Annette Messerschmidt

Verschlafen

Verschlafen
Erschrocken wachte Claudia aus ihrem Traum auf. Ihr Mann Stefan hatte sie aus dem Schlaf gerissen, als er bemerkte, dass er den Wecker überhört hatte. Ausgerechnet heute musste er verschlafen. Auch seine Frau Claudia hatte wohl den Wecker überhört. Vielleicht hatte der Wecker aber auch seinen Geist aufgegeben. Stefan hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Wenn er sich nicht beeilte, wäre er zu spät.
Heute morgen sollte die Besprechung in der Firma stattfinden. Die Umsätze waren in letzter Zeit stark zurückgegangen. Deshalb war für heute dieses Meeting angekündigt worden. Stefan musste unbedingt daran teilnehmen.
Da sie nur über einen PKW verfügten, den seine Frau benötigte, um die Einkäufe zu erledigen und die Kinder zum Kindergarten zu bringen, fuhr Claudia ihn jeden Morgen zu seiner Arbeitsstelle. Sie nahmen dann die Kinder gleich mit, um sie am Rückweg im Kindergarten abzugeben. Aber heute war keine Zeit mehr, die Kinder noch zu wecken, wenn er nicht zu spät kommen wollte.
Claudia sprang aus dem Bett, kämmte sich, putzte sich die Zähne. Sie wollte noch kurz duschen, aber ihr Mann sagte, dass jetzt keine Zeit mehr dafür sei. Sie sollte ihn schnell zur Firma fahren, die gut eine halbe Autostunde entfernt lag, dann nach Hause fahren, duschen, um anschließend die Kinder für den Kindergarten fertig zu machen.
So ließ Claudia kurzerhand ihr dünnes Nachthemd an und zog eilig ihren Bademantel über. An den Füßen trug sie Badesandalen. Es würde ja keinem auffallen, denn ihr Auto stand in der Garage, die durch eine Tür mit dem Haus verbunden war. So rannte Claudia schließlich los und setzte sich auf den Beifahrersitz. Ihr Mann saß schon im Auto und wartete ungeduldig. Stefan startete den Motor und fuhr los. Er hielt sich nicht so genau an die Geschwindigkeitsvorschriften, so dass er in 25 Minuten bereits bei der Firma ankam. Claudia verabschiedete sich kurz mit einem flüchtigen Kuss von ihrem Mann und rutschte rüber auf den Fahrersitz. Nun wurde es Zeit, zurückzufahren. Schließlich mussten noch die Kinder geweckt werden. Claudia freute sich schon auf eine heiße Dusche. Sie fühlte sich einfach nicht wohl, wenn sie nur mit einer Katzenwäsche aus dem Haus ging.  
In der Innenstadt herrschte heute reger Verkehr. Claudia suchte im Handschuhfach des Wagens nach einer CD, die sie bei Laune halten sollte. Das Radioprogramm sagte ihr heute gar nicht zu. Es wurde zu viel geredet. Dazu hatte sie jetzt keine Lust. Sie wollte sich durch ihre Lieblingsmusik in eine fröhliche Stimmung bringen. So kramte sie bei roter Ampel im Handschuhfach, um die CD von Joe Cocker zu suchen.
Seine Art zu singen, war jetzt genau das Richtige. Sie hatte durch ihr Kramen im Handschuhfach nicht bemerkt, dass inzwischen die Ampel auf grün gesprungen war. Der Fahrer des Wagens hinter ihr zeigte mit unüberhörbarem Hupsignal, dass er sich ärgerte. Claudia fuhr an. Plötzlich ging ihr der Motor aus. Der Fahrer hinter ihr war so dicht aufgefahren, dass er nicht mehr bremsen konnte und so in ihren Wagen fuhr. Ein lautes Krachen brachte den Wagen hinter ihr ebenfalls zum Stehen.  Claudia sah im Rückspiegel, wie der Fahrer schimpfte und sein Handy aus der Tasche zog.
Schließlich stieg er aus und kam zu ihr. Er beschimpfte sie und sagte, dass er die Polizei gerufen hätte. Sie würden gleich kommen. Einige Minuten später kam ein Streifenwagen zu der Unfallstelle. Ein Polizist ging zu dem Wagen von Claudia und bat um ihre Papiere. Sie reichte sie ihm. Dann bat der Polizist sie, auszusteigen. Es hatten sich mittlerweile ein paar Schaulustige versammelt, die das Geschehen aus nächster Nähe verfolgen wollten. Claudia blieb nichts anderes übrig, als auszusteigen.
Als die Leute sahen, dass sie einen Bademantel und Badelatschen trug, konnten sie ihre Schadenfreude nicht mehr verbergen. Sie lachten sich kaputt. Auch der Polizist grinste leicht, als er sie fragte, ob  sie immer so vor die Türe ginge. Claudia wäre am liebsten im Erdboden versunken. Der Unfallgegner war plötzlich gar nicht mehr so wütend, sondern lachte schallend über ihr Outfit. Die umstehenden Leute hielten mit den Handys das Geschehen fest, um auch anderen diesen Spaß nicht vorzuenthalten.  
Als alle Details im Protokoll festgehalten waren und die Polizei den Fall aufgenommen hatte, durfte Claudia schließlich endlich wieder in ihr Auto steigen und nach Hause fahren.
 
