<
IX .
Schräg links am Rang , von den Zuschauern aus gesehen , in der Loge des Generalintendanten , herrscht unter seinen Kreaturen helle Aufregung . Gegenseitig versuchen sie sich vom Ohr , des reglos in seiner Schubkarre Erstarrten , zu verdrängen , um ihn mit immer neuen , sich weiter überbietenden , Vorschlägen zur Lösung der vermeintlich eingetretenen Krise zu schmeicheln .
>> Herr Generalintendant , Herr Generalintendant ( sehr , sehr lispelnd , aber das liegt an dem natürlichen Sprachfehler ) , das gleich zu Beginn der Vorstellung , eine Katastrophe , plädiere hiermit für den Finalen Rettungsschuss !!!<<
>> Geh doch nur weg , du dummer August ! Denkst du den gar nicht an die rechtlichen Komplikationen von unautorisierten Schusswaffengebrauch nach 20:00 Uhr ?? Der Innere-Aufruhr-Paragraph des StGb hält so viele andere herrliche Möglichkeiten bereit !!<<
Der Generalintendant wacht aus seiner sinnierenden Melancholie , die ihn beim Anblick dieses kräftigen Handwerkers überkommen hat und von der Tante Hildegard nie und nimmer etwas erfahren durfte , auf . Er sieht nur die Köpfe seiner Hofschranzen über ihn zusammensteckend . Er sieht ihre Münder sich bewegen , aber er versteht den Sinn ihrer Worte nicht . Mit einer kräftigen Handbewegung schleudert er feuchtwarmen Torf in ihre Gesichter und schwingt seinen Spazierstock im Kreise .
Die Angestellten aus dem öffentlichen Dienst kreischen auf und spritzen wie Kakerlaken in alle Richtungen auseinander . Ein paar verkriechen sich unter die breiten Sofas in der Loge des Generalintendanten , wo der Oberbürgermeister , nebst Gattin , Töchtern , Freunden der Töchter , Nichten und Schulkameraden der Nichten , Schwippschwager des Bürgermeisters und Kegelbrüder des Stiefonkels , als die persönlichen Gäste des Generalintendanten weilen und auf seine Kosten bechern ,was das Zeug hält. Ein paar andere Schranzen flitzen die schweren Vorhänge hoch und verkriechen sich in den hintersten Ritzen der Loge des Generalintendanten , wo sie nur noch ein geübtes Auge zu entdecken vermocht hätte .
>> Was versteht ihr schon von Kunst , ihr dummes Vieh ? << , schreit der Generalintendant den Flüchtenden hinterher , >> Ihr denkt nur an eure Vorteile und Privilegien ! Daran wie ihr ständig auf Kosten der Stadtkasse die nächsten Jahrzehnte überstehen möget und vielleicht höchstens noch an den Folikelsprung eurer Weibchen !! … Von Kunst jedoch , das steht eindeutig fest , habt ihr nicht die geringste Ahnung . Merkt den niemand , wie gut dieser Mann da unten ist ( der silberne Knauf seines Spazierstockes zeigt auf Handwerker am Bühnenrand ) !!! … Ein echtes Naturtalent , den Kerl muß man ausreden lassen , egal wie lange es dauert . Klar ?!? … Danach , meinetwegen , die übliche Behandlung in meinem Privatzwinger . << Der Generalintendant winkt einen Bediensteten heran . >> Schnell , bring mal deinem alten Chef seine Ukulele aus seinem Büro , ich hab da so eine Idee !<<
X.
>> …. Ja , sicherlich , ich komm viel rum und sehe vieles . Bin ja schließlich Handwerker , da erlebt man so einiges . Hat man auch viel Zeit über vieles nachzudenken . Gerade in meiner Sparte . Hat den einer von Ihnen jemals überlegt , was mit den bundesweit vielen , vielen Tonnen an belasteten , möglicherweise sogar hochtoxischen Abfällen an mit Chemie vollgesogenen Fussnägeln und Hornhäuten passiert ? Dazu kommt , dem Zeitgeist volatiler Moden geschuldet , buschwaldweise gerodete Intimbehaarung , proppenvoll mit unaussprechlichen Dingen , die einfach in den normalen Hausmüll , oder in die Kanalisation entsorgt werden ? …. Ja , was passiert eigentlich damit ?? …. ( der Handwerker breitet die Arme zu großen Geste aus und starrt einzelnen Besuchern direkt ins Gesicht , die ertragen seinen Blick nicht und halten die Hände vor die Augen ) …. Alles voll , voll, voll mit chemischen-biologischen Kampfstoffen aus der sogenannten Körperhygienindustrie . Von offen siedelnden , oder auch verkapselten multiresistenten Bakterien überall auf dem entsorgten organischen Gewebe , möchte man lieber nicht reden . Das wird totgeschwiegen von interessierter Seite . Aber dennoch tickt eine Zeitbombe . Bloss will es keiner wissen !! ( eine der Mariannen reicht dem Handwerker ein Glas Wasser , der lächelt sie dankbar an und trinkt das Glas in einem Zug aus ) … Ahhh , herrlich , das hatte ich gerade nötig ! …. Wie ich auf solche Gedanken komme , mag sich der eine oder andere unter Ihnen jetzt fragen . Weiß ich selber nicht genau . Vielleicht hat der tragische Verlust meiner Katze vor ein paar Jahren mich genetisch verändert .
Ich fing an zu grübeln . Je mehr ich grübelte , desto Klarer wurden die Dinge für mich . Meine Augen öffneten sich . Erst spielte ich mit dem Gedanken ein Buch zu schreiben . Über den Mangel an Lust in unser übersexualisierten Gesellschaft vielleicht . Oder vielleicht auch über ungerechte Löhne in einem ungerechten Gesellschaftssystem . Ich wußte es einfach nicht genau . Vielleicht auch die Chronik meines ungelebten Lebens als Graphik Novel auf Strichmännchenbasis veröffentlichen . Ich wußte es einfach nicht . Also ließ ich es einfach sein und dachte für mich alleine weiter in meinem stillen Kämmerlein ( der Handwerker streckt sich und gähnt laut , währenddessen die Mariannen um ihn herum Seegrass in der sanften karibischen Strömung imitieren ) … Gottchen , Nee , bin ich müde gerade , war ja auch ein langer , turbulenter Tag … , was ich aber noch unbedingt sagen möchte …. <<<
XI.
Der eine der beiden Milizmänner . Die immer noch auf ihren Einsatz warten , zuckt mit den Schultern angesichts des Treibens da unten auf der Bühne . Leise schließt er die Tür und geht . Eigentlich kann er kaum glauben , was da vor sich geht . Auf Abweichungen , verrückte Dinge abseits des Mainstreams waren ja alle eingestellt , doch so dicht nach Beginn der eigentlichen Vorstellung solch einen gravierenden Einschnitt in die Dramaturgie , kann er nicht verstehen . Irgendwie schüttelt es ihn und fast schon körperlich kann er die aufziehende Apokalypse spüren . Mißmutig steckt er die Hände in die Hosentaschen und geht zu seinem Kollegen zurück , der auf einem Fensterbrett hockt und wie gebannt in seinen Flatscreensublimierer starrt .
>> Hey , Hey , Hey << , sagt der Milizmann und stupst seinen Kollegen an , >> interessiert dich gar nicht , was da drinnen passiert ?<<
>> Nö !<< , antwortet dieser , ohne seinen Bildschirm auch nur einen Augenblick aus den Augen zu lassen , >> geht mir völlig am Arsch vorbei . Mich wundert in diesem Saftladen gar nichts mehr . Für mich steht jedenfalls fest . Beim Film wäre so etwas garantiert nicht passiert , oder was meinst du !?!<<
>> Ja , schon möglich . In der künstlerischen Freiheit des Stückes , liegt doch aber der elementare Unterschied zum Film . Diese elektrisierende Spannung die dadurch erzeugt wird , das Überraschungsmoment . Eine Rechnung mit mehr als nur einen Unbekannten , die nicht später im Schneideraum korrigiert werden kann . Die unmittelbare Tuchfühlung aller mit allen zum rauen Liveerlebniss allgemein . Jetzt oder nie , lautet das Motto , findest du nicht ?<<
>> Mmmh , weiss nicht <<
Der Milizmann verspürt auf einmal den Drang seinen Kollegen blitzartig von Fensterbrett zu zerren und auf seinem Gesicht herumzutrampeln . Diese freche Oberflächlichkeit der Komparserie vom Film hatte ihn immer schon zur Weissglut treiben können . Keinen Sinn für die Kunst , nur der stiere Blick auf das Geld . Klappe , Action , Cut ! Er wendet sich jedoch ab und schluckt seinen Ärger herunter . Da noch Platz auf den Fensterbett ist , macht er es sich am anderen Ende bequem .Aus einer Brusttasche fingert er eine prallvolle Tüte mit Hühnerbrühenkonzentrat . Ein kurzer Ruck und die Tüte reißt auf . Der Milizmann schüttet sich den Inhalt auf seine geöffnete Handfläche . Dann leckt er sie genüßlich mit der Zunge auf . In seiner Mundhöhle verbindet sich die dehydrierte Hühnerbrühe schnell mit seinem Speichel und dehnt sich auf ein vielfaches ihres ursprünglichen Volumens zu einem Klumpen von unbestimmter Konsistenz aus . Bevor dieser zu groß wird , schluckt der Milizmann schnell den Klumpen hinunter . Im Magen selber dehnt sich dieser weiter aus und gaukelt dem Konsument ein sofortiges Sättigungsgefühl vor . Der Milizmann reibt sich zufrieden den Bauch und wirft einen Blick nach draußen auf den Theaterplatz .
Nach den vorhergehenden Unruhen , sind jetzt die Aufräumarbeiten fast beendet . Der Kordon der Milizmänner steht nach wie vor . Ein Teil von ihnen ist jetzt damit beschäftig den Pflaster aufzureissen und eine Mauer zu errichten . Ein anderer Teil hat seine Gewehre zu Pyramiden zusammengestellt und unterhält sich mit den Leuten vom berittenen HÜHNER-EGON Werkschutz , die abgesattelt haben und ihren Gäulen Säcke mit Nahrungspulver , von grob zerriebenen , radioaktiven Hühnerinnereien der Gefahrenkategorie D , um die Mäuler gehängt haben .
Was jetzt niemand ahnen kann ist , daß mit jedem Gramm mehr das die Pferde von diesem Pulver naschen , sich zusehends die Struktur ihrer Doppelhelix verändert , was ihre vierbeinigen Nachkommen , oder von denjenigen Menschen , die auf billiges Pferdefleisch aus illegalen Abdeckereien , möglichst sieben Mal die Woche , schwören , zu einem nicht allzufernen Zeitpunkt , zu blutgierigen , halbintelligenten Zombies mutieren lassen wird , die einen unstillbaren Appetit auf menschliche Augäpfel mit poppigen Kontaktlinsen entwickeln werden .
Dementsprechend groß wird dann natürlich wiedereinmal das Geschrei der üblichen Experten sein und die Bundesregierung wird zur Beruhigung der Lage zum X-ten Mal eine parteiübergreifende Task Force einsetzen , bevor das Phänomen , mit Beginn der Heizperiode , wieder von alleine verschwinden wird . Plötzlich weiten sich die Augen des Milizmannes unerhört und er reibt seine Nase an der Fensterscheibe . Aufgeregt zupft er seinen Kollegen am Hosenbein.
>>Uuhhhh ! “ <<, stößt er hervor und zupft heftiger ,>>“ Da gibt`s doch gar nicht !!! Schau mal schnell raus - das darf doch nicht wahr sein !!! ….. Uuhhhuhu ….. OiOiOi …. , da treiben es Zwei unmittelbar hier vorne auf den Stufen des Theaters , ….. , aber , aber , …. , Junge , Junge , die gehen ja ab !!!<<
Sein Kollege blickt von seinem Flatscreensublimierer ungehalten auf . Seine Augen sind in Trance , weil ein nordkoreanischer Controller gerade eine Sofwareaktualisierung in seinem Gehirn vornimmt , als er sich umblickt .
