Joana Angelides

Mein neuer Freund


Ich bin seit gestern wieder sehr glücklich, denn ich habe einen neuen Freund gefunden und wir sind zusammen gezogen.
In sein Domizil natürlich, denn er hat ein großes Haus mit Garten und meine bisherige Bleibe war eher klein, eigentlich eine Wohngemeinschaft.
Ich habe gar nichts mitgenommen, es gehörte mir ja fast nichts, denn alles was mir gehörte wurde immer von allen, ohne daß sie jemals um Erlaubnis baten, mitbenutzt.

Wir sahen uns einige Male so um die Mittagszeit herum und er fiel mir sofort auf. Er war groß und schlank, meist sportlich angezogen und ich hatte gleich das Gefühl, er war einsam und suchte Anschluß. Ich merkte das an seinen Augen, wenn er die Sonnenbrille abnahm.

Immer, wenn er kam, versuchte ich seine Aufmerksamkeit zu erringen, ich hielt meinen Kopf sehr gerade und versuchte mit meinem Blick seinen Blick zu fesseln, ohne aufdringlich zu erscheinen. Ich suchte auch immer einen Platz in der Sonne, so nahe beim Eingang, nur um ihm aufzufallen.

Gleich beim zweiten Aufeinandertreffen kam er auf mich zu und lud mich zu einem Spaziergang ein. Wir fuhren mit seinem Wagen in das nahe gelegene kleine Wäldchen und liefen dann gemeinsam durch das Unterholz, bis ich ganz außer Atem kam.

Dort war eine kleine Hütte, der ein Buffet angeschlossen war und dort ruhten wir uns aus. Er wollte sich nicht auf einer der Bänke setzen, also legten wir uns in die kleine Wiese und er erzählte mir von seiner letzten Freundin, die es nun nicht mehr gab. Er erzählte mir von den stillen Abenden in seinem Haus am Kamin sowie von den einsamen Spaziergängen. Ich war ganz Ohr, hörte ihm zu und nickte immer wieder verständnisvoll.

Nachdem wir uns einige Male getroffen hatten, waren wir uns einig, wir waren wie für einander geschaffen und eigentlich sollten wir zusammen ziehen.

Nachdem alle notwendigen Schritte unternommen waren, leben wir nun zusammen und sind sehr glücklich.
Gleich am ersten Tag als ich den Vorraum betrat, stieß ich, natürlich zufällig und ungewollt, das kleine Tischchen dort um und das Bild seiner Freundin (naja eigentlich doch Ex-Freundin!) fiel auf den Boden und das Glas zerbrach. Er räumte die Scherben weg und legte das Bild in die Lade des kleinen Tischchens. Dort gehört es auch hin!

Meine Augen baten um Verzeihung, er lächelte mich an und seine Hand berührte sehr zärtlich meine Nasenspitze.

Ich habe nun eine Menge zu tun, das Haus und der Garten muß doch erkundet werden, verschiedene Dinge auf einen anderen Platz gebracht werden, so wie es eben mir gefällt und außerdem will ich ja die Nachbarschaft kennen lernen. Gleich nebenan lebt eine Familie mit zwei Kindern und einer entzückenden Pudeldame, die mich jedoch vollends ignoriert.

Auf der anderen Seite der Straße ist das Haus einer alten alleinstehenden Dame mit zwei Katzen, die mich über den Zaun nur angefaucht haben. Ich habe die alte Dame kurz begrüßt, aber sie hat sofort die Türe wieder zugemacht. Naja.


Das alles kann ich während des Tages machen, aber abends, wenn er nach Hause kommt, gehört die ganze Zeit nur uns beiden.
Wir gehen viel spazieren, machen Jogging, oder springen über herumliegende Hindernisse, wie umgestürzte Baumstämme oder kleine Hecken.
Am Abend dann, nach dem Abendessen sitzt er gerne beim Kamin und liest ein Buch und ich genieße die Wärme und das Knistern der Holzscheite und schaue in die schwelende Glut.

Ich sitze dann immer zu seinen Füßen, habe meinen Kopf auf den Pfoten oder auf seinen Knien. Nur wenn mir unbekannte Geräusche zu hören sind, knurre ich leise und meine Ohren stellen sich auf. Dann klopft seine Hand beruhigend auf meinen Rücken und ich lasse meinen Kopf wieder sinken. Mein Schwanz klopft dann auf den Teppich und signalisiert Behaglichkeit.


Oben auf der Sitzbank neben ihm darf ich leider nicht sitzen, ich bin ja schließlich ein Hund.



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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.03.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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