 
 
Um den Schaden am PKW würde sie sich später kümmern. Nun musste sie sich erst mal von dem Schrecken erholen. Sie würde als erstes endlich ausgiebig duschen, sich anziehen und die Kinder zum Kindergarten bringen.
Was für eine schreckliche Blamage das gewesen war! Claudia wollte diesen Vorfall so schnell wie möglich wieder vergessen.
Leider gelang ihr das jedoch nicht. Es war nicht nur so, dass sie selbst dieses Erlebnis so schnell nicht vergessen würde, sondern sie hatte auch keine Möglichkeit dazu. Denn am nächsten Morgen, als sie die Zeitung beim Kiosk kaufte, fand sie ein Bild von sich mit einem Bericht über diesen Unfall.
So hatten auch die Nachbarn und alle Leute, die die Zeitung lasen, einen Heidenspaß an diesem Vorfall.
Sie beschloss, von nun an nie mehr und unter keinen Umständen im Bademantel aus dem Haus zu gehen, nicht mal, um die Post aus dem Briefkasten zu holen. So etwas sollte ihr nie wieder passieren.

Diese Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit. Zum Glück ist jedoch nicht mir persönlich dieses Mißgeschick passiert, sondern einer mir fremden Person. Die Namen und der genaue Verlauf der Geschichte sind jedoch von mir frei erfunden.
Annette Messerschmidt, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.08.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Lebenseindrücke: Gedichte von Annette Messerschmidt



Die Autorin, geboren 1960, wohnt im Dreiländereck Nordrhein-Westfalen/Hessen/Rheinland-Pfalz. Erst spät hat sie ihr Talent zum Dichten entdeckt und ihre Gedanken und Erfahrungen zusammengetragen. So entstand eine Gedichtsammlung, an der die Autorin gerne andere Menschen teilhaben lassen möchte, und daher wurde der vorliegende Band zusammengestellt.

Das Leben ist zu kurz, um es mit Nichtigkeiten zu vergeuden oder um sich über die Schlechtigkeit der Welt allzu viele Gedanken zu machen. Wichtig ist, dass man sich selbst nicht vergiften lässt und so lebt, dass man jederzeit in den Spiegel schauen kann.

In diesem Sinn denkt die Autorin über Natur, Naturereignisse und ihre Lebenserfahrungen nach. Dem Leser wünscht sie eine positive Lebens-einstellung, viele gute Gedanken und Freude an der Lektüre.

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