>>Was ,was,was ? Wie ? Wo ? Was ? ….. Menschenskinder , ausgerechnet jetzt , wo dieser einschlägig vorbestrafte Kinderschänder drauf und dran ist , in der letzten Runde des Privatsprech-Ratequiz von PROL 8, den Jackpot abzuräumen ! … Was sagst Du , wer treibt`s mit wem wo ??? …. Himmel nochmal , jetzt seh ich es auch !!! Teufel,Teufel, hat die überhaupt noch einen Kopf , so schnell bewegt die sich , das geht doch eigentlich gar nicht . Und der Typ platzt Ja gleich , ….. , Hi,Hi , ….. !!!<< In diesem Moment ist er dem Controller für einige Augenblicke entglitten , was bei ihm zu Stirnrunzeln und wilden Flüchen führt , die sich erst verflüchtigen , als er sich den gesalbten , schneeweissen , wohlgenährten Leib des Großen geliebten Anführers komplett nackt vorstellt .
XII.
Währenddessen der Handwerker auf der Bühne , durchaus amüsant und anregend , seinen Anregungen freien Lauf läßt , erklimmt an der Seite der Bühne eine Dame , mühsam und keuchend , die Bühne . Ihr an den Hüften Scheunentor breites , Stahlstreben verstärktes , Kleid , zwingt Sie zum vorsichtiges lavieren , denn die Fortbewegung in dem Kleid erfordert ein gewisses Geschick . Sie geht auf den Handwerker zu und dreht sich zu ihm hin . In dem Augenblick erwischt ihr mitschwingendes Kleid den Mann aus dem Graben , bei dem Versuch wieder die Bühne hochzukrabbeln , voll am Kopf und schickt ihn auf ein Neues in das Reich der Träume . Er fällt wieder mitten unter die Musiker im Orchestergraben . Der Kapellmeister weiß nicht mehr weiter und wirft einen verzweifelten Blick nach dem anderen hoch in die Loge des Generalintendanten . Dem freut es einen neuerlichen Akt des Dekonstruktivismus beiwohnen zu können .
Die Dame überreicht dem Handwerker eine einzelne Rose und strahlt über das ganze Gesicht . Sie deutet einen kleinen Knicks an und zieht sich wieder zurück an den Rand der Bühne . Der Handwerker , jetzt richtig in Fahrt , ist erst überrascht und haucht der Dame dann einen Kuß hinüber .
“ Ohh , vielen Dank ! Dankeschön und Recht herzlichen Dank für dieses wunderschöne Produkt der Natur !! Ich verspreche Ihnen auch , daß sie später in meiner Biotonne einen würdigen Platz der Ruhe finden wird , wo ihr verrottender Körper dann für viele neues Leben sorgen kann ! Danke nochmal !!! …. Gut , also ich bin bestimmt nicht der Klügste , Schule war nicht unbedingt so mein Ding , meine Damen und Herren . Alles sehr belastend für mich gewesen , damals !
Harte Jahre ! Alles kann man ja nicht verstehen , was so auf der Welt los ist . Bin Ja auch nur ein kleines Licht , aber vielleicht bin ich nun irgendwie ausersehen der schweigenden Mehrheit eine Stimme zu geben . Deshalb jetzt mal direkt an Sie , meine Damen und Herren , eine Frage von größter Brisanz für die unmittelbare Zukunft . Warum zum Teufel nochmal , werden , angesichts des zunehmende Demoskopischen Wandels in diesem Land nicht endlich staatliche Bumsprämien für Jugendliche im geschlechtsreifen Alter von den zuständigen Ministerium ausgelobt ? Der Vergreisung muß doch endlich Einhalt geboten werden . In wenigen Jahrzehnten stehen wir vor einem Millionenheer von Altersarmut gebeutelter Rentner , die sich es nicht mehr werden leisten können Hollywood-Blockbuster , auf DVD- Gamma Ray , auszuleihen und ihren Enkeln die Kartoffelchips klauen müssen . Deshalb ist Eins jetzt völlig Klar : 20jährige Frauen müssen wieder 8 Kinder haben , 20jährige Jungs müssen organisiert ihren Mann in Schwerpunktgebieten , verteilt über das ganze Bundesgebiet , stehen . Gut dann fällt , diese Generation erstmal aus , aber ihre Früchte werden in wenigen Jahrzehnten dieses Land ganz Groß machen . ( Zustimmendes Murmeln unter den Besuchern . Eine Initialzündung erfolgt , nach dem eben Gehörten , in dem Gehirn eines zufällig anwesenden , aufstrebenden Provinzpolitikers , den man so ziemlich alles vorwerfen könnte nur Eins nicht : mangelnden Ehrgeiz ) …. Oder , da kommt mir noch ein solch unkonventioneller Gedanke ( der Handwerker zielt mit der Rose auf das Publikum , einige Blätter fallen ab ) Kann sich irgendjemand von Ihnen vorstellen , wie schädlich der PKW-Individualverkehr für die einheimische und natürliche jedwede Insektenpopulation weltweit ist ? … Nein … ? Gut , überlegen Sie sich doch mal , wie Ihre Windschutzscheiben und der Kühlergrill nach nur einer mittelprächtigen Überlandfahrt aussehen ! Naa?... Klar , klebrig feucht , übersät von zermalmten Insekten aller Art . Das wiederum multipliziert mit soundsoviel Millionen Fahrzeugen , mal soundsoviel Millionen Fahrten , ergibt soundsoviel Trilliarden unnütz verschwendeter Insekten – jeden verfluchten einzelnen Tag .
Können wir uns da denn Leisten ? Und ich spreche nicht von der gedankenlosen Vernichtung einer zukünftig immer wichtig werdenden Eiweißquelle für die menschliche Ernährung . Nein , denken Sie einmal auch an die Bestäubung von Nutzpflanzen , Plötzlich wird alles tot sein , die Erde wird sich biegen unter den Tonnen toten Fleisches , welches sie bedecken wird und nicht von eifrigen , sechsfüssigen Aasfressern beseitigt werden wird .
Oh Wehh !!! Ja , Ja , aber dann ist es zu spät !! Ja , schaut`s doch nicht so belämmert drein ( was in der Tat der eine oder andere Besucher auch tat , aber nicht weil sie sich betroffen oder so gefühlt hätten , sondern weil die anfängliche seichte Sympathie für den amüsanten Aussenseiter , jetzt in blanken Hass auf den vermeintlichen kommunistischen Mordbrenner umgeschlagen ist ) ….. ( ganz gro0er Pathos des Handwerkers , fühlt sich jetzt am Anfang einer messianischen Mission ) … Denn es stand geschrieben , ihr sollt nicht verschließen eure Augen mit der Ray Ban , Lichtschutzfaktor 54 ….. <<
Unvermittelt schallt Musik aus der Loge des Generalintendanten . Es scheppert , leiert und quietscht . Aufgrund der schlechten Qualität ist nicht genau zu hören , welches Stück gerade dargeboten wird . Alle Köpfe drehen sich automatisch nach oben , womit ihnen entgeht , wie vier sehr kräftige Hühner-Hugo Werkschutzleute auf die Bühnen sprinten und den Handwerker blitzschnell in einen Würgegriff nehmen und brutal von der Bühnen zerren . Die Mariannen sagen zum Abschied leise Servus .
Einer von den Werkschutzmännern kehrt noch einmal kurz zurück und zertritt die zurückgebliebene Rose am Bühnenrand . Der Vorhang beginnt sich langsam zu heben .
Dem Generalintendanten ficht das alles nicht an . Er wuchtet sich aus der Schubkarre und erklimmt das Geländer , wo er breitbeinig und wacklig seiner Ukulele mit atemberaubenden Riffs bearbeitet .
>> Wollt Ihr Krieg , oder den Frieden ? << schreit er das Publikum an , >> Überlegt es euch genau , denn dies ist hier ein ganz besonderer Mensch !!<<
Dann versucht er unbeholfen seine Hüften kreisen zu lassen und fällt in einen jaulenden Gesang :
>> Every night I pray to the stars up above – why must I be a teenager in Love ? <<
XIII.
Der Vorhang der Bühne ist nun völlig hochgezogen , wobei einige Mariannen sich darin verheddert haben und jetzt in luftiger Höhe hin und her zappeln . Der Blick geht auf ein , gelinde gesagt , gewöhnungsbedürftiges Bühnenbild , in dessen Mittelpunkt ein Schafott mit Fallbeil aus roh gezimmerten Balken steht . Viele tausend bunten Lämpchen winden sich girlandenförmig um seine Konstruktion . Ein Lastenkorb endet am Fuße des Fallbeils . Die vordere Front des Schafotts nimmt die digitale Anzeige eines Zahlenzufallsgenerators ein . Auf der Richtstätte selber stehen einige , lieblos abgelegte , große Kisten und Kartons einer internationalen Speditionsfirma kreuz und quer herum , freundlich präsentiert von dem Spezialisten für Oversea Deliveries : FedUp .
Hinter und an den Seiten des Schafotts stehen einzelne Holzwände auf den großflächig Photos von mittelalterlich anmutenden Gassen aufgeklebt sind . Dazwischen ein Haufen übereinander getürmter Sperrmüll . Ein Pflastersteintürmchen , ein paar Bohlen und ein leeres Holzfass , was eine höchst unprofessionell errichtete Barrikade andeuten soll neben der eine bunte Zirkuskanone in Pop Art Farben steht . Über allem schwebt ein Hochtrapez . Jeweils Links und Rechts am Rande der Bühne münden Showtreppen . Davor noch ein leerer Kaffeehaustisch mit zwei Stühlen rundet das Bild ab. Was der im Hintergrund , im Dämmerlicht stehende , mattschwarze , tumrhohe Monolith bedeuten soll , erschließt sich auf Anhieb allerdings niemanden .
Der Kapellmeister hebt den Taktstock , räuspert sich einmal laut und vernehmlich um die Aufmerksamkeit seiner Musiker zu erlangen . Widerwillig stellen einige Bläser ihre hitzige Diskussion , über den Sinn und Unsinn des Freeejazz deutscher Provenienz und inwieweit er noch Einfluß ausübt auf die heutigen Jugendkulturen , ein . Und schon geht es los .
Eine fesche Heidewitzer Dragonerpolka begleitet den Marsch von einem , in Reih und Glied marschierenden , Showgirleliteverband die Treppen herunter , während die Mariannen von der heranrollenden langbeinigen Woge hinweg gefegt werden . Zwei Herren , aufgrund Ihrer Kleidung leicht als Aristokraten zu erkennen , schlurfen auf die Bühne und nehmen an dem Kaffeehaustisch Platz . Der eine trägt eine rote Nelke im linken Revers , dem anderen eine Weisse .
Ein Angehöriger eines niederen Standes nähert sich ihnen in seiner Rolle als Kellner unterwürfig und bietet ihnen die neusten Zeitungen an , deren Schlagzeilen von der kommenden Revolution künden . Unvermittelt röhrt die Zirkuskanonen hinter ihnen laut auf . Blitz, Funken , Donner und aus einer Rauchwolke fliegt Mr.Dupont hoch in des Theaterdach , wo ihn ein wartender Trapezkünstler geschickt auffängt . Eine perfekte Choreographie , bei der ein Rädchen glatt in das Nächste greift .
Vier stämmige Männer , freier Oberkörper , Augenpartien und Kopf von einer irgendwie lächerlich wirkenden roten Maske verhüllt , marschieren auf die Bühne und drängeln sich durch die Showgirls . Schnellen Schrittes erklimmen sie die Stufen zum Schafott. Gemeinsam pfeifen sie dabei eine lustige Melodie . Kaum angekommen , gehen sie sofort daran die Kisten und Kartons auszupacken .
Um das Schafott machen sich ärmlich gekleidete , vor Dreck starrende Leute breit . Allzu arg einstudiert machen sie sich ungelenk Luft , indem sie einstudierte Parolen gegen jeden und alles und auch gegen sich selbst skandieren . Da es heutzutage keinerlei unterernährte Menschen mehr gibt in diesen Gefilden , hatte man das Hauptaugenmerk auf Bewerbern legen müssen , die eine attestierte Magersucht nachweisen mußten , was dem Generalintendanten jetzt noch ärgert und ihn seine Hände in den Torf graben läßt , weil er die historische Authentizität nicht mehr gewährleistet sieht . Zwischen den Armen , mischen sich besser gekleidete Personen mit Hüten und eleganten Gehröcken , worauf sicherheitshalber Kokarden in den Farben aller aktiven politischen Parteien angeheftet sind . Sie gebärden sich einen Tick radikaler als all die Armen .
Jede auf der Bühne befindliche Person singt nun mittlerweile . Miteinander , aneinander vorbei , oder auch gegeneinander . Der Lärmpegel ist immens . Die Showgirls lassen die Schenkel wirbeln , haken sich ein , ahmen Meereswellen nach , bilden geometrische Figuren und verwünschen dabei ununterbrochen mit ihren hellen Stimmen die Feinde des Volkes . Des Kapellmeisters Hände wirbeln atemberaubend schnell durch die Luft und es hat den Anschein , daß den Mitgliedern seines Orchesters zwischenzeitlich das musizieren sogar Spaß macht .Ein Paukengewitter unterbricht den fröhlichen Reigen . Die Showgirls ziehen sich zurück . Ruhe kehrt ein .
Zwischen den Barrikaden rumpelt ein Handkarren hervor . Ein Würstchenverkäufer schiebt ihn umständlich hin und her und preist dabei aus vollen Halse seine handgemachten , echt proletarischen heißen Würstchen an . Dabei schafft er das Wunder gleichzeitig die infrastrukturellen Mangelleistungen im letzten Fünfjahresplan des Ancien Regimes in Grund und Boden zu verdammen . Er heimst dafür viel Lob und Schulterklopfen ein . Die Würstchen werden gern genommen , aber über die ihm im Gegenzug überreichten Schuldscheine , einzulösen an der Zentralkasse einer noch zukommenden , besseren Zeit , ist der Würstchenverkäufer wenig erbaut.
Mr.Dupont wird von den kräftigen Händen des Trapezkünstlers durch die Luft gewirbelt und landet dann sicher im Fangnetz des Lastenaufzuges . Einer der stämmigen Männer auf dem Schafott löst daraufhin den Sicherheitshebel des Lastenaufzuges und drück einen roten Knopf . Der Lastenaufzug setzt sich in Bewegung und kurz darauf springt Mr.Dupont auf den Boden der Richtstätte . Er läßt sich sofort die Frachtpapiere der angelieferten Kisten und Kartons aushändigen , kontrolliert sie akkurat und regt sich sofort fürchterlich auf , denn die quittierte Blutrinne ist in Wirklichkeit nicht vorhanden .
>> Muß ich den wirklich alles selber machen ? Es ist doch einfach kein Verlaß mehr auf niemanden heutzutage ! Für was füttere ich euch eigentlich durch , ihr Trottel !?! Ihr geht nach Feierabend nach Hause und ich habe den Ärger !!!<< , brüllt Mr.Dupont und es ist eine Wonne dem großen Mimen bei seinem unkontrollierten Gefühlsausbrüchen zusehen zu dürfen .
Die Reaktion des versammelten Volkes läßt auch nicht lange auf sich warten . Spontan werden Fahnen mit dem Konterfei von Mr.Dupont geschwenkt . Die Fäuste geballt und in den Himmel gestreckt , brüllt die sonst Schweigende Mehrheit ihre Unterstützung für Mr.Dupont heraus . Die aufgestaute Wut wird bei der spontanen Plünderung des Würstchenkarrens abgebaut . Der Besitzer entkommt mit knapper Not , wobei einige Würstchen in die Luft geschleudert werden , wo sie seltsamerweise in Zeitlupe um sich selber wirbeln und zu kleinen Raumstationen transformieren .
>> Also << , sagt Mr. Dupont , angesichts der breiten Unterstützung milder gestimmt , zu seinen Gesellen , >> ihr habt es gehört , Vox Populi , da kann man eben nichts machen . Die fehlende Blutrinne zieh ich euch vom Blutgeld ab , alles Klar ?!? << Danach schlendert er in den hinteren Teil des Schafotts zurück und spielt etwas versonnen mit seinem Dartpfeil .
Den beiden Aristokraten wird währenddessen , nach arabischen Kaffeespezialitäten und Tortenschnittchen , noch ein Cognac serviert . Der Kellner macht zum wiederholten Mal einen tiefen Bückling , in dem sich , von ihm nicht realisiert , die jahrhundertelange Entmündigung und Unterdrückung seiner Klasse widerspiegelt. Der Herr mit der weissen Nelke versucht ihn zu ignorieren , besinnt sich aber dann eines Besseren .
>> Ist`s recht so , die Herren , nicht wahr ?<< , sagt der Kellner mehr zu sich selbst und freut sich , als ihm das mit einem unbestimmten , sehr unpersönlichen Nicken von dem Herrn mit der weissen Nelke bestätigt wird , der dann den Zeigefinger abspreizt und dem Kellner wenigstens aus einem halb geschlossen Auge anschaut .
>> Exzellente Qualität , mein Lieber ! Der Kaffee köstlich , die Konditoreiware von Meisterhand und was soll ich sagen , der Cognac von erlesenen Geschmack !!,<< sagt er und nickt dem Kellner nochmal gönnerhaft zu .
Daraufhin streckt sich der Mann mit der Roten Nelke im Revers und holt tief Luft. Er knackt mit den Fingern , holt tief Luft und wendet sich an die Zuschauer , schlägt die Beine elegant übereinander und beginnt zu sprechen .
>> Also Gut , meine Herrschaften ! Nun haben Sie es mal selbst erlebt . Diese Arroganz des Bürgertums , die geringe Wertschätzung der Arbeit des Einzelnen , welcher mein Standeskollege hier an diesem Tisch hier rechts neben mir , soeben so meisterhaft aufzuführen vermocht hat .
Im Grunde genommen , so bin ich jedenfalls der Meinung , handelt es sich um nichts weiter , als eine weitere wohldosierte Streicheleinheit an die Arbeiterklasse , um sie vom Denken abzuhalten . Wie Selbstverständlich wird ihre Leistung in Besitz genommen , ohne Respekt , ohne Dankbarkeit und Selbstverständlich ohne angemessene Entlohnung . Alles wird abgeleitet aus einem elitären Herrschaftsanspruch , der sich elitär nur aus dem Zufallsprodukt Geburt ableitet . Aber so sind Sie , diese feinen Herren . Kein Wunder , daß es nun so gekommen ist , wie es gekommen ist . Das war vorhersehbar für jeden der es sehen wollte . Wir zumindest , die Mitglieder des Liberal-Sozialen Clubs der mittleren Mitte , haben diese Eruption der Leidenschaft schon lange vorhergesehen . Resolution auf Resolution sind entworfen worden . Nächtelang diskutiert wurde in unserem Club , bis die Köpfe dampften . Über Kleinigkeiten vergingen Tage , aber unsere Stimme wollte man nicht hören !!! << sagt er mit bebender Stimme . Dann hält er kurz inne , steht auf und verbeugt sich leicht . Fast amüsiert hat ihm der andere Herr zugehört . Jetzt steht er ebenso auf und stellt sich neben ihm .
>> Wir Liberale Ha , Ha ,Ha , Bla-Bla-Bla !!! << , äfft er ihn nach und macht dabei ein ungehöriges Geräusch , >> Liberal ? Da Lachen ja die Hühner !! Haben Sie eigentlich bemerkt , wie gekünstelt er sich bei dem Kellner einzuschmeicheln versucht hat ? Dabei hat er es noch nicht mal für nötig befunden den Mann mal die Hand zu reichen . Soweit geht die angebliche Liberalität nun doch nicht . Bin gespannt , was für ein Trinkgeld der feine Herr Liberale bereit sein wird zu geben !<<
Beide setzen sich wieder und setzen die Lektüre der Zeitungen fort .
Mittlerweile haben die Gesellen Mr. Duponts die angelieferten Teile in das Blutgerüst eingebaut . Er kommt nach vorne und will die Anlage abnehmen , da saust ihm der Dartpfeil , den er wieder lässig auffangen will , an der Hand vorbei direkt in einen Zeh , den er fast durchschlägt . Ein Beben des Schmerzes breitet sich in seinem Körper aus . Er zittert und heult innerlich , doch er läßt sich nichts anmerken . Lächeln , immer nur Lächeln , denkt er , die ehernste Regel des Showbiz .
Lässig zieht er den Pfeil wieder aus dem Zeh . Auf seinem Weg bildet sich sofort eine Spur aus Blutspritzern . Er stellt den verletzten Fuß auf einen Karton und stützt sich an der Guillotine ab . Die Qual wird ihm unerträglich . Dann bricht es aus ihm heraus . Seine Worte putschen das wartende Volk auf .
>> Brot , Brot, Brot , wollt ihr immer nur Brot ? ….. Blut ist doch ein viel besonderer Saft ! Da schaut ( er wedelt mit seinem besudelten Fuss und zeigt in Richtung des Publikums ) , da sitzen die , die euch ausbeuten , das Glück nehmen , die Zukunft sowieso , die euch zwingen eure Kinder vor den TV-Geräten zu parken ( das Volk vor dem Schafott heult auf und wälzt sich auf dem Boden – die Reaktionen im Publikum sind ambivalenter – ein bißchen amüsiert , größtenteils aber ängstlich , denn die kraftvolle Szene weht wie ein Herbststurm um ihre Köpfe – Jemand auf den sichtbehinderten Plätzen versichert allen , die es hören , oder auch nicht hören wollen in seiner Umgebung , daß er die Karten für den Theaterabend bei einem Preisausschreiben gewonnen hat und ansonsten im 12-Stunden Schichtsystem tätig ist ) …. Jaaaa , da sitzen diese Leute !! Da unten !! Und was tun sie wieder ?? … Wieder schauen sie euch zu und weiden sich an euren Leiden und Elend !!! <<
Die Wut des Volkes kennt keine Grenzen mehr Es rottet sich zusammen und rückt an den Bühnenrand und greift imaginär nach den Zuschauern . Die Proteste des Kapellmeisters , daß das Bewerfen des Orchesters mit Unrat bei der letzten Sitzung der Schauspielergewerkschaft besonders mißbilligt worden ist , bewirken eine Mäßigung . Schließlich begnügt sich das Volk einen Mann , der gerade versucht aus den Orchestergraben zu klettern , zu packen und wieder hinunter zu werfen . Danach löst sich das Volk in eine lockere Formation auf .
XIV.
>> Meinen Sie nicht Herr Generalintendant ( sein Lispeln ist gestelzter , denn er ist der Meinung , daß er als gewählter Volksvertreter ein besonderes Vorrecht geniessen würde ) , Ihre Inszenierung könnte politisch etwas zu explosiv gestaltet sein ?<< frag der sich nach vorne beugende Oberbürgermeister , leicht beschwipst von den edlen Rebensaft , der pausenlos in der Loge des Generalintendanten nachgeschenkt wird .
Der Generalintendant zieht den Kopf unter dem Rock der Gattin des Oberbürgermeisters hervor und wischt sich mit dem Handrücken den Mund ab . Der gesamten Entourage stockt der Atem , denn niemand hätte von dem Oberbürgermeister auch nur einen Hauch eines Einwands erwartet .
>> Also Bürgermeisterchen , wissen Sie wie viele Leute direkt , oder indirekt von diesem Theater abhängig sind ?<< fragt der Generalintendant süffisant zurück .
>> Ähhh , Nein , ….. , wieso ??<< gibt sich der Oberbürgermeister irritiert .
Der Generalintendant rappelt sich hoch . Er baut sich vor dem Oberbürgermeister auf .
>> Jede Menge kann ich Ihnen versichern ! So viele , daß Sie sich das überhaupt nicht vorstellen können !! Und was ist das Beste daran ??? …. Na Klar , das sind alles Wähler , die ich Ihnen bei der nächsten Wahl en bloc zuführen werde !!! … Also , überlassen Sie die Kunst mir und halten sich mit unqualifizierter Kritik , an Dingen von denen Sie nichts verstehen , zurück . So , und nun mach schnell Männchen , mein kleiner Kläffer , hopp , hopp !!!<< , die aufgestauten Spannung entlädt sich in der Loge in mehreren Lachsalven . Der Generalintendant ist zufrieden und wendet sich den weiteren weiblichen Gästen seiner Loge zu .
>> Karl … << , sagt die Gattin des Oberbürgermeisters , den Mund verkniffen , den Rock wieder glatt gestriffen , >> … du bist ein totaler Versager !!!<<
>> Wie ? Was ? Wieso ? …. Aber Schatz , ich bin doch der Oberbürgermeister !!! << , stottert der Oberbürgermeister und schaut seine Frau völlig entgeistert an .
>> Eben ! Das meine ich ja !! Das Leben mit einer so drögen Existenz wie dir , war und ist die absolute Hölle . Eine elende Niete , die nichts weiter interessiert , als kommunale Verwaltungsarbeit . Wie habe ich mich nur so irren können , ein Drama in meinem Leben !!! …....
Im Übrigen ( die Gattin wirkt jetzt entschieden ) damit du es endlich weißt . In der abgelaufenen Legislaturperiode habe ich mit allen Mitgliedern deiner Fraktion Sex gehabt und gelegentlich auch mit besonderen Hinterbänklern der Opposition – und deine Amtskette hat dabei immer eine spezielle Rolle gespielt !!! <<
Dem Oberbürgermeister zucken die Augen , in der linken Wanke machen sich Lähmungserscheinungen breit , seine Hände werden kraftlos , woraufhin der kiloschwere Katalog mit den Wahlversprechen seiner Partei ihm seiner Hand entgleitet .
In den Ecken der Loge tuscheln seine Kegelbrüder und wiehern laut . Nur der Schwippschwager enthält sich jeglichen Kommentars , aber der ist Vorsitzender der Regierungsfraktion .
XV.
>> Jetzt langt´s aber Susi !! Hör auf , alle Takes sind im Kasten – es reicht !! << schreit Hotte Blender Susi an , während er an ihr zerrt , die wie ein Putzerfisch an Herrn Müller hängt . Schließlich hält er Susi einfach die Nasenlöcher zu , woraufhin sie einfach nach Luft japsen auf den Rücken rollt wie ein Käfer .
Hübsches Bild , denkt Hotte Blender : die Ausgepumpte und der Ausgeblasene . Nur Schade , jetzt noch eine Schiesserei dazu , oder ein paar minderjährige Stripperinnen , oder noch besser , eine Schiesserei unter minderjährigen Stripperinnen , hätten seinen kleinen Pilotfilm abgerundet . Genau in diese Gedanken hinein , dringen Hilferufe vom Eingang des Theaters in Hotte Blenders Gehörgänge . Sofort sind alle niederen Instinkte bei ihm hellwach . Er gibt der PROL 8 Crew ein paar schnelle Anweisungen , schnappt sich ein multifunktionales Aufnahmegerät und eilt zum Theaterportal . Dort sind gerade einige Theaterbesucher von Milizmännern rüde zu Boden gerungen worden . Man bearbeitet zudem die Besucher heftig mit Kolbenstößen in die Nierengegend . Über Sprechfunk ruft deiner der Milizmänner um Verstärkung .
Hotte Blender drückt sich erstmal unauffällig am Rande des Geschehens entlang , was ihn nicht hindert mit der Kamera den Ausbruch von exzessiver Gewalt exakt aufzuzeichnen , was ihn , er kann nicht anders , das Blut in die Lenden schiessen läßt. . Dann nähert er sich einer um Hilfe schreienden , am Boden liegenden , älteren Dame . Er hält ihr das Mikro vor das Gesicht.
>> Halo , Hallo , hier spricht Hotte Blender exklusiv für PROL 8 – verstehen Sie mich ? Sprechen Sie hier hinein !! Wie geht es ihnen ??? <<
Die ältere Dame dreht sich mühevoll in seine Richtung . Sie schluchzt mehr als sie spricht .
>> Helfen Sie uns der Herr ! Bitte helfen Sie uns doch !! Man hält uns hier fest und will uns nicht gehen lassen !! Ich weiß nicht , wo meine Enkelin und mein Mann geblieben sind und meine künstliche Hüfte ist glaube ich zerbrochen !!! Wir brauchen Hilfe !!!<<
>> Selbstverständlich gnädige Frau ?<<, fragt Hotte Blender zurück ,>> Aber wass haben Sie angestellt ? Haben Sie gestohlen , oder andere ungesetzliche Dinge im Schutze des Theaters angestellt ( das weichherzige Tremolo in seiner Stimmte weicht der Hektik einer zunehmend stressig werdender Situation , da ein grimmiger Milizmann ihm sich nähert ) …. Komm schon alte Schabracke , spuck`s aus und erleichtere dein Gewissen … ( der Milizmann packt Hotte Blender am Arm und schubst ihn weg ) … Hey , Hey , Leute sachte , ich bin die Pressefreiheit , hier mein Ausweis … ( Hotte Blender fängt sich ein paar kräftige Backpfeiffen ) , … , Aua , Aua , hier mein Ausweis , überzeugt euch doch !!! <<
Die ältere Dame will noch was sagen , kommt aber nicht soweit , den ein weiterer Milizmann klebt ihr in einem Schwung ein Klebeband lässig über den Mund . Hotte Blender sieht sich jetzt zwei Milizmännern gegenüber . Einer zieht ihm den Presseausweis aus der Hand und schnüffelt angeekelt daran . Es folgt ein kurz hochgezogenes Knie in Hotte Blenders Magengrube , der sofort zusammenklappt . Der andere Milizmann lacht lauthals und zertritt das auf dem Boden liegende Aufnahmegerät . Der Presseausweis wird zerrissen und auf dem ausgestreckten Körper des Reporters verstreut . Bevor die beiden gehen , beugt sich einer der Milizmänner zu Hotte Blender und sagt zu ihm .
>> Hau ab , du Arsch ! Das geht dich hier überhaupt nichts an , haste verstanden !?! Wenn hier ein paar notorische Miesepeter unser schönes Stück madig machen wollen , indem sie sich einfach verpissen und dann womöglich solch einer Assel wie dir begegnen und nichts als Lügen auftischen , sollen wir dann einfach tatenlos zusehen ??? … Nichts da, die verdammte Bagage hat bezahlt und somit werden sie schön bleiben bis zum letzten Akt , Basta !!!<<
Bevor er geht , bohrt er noch Hotte ein-zweimal kräftig die metallverstärkte Spitze seiner Stiefel in seine Rippen .
>> Schon Gut , Schon Gut << , heult Hotte Blender und versucht mit den Armen eine Abwehrbewegung , >> Hast Ja verdammt recht , kann man verstehen . Mich kotzen solche Typen auch nur einfach an . Muß man was dagegen machen , Klar , Alter !!!<<
Der Milizmanne dreht sich zu Hotte Blender um .
>> Und ??? Was wirst du sagen , Schmierfink ???<<
>> Ehrlich , Alter , nur die Wahrheit , nichts als die Wahrheit !! Asoziale , die betrunken randaliert haben , als sie wegen Zechprellerei höflich zu Rede gestellt werden sollten , ist doch mehr als offensichtlich . Lumpenpack eben , geklaut haben die wahrscheinlich auch noch , ehrlich !!!<<
Der Milizmann nickt nur kurz , dreht sich um und hilft seiner Kollegen die am Boden Liegenden wegzuschleifen . Hotte Blender rappelt sich wieder auf . Als er aufsteht kreuzen sich sein Blick mit dem eines jungen Mädchens , der gerade Fußketten angelegt werden . Hotte Blender weicht dem aus , was ihn aber nicht hindert mit der 12 Mio Pixel Kamera in seinem sündhaft teuren Chronometer , schnell noch ein paar Photos von ihr zu schiessen . Vor seinem geistigen Auge sieht er bereits die Schlagzeilen der Spätnachrichten :
Bildschön und Eiskalt – Gnadenloser Engel des Terrors endlich zur Strecke gebracht
XVI.
Mr.Dupont hat es sich auf einem , von seinem durchbohrten Zehn blutbeleckten , Bünndel Stroh bequem gemacht . Er kaut auf einem Halm herum und gestikuliert gedankenversonnen mit seinen Händen vor seinem Gesicht . Aufmerksame Beobachter , um nicht zu sagen echte Fans von ihm , die sich im Laufe der Zeit auf wundersame Weise psychisch Abhängig von ihm und seinen Auftritten gemacht haben , meinen darin tragende Elemente aus seiner vorletzten großen Filmrolle in “ DER GROSSE AUTIST “ wieder zu erkennen , können aber der laufenden Aufführung keine der Merkmale logisch und inhaltlich zuordnen . Macht aber nichts , denn darin sehen sie das Geheimnis seiner von ihm kreierten Mystic Actors Method und insofern trösten sie sich mit dem Gedanken , daß sie wahrscheinlich einfach nur zu blöd sind Mr.Dupont zu verstehen .
Trotzdem bricht eine Diskussion unter den Zuschauern aus , welche von unverbesserlichen Klugscheissern angezettelt wird , die Mr.Dupont einfach nur Dilettantismus , Talentlosigkeit und eine gehörige Portion einer noch zu benennenden psychologischen Erkrankung im fortgeschrittenen Zustand unterstellen . Das bleib von seinen Jüngern natürlich nicht unwidersprochen . Über die Stuhlreihen hinweg entbrennt ein heftig Disput , der schnell in handfeste Drohungen umschlägt . Ein Teil von Mr.Dupont registriert das Geschehen in dem Besucherraum und zaubert ihm ein verzerrtes Lächeln auf den rechten Teil seines Gesichtes .
Manch einer , der an der Diskussion beteiligten männlichen Besucher , hat sich in der Zwischenzeit hinter ihren Begleiterinnen in Sicherheit gebracht und benutzt sie als menschliche Schutzschilde . Schließlich , auf Kommando des für diesen Bereich verantwortlichen Platzanweisers , marschiert ein Trupp Milizmänner auf und kühlt die erhitzten Gemüter mit voll aufgedrehten Wasserschläuchen ab . Sicherheitshalber werden die auffällig gewordenen Theaterbesucher noch von den Milizmännern eingekesselt .
Wohlwollender Applaus schlägt ihnen dafür von den ersten Reihen und aus den Rängen entgegen . Das anwesende Pressechor notiert eifrig , den ihrer Meinung nach , szenisch gelungenen Durchgriff als künstlerisch wertvoll in ihren Notizbüchern .
Dem Generalintendanten allerdings stößt der Applaus sauer auf . Seine Seele durchtränkt vor Neid , wuchtet er sich aus seiner Schubkarre . Die Augen aller in der Loge Weilenden richten sich schreckensgeweitet auf ihn . Ein Mädchen kann sich aber trotzdem das Kichern nicht verkneifen , da erwischt sie schon die hochgerissne Faust des Generalintendanten mitten , zack , voll auf den Punkt . Volltreffer ! Ihre Lippen kräuseln sich um ihren Mund , die Wangen blähen auf . Die Luft entweicht aus ihrem Körper mit einem hellen Trillern , dann sackt sie zwischen den Stühlen zusammen .
Der Generalintendant selber rollt wie wild mit den Augen . Sein Mund ist zu einem lautlosem Schrei weit aufgerissen . Die Operettenuniform auf seinem Leib sondert einen warm , feuchten Geruch ab , der von dem qualitativ hochwertigen Torf herrührt . Insgesamt wirkt er im fahlen Licht , wie frisch aus der Grube empor gekommen . Die Nasenspitzen , der unter den Stühlen kauernden Kreaturen der Theaterverwaltung , verschwinden wieder blitzschnell in der Dunkelheit .
Nur dem Oberbürgermeister ficht nichts an . Seelenruhig fährt er in seiner umnachteten Tätigkeit des Zerreißens des Wahlversprechenkatalogs in exakt gleich große und gleich breite Schnipsel fort.
>> Friß Staub , Hexe !!<< , knurrt der Generalintendant und knetet zur seiner Beruhigung ein wenig seine fleischigen Pobacken .
Die Ehefrau des Oberbürgermeisters , wer will es ihr verdenken , hat in der Zwischenzeit die Loge des Generalintendanten verlassen . Allerdings nicht ohne ihrem zukünftigen , sehr verdatterten Ex-Mann den Ehering in die schweissnasse Hand gerückt zu haben . Der dachte zunächst an die enorm gestiegenen Goldpreise und was für ein Schnäppchen er eben gemacht hatte , bevor er für immer verstummte und sich daran machte den Wahlversprechenkatalog seiner Partei in gleich große und gleich breite Schnipsel zu zerreissen .
Auf ihrer ziellosen Wanderung , bei der immer wieder Wortfetzen des laufenden Stücken durch die leeren Gänge hallen , begegnet die Oberbürgermeistergattin zwei miteinander diskutierende Milizmänner , welche ihr Interesse wecken . Da die beiden auf einem breiten Fensterbrett gegenüber hocken und keine Anstalten machen sich zu ihr stellen , rafft die Oberbürgermeistergattin
kurzerhand die Röcke und schwingt sich hoch zu ihnen . Schnell fangen die Drei an über allerlei Dinge zu philosophieren , wobei seltsamerweise der eine der Milizmänner seine Beiträge von einem ungewöhnlichen kleinen Bildschirm abliest auf dem seine weit aufgerissenen , trockenen Augen zu kleben scheinen . Das Leben im allgemeinen , die Liebe , laue Sommerabende an malerischen Küsten , die Kunst an sich sind die Themen . Aber auch , und hierzu weiss die Oberbürgermeistergattin detailliert Beiträge zu leisten , kommunale Wasserverbände , ihre Schmutzwasserentsorgungspolitik die stets zu Lasten des Verbrauchers kalkuliert wird und wie man bei ausschreibungspflichtigen Bauprojekten die beteiligten Firmen am Besten gegeneinander ausspielt . Später dann erhitzt die Drei die Frage , wie man es schafft seine persönliche Lebenserwartung- Stichworte: makrobiotische Ernährung , Kryotechnik , Exoplaneten , so zu beeinflussen , daß man sie vielleicht ins Unendliche ausdehnen könnte . Zum Schluß verwickelt die Oberbürgermeistergattin die beiden Milizmänner in fiktive Koalitionsverhandlungen , die sie jedoch bald abbricht als der eine Milizmann nicht davon abzubringen ist , einen Nulltarif auf bei den Fernsehegbühren einzuführen . Trotzdem empfindet die Oberbürgermeistergattin das stattgefundene Gespräch als Bereicherung .
Mittlerweilen , nachdem die Mariannen noch einen schmissigen Auftritt hatten , während gleichzeitig einigen in Ketten gelegten , orangefarbene , mit dem Aufdruck : Prisoners of Theatre , versehene Gefängniskluft tragende , Theaterbesucher , von groben Milizmännern der Kopf geschoren wird auf der Bühne , verklingt langsam die Musik und das Licht verdimmt zu pechschwarzer Nacht . Irgendwo in der Schwärze erklingt ein hysterisches Kichern . Jemand anderes würgt , die atemlose Spannung , die Angst vor dem , was noch kommen mag ist buchstäblich mit Händen zu greifen . Dann wird das Licht eines Spots auf Mr.Dupont gerichtet . Jeder fragt sich , welch Wendung das Spektakel nun wohl nehmen wird .
XVII.
Huch , schon Zeit für meinen Monolog , denkt Mr. Dupont , der ins Licht blinzelt und eigentlich gar keine rechte Lust verspürt , irgendetwas zu sagen . Dazu puckert es auch noch viel zu heftig in seinem verletzten Zeh und insgesamt ist ihm eh fad .
Seinen Gesellen , die mit dem Fegen des Schafotts beschäftigt sind , denn Ordnung ist ja schließlich das halbe Leben , gerade hier , bemerken die außerplanmäßige Pause natürlich sofort . Einer nimmt sein Herz in die Hand und schlendert , wie zufällig , an Mr. Dupont vorbei . Er zischelt ihm die notwendigen Stichwörter zu , der reagiert aber nicht im geringsten und überhört alles geflissentlich .
Er setzt sein , über die Jahrzehnte perfektionierte , Immer-wieder-Sonntags-kommt-die-Erinnerung Gesicht auf und fuchtelt , den Dartpfeil hinter das Ohr geklemmt , mit den Händen vor dem Gesicht herum .
Das übrige Ensemble verharrt ratlos . Nicht das sie solch eine , oder ähnliche Showeinlage aus der bunten Welt der Psychiatrie , nicht schon gewohnt gewesen wären aus den unendlich langen , quälenden Probemonaten , aber jetzt weiss man weder ein noch aus . Kurzentschlossen , ein Paradebeispiel von basisdemokratischer Organisation gebend , beschließt man mit einem Medley besonders trauriger Choräle aus dem russisch -orthodoxen Kulturkreis fortzufahren . Sich an den Händen fassend , schließt sich das Ensemble zusammen und gibt Kleinode der Kirchenmusikhistorie Ostroms zu Besten .
Kaum dringen diese traurigen , aber doch so wunderschönen , Töne aus den Kehlen seiner Kollegen an das Ohr von Mr.Dupont , versteinert er in der Bewegung . Dicke Tränen beginnen aus seinen Augen zu sickern und fallen schwer auf die Bohlen des Schafotts , wo sie sogleich zu phantastischen Salzkristallen erstarren . Dann , das Publikum und Ensemble ergriffen von der Schönheit dieser Szene wagt nicht zu atmen , entfleucht Mr.Duponts Kehle ein animalischer Urschrei . Sein Körper spannt sich wie eine Feder und gleich darauf beginnt er eine Kunstturner Bodenkür , die sich gewaschen hat . Flick-Flack rückwärts , eingedrehte Viertelschraube , Landung im Spagat . Anschließend , ganz wichtig wegen des künstlerischen Gesamteindrucks , etwas mit den Armen in der Luft gewedelt , bevor er aus der Bewegung heraus in den Handstand geht , abrollt und neu Anlauf nimmt mit schnellen Schritten und dann im doppelten Salto vom Schafott abgeht . Die Landung verreist er etwas nach Rechts , aber sonst war alles in Ordnung . Bestnote fällig ! . Donnernder Applaus auf offener Szene .
XVIII.
Frau : ( tränenerstickte Stimme , angetrocknete Schaumflocken um den Mund , keucht und stöhnt )
…. Schööön , …. . So schöönn , Wunderschön , … , es , es , … , es ist , als ob der Himmel seinen Engeln freigegeben hätte , …. ( wird von Weinkrämpfen geschüttelt ) , … , das ich das noch erleben darf !!! ( schluchzt , dreht sich zu ihrem Mann )
Mann : ( herunter gezogene Mundwinkeln , zuckt mit den Nasenflügeln ) Tja , wenn Du meinst !( fühlt sich nicht wohl und völlig deplatziert . Wünscht sich es wäre Montag und sein Banker käme .
Denkt fieberhaft darüber nach , wie er sich unauffällig verdrücken könnte – ohne seine Frau , scheiß auf die )
XIX.
Mr.Dupont deutet artig einen Knicks an . Gibt noch eine kleine Zugabe in Form einen Handüberschlages und geht dann gleich in einen Schneidersitz über . Er grinst , während er seine Beine hinter den Kopf klemmt und läuft dann auf seinen Händen an den Rand der Bühne .
>> Quak , Quak , Quaaa-aaaa-ak !!! <<, sagt er und streckt den Leuten seine Zunge heraus , >> Ihr seid so häßlich , so häßlich , buhuhu , und ich mag euch nicht ! Wer mag euch eigentlich leiden , Quak,Quak ,Quaaa-aaa-ak ??? Niemand , niemand , niemand !!! …. ( Er kratzt kurz eine juckende Stelle auf seinem Haupt , Gottverdammich dieser Milchschorf , würde denn das niemals aufhören ? ) , …. , Ahhh , das tut gut ! …. Also , wenn es den noch eine Gerechtigkeit unter diesem Dach geben sollte – und die wird es geben , das versichere ich Ihnen – dann werdet ihr für die unverschämte Zurschaustellung eures Reichtums und eures welken Fleisches bald bezahlen . Ratet mal , ratet mal , ratet mal mit waaa-aaas ?!? …. Bezahlen , bezahlen , bezahlen werdet ihr !!!<<
XX.
Gedankenverloren , die Sinne noch von dem intensiven Gespräch ganz betäubt , streichelt der eine Milizmann die mittlerweile barbusige Oberbürgermeistersgattin . Bei dem anderen Milizmann wird gerade ein Teil seiner Gehirnzellen , per Strahlentherapie aus dem Flatscreensublimierer , neu getuned , wobei der nordkoreanische Controller jetzt die Faxen dicke hat und beschließt , die störende Telephonzelle , in dem elektromagnetischen Feld des Hypothalamus des Milizmanns , die zudem auch noch ständig bimmelt , nun endgültig zu beseitigen . Er projiziert deshalb einen Kinderkipplaster fahrenden Sumoringer in die entsprechende Hirnregion des Milizmannes und läßt ihn Fahrt aufnehmen .
Die Oberbürgermeistergattin überlegt derweil , ob sie den anderen Milizmann , der sich immerhin als ganz geschickt bei der manuellen Stimulierung ihrer primären Geschlechtsmerkmale herausgestellt hat , gewähren läßt , oder ob sie lieber dem Treiben ein Ende setzen und sich wieder dem Bühnen geschehen widmen sollte . Sie entscheidet sich für die zweite Lösung , was immerhin noch den Vorteil bringt ein erhitztes Männchen , mit angeschwollenen Zweitgehirn , plötzlich ganz allein zu lassen mit einer Enttäuschung , die es erstmal verkraften muß . Köstlicher Gedanke Gesagt getan . Sie zwickt den verliebt Stöhnenden kurzerhand mit zwei Fingern in die Nasenscheidewand um ihnen von ihren Busen weg zu dirigieren .
XXI.
Unvermutet steht Mr. Dupont der Sinn nach weiteren Kunststückchen . Er watschelt weiter hin und her , während er seinen Dartpfeil auf der Zunge balanciert . Zwischen den Zehen seines Fusses klemmt ein Buntstift mit dem er gleichzeitig eine photerealistische Darstellung eines Einkommensteuerformulars , im Miniaturformat , rein aus dem Gedächtnis , auf sein rechtes Schulterblatt zeichnet . Diese beeindruckende Vorstellung seiner Multitalente , kombiniert er mit dem Anknabbbern der Fingerkuppen eines Mannes , der sich benommen versucht den Bühnenrand hochzustemmen , bis er wieder losläßt und abstürzt .
Genau in diesem Augenblick höchster zirzensischer Kunst wird er unterbrochen von einer grazilen Frau , die auf die Bühne gestürmt kommt und ununterbrochen >> Cherie , Cherie << schreit . Die beiden Aristokraten machen anstalten ihr galant den Hof machen zu wollen , was ihnen aber nur die ausgefahrenen Ellenbogen , genau in dem Bereich der oberen Rippenbögen , einbringt .
Ihr futuristisch anmutendes Kostüm nicht von Morgen , sondern sogar von Übermorgen , flattert hinter ihr her noch eine Weile , als sie bei Mr. Dupont stehenbleibt . In den Händen hält sie eine alten Piratenmuskete , deren Lauf pilzförmig aufgeplatzt ist . Ihre Ärmel sind hochgekrempelt . Blutflecken zeichnen sich auf ihrer blassfarbenen Haut ab. Sie ist barfuß . In ihrem breiten Gürtel steckt ein schartiges Messer . Kunsthaarskalps sind an dem Gürtel befestigt und baumeln herab . Von ihrem Rücken steigt Pulverdampf auf . In ihrer Mütze stecken Pfeile . Alles in allem etwas gewöhnungsbedürftig komponiert , aber sehr , sehr edel im Material . Sie packt Mr.Dupont an seinen Fesseln .
>> Oh , Cherie , Cherie << , ruft sie volles Pathos und ihr Busen bebt dabei ,>> So ist es wahr , was mir zu Ohren kam . Du , der du bist die Liebe meines Lebens , der Sonnenschein meiner grauen Tage , der Blasebalg , der mein revolutionäres Feuern befeuert , …. , Ähhh , …. , jedenfalls , gut dich hier zu treffen !!!<<
Dann packt sie ihn und hebt Mr. Dupont auf einen vom Kellner bereitgestellten Campingtischchen .,
>> Oh , Cherie , Cherie , wie sehr hat mein wundes Herz dich vermisst !<< . setzt sie ihren Monolog fort und hat dabei die Herzen der Zuschauer bereits im Sturm genommen , >> Kaum trug man mir die süsse Nachricht deiner Anwesenheit zu – sicherlich hattest du keine Zeit mich selber zu benachrichtigen – Adligenköpfe abhauen ist halt ein Full Time Job in dieser Zeit – verstehe ich ja voll und ganz , jedenfalls , als mich der süße Schmerz in meiner Brust und …. Aaach …. !!!<< , vom Klang ihrer Worte übermannt greift sie sich Mr. Dupont , schüttelt ihn durch , busselt ihn ab und kneift ihn in die Ohren .
Mr. Dupont ist wie gelähmt vor Schrecken . Er schnappt nach Luft und versucht diese Dame von sich abzuschütteln , doch seine mißliche Körperhaltung setzt dem Unterfangen schnell eine natürliche Grenze .
>> Sie , Sie , … , Sie Wahnsinnige , lassen Sie mich los !!! << , protestiert Mr. Dupont heftig , während sein Blick durch den Raum hetzt . >> Will mir den niemand helfen ?<< endet er mit kläglicher Stimme , zumal ihm in der Zwischenzeit die Fesseln seiner Beine von der Dame über seinen Kopf mit stabilen Kabelindern zusammengebunden sind , so daß er nun verschnürt ist , wie ein Überseepaket .
Auf der vergeblichen Suche nach einer Fluchtmöglichkeit , tapst Mr. Dupont auf dem Tisch , wie eine überdimensionale Spinne , von einem Rand zum anderen . Dabei wird er stetig bedrängt von den Greifwerkzeugen der vor Glück stöhnenden Dame . Beinahe stürzt Mr. Dupont , als er für einen Augenblick die Balance verliert . Doch schon hat ihn die Dame wieder schnell am Wickel .
>> Hilfe , Hilfe <<, schreit Mr.Dupont , >> Will den Niemand er Wahnsinnigen Einhalt gebieten ??? …. ( diese knetet im derweilen bestimmt , aber liebevoll den verspannten Nacken ) Autsch , Autsch , geh weg häßliches Weib , lass mich ( Mr. Dupont wackelt heftig mit dem Kopf , wird sie aber natürlich nicht los ) …. Hör sofort auf , ich ….. mmmpffff !!!<<
Ein kurzerhand in seinen Mund geschobenes Eis am Stiel mit künstlichen Erdbeeraromen und großen Kolben , unterbricht den Schwall seiner Schimpfkanonade .
Vor Wut darüber , spreizen sich die Zehen Mr. Duponts in alle Richtungen ab und die kleinen , feinen , blonden Härchen sträuben sich ganz ungemein . Zu allem Überfluß bricht auch seine kaum verschorfte Wunde wieder auf .
>> Bussi, Bussi , Chrerie … << , eröffnet die Dame wieder ihre Litanei .>>Ja , Ja , gleich werde ich dich wieder herunter lassen . Beruhige dich , Cherie !!!<< Sie umarmt seinen Leib , drückt ihn fest , was die Luft zischend aus seinem Körper preßt , leckt ihm inbrünstig die Ohrmuscheln und stöhnt weiterhin . Da bemerkt sie den heftig blutenden Zeh Mr.Duponts , der ihr einen breiten Striemen ins Gesicht gezeichnet hat .>> Oh,Oh , was ist denn das ? Ich glaub es nicht ! Cherie blutet , Cherie hat ein großes Aua !! Aber ich werde dir helfen !!<<
Mit einem Ruck zieht sie Mr. Dupont das Speiseeis auf Permafrostbasis wieder aus dem Mund und bestreicht damit den blutenden Zeh . Unter Einfluß der extremen Kälte schließt sich die Wunde sofort , wobei um deren Ränder Gewebeteile absterben .
>> Ay,Ay , so ist gut , … , Ja , so ist es viel besser , … Naaa!! ( es folgt ein Klaps auf Mr.Duponts Hinterkopf ) … Nicht Rumhampeln !! … So fertig , großes Aua schon wieder viel besser , Cherie !!!<< , sagt sie und pustet den Zeh nacht etwas an .
Die schockgefrorenen Mundpartien von Mr.Dupont sind mittlerweile soweit aufgetaut , daß er wieder einigermaßen sprechen kann.
>> Üve , … Ülveee , .. , Hilve , … , Hilfeee in Gottes Namen !!! Die Wahnsinnige bringt mich noch um , ….. , Hilfeee , … , mmmppfff !<<
Mr.Dupont kommt nicht viel weiter in seinen Ausführungen , den schon wieder füllt der Speiseeisknebel seinen Mund . Kokett trippelt die Damen um den Tisch herum und stellt sich an den Bühnenrand , wo sie dem konsternierten Publikum fesch entgegentritt . Sie stampft mit dem Fuß und neigt den Kopf leicht zur Seite . Ihr zauberhaftes , strahlendes Lächeln nimmt die Besucher dann doch sofort wieder für sie ein , die vorher an eine eklatante Verletzung der Menschenrechtscharta gedacht hatten .
>> Männer , ach Männer !!<< , sagt sie und winkt verächtlich ab und rollt lustig mit den Augen ,
>> Man soll ja Männer niemals widersprechen . Vielmehr soll man den , von Natur aus schon mit einer stark auf Verschleiß angelegten Chromosomenpaar Herren der Schöpfung , immer im Glauben lassen , sie hätten stets die Oberhoheit über das Geschehen , denn dann sind sie viel besser manipulierbar , gell , meine Damen ?!? << , die Dame lächelt schelmisch und zwinkert in das Publikum ( Frau denkt über Mann , der gerade gegen eine akute Schwächephase zu kämpfen hat , daß sie diesem Stück Vieh ohnehin nur die Pest an den Hals wünscht , geschweige das sie Lust hätte ihn zu manipulieren – höchstens zu kürzeren Intervallen bei seiner Atmung ) . Die Dame legt ordentlich Muskete und Messer ab , schnall den Gürtel ab und ordnet kurz ihr Kleid . Dann hebt sie Mr. Dupont mit einem Schwung vom Tisch herunter . Schnell schneidet sie die Kabelbinder durch , woraufhin seine Glieder auseinander federn . Mühsam erhebt sich Mr. Dupont , noch ganz wacklig auf den Beinen . Sie schenkt ihm ein Glas Rotwein aus ihrer Feldflasche ein und bietet es ihm an . .
>> Komm , Cherie ,das wird dir guttun !<<, munter sie ihn auf . Mr. Dupont kippt den harzigen Wein in einem Zug herunter , obwohl er eigentlich trockener Alkoholiker ist . Erfreut wie er das dargebotene Getränk konsumiert hat , schmiegt sie sich eng an ihn .
>> Liebst du mich noch , Cherie ??<< , säuselt sie und klimpert verliebt mit den Wimpern .
Mr.Duont verzieht säuerlich den Mund .
>> Nein !!!<<
Theatralisch sinkt sie mit den Knien auf den Boden der Bühne und mimt die vom Donner Gerührte .
>> Aaaachhh !!! Warum ? Warum ? Warum nur , Cherie , wendest du deine Liebe von mir ab . Ohne dich , vermag ich nicht zu leben …. << , dröhnt es aus ihrer bebenden Brust , wobei sie seine Beine umklammert , >> … Ich kann nicht leben , nicht atmen , nicht denken …. ( zum Publikum ) …. , denkt er , ich für meinen Teil denke nicht daran zu denken , …. ohne deinen Odem zu spüren !!! Weist du mich so schnöde weg von dir ? Soll ich fortan wirklich leben so fern von dir ??? <<
>> Ja !!! <<
Sie stülpt die Unterlippe vor wie ein kleines Kind . Es schein , als ob gleich Tränen über ihr Gesicht fliessen könnten . Doch dann erhebt sie sich und gibt Mr.Dupont schnippisch eine Kopfnuss . Langsam spreizt sie den Zeigefinger ab und schießt mehrmals imaginär auf Mr. Dupont . Langsam hebt sie den Finger an den Mund und pustet in den gedachten Pistolenlauf . Mit lausbubenhaften Lächeln wendet sie sich wieder an das Publikum .
>> Hat man schon so was mal gehört , meine Damen ? Ich denke , daß diese Kerle es doch nicht besser verdient haben , als von fein dosierten Sexhäppchen dressierte Laborratten durch dieses Leben kriechen zu müssen . Habe ich nicht Recht meine Damen ( sie hält ihre Hand ans Ohr und macht einen gespannten Gesichtsausdruck ) ??? <<
Tatsächlich regt sich sofort allenthalben reger Zuspruch im Publikum . Sogar die beiden dekadenten Aristokraten treten ein Stück nach vorn und deuten einen formvollendeten Diener an .Wie ein hochansteckender Virus breitet sich der Zuspruch aus . Immer mehr Damen stehen auf und klatschen begeistert , außer sich vor Zuspruch , Beifall . Ein Besucher versucht seine Frau wieder in den Sitz zu zwingen , doch ein schneller Hieb auf seine frisch geklammerte Augenbraue stellt ihn rasch ruhig .
Die Dame genießt die neue Situation sichtlich . Sie schließt ihrer Augen und breitet die Arme aus .
>> Na bitte !!!<<, sagt sie , >> Ich wußte es doch !!! Die Wahrheit kann man nicht auf Dauer unterdrücken !!! … ( sie atmet einmal tief durch und schreit dann ) …. WAR DAS ALLES ??? ICH KANN EUCH NICHT HÖREN ; MÄDELS !!! IHR KÖNNT DAS NOCH VIEL BESSER , KOMMT SCHON , ICH WEISS ES , VIEL LAUTER , VIEL ; VIEL LAUTER , YEAAAHHH , IHR KÖNNT ES !!!<<
Ein Donnersturm der weibliche Besucher , unter ihnen nur ein paar ewige männliche Opportunisten, folgt . Der Lärm schwillt kontinuierlich an und immer wenn man glaubt , er hätte seinen Höhepunkt erreichen müssen , dann treiben ihn weitere Hinzukommende des Theaterensembles in neue Sphären ( der Controller des Flatscreensublimieres des einen Milizmannes reguliert wie wild die Eigenlautstärke des Gerätes nach oben , damit die Aufmerksamkeit des Milizmannes nicht womöglich abschweift und er die Herrschaft über seinen Geist verliert ) ..
Die Dame steht weiterhin am Bühnen Rand . Sie hat ihre Arme ausgebreitet und die Augen geschlossen . Beinahe meint man die in ihr pulsierende Kraftquelle , wie ein funkelndes Nordlicht , aus ihr herausströmen zu sehen . Jetzt gibt nun wirklich kein Halten mehr . Die Showgirls singen , die dekadenten Aristokraten schmettern aus vollem Halse , die Henkersgehilfen , der Kellner steppt dazu , die Statisten machen alles mögliche , sogar Mr.Dupont ertappt sich dabei , wie er ein Liedchen summt . Während also auf der Bühne das blanke Chaos ausgebrochen ist , entschwebt die Dame in den kräftigen Armen der Trapezkünstler .
Der Generalintendant , entzückt von diesem Genius Loci , strahlt über das ganze Gesicht . Er dreht sich zu dem an der Schubkarre hockenden Oberbürgermeister und tritt ihm einen Stoß in die Seite .
>> Naaa , Chef , Hä , Hä ! Was ist los ??? <<, sagt er hämisch , >> Plumpes Arrangement , aber höchst effektvoll , oder !?! …. Nicht so langweilig , wie auf deinen öden Parteitagen , Hä , Hä !!!
Hey , hörst du mir überhaupt zu ?!?<<
Da er keine weitere Reaktion seitens des Oberbürgermeisters erhält , außer einem idiotischen Grinsen , bei gleichbleibenden Speichelfluß , wendet sich der Generalintendant mit einer verächtlichen Geste ab.
>> Ach , keine richtigen Männer mehr heutzutage unter den Politikern ! Nichts halten die mehr aus . Der kleinste Druck und schon kollabieren sie . Seit dem Hunnenkönig Attila geht`s nur noch bergab , nicht wahr Mädels !?!<< , spricht er mehr zu sich selber und zieht gleichzeitig die mittlerweilen völlig enthemmten Nichten des Oberbürgermeisters fester zu sich . Dann schielt er noch einmal auf den Oberbürgermeister und flüstert den Nichten etwas ins Ohr . Die erröten zwar , ziehen sich dann aber dann doch die Hößchen aus und werfen sie dem Oberbürgermeister in den Schoß . Unter dem allgemeinen Gelächter und Gewiehert der Kegelbrüder , beginnt der Oberbürgermeister die Naht der Schlüpfer sogleich sorgfältig aufzudröseln und diese in gleich große und gleich breite Streifen zu reissen . Das Licht im Saal erlischt und der Vorhang senkt sich .
XXII.
Bernie Schmütz ist nervös , um nicht zu sagen , ziemlich nervös und kurz vor der blanken Panik . Unruhig rutscht er auf seinem Bürostuhl hin und her . Sein Magen ist flau und seine Augen kleben auf dem flimmernden Computerschirm vor ihm , wo die stetig fallenden Notierung seines persönlichen Marktwertes an der Redaktionsbörsentafel fröhlich blinken . Den Kollegen ist Bernie Schmütz persönliche Baisse natürlich nicht entgangen . Sie beginnen bereits ihm aus dem Weg zu gehen , ganz so als ob er eine ansteckende Krankheit hätte . Er kann sie beobachten , wie sie an den Nachbartischen über ihn tuscheln und wie bereits über seine persönlichen Dinge ein heftiges Schachern unter interessierten Leichenfledderern eingesetzt hat . Aus dem Ausland bieten einige zugeschaltete Korrespondenten telephonisch anonym mit . Jemand aus der Nachrichtenabteilung hatte schon Maß an seinen Hosenbeinen genommen . Die Putzfrau verleugnete sich mit verstellter Stimme selber .
Die Schlinge zieht sich um Bernie Schmütz Hals zu , das weiß er wohl . Der stilisierte , frische , blutige Pferdekopf in seinem elektronischen Papierkorb , mit schönen Grüßen von der Geschäftsleitung , hätte als Botschaft nicht deutlicher ausfallen können .
Verdammt , irgendetwas ging da draußen in diesem scheiß Theater vor , an das er nicht rankam . Doch er brauchte diese Topnews unbedingt , denkt Bernie Schmütz , um den Abwärtstrend zu stoppen . Das wäre seine Rettung . Eigentlich hatte dieser Abend für ihn gar nicht so schlecht angefangen . Seine Show war wie immer eine voller Erfolg in der Zielgruppe des sieben bis siebzigjährigen Mobs gewesen . Satte 64 Prozent Einschaltquote bedeuteten , daß er alles richtig gemacht hatte . TV-Totalitarismus ist seine Marke und steht und fällt mit ihm . Doch jetzt war Sand ins Getriebe gekommen – und das konnte das Getriebe auf den Tod nicht ab . Bernie Schmütz Fingerknöchel knacken im Takt der Prol 8 Erkennungsmelodie . Er verstand es nicht , wieso sein Kontaktmann im den Innenraum des Theaters plötzlich verstummt war . Seine gesamte Strategie war darauf aufgebaut . Da Prol 8 sich den Exklusivrechten von HÜHNER-HUGO hatte beugen müssen , war ein Spitzel eingeschleußt worden , der den Sender mit Interna aus dem Gebäude zu füttern hatte .
Irgendsoein Niemand , ein unbeschriebenes Blatt , welcher für ein paar Silberlinge die Ente , die man gedachte in die Welt zu setzen , flügge machen sollte . Zunächst waren die Informationen pünktlich zu jeder Stunde eingetroffen . Aber nun war der Informant verstummt . So oft er aber diese scheiß Telephonzelle anrief , genauso oft ging niemand an den Hörer . Nur das wütende Geschnatter eines Asiaten war als Hintergrundrauschen zu vernehmen .
Bernie Schmütz atmet kräftig durch . Er hat einen Entschluß getroffen . Er würde kämpfen . So einfach würden die lieben Kollegen seine Haut nicht kriegen . Der Code Totale Kontrolle mußte aktiviert werden .
Er steht auf und geht zu einem Panzerschrank in seinem Büro . Mit einem Schlüssel öffnet er ihn . Die Türen schwingen auf und und ein Energieschild baut sich auf . Bernie knöpft sich die Hose auf und legt eine Druckmanschette um sein Glied , welche den individuellen Erektionsdruck registriert , wenn der Identifikationsdruck erreicht ist und den Zugang dan frei macht . Als dieser erreicht ist , fällt der Schild in sich zusammen und gibt einen abgewetzten Lederkoffer frei . Bernie Schmütz zieht in heraus . Löst die Schnappverschlüße und stellt den Koffer auf seinen Schreibtisch . Unter einem Haufen achtlos abgelegten , mit hochdosierten Mesacalin getränkten Werbegescheenken für Kleinkinder , findet er was er sucht .
Er zieht eine kleine , unscheinbare Konsole mit Steuerpult heraus und legt sie auf seinen Schreibtisch vorsichtig ab . Bunte , dünne Hebel mit Rundköpfen auf denen Gespensterfratzen aufgeklebt sind , ragen aus der Konsole . Billiges Plastik Made in Billiglohnland . Oberflächlich betrachtet handelt es sich um ein harmloses Wegwerfprodukt für dreijährige Opfer von Scheidungskriegen mit geringer Sozialprognose . Doch der Schein trügt !
Dieses Ding ist nichts anderes als die teuflische Antwort auf die Erfindung der automatischen Wegblendung von Werbeinseln in den neusten Generationen von Aufnahmegeräten . Sie stammt aus den Laboren von PROL 8 , wo wissenschaftliche Landsknechte im Solde des Senders gewissenlos ihren manipulativen Forschungen nachgehen . Durch die Nutzung des Erdmagnetfeldes können die Funktionen dieser Konsole die totale Kontrolle über werbemüde Humanoiden erlangen . Einmal befallen , verwandeln sich diese Personen bald in willenlose Hüllen mit freiwilliger Selbstbeteiligung im Schadensfall . Derjenige , der die Herrschaft über die Konsole hatte , konnte sich der Sinne , den Köper und Geist der Person bemächtigen . Er sieht , hört , schmeckt ( stufenlos runter zu regeln bei Bedarf ) spricht mit dem übernommenen Körper . Unverhoffter , aber willkommener Nebeneffekt war die völlige , lebenslange Immunisierung der Zielperson gegenüber Zahlungsaufforderungen der Gebühreneinzugszentralen . Einfach das perfekte Medium . Feldversuche bei halbnomadischen Stämmen entlang der Seidenstraße , hatten ermutigende Resultate , hinsichtlich der angestrebten Weltherrschaft von PROL 8 , aufgezeigt .
Zum Schluß der umfangreichen Testreihen mochten die schhlammbeschmierten Wilden gar nicht mehr genug von den Zusammenschnitten der Best-of- Monsters of Mundarthitparaden bekommen . Irgendein sentimentaler Programmverantwortlicher hatte dann , während einer qualitätsorientierten Tauwetterphase in der Senderpolitik , das Projekt einstellen lassen . Was für ein Narr !! Alle Forschungsergebnisse waren weggeschlossen worden . Doch Bernie Schmütz hatte einen Prototyp für sich retten können . Und den würde er jetzt benutzen . Diese Konsole ist jetzt der einzige Kommunikationsstrang , der nicht vom Sender kontrolliert werden konnte . Er durfte niemanden mehr vertrauen , solange seine Notierungen im freien Fall waren . Niemand , vielleicht noch nicht mal sich selber . Auch seiner Mutter nicht mehr . Die hatte bestimmt schon die Seiten gewechselt .
Per Knopfdruck verdunkeln sich die Scheiben seines Büros . Panzerplatten fahren herab , Sicherheitsschlösser rasten ein , das Licht erlischt . Bernie Schmütz nimmt ein , im Laufe der Jahre , porös gewordenes Gummifroschkostüm aus dem Koffer und zwängt sich hinein . Hoppla, es muß eingelaufen sein , denkt er , denn seine Wabbelwampe war bestimmt nicht größer geworden im Laufe der Jahre . Schließlich schafft er es . Ein kurzer Blick noch sicherheitshalber auf die Bedienungsanleitung ( Auszug aus dem Handbuch : … maken soft knicki-knacki mit lahnge lustig blau Stab drei Runden nac rechds und maken dan Knöpf schnell , schnell um Busen bis du bist in die Kopf … ) , aber das bringt wie immer nichts . Bernie Schmütz konzentriert sich total . Er stülpt sich den Froschkopf über und reibt an den roten Froschaugen . Sofort baut sich ein elipsenförmiges Feld um ihn auf . Der Totale Kontrolle Code nimmt seinen Lauf . Bernie Schmütz steckt zwei Froschfinger in den Mund .
XXII.
Auf dem Platz vor dem Theater herrscht Ruhe . Die Crew vom PROLL 10 lungert weiterhin auf der Treppe zum Theater herum und hat nichts zu tun , nachdem der von Hotte Blender initiierte Pilotfilm im Kasten ist . Herrn Müller geht es im Moment nicht besonders gut . Er stöhnt und schnauft , während ein Sani Kreislauf stabilisierende Maßnahmen eingeleitet hat . Hotte Blender selber steht grübelnd an der von den Milizmännern aufgetürmten Absperrungen , als ihn ein schriller Pfiff aus den Gedanken reißt . Er dreht sich verwundert um und sieht Fred , den Mechaniker , mit beiden Armen wild winken . Hotte Blenders Gesicht verzieht sich .
>> Schnauze Fred << , bürstet er ihn barsch ab und will sich schon wieder abwenden , doch dann stutzt er als ihn Fred in reinster Hochsprache anspricht.
>> Nun mal ganz sachte , Hotte , hab jetzt echt keine Zeit mich auf deine Chefallüren einzulassen , vorallendingen vom Kolonnenführer von meinen Gnaden klar !?! Also , beweg deinen Arsch mal ganz schnell zu mir her , aber dalli , dalli !!!<<
Hotte starrt Fred ungläubig an . Konnte das möglich sein , schießt es ihm durch den Kopf ? Totale Kontrolle Code an einem lauen Sommerabend ? Was ist den hier los ???
>> W-w-w wie jetzt ? Was ? Äähh … ? << , stottert Hotte und geht ein paar Schritte näher ran an Fred . Mit großen Augen starrt er ihn ins Gesicht .
>> Glotz nicht so blöde , Hotte ! Dir fallen ja gleich die Augen raus !! << . läßt Bernie Schmütz Fred sagen und streift mehrmals mit den Fingern über die Froschaugen , um die Optik von Fred besser zu justieren . Dann wird Hotte Blenders Gesicht gestochen scharf . Im Hintergrund sieht Bernie Schmütz einen Rettungssanitäter einer liegenden Gestalt mehrmals Elektroschocks verabreichen und eine Frau auf allen Vieren sich krampfartig erbrechen . Ein paar andere Leute aus der Crew balgen sich offensichtlich um Würste .
>> Was geht den hier für eine Scheiße ab , Hotte , kannst du mir das mal erklären !?! << herrscht Bernie Hotte an . Der wirft einen flüchtigen Blick nach hinten und zuckt nur mit den Achseln , ganz so als ob ihn die ganze Sache nichts angehen würde .
>> Ach nichts weiter , nur so ein Idiot !! murmelt Hotte . Er tritt ganz dicht an die Gestalt von Fred heran und packt ihn bei den Schultern . >> Mensch , Mensch , Totale Kontrolle Code , und ich dachte das wäre für alle Zeiten im Giftschrank verschwunden ! Verdammt nochmal , es funktioniert tatsächlich !!!<<
Bernie Schmütz läßt Fred sich schütteln , so daß Hotte weggestoßen wird .
>> Nun ist gut ! Reißt dich zusammen und hör mir genau zu , Hotte !<<, herrscht Bernie ihn an .
Hotte zieht die Mundwinkeln nach unten und hebt die Hände mit den Innenseiten nach oben.
>> Schon gut , schon gut , kein Problem !<<
Bernie packt Hotte am Arm und geht ein paar Schritte in den Schatten des Theaters . Aus der PROL 8 Crew heben sich ein paar Köpfe und halten die Nüstern zur Witterungsaufnahme in den abendlichen Wind . Doch schnell hat wieder der betäubende Duft der Würste ihre volle Aufmerksamkeit .
>> Paß auf Hotte ! Ich habe das untrügliche Gefühl ,daß in diesem scheiß Theater irgendeine irre Sache abgeht von der ich unbedingt wissen muß , was es ist , wie es ist und wie es vielleicht hätte sein können !! Unbedingt !! Und du bist momentan der Einzige , der das für mich rauskriegen kann . Würde auch alleine diesen Kerl da rein steuern , weiß aber nicht , wie lange ich ihn unter Kontrolle halten kann !!<<
>> Verstehe , verstehe , Bernie , verstehe ! << , heuchelt Hotte >> Aber was ist mit unseren Leuten , die wir da drin haben müssen ?? <<
>> Scheiß auf die Leute , scheiß drauf , sag ich dir !! Es geht jetzt nur um dich und ich rate dir mich jetzt nicht hängen zu lassen , denn du kannst dich ja vielleicht noch erinnern , was für eine ganze Kleinigkeit von dir in meinem Banksafe deponiert ist , oder !?!<<
Hotte duckt sich unter den Worten , wie unter Peitschenhieben . Oh ja , er wußte genau , was Bernie meinte und verfluchte wiedereinmal die Normen der Gesellschaft , die ihn und seinen Trieben immer zum Außenseiter jenseits der Legalität hatten werden lassen .
>> Klar , Bernie , weiß ich !!<< , murmelt Hotte und blickt auf seine Schuhspitzen .
>> Gut ! Dann weiß du ja , was ich will . Interviews , Hintergrundberichte , Geschwätzt und Gerüchte und wenn es gar nicht anders geht , dann eben auch die Wahrheit !!! Egel wie , egal was ! Nur krachen muß es !!! Ist das klar , Hotte !! <<
>> Ja , ja , ist völlig klar !! Aber ich werde Unterstützung brauchen . Die Bewachung des Theater ist in der letzten Stunde um ein vielfaches verstärkt worden . Es wird nicht einfach sein da rein zu kommen !! <<
>> Dein Problem , Hotte !! Schick doch ein paar deiner Leute als Minenhunde los , ist doch scheiß egal , aber mach was !!! …. Wenn es etwas Neues gibt , verpaß diesem typen eine Kopfnuss , dann werde ich sofort wieder da sein !<<
XXIV.
Mann : ( kauert wie ein gehetztes Tier zwischen den Stuhlreihen , hält das eine Bein seiner Frau fest umklammert , seine Kiefer mahlen ununterbrochen Saure Drops , jault ) Mutti , Mutti , hör doch mal …. Wir , wir , … , wir müßen hier weg ! Ich bin sicher ,daß gleich was ganz Schlimmes passieren wird !!! …. Wach doch wieder auf , bitte , bitte !!! … Spürst du den nicht das Grollen unter unseren Füssen ?? …. Es wir immer stärker !!... <<
Frau : ( liegt dahin gestreckt , ein Bein über die Lehne gelegt , fächelt sich schwach in das selig entglittene Gesicht , spürt den Mann gar nicht an ihrem Bein , spürt nur das Grollen und die Erschütterungen , die immer stärker ihren Unterleib hoch wandern , sagt , schwach , kaum hörbar )
… Schön , ach wie schön , … , die Kunst , oder den Tod , aaachh , wie schön !!<<
XXV.
Der Generalintendant blickt hinunter in den Zuschauerraum und die im Dunkel der Pause liegenden Theaterbühne. Seine Augen weiden sich an der Angst , die zu ihm hinauf strömt . Brüsk weist er die um noch mehr Liebkosungen bettelnden , jugendlichen Gespielinnen ab . Der umnachtete Oberbürgermeister bekommt noch einen Tritt mit dem Fuß ab , jault auf und verzieht sich . Auf seinen Wink hin marschiert ein Preisboxer seiner Eskorte zu einem im hintersten Winkel der Loge aufgetürmten Haufen ungewaschener Bettwäsche und kramt einen in die Jahre gekommenen Schiffstelegraphen hervor . Mühsam schleppt er das Gerät zu seinem Chef . Der Generalintendant wischt versonnen mit seinem Ärmel über das blinde Glas , das dabei knirscht und ein wenig mehr splittert . Den Kopf leicht geneigt sucht der Generalintendant den Einschaltknopf der Funkfunktion des Schiffstelegraphen . Er legt den Schalter um und das Gerät bäumt sich kurz einmal auf , schüttelt sich und eine kleine grüne Leuchtdiode zeigt an das er nun bereit ist . Dann umklammern seine Hände den chromblitzenden Hebel . Wie im Tropenfieberrausch starren seine Augen hinab in den Saal . Schade nur , denkt er , daß Tante Hildegard seine drängenden , schmeichelnden , dem Mittel zum letalen Zweck dienende , Einladungen partout nicht nachkommen wollte . Wirklich schade !
XXVI.
>> …. , also , weiß du , Freund , ich weiß ja , daß ich nicht alles weiß , aber weiß du was mir aufgefallen ist ? … ( der verhärmte , früh gealterte Mann , dem lange weiße Zotteln um den langen Kopf baumeln , ist verzweifelt , denn der , vor kurzem , neben ihn , anstelle des wahnsinnig gewordenen Diplompsychologen , an die Ruderpinne angekettete Handwerker , redete ununterbrochen ) …. Nein ? Wirklich nicht ?? … ( der Handwerker holt tief Luft ) … Also !! .. Warum singen eigentlich Menschen , muß doch die Frage aller Fragen sein . Warum verschwenden sie soviel Energie wird von den Menschen aufgebracht für nur ein paar vermeintlich schöne Töne ? Bringt das die Menschheit wirklich weiter in der Evolution ? Haben sie dadurch die Männchen elementare Vorteile im Paarungsverhalten von humanoiden Weibchen ? Ich weiß nicht so recht ! Ich glaube eher nein!! Darüberhinaus muß man sich auch fragen , warum das Böse nie aufhört böse zu sein , obwohl doch im Universum immer und ausschließlich mindestens ein positives Materieteilchen mehr existiert , als ein Negatives . Ist die Dunkle Materie vielleicht nichts anderes als das kosmische Speichermedium für alles vergangene Leben und sein Quelle zugleich ??? Verdammt , diese Fragen machen mich noch mal total verrückt !! ( gut zu hören , denkt der Mann neben ihn , dann besteht ja noch Hoffnung , daß er irgendwann mal einfach die Klappe hält . Ihn jedoch reicht es , schließlich muß man nicht alles aushalten müssen )
Da Gott nicht existiert , ist doch alles erlaubt , oder !?! ( der Handwerker reibt sich das Kinn und blickt in die Dunkelheit des Domes über ihn , alias The Zwinger , die geheime Energie und Technikzentrale im Belle Epoque Ambiente , zu der sich der Generalintendant von alten Büchern aus der Bibliothek von Tante Hildegard hatte inspirieren lassen ) Mmmhh , … , genauer gesagt , ist es denn nicht so , daß am Ende eines jeden Geburtskanales ein Schild aufgestellt werden müßte auf dem stehen sollte : Neuankömmling , tritt ein und laß jede Hoffnung fahren !!! ( der Handwerker stupst den zotteligen Mann neben sich in die Seite ) Hey , was meinst du eigentlich ??? ( der aber ist gerade dabei aus seinen Zotteln einen ziemlich komplizierten Seemannsknoten zu knüpfen , an dem der sich gedenkt selber zu entleiben , doch justament stellt sich , unter beachtlichen Getöse , der im Dom hängende Schiffstelegraph auf : Volle Kraft voraus ) .
Werkschutzmänner von HÜHNER-EGON blasen hektisch in ihre Trillerpfeiffen . Geleerensklavenaufseher ( Ja , genau , dieselben die normalerweise bei PROL 8 outgesourct sind ) schwingen ihre Peitschen durch die Luft , um die an die Pinnen Geketteten anzutreiben . Das scharfe Knallen eingefetteter Ochsenpeitschen läßt den Handwerker jäh verstummen , was den Mann neben ihn für einen Moment glücklich macht , doch es ist zu späte . Langsam entfleucht das Leben aus ihn . Ein anderer Mann hält die plötzlich aufgekommene Spannung nicht . Er reisst an seinen Ketten und sein Kichern klingt wie das einer waidwunden Hyäne .
>> Ruuhhheeee , verdammt noch einmal !!!<< , brüllt ein berserkerhafter Werkschutzmann von HÜHNER-EGON , >> Bei dem Gestöhne hört man ja nicht einmal mehr sein eigenes Peitschenknallen !!!!<< Eine Logik , die die Angeketteten durchaus nachvollziehen können und so kehrt wieder Stille ein . Nur ab und an hört man noch ein kurzes Ächzen und Stöhnen . Außerdem ist es sehr heiß in The Zwinger , denn schließlich ist man dem Erdmittelpunkt ein gehöriges Stück näher . Der Schweiß der Rudersklaven fließt in Strömen sammelt sich dann in einem ausgeklügelten Drainagesystem von wo es zu einer Trinkwasseraufbereitung weiter geleitet wird . Das entlastet den Etat des Theaters und damit zugleich den Säckel des Steuerzahlers . Die Wenigstens der hierher Verbrachten wußten überhaupt , warum sie hier waren . Sicher , der eine oder andere hatte die Konsequenzen der nicht rechtzeitig erfolgten Stornierung seiner Jahreskarte der Hochpreisklasse zu tragen gehabt , oder war simplen Denunziationen seiner neidischen Nachbarschaft zum Opfer gefallen . Aber das alles spielte dann irgendwann einmal keine Rolle mehr . Man war Teil einer Schicksalsgemeinschaft geworden . Anfangs kamen noch Fluchtversuche vor . Tunnel wurden gegraben doch verlor man zu schnell die Orientierung in der Kontinentaldrift .
In dieser Saison hatte HÜHNER-EGON exclusiv die Betreibung der Anlage übernommen und den Rudersklaven ging es verhältnismäßig gut dabei . Im Jahr davor war ein feministisches Verlag im Streit geschieden , was auch gut war , denn unter den Weibern herrscht ein rauerer Wind . Nichtsdestotrotz hatte HÜHNER-EGON die Norm heraufgesetzt , um Strom für seine Hühnerbatterien zu stehlen .
Der metallisch glänzende Rumpf einer römischen Trierre im Mittelpunkt von The Zwinger beginnt in einem Schlitten sich hin und her zu bewegen und erzeugt so eine Menge kinetischer Energie , welche die Apparaturen des Theaters antreibt . Die Maschinerie erwacht . Langsam aber unaufhaltsam steigt sie in die Höhe .
Der Werkschutzmann äugt nochmal misstrauisch in die weite Runde . Er stimmt sich mit seinen Kollegen ab und setzt dann seinen Rundgang fort , der dann in seinem Büro in der Aufsichtszentrale endet . Sorgfältig legt er seine Trillerpfeife in eine Schachtel und verstaut sie in seinem Spind . Seine Schicht war auf der Zielgeraden . Er rührt sich noch schnell einen Muskelsteroide-Eiweißbanenschock und macht es sich auf seinem Bürostuhl bequem . Per Hausinternen Intranet schaltet er sich in den Theatersaal und ist neugierig , wie es nun weitergeht .
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Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Sokratis Tsiolakis).
Der Beitrag wurde von Sokratis Tsiolakis auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.06.2012.
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Was willst du mal werden? - Wenn's geht, Poet!
von Wolfgang Luttermann
Nimm doch die Freiheit dir heraus,